fmb-1836-11-12-01
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Leipzig, 12. November 1836
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; S. 1: Die Unterschrift und abschließende Grußzeile schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy auf die erste Seite; Adresse, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
frei.
Außerdem daß es meine Pflicht gewesen wäre, Ihnen längst zu schreiben – und wärs auch nur um für Ihren lieben letzten Brief zu danken – wie gern hätte ichs gethan; und wie täglich es zu thun gewünscht. Aber es ist, als sollte ich mir die schönen lieben Feiertage die ich den Sommer über und gar im Herbst bei Ihnen gehabt nun wieder einbringen und soviel arbeiten, wie nur irgend möglich, wenigstens bin ich noch nie so beschäftigt gewesen, wie in dieser Zeit hier. Denke ich nun zuweilen an die Furcht
Balllistedenke, die ich in den Tagen meiner Abreise gesehn habe, an die 5 Tage die diese Visiten dauern sollen, und an die 10 Tage die ich um Weihnachten nur bei Ihnen sein kann, dann möchte ich doch fragen und bitten ob da nicht irgend etwas gestrichen werden könnte? Wenn ich nun nur 2 Tage dort sein könnte, so könnte ich ja doch nicht die Visiten alle machen – und dann könnten mirs die Leute doch auch nicht übel nehmen. Und müssen sie denn gerade wissen, wie lange ich da bin? Und muß die Zeit denn auch wieder eine unruhige, Ceremonial-Zeit werden, da sie doch gar so glücklich, ruhig, so schön sein könnte, wie gar keine andre! Verzeihen Sie mir nur, liebe Mama, daß [ich] schon wieder mit Bitten anfange, aber dies liegt m[ir] schon lange auf dem Herzen! – Wie vergnügt müss[en] Sie jetzt sein,
Meine freundlichsten Grüße an
Leipzig d. 12 Nov. 1836 Liebe Mama Außerdem daß es meine Pflicht gewesen wäre, Ihnen längst zu schreiben – und wärs auch nur um für Ihren lieben letzten Brief zu danken – wie gern hätte ichs gethan; und wie täglich es zu thun gewünscht. Aber es ist, als sollte ich mir die schönen lieben Feiertage die ich den Sommer über und gar im Herbst bei Ihnen gehabt nun wieder einbringen und soviel arbeiten, wie nur irgend möglich, wenigstens bin ich noch nie so beschäftigt gewesen, wie in dieser Zeit hier. Denke ich nun zuweilen an die Furcht Ihrer Frau Mutter, daß ich ohne meinen Wagen hinter mir nicht leben könne und an mein ganzes independentes Treiben auf der Reise, und vergleiche mich dann mit dem Stock-Musiker den ich hier spielen muß so ist der Unterschied groß genug, und ich denke Ihre Frau Mutter würde zufrieden sein; wer weiß aber, ob Sie es so ganz wären! Gleich daß ich so lange nicht schreiben konnte, das verdient leider schon Ihre Unzufriedenheit, und dann empfehlen Sie mir auch in Ihrem letzten lieben Briefe wieder an, nicht viel zu arbeiten und mich sehr zu pflegen – und das beides ist mir wirklich fast unmöglich. Zwar neulich hätten Sie mich gelobt, als ich mir nach der Aufführung des Oratoriums in einer – Portechaise nach Hause tragen ließ, worüber meine Bekannten noch heut mich auslachen. Aber da gedachte ich Ihrer Warnungen und setzte mich über alle Moquerien weg, in die Portechaise hinein; denn Wagen giebts hier nur in den Vorstädten, die Stadt ist zu klein dazu, und ich bin seit meines ganzen Aufenthalts nur einmal in der Stadt gefahren, das war als ich Gevatter stehen mußte, wo der große Wagen in dem die Pathen ankommen ganz obligat ist. (Wenn Sie dies Ihrer Frau Mutter mittheilen, so hoffe ich daß sie darüber meine Frankfurter Bequemlichkeit vergessen wird) . Aber die viele Musik, die zu machen ist, und die ewigen Besuche und Geschäftsbriefe und billete – die zerstreuen eben so wie sie anstrengen, und ich könnte zehnmal mehr in solcher Zeit thun, und mich doch viel weniger ermüden. – Da hoffe ich denn von ganzem Herzen auf die Weihnachtstage, und wie ich mich diesmal darauf freue, so ists wohl freilich noch nie gewesen. Wie glücklich werden die sein! Aber dann kommt auch manchmal wieder die Furcht vor den vielen Visiten und drückt mich, als tüchtiger Cauchemar. Ists denn gar nicht zu machen, daß in dem Visitenbudget große Reductionen eingeführt würden? Natürlich treibt michs ja selbst und ich habe den lebhaften Wunsch, alle die Ihnen irgend verwandt sind, und Ihnen irgend nahe stehen, kennen zu lernen; aber wenn ich an die Ballliste denke, die ich in den Tagen meiner Abreise gesehn habe, an die 5 Tage die diese Visiten dauern sollen, und an die 10 Tage die ich um Weihnachten nur bei Ihnen sein kann, dann möchte ich doch fragen und bitten ob da nicht irgend etwas gestrichen werden könnte? Wenn ich nun nur 2 Tage dort sein könnte, so könnte ich ja doch nicht die Visiten alle machen – und dann könnten mirs die Leute doch auch nicht übel nehmen. Und müssen sie denn gerade wissen, wie lange ich da bin? Und muß die Zeit denn auch wieder eine unruhige, Ceremonial-Zeit werden, da sie doch gar so glücklich, ruhig, so schön sein könnte, wie gar keine andre! Verzeihen Sie mir nur, liebe Mama, daß ich schon wieder mit Bitten anfange, aber dies liegt mir schon lange auf dem Herzen! – Wie vergnügt müssen Sie jetzt sein, Ihren so lang entbehrten Sohn wieder bei sich zu haben; ich freue mich sehr auf ihn, und viel und oft mit ihm zu plaudern obwohl nicht zu rauchen, denn das mochte der Vater so gar nicht leiden, daß wirs niemals anfangen durften und seitdem auch nicht gelernt haben. Zwar habe ich manche Versuchung gehabt, vor allem die der Düsseldorfer Maler, die mich täglich so einrauchten mit langen und kurzen Pfeifen und Cigarren, und mir so zuredeten mitzudampfen, daß ich noch nicht recht begreife, wie ich der Verführung widerstanden habe, aber da ichs dort nicht gelernt, werde ich wohl nie dazu kommen. Liebe Mama, verzeihen Sie mir diesen kurzen und dummen Brief, ich habe aber solch einen Schnupfen und Husten daß mirs noch viel dümmer im Kopfe ist, als in diesem Brief; das ist wohl viel gesagt. An Cécile muß ich heut noch einige Zeilen schreiben, das ist mir jetzt so sehr zum Bedürfniß, zum liebsten geworden daß mir erst recht wohl wird, wenn ich ihr wieder alles gesagt habe, was ich denke und thue den Tag über; wie mich nun ihre Briefe beglücken, wie schön und gut, wie ganz liebenswürdig sie sind – eben so wie die Cécile selbst – das will ich Ihnen besser mündlich einmal sagen, schriftlich kann ichs nicht ordentlich, ich möchte am liebsten sonst so einen Brief abschreiben. Sie sagt mir auch zuweilen, daß sie mir gut ist – begreifen kann ichs noch immer nicht, aber nichts stimmt mich so zum aufrichtigen Danke gegen Gott als dieses übergroße Glück das ich ihr verdanke. Und wie oft und stündlich ich da zu Ihnen danke, das wissen Sie, liebe Mama. Ihr Felix. Meine freundlichsten Grüße an Julie.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1836-11-12" xml:id="date_ed5dc8f4-e67b-4d51-ab2d-ec68329b2a28">12. 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Natürlich treibt michs ja selbst und ich habe den lebhaften Wunsch, alle die Ihnen irgend verwandt sind, und Ihnen irgend nahe stehen, kennen zu lernen; aber wenn ich an die <hi rend="underline">Ballliste</hi> denke, die ich in den Tagen meiner Abreise gesehn habe, an die 5 Tage die diese Visiten dauern sollen, und an die 10 Tage die ich um Weihnachten nur bei Ihnen sein kann, dann möchte ich doch fragen und bitten ob da nicht irgend etwas gestrichen werden könnte? Wenn ich nun nur 2 Tage dort sein könnte, so könnte ich ja doch nicht die Visiten alle machen – und dann könnten mirs die Leute doch auch nicht übel nehmen. Und müssen sie denn gerade wissen, wie lange ich da bin? Und muß die Zeit denn auch wieder eine unruhige, Ceremonial-Zeit werden, da sie doch gar so glücklich, ruhig, so schön sein könnte, wie gar keine andre! Verzeihen Sie mir nur, liebe Mama, daß [ich] schon wieder mit Bitten anfange, aber dies liegt m[ir] schon lange auf dem Herzen! – Wie vergnügt müss[en] Sie jetzt sein, <persName xml:id="persName_7e5498ec-149f-45e2-a59b-f486f3e2bb61">Ihren so lang entbehrten Sohn<name key="PSN0112224" style="hidden">Jeanrenaud, Carl Cornelius (1814-1891)</name></persName> wieder bei sich zu haben; ich freue mich sehr auf ihn, und viel und oft mit ihm zu plaudern obwohl nicht zu rauchen, denn das mochte der <persName xml:id="persName_e3ab3a0e-2d47-4e2d-b315-577c8b0eade8">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> so gar nicht leiden, daß wirs niemals anfangen durften und seitdem auch nicht gelernt haben. Zwar habe ich manche Versuchung gehabt, vor allem die der Düsseldorfer Maler, die mich täglich so einrauchten mit langen und kurzen Pfeifen und Cigarren, und mir so zuredeten mitzudampfen, daß ich noch nicht recht begreife, wie ich der Verführung widerstanden habe, aber da ichs dort nicht gelernt, werde ich wohl nie dazu kommen. Liebe Mama, verzeihen Sie mir diesen kurzen und dummen Brief, ich habe aber solch einen Schnupfen und Husten daß mirs noch viel dümmer im Kopfe ist, als in diesem Brief; das ist wohl viel gesagt. An <persName xml:id="persName_56c44c61-fe79-40fa-9843-735b5a5262bc">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> muß ich heut noch einige Zeilen schreiben, das ist mir jetzt so sehr zum Bedürfniß, zum liebsten geworden daß mir erst recht wohl wird, wenn ich ihr wieder alles gesagt habe, was ich denke und thue den Tag über; wie mich nun ihre Briefe beglücken, wie schön und gut, wie ganz liebenswürdig sie sind – eben so wie die <persName xml:id="persName_100b5e2a-b125-4036-a3a0-b26cb2ffd027">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> selbst – das will ich Ihnen besser mündlich einmal sagen, schriftlich kann ichs nicht ordentlich, ich möchte am liebsten sonst so einen Brief abschreiben. 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