fmb-1836-10-23-02
Hilfe zum Zitier-Tool
Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.
Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.
Leipzig, 23. Oktober 1836
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
frei.
stenOct. 1836
Du hast mir am Ende meinen dummen letzten Brief übel genommen, und dann wollte ich Dich gleich vorweg bitten, verzeih ihn mir. Ich bin eigentlich von Natur, was die Leute ein ernsthaftes Thier (mit dem Kraftausdruck) nennen, und da steht mir das Scherzen oft sehr schlecht; wenn ich nun auf einen neckischen lustigen Brief, wie der Deinige, einmal eben so antworten möchte, da kommt es meistentheils heraus wie wenn ein Bär walzt; und das weiß ich, und kanns doch nicht lassen. Du wirst aber nicht verkannt haben, daß ichs nicht schlecht damit meinte, und wie gern ich mehr und oft von Dir hören und lesen möchte, das habe ich Dir wohl gesagt. Du wärst gar zu gut, wenn Du mir nun einmal wieder schriebest, um mir so recht zu erzählen, wie Du lebst, wie es sich mit dem nächsten Winter in Frankfurt anläßt, wie es im Hause bei Euch aussieht, kurz alles was Dich umgiebt und interessirt. Da solltest Du mir auch wohl sagen, ob Du Dich mit dem Gedanken an mich nun wieder befreunden kannst, und ob es mit mir dem Abwesenden nicht so geht, wie mit mir, dem Verlobten, anfangs. Das wüßte ich gern von Dir. Denn wirklich, wenn ich mirs zuweilen bedenke, daß Du und 1 2
Sonntag d. 23sten Oct. 1836Meine liebe Julie Du hast mir am Ende meinen dummen letzten Brief übel genommen, und dann wollte ich Dich gleich vorweg bitten, verzeih ihn mir. Ich bin eigentlich von Natur, was die Leute ein ernsthaftes Thier (mit dem Kraftausdruck) nennen, und da steht mir das Scherzen oft sehr schlecht; wenn ich nun auf einen neckischen lustigen Brief, wie der Deinige, einmal eben so antworten möchte, da kommt es meistentheils heraus wie wenn ein Bär walzt; und das weiß ich, und kanns doch nicht lassen. Du wirst aber nicht verkannt haben, daß ichs nicht schlecht damit meinte, und wie gern ich mehr und oft von Dir hören und lesen möchte, das habe ich Dir wohl gesagt. Du wärst gar zu gut, wenn Du mir nun einmal wieder schriebest, um mir so recht zu erzählen, wie Du lebst, wie es sich mit dem nächsten Winter in Frankfurt anläßt, wie es im Hause bei Euch aussieht, kurz alles was Dich umgiebt und interessirt. Da solltest Du mir auch wohl sagen, ob Du Dich mit dem Gedanken an mich nun wieder befreunden kannst, und ob es mit mir dem Abwesenden nicht so geht, wie mit mir, dem Verlobten, anfangs. Das wüßte ich gern von Dir. Denn wirklich, wenn ich mirs zuweilen bedenke, daß Du und Cécile mit mir eigentlich nur so sehr kurze Zeit zusammen wart, daß wir uns nur zehn Tage lang ordentlich gekannt und gesehen haben, und daß von den zehn Tagen Du mir mehrere recht erzürnt gewesen bist, so wird mirs jetzt nach so vielen Tagen wo ich Euch nicht sehn konnte, ganz wunderlich, und ich überlege mir: wie mag die Julie wohl jetzt von Dir denken? Rosenfarb oder aschgrau? Denn die Zeit, die ich den Sommer über in Frankfurt war, die kann ich wahrlich kaum zu unsrer Bekanntschaft schlagen, da habt Ihr mich auch gar zu sehr für einen reisenden Musikanten angesehen, und obwohl ich zwanzigmal dachte, Ihr hättet mich längst durch und durch verstanden, so kams doch nachher heraus, wie sehr ich mich da geirrt hatte – und Ihr Euch freilich dazu. Bei solch einer jungen Bekanntschaft aber ists doch gut, wenn man zuweilen von einander hört, einander zuweilen ein freundliches Wort schickt; daß ich Dir jetzt und mein ganzes Lebenlang von Herzen zugethan bin und bleibe, das weißt Du, so sage mir denn auch bald einmal wieder, daß Du meiner zuweilen gedenkst, und erfreue mich dadurch, meine liebe Julie. (Gedrächel darf ich jetzt wohl nicht mehr sagen, da der Erfinder und Eigenthümer des Worts gewiß schon selbst wieder bei Euch ist, und es braucht. ) Von Schuncks sollte ich Dir schreiben, aber es werden bald 14 Tage daß ich sie nicht mit Augen gesehn habe; es ist auch gar zu arg, wie ich mich in diesem Winter durcharbeiten muß, und spät Abends hinzugehen, dazu kenne ich sie noch nicht genau genug, fürchte, daß es sie genirt, und gehe meinen alten Gewohnheiten d. h. meinem alten hotel nach, wo ich um 1 2 10 gewöhnlich eintreffe, und um 10 wieder zu Haus bin. Morgen Mittag werde ich aber wieder Schuncks sehen d. h. den Theil der Familie, der noch da ist, daß Herr Schunck der Julie nachgezogen ist, wird Dir Cecile gesagt haben. Ich wollte sie wären beide erst wieder da, ich habe sowohl den Hrn. Schunck als sie, sehr lieb, und was Mde. Schunck betrifft, so war sie von jeher meine Leidenschaft; im Ernst sie gefällt mir sehr, und endlich solltest Du sehen, wie Cornelie sich mit jeden 14 Tagen verändert. Sie ist so in dem Alter wo man glauben möchte, daß sich die Menschen wie die Schlangen eine neue Haut anziehn, jedes mal sieht sie anders und jünger und besser aus, und mir gereichts zum besonderen Triumph, denn schon im vorigen Jahre, wo sie eigentlich gar nicht hübsch war, behauptete ich sie könne mal ein sehr hübsches Mädchen werden, und jetzt ists fast entschieden, daß ich Recht behalte, und ich habe viele Leute schon auf meiner Seite. Eigentlich hatte ich mir gedacht, ich würde sie fast täglich sehen können, und nun sitze ich da und corrigire Druckbogen, und schreibe Zettel, und habe Proben die Hülle und Fülle, und komme zu nichts, was ich eigentlich gern thäte, führe ein rechtes Stockmusikerleben. Aber ich arbeite auf Weihnachten los, da thut alles andre nichts, wenn man solch frohe Aussicht vor sich hat. Werde ich denn da auch zuweilen wieder zwischen den zwei Schwestern auf dem Sopha sitzen? Oder ist dann das Souchaysche Haus wieder so voller Fremden und Freuden und Besuchen, wie in diesem Sommer? – Das freute mich, was Du mir von Deiner Tante Adelheid geschrieben hast; denn sie hat mir immer sehr wohlgefallen und einen angenehmen Eindruck gemacht, es wollte mir aber damals scheinen, als ob Ihr sie weniger lieb hättet. Sind sie denn glücklich wieder in England angekommen, und was hört Ihr von Beneckes? Ich habe von meinen sämmtlichen Englischen Freunden, seit ich im Haag war, nicht eine Zeile zu Gesicht bekommen, es ist auch freilich eben so lange, daß ich ihnen nicht geschrieben habe. Ich muß jetzt aufhören, liebe Julie; lebe wohl, und sey mir gut; Du hast eine gewisse Schwester, die Cécile heißt; grüß sie doch ein wenig von mir, und sag ihr, ich hätte so mitunter Tage wo ich an sie dächte, und ich hätte gestern einen Brief an sie angefangen, den ich morgen abschicken wollte, und sag ihr vieles, und gieb ihr dann einen Kuß – und raufe kein Gras dabei aus. Und nun leb nochmals wohl, Julie, viele herzliche Grüße Deiner lieben Mutter; schreib bald Deinem Felix MB.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1836-10-23-02" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1836-10-23-02" xml:id="title_330f07d1-254f-4571-82dd-a89ef68c4a4b">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julie Sophie Jeanrenaud in Frankfurt a. M., adressiert an Cornelius Carl Souchay <lb></lb>Leipzig, 23. Oktober 1836</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_6eb2c5bc-fbef-41f2-8612-30149e4959dc">Du hast mir am Ende meinen dummen letzten Brief übel genommen, und dann wollte ich Dich gleich vorweg bitten, verzeih ihn mir. Ich bin eigentlich von Natur, was die Leute ein ernsthaftes Thier (mit dem</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_5781644f-7b52-420d-865c-cd84914cdb43">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 5, 1449</idno></publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_3f96ea3d-6e09-4114-8d74-fb13098fa869"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. c. 31, fol. 7–8.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1836-10-23-01" type="letter" xml:id="title_c0cfce39-ce52-4153-9603-e017a7537b05">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julie Sophie Jeanrenaud in Frankfurt a. M., adressiert an Cornelius Carl Souchay; Leipzig, 23. Oktober 1836</title> <incipit>Du hast mir am Ende meinen dummen letzten Brief übel genommen, und dann wollte ich Dich gleich vorweg bitten, verzeih ihn mir. Ich bin eigentlich von Natur, was die Leute ein ernsthaftes Thier (mit dem</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1836-10-23" xml:id="date_66c13491-5569-42ca-b3de-70a978a9e6b2">23. Oktober 1836</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_2dd0fc3c-e484-440e-9b93-e88fd46d2edc">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_8569549b-a83d-48d5-9ddf-96db3ef07816"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement> <country>Deutschland</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0112232" resp="receiver" xml:id="persName_7d078033-6985-4302-93d3-090c671d255f">Jeanrenaud, Julie Sophie (1816-1875)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_308e188f-fc88-4516-9673-3530cbc4b79a"> <settlement key="STM0100204">Frankfurt a. M.</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_4d8fc460-9054-4dc4-89d8-ccf19b54d25c"> <head> <address> <addrLine>An</addrLine> <addrLine>Fräulein Julie Jeanrenaud.</addrLine> <addrLine>adr. Herrn C. C. Souchay.</addrLine> <addrLine>Frankfurt a/m.</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline">frei</hi>.</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_71d173fc-2a04-47d3-a591-18ae6e23359c"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Sonntag d. <date cert="high" when="1836-10-23" xml:id="date_c43cab6d-5acd-4de3-9023-e1f8cc556a5f">23<hi rend="superscript">sten</hi> Oct. 1836</date></dateline><salute rend="left">Meine liebe Julie</salute><p style="paragraph_without_indent">Du hast mir am Ende meinen dummen letzten Brief übel genommen, und dann wollte ich Dich gleich vorweg bitten, verzeih ihn mir. Ich bin eigentlich von Natur, was die Leute ein ernsthaftes Thier (mit dem Kraftausdruck) nennen, und da steht mir das Scherzen oft sehr schlecht; wenn ich nun auf einen neckischen lustigen Brief, wie der Deinige, einmal eben so antworten möchte, da kommt es meistentheils heraus wie wenn ein Bär walzt; und das weiß ich, und kanns doch nicht lassen. Du wirst aber nicht verkannt haben, daß ichs nicht schlecht damit meinte, und wie gern ich mehr und oft von Dir hören und lesen möchte, das habe ich Dir wohl gesagt. Du wärst gar zu gut, wenn Du mir nun einmal wieder schriebest, um mir so recht zu erzählen, wie Du lebst, wie es sich mit dem nächsten Winter in Frankfurt anläßt, wie es im Hause bei Euch aussieht, kurz alles was Dich umgiebt und interessirt. Da solltest Du mir auch wohl sagen, ob Du Dich mit dem Gedanken an mich nun wieder befreunden kannst, und ob es mit mir dem Abwesenden nicht so geht, wie mit mir, dem Verlobten, anfangs. Das wüßte ich gern von Dir. Denn wirklich, wenn ich mirs zuweilen bedenke, daß Du und <persName xml:id="persName_2c45e626-e7be-4432-bb5f-951e17dbbdf6">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> mit mir eigentlich nur so sehr kurze Zeit zusammen wart, daß wir uns nur zehn Tage lang ordentlich gekannt und gesehen haben, und daß von den zehn Tagen Du mir mehrere recht erzürnt gewesen bist, so wird mirs jetzt nach so vielen Tagen wo ich Euch nicht sehn konnte, ganz wunderlich, und ich überlege mir: wie mag die Julie wohl jetzt von Dir denken? Rosenfarb oder aschgrau? Denn die Zeit, die ich den Sommer über in Frankfurt war, die kann ich wahrlich kaum zu unsrer Bekanntschaft schlagen, da habt Ihr mich auch gar zu sehr für einen reisenden Musikanten angesehen, und obwohl ich zwanzigmal dachte, Ihr hättet mich längst durch und durch verstanden, so kams doch nachher heraus, wie sehr ich mich da geirrt hatte – und Ihr Euch freilich dazu. Bei solch einer jungen Bekanntschaft aber ists doch gut, wenn man zuweilen von einander hört, einander zuweilen ein freundliches Wort schickt; daß ich Dir jetzt und mein ganzes Lebenlang von Herzen zugethan bin und bleibe, das weißt Du, so sage mir denn auch bald einmal wieder, daß Du meiner zuweilen gedenkst, und erfreue mich dadurch, meine liebe Julie. (Gedrächel darf ich jetzt wohl nicht mehr sagen, da der <persName xml:id="persName_8a8bf124-9801-4583-9471-62f206c86809">Erfinder<name key="PSN0112224" style="hidden">Jeanrenaud, Carl Cornelius (1814-1891)</name></persName> und Eigenthümer des Worts gewiß schon selbst wieder bei Euch ist, und es braucht.) Von <persName xml:id="persName_6e6372e5-1727-491f-99c5-c9cc25ad17d3">Schuncks<name key="PSN0114759" style="hidden">Schunck, Familie von → Friedrich Philipp Daniel S.</name></persName> sollte ich Dir schreiben, aber es werden bald 14 Tage daß ich sie nicht mit Augen gesehn habe; es ist auch gar zu arg, wie ich mich in diesem Winter durcharbeiten muß, und spät Abends hinzugehen, dazu kenne ich sie noch nicht genau genug, fürchte, daß es sie genirt, und gehe meinen alten Gewohnheiten d. h. <placeName xml:id="placeName_593b6d50-5006-4ecf-8a47-e585f2d9e571">meinem alten hotel<name key="NST0100515" style="hidden" subtype="" type="institution">Hôtel de Bavière</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> nach, wo ich um <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> 10 gewöhnlich eintreffe, und um 10 wieder zu Haus bin. Morgen Mittag werde ich aber wieder <persName xml:id="persName_699dc6c3-124a-4006-963f-7635f004f72e">Schunck<name key="PSN0114759" style="hidden">Schunck, Familie von → Friedrich Philipp Daniel S.</name></persName>s sehen d. h. den Theil der <persName xml:id="persName_c9aacf06-83ef-4e65-a674-fcff8b428943">Familie<name key="PSN0114759" style="hidden">Schunck, Familie von → Friedrich Philipp Daniel S.</name></persName>, der noch da ist, daß <persName xml:id="persName_03806f32-9f53-4fe8-a87f-6ce3d5e834fa">Herr Schunck<name key="PSN0114765" style="hidden">Schunck, Friedrich Philipp Daniel (1776-1843)</name></persName> der <persName xml:id="persName_61bc7e72-42b2-45bc-b446-7ac84f2d6f7f">Julie<name key="PSN0114770" style="hidden">Schunck, Julie (1819-1899)</name></persName> nachgezogen ist, wird Dir <persName xml:id="persName_a7d43fa8-24f5-4bb3-ad32-e0c02a349c21">Cecile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> gesagt haben. Ich wollte sie wären beide erst wieder da, ich habe sowohl den <persName xml:id="persName_b2ac6f56-aab2-4c62-9669-fb0bdc7298f5">Hrn. Schunck<name key="PSN0114765" style="hidden">Schunck, Friedrich Philipp Daniel (1776-1843)</name></persName> als <persName xml:id="persName_216288c6-60b5-4d46-adfe-bb82e41da9b8">sie<name key="PSN0114770" style="hidden">Schunck, Julie (1819-1899)</name></persName>, sehr lieb, und was <persName xml:id="persName_09f8a11a-f887-4e97-85a3-ba72abbd9d58">Mde. Schunck<name key="PSN0114769" style="hidden">Schunck, Juliane (Julie) Louise (1789-1862)</name></persName> betrifft, so war sie von jeher meine Leidenschaft; im Ernst sie gefällt mir sehr, und endlich solltest Du sehen, wie <persName xml:id="persName_27940d7f-d404-41a7-b481-be91ea504393">Cornelie<name key="PSN0114762" style="hidden">Schunck, Cornelie (1821-1910)</name></persName> sich mit jeden 14 Tagen verändert. Sie ist so in dem Alter wo man glauben möchte, daß sich die Menschen wie die Schlangen eine neue Haut anziehn, jedes mal sieht sie anders und jünger und besser aus, und mir gereichts zum besonderen Triumph, denn schon im vorigen Jahre, wo sie eigentlich gar nicht hübsch war, behauptete ich <persName xml:id="persName_fffd94b0-2319-4a26-b607-c093b6eee3e3">sie<name key="PSN0114762" style="hidden">Schunck, Cornelie (1821-1910)</name></persName> könne mal ein sehr hübsches Mädchen werden, und jetzt ists fast entschieden, daß ich Recht behalte, und ich habe viele Leute schon auf meiner Seite. Eigentlich hatte ich m[ir] gedacht, ich würde sie fast täglich sehen können, und nun sitze ich da und <title xml:id="title_5d49719a-08d7-424e-8684-5a35af499f7e">corrigire Druckbogen<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_7otefahq-jduh-4byh-6ts9-swfjt1ltguff"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title>, und schreibe Zettel, und habe Proben die Hülle und Fülle, und komme zu nichts, was ich eigentlich gern thäte, führe ein rechtes Stockmusikerleben. Aber ich arbeite auf Weihnachten los, da thut alles andre nichts, wenn man solch frohe Aussicht vor sich hat. Werde ich denn da auch zuweilen wieder <persName xml:id="persName_94932301-4b1d-4e2c-869e-3c691ed441b1">zwischen den zwei Schwestern<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> auf dem Sopha sitzen? Oder ist dann das <persName xml:id="persName_e309a77c-2a0b-4c42-b209-0f3e0b14ef24">Souchaysche<name key="PSN0114977" style="hidden">Souchay, Familie von → Cornelius Carl S.</name></persName> Haus wieder so voller Fremden und Freuden und Besuchen, wie in diesem Sommer? – Das freute mich, was Du mir von Deiner Tante <persName xml:id="persName_49f779d6-2a16-4c1a-9843-d6ea3ee7e537">Adelheid<name key="PSN0114980" style="hidden">Souchay, Adelheid Therese Clementine (1809-1890)</name></persName> geschrieben hast; denn sie hat mir immer sehr wohlgefallen und einen angenehmen Eindruck gemacht, es wollte mir aber damals scheinen, als ob Ihr sie weniger lieb hättet. Sind sie denn glücklich wieder in England angekommen, und was hört Ihr von <persName xml:id="persName_1c1aa7e6-6a05-486b-b524-11b7cdaa07bd">Beneckes<name key="PSN0109825" style="hidden">Benecke, Friedrich Wilhelm (1802-1865)</name><name key="PSN0109821" style="hidden">Benecke, Elisabetha Henrietta (1807-1893)</name></persName>? Ich habe von meinen sämmtlichen Englischen Freunden, seit ich im Haag war, nicht eine Zeile zu Gesicht bekommen, es ist auch freilich eben so lange, daß ich ihnen nicht geschrieben habe. Ich muß jetzt aufhören, liebe Julie; lebe wohl, und sey mir gut; Du hast eine gewisse Schwester, die <persName xml:id="persName_160a4747-3038-40fc-8416-565577569465">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> heißt; grüß sie doch ein wenig von mir, und sag ihr, ich hätte so mitunter Tage wo ich an sie dächte, und ich hätte gestern einen Brief an sie angefangen, den ich morgen abschicken wollte, und sag ihr vieles, und gieb ihr dann einen Kuß – und raufe kein Gras dabei aus. <seg type="closer" xml:id="seg_ed4db07d-3b54-4cc2-b22d-3f6f098cd473">Und nun leb nochmals wohl, Julie, viele herzliche Grüße </seg><persName xml:id="persName_1262244a-167e-49eb-9ecc-0b8635bcf835">Deiner lieben Mutter<name key="PSN0112228" style="hidden">Jeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871)</name></persName><seg type="closer" xml:id="seg_b265c90f-5795-4015-aea5-5f89d5cc2451">; schreib bald Deinem</seg></p><signed rend="right">Felix MB.</signed></div></body> </text></TEI>