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fmb-1836-08-21-02

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Elisabeth Jeanrenaud in Frankfurt a. M. <lb></lb>’s-Gravenhage, 21. August 1836 Glauben Sie nur nicht, daß ich danken will – das Verbot ist viel zu bestimmt, und ich darf ihm nicht ungehorsam sein – auch werde ich mich wohl hüten, Ihnen zu beschreiben, wie viele viele Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 5, 1411

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 18, fol. 8–9. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Elisabeth Jeanrenaud in Frankfurt a. M.; ’s-Gravenhage, 21. August 1836 Glauben Sie nur nicht, daß ich danken will – das Verbot ist viel zu bestimmt, und ich darf ihm nicht ungehorsam sein – auch werde ich mich wohl hüten, Ihnen zu beschreiben, wie viele viele

4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Entgegen Felix Mendelssohn Bartholdys Datierung ist der Brief erst am 21. August 1836 entstanden. Vgl. dazu die Erwähnung des von der Adressatin erhaltenen Briefs (Z. 5) am 21. August 1836 im Schreibkalender (Klein / Ward Jones, Schreibkalender, S. 42). Mendelssohn verzeichnete den vorliegenden Brief dort am 22. August 1836, was wohl auf das Absendedatum hinweist (vgl. ebenda).

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Autographes Konzept, GB-Ob, M.D.M. d. 18, fol. 3–4r. – 3 S.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

21. August 1836 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) ’s-Gravenhage Niederlande Jeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871) Frankfurt a. M. Deutschland deutsch
Mde. Mde. Jeanrenaud. aux soins de Mr. Souchay. à Francfort s/m. affranchie
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Haag den 20sten August 1836.Hochgeehrte Frau

Glauben Sie nur nicht, daß ich danken will – das Verbot ist viel zu bestimmt, und ich darf ihm nicht ungehorsam sein – auch werde ich mich wohl hüten, Ihnen zu beschreiben, wie viele viele Freude mir Ihr lieber Brief gemacht hat, unter andern aus dem Grunde weils unmöglich wäre – aber etwas anders thun, als an Sie schreiben, da ich ihn jetzt eben empfangen und wieder und wieder gelesen habe, das kann ich nicht, und das haben Sie auch nicht verboten. Es ist mir oft schon im Leben so gegangen, daß alles so ganz anders kam, als ich gedacht und mir ausgemalt hatte, und so wurden mir wieder die Tage von gestern und heute, die ich als schlimme Tage vorüber wünschte, die besten meines hiesigen Aufenthaltes. Gestern erhielt ich einen sehr lieben Brief meiner MutterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842), der mir den ganzen Tag über froh zu denken und zu danken gab, heut kommt der Ihrige, für den ich zwar freilich durchaus gar nicht danke – der aber doch diesem Sonntag eine besonders helle Farbe giebt, und sie wohl auch den folgenden Tagen geben wird; dann kommt auch die Abreise in dieser Woche, und wie lieb will ich Holland und Scheveningen haben, wenn ichs erst los bin. Wer weiß aber, ob ich mir nicht doch einmal noch diese Zeit zurückwünschen werde, ob sie mir nicht die „Erinnerung“ am Ende noch als gute darstellen wird, oder gar der Vergleich mit einer späteren? Das ist aber eine griesgramige Idee, die ich nicht verfolgen darf; leider spült sich das nicht in den Wellen ab, wie Sie schreiben, sondern hier in der Einsamkeit steht der Griesgram in der vollsten Blüthe, die wächs’t und gedeiht immer schöner. Alle möglichen Zweifel an mir selbst und den Andern, viele Besorgnisse haben mich hier oft und schmerzlich gequält, und meine gewöhnliche Art, mir durch Arbeiten darüber fortzuhelfen, konnte ich hier nicht in Anwendung bringen. Doch rückt die Reise nach Deutschland näher, und ich habe auch wieder manches componirt, und mehr noch im Kopfe, und die lieben Briefe sind gekommen – so hats auch an guten Stunden nicht gefehlt. An jenem Sonntag Abend wo Sie mit den Ihrigen von Wiesbaden zurückfuhren, zog ich mit meinem ReisegefährtenSchadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862) im „Bosch“ umher, einem schönen hiesigen Walde, und derselbe schöne Himmel, der Ihnen die Rückkehr froh machte, erquickte uns auch hier; da erzählte ich ihm denn von allen meinen besten Stunden der vergangnen Jahre, und daß darunter nun für immer auch die in Ihrem Hause sind und bleiben; die beschrieb ich ihm denn so gut und ausführlich ich konnte; ob mir aber die Ohren dabei klangen weiß ich nicht mehr recht. Doch möchte ich wohl gern etwas von dem Gespräch wissen, von dem ich nichts erfahren soll, und quäle Sie noch darum. Hoffentlich ist das Befin[den] Ihrer Frau MutterSouchay, Helene Elisabeth (1774-1851) auch seitdem fortwährend gut geblieben; aber ich kann mir kaum denken, daß Ihr es in einem Badeorte recht wohl werden könnte, da sieSouchay, Helene Elisabeth (1774-1851) zu sehr an ihr Haus mit all seinen Annehmlichkeiten gewöhnt sein muß. Wie ich denn diese Badörter überhaupt auf Lebzeiten en gripe genommen habe. Was das Baden helfen mag schadet gewiß der Gram über das Nichtsthun, über die leere Zeit, über das mechanische Leben, wie Sie es prächtig nennen, das eben denn doch niemals mechanisch sein sollte, weils sonst kein Leben ist. – Am Morgen nach jenem Sonntag, wo wir den hübschen Spaziergang machten, ließ mich plötzlich mein Reise- und LeidengefährteSchadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862) im Stich, entschloß sich kurz und reis’te ab; er war recht unwohl, fürchtete hier ernstlich krank zu werden, und so konnte ich ihmSchadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862) nicht zum Bleiben zureden, aber fatal waren die ersten Tage, wo ich in unserm großen Logis allein haus’te, und eine Menge Schränke, und Stühle, und 2 Schlafstuben ganz für mich allein besaß. Jetzt habe ich mich schon wieder daran gewöhnt, der Tag geht schnell hin und Abends spät kommt regelmäßig der hiesige KapellmeisterLübeck, Johann Heinrich (1799-1865), trinkt seinen Thee bei mir und raucht seine Cigarre dazu, wir führen einen phlegmatischen Discurs über Holländische Musik und Musiker, ich sage ihm, in Deutschland sei es doch besser; wenn er dann seine Cigarre ausgeraucht hat so geht erLübeck, Johann Heinrich (1799-1865) zu Haus, und ich schlafen, und wenn das kein mechanisches Leben ist, so weiß ichs nicht. Wie eine aufgezogne Uhr, die den ganzen Tag über nichts thut, als ablaufen, und wahrlich am Strande in Scheveningen thun alle die Badgäste nichts anders, als neben einander ablaufen. Herrn von St GeorgeSaint-George (St. George), Johann Georg Konrad von (1782-1863) bitte ich jetzt vieles Frühere ab; er ist doch ein Frankfurter, und spricht Frankfurtisch, das ist viel werth hier in Scheveningen und so freue ich mich immer auf die zehn Worte, die wir jeden Morgen regelmäßig mit einander sprechen. Auch seine TochterSaint-George (St. George), Susanne Elisabeth Ida von (1815-1896) ist schon ein wenig von ihrer Leidenschaft für Scheveningen zurückkommen, und mei[nt] es gäbe doch auch langweilige Momente da, auf diese Weise sind wir verwandte Tonarten, wie Sie es nennen. Aber nun beklage ich mich auch über ein Wort in Ihrem lieben Briefe; ein sehr entsetzliches Wort, denn Sie sagen von mir, daß ich ein Gelehrter sei. Aber gelehrte Musiker nennen die Leute fast immer nur die, von deren Musik sie gar nichts hören mögen, solche die aus lauter vierstimmigem Satz und Contrapunct und Fugen zusammengesetzt sind, und wenn eine Musik recht confus und durch einander klingt, so heißts sie sei zu gelehrt. Nun hoffe ich, daß Sie mich in diesem Sinn nicht für einen Gelehrten hielten, wenigstens wärs hart, und in einem andern als musikalischen Sinn kann ich solch einen Titel nicht bekommen; daß ich wenigstens kein gelehrter Maler bin, das mag die Hauptwache<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_yioucntr-hbfw-kpmv-j0iz-iobufgkaisz0"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100875" style="hidden">Frankfurt, 24. Juli 1836; fol. 2r<idno type="MWV">ZB 12/2</idno><idno type="op"></idno></name> am Fahrthor bezeugen, die heutigen Tages noch in meinem Zeichenbuche umfällt, Herr RadelRadl, Anton (1774-1852) mag sie noch so sehr vertheidigen. Und nun bin ich an den Rand des Papiers gekommen; daß Sie es thaten, dafür hätte ich tausendmal gedankt, wenn ichs gedurft hätte; daß ichs aber zu thun wage, deshalb muß ich doch um Entschuldigung bitten. Aber ich wills lieber mündlich thun, denn wundern Sie sich nicht, wenn ich bald einmal wieder in Ihr Zimmer trete, und Ihnen dennoch für Ihren Brief danke, morgen oder übermorgen ist meine Badzahl voll, und dann denke ich mit so kurzem Aufenthalt zurück, als nur möglich. Leben Sie wohl und bitte empfehlen Sie mich aufs herzlichste den IhrigenJeanrenaud, Familie von → Elisabeth Wilhelmine J.. Mit wahrer Hochachtung bin ich

stets Ihr ergebnerFelix Mendelssohn Bartholdy.
            Haag den 20sten August 1836. Hochgeehrte Frau
Glauben Sie nur nicht, daß ich danken will – das Verbot ist viel zu bestimmt, und ich darf ihm nicht ungehorsam sein – auch werde ich mich wohl hüten, Ihnen zu beschreiben, wie viele viele Freude mir Ihr lieber Brief gemacht hat, unter andern aus dem Grunde weils unmöglich wäre – aber etwas anders thun, als an Sie schreiben, da ich ihn jetzt eben empfangen und wieder und wieder gelesen habe, das kann ich nicht, und das haben Sie auch nicht verboten. Es ist mir oft schon im Leben so gegangen, daß alles so ganz anders kam, als ich gedacht und mir ausgemalt hatte, und so wurden mir wieder die Tage von gestern und heute, die ich als schlimme Tage vorüber wünschte, die besten meines hiesigen Aufenthaltes. Gestern erhielt ich einen sehr lieben Brief meiner Mutter, der mir den ganzen Tag über froh zu denken und zu danken gab, heut kommt der Ihrige, für den ich zwar freilich durchaus gar nicht danke – der aber doch diesem Sonntag eine besonders helle Farbe giebt, und sie wohl auch den folgenden Tagen geben wird; dann kommt auch die Abreise in dieser Woche, und wie lieb will ich Holland und Scheveningen haben, wenn ichs erst los bin. Wer weiß aber, ob ich mir nicht doch einmal noch diese Zeit zurückwünschen werde, ob sie mir nicht die „Erinnerung“ am Ende noch als gute darstellen wird, oder gar der Vergleich mit einer späteren? Das ist aber eine griesgramige Idee, die ich nicht verfolgen darf; leider spült sich das nicht in den Wellen ab, wie Sie schreiben, sondern hier in der Einsamkeit steht der Griesgram in der vollsten Blüthe, die wächs’t und gedeiht immer schöner. Alle möglichen Zweifel an mir selbst und den Andern, viele Besorgnisse haben mich hier oft und schmerzlich gequält, und meine gewöhnliche Art, mir durch Arbeiten darüber fortzuhelfen, konnte ich hier nicht in Anwendung bringen. Doch rückt die Reise nach Deutschland näher, und ich habe auch wieder manches componirt, und mehr noch im Kopfe, und die lieben Briefe sind gekommen – so hats auch an guten Stunden nicht gefehlt. An jenem Sonntag Abend wo Sie mit den Ihrigen von Wiesbaden zurückfuhren, zog ich mit meinem Reisegefährten im „Bosch“ umher, einem schönen hiesigen Walde, und derselbe schöne Himmel, der Ihnen die Rückkehr froh machte, erquickte uns auch hier; da erzählte ich ihm denn von allen meinen besten Stunden der vergangnen Jahre, und daß darunter nun für immer auch die in Ihrem Hause sind und bleiben; die beschrieb ich ihm denn so gut und ausführlich ich konnte; ob mir aber die Ohren dabei klangen weiß ich nicht mehr recht. Doch möchte ich wohl gern etwas von dem Gespräch wissen, von dem ich nichts erfahren soll, und quäle Sie noch darum. Hoffentlich ist das Befinden Ihrer Frau Mutter auch seitdem fortwährend gut geblieben; aber ich kann mir kaum denken, daß Ihr es in einem Badeorte recht wohl werden könnte, da sie zu sehr an ihr Haus mit all seinen Annehmlichkeiten gewöhnt sein muß. Wie ich denn diese Badörter überhaupt auf Lebzeiten en gripe genommen habe. Was das Baden helfen mag schadet gewiß der Gram über das Nichtsthun, über die leere Zeit, über das mechanische Leben, wie Sie es prächtig nennen, das eben denn doch niemals mechanisch sein sollte, weils sonst kein Leben ist. – Am Morgen nach jenem Sonntag, wo wir den hübschen Spaziergang machten, ließ mich plötzlich mein Reise- und Leidengefährte im Stich, entschloß sich kurz und reis’te ab; er war recht unwohl, fürchtete hier ernstlich krank zu werden, und so konnte ich ihm nicht zum Bleiben zureden, aber fatal waren die ersten Tage, wo ich in unserm großen Logis allein haus’te, und eine Menge Schränke, und Stühle, und 2 Schlafstuben ganz für mich allein besaß. Jetzt habe ich mich schon wieder daran gewöhnt, der Tag geht schnell hin und Abends spät kommt regelmäßig der hiesige Kapellmeister, trinkt seinen Thee bei mir und raucht seine Cigarre dazu, wir führen einen phlegmatischen Discurs über Holländische Musik und Musiker, ich sage ihm, in Deutschland sei es doch besser; wenn er dann seine Cigarre ausgeraucht hat so geht er zu Haus, und ich schlafen, und wenn das kein mechanisches Leben ist, so weiß ichs nicht. Wie eine aufgezogne Uhr, die den ganzen Tag über nichts thut, als ablaufen, und wahrlich am Strande in Scheveningen thun alle die Badgäste nichts anders, als neben einander ablaufen. Herrn von St George bitte ich jetzt vieles Frühere ab; er ist doch ein Frankfurter, und spricht Frankfurtisch, das ist viel werth hier in Scheveningen und so freue ich mich immer auf die zehn Worte, die wir jeden Morgen regelmäßig mit einander sprechen. Auch seine Tochter ist schon ein wenig von ihrer Leidenschaft für Scheveningen zurückkommen, und meint es gäbe doch auch langweilige Momente da, auf diese Weise sind wir verwandte Tonarten, wie Sie es nennen. Aber nun beklage ich mich auch über ein Wort in Ihrem lieben Briefe; ein sehr entsetzliches Wort, denn Sie sagen von mir, daß ich ein Gelehrter sei. Aber gelehrte Musiker nennen die Leute fast immer nur die, von deren Musik sie gar nichts hören mögen, solche die aus lauter vierstimmigem Satz und Contrapunct und Fugen zusammengesetzt sind, und wenn eine Musik recht confus und durch einander klingt, so heißts sie sei zu gelehrt. Nun hoffe ich, daß Sie mich in diesem Sinn nicht für einen Gelehrten hielten, wenigstens wärs hart, und in einem andern als musikalischen Sinn kann ich solch einen Titel nicht bekommen; daß ich wenigstens kein gelehrter Maler bin, das mag die Hauptwache am Fahrthor bezeugen, die heutigen Tages noch in meinem Zeichenbuche umfällt, Herr Radel mag sie noch so sehr vertheidigen. Und nun bin ich an den Rand des Papiers gekommen; daß Sie es thaten, dafür hätte ich tausendmal gedankt, wenn ichs gedurft hätte; daß ichs aber zu thun wage, deshalb muß ich doch um Entschuldigung bitten. Aber ich wills lieber mündlich thun, denn wundern Sie sich nicht, wenn ich bald einmal wieder in Ihr Zimmer trete, und Ihnen dennoch für Ihren Brief danke, morgen oder übermorgen ist meine Badzahl voll, und dann denke ich mit so kurzem Aufenthalt zurück, als nur möglich. Leben Sie wohl und bitte empfehlen Sie mich aufs herzlichste den Ihrigen. Mit wahrer Hochachtung bin ich
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Wer weiß aber, ob ich mir nicht doch einmal noch diese Zeit zurückwünschen werde, ob sie mir nicht die „Erinnerung“ am Ende noch als gute darstellen wird, oder gar der Vergleich mit einer späteren? Das ist aber eine griesgramige Idee, die ich nicht verfolgen darf; leider spült sich das nicht in den Wellen ab, wie Sie schreiben, sondern hier in der Einsamkeit steht der Griesgram in der vollsten Blüthe, die wächs’t und gedeiht immer schöner. Alle möglichen Zweifel an mir selbst und den Andern, viele Besorgnisse haben mich hier oft und schmerzlich gequält, und meine gewöhnliche Art, mir durch Arbeiten darüber fortzuhelfen, konnte ich hier nicht in Anwendung bringen. Doch rückt die Reise nach Deutschland näher, und ich habe auch wieder manches componirt, und mehr noch im Kopfe, und die lieben Briefe sind gekommen – so hats auch an guten Stunden nicht gefehlt. An jenem Sonntag Abend wo Sie mit den Ihrigen von Wiesbaden zurückfuhren, zog ich mit <persName xml:id="persName_32c90dc2-322a-49e1-903a-2afc5b07cf0a">meinem Reisegefährten<name key="PSN0114494" style="hidden">Schadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862)</name></persName> im „Bosch“ umher, einem schönen hiesigen Walde, und derselbe schöne Himmel, der Ihnen die Rückkehr froh machte, erquickte uns auch hier; da erzählte ich ihm denn von allen meinen besten Stunden der vergangnen Jahre, und daß darunter nun für immer auch die in Ihrem Hause sind und bleiben; die beschrieb ich ihm denn so gut und ausführlich ich konnte; ob mir aber die Ohren dabei klangen weiß ich nicht mehr recht. Doch möchte ich wohl gern etwas von dem Gespräch wissen, von dem ich nichts erfahren soll, und quäle Sie noch darum. Hoffentlich ist das Befin[den] <persName xml:id="persName_b813acb8-1d0c-4c84-bfc6-517c9a92e184">Ihrer Frau Mutter<name key="PSN0114987" style="hidden">Souchay, Helene Elisabeth (1774-1851)</name></persName> auch seitdem fortwährend gut geblieben; aber ich kann mir kaum denken, daß Ihr es in einem Badeorte recht wohl werden könnte, da <persName xml:id="persName_7cec2843-1d53-4fd0-89f1-e2a843fbe190">sie<name key="PSN0114987" style="hidden">Souchay, Helene Elisabeth (1774-1851)</name></persName> zu sehr an ihr Haus mit all seinen Annehmlichkeiten gewöhnt sein muß. Wie ich denn diese Badörter überhaupt auf Lebzeiten en gripe genommen habe. Was das Baden helfen mag schadet gewiß der Gram über das Nichtsthun, über die leere Zeit, über das <hi rend="underline">mechanische Leben</hi>, wie Sie es prächtig nennen, das eben denn doch niemals mechanisch sein sollte, weils sonst kein Leben ist. – Am Morgen nach jenem Sonntag, wo wir den hübschen Spaziergang machten, ließ mich plötzlich <persName xml:id="persName_9117bd6f-773a-4255-b441-0f57b204bf67">mein Reise- und Leidengefährte<name key="PSN0114494" style="hidden">Schadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862)</name></persName> im Stich, entschloß sich kurz und reis’te ab; er war recht unwohl, fürchtete hier ernstlich krank zu werden, und so konnte ich <persName xml:id="persName_1c184822-73e4-4ddf-b3aa-52a6bd9110c5">ihm<name key="PSN0114494" style="hidden">Schadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862)</name></persName> nicht zum Bleiben zureden, aber fatal waren die ersten Tage, wo ich in unserm großen Logis allein haus’te, und eine Menge Schränke, und Stühle, und 2 Schlafstuben ganz für mich allein besaß. Jetzt habe ich mich schon wieder daran gewöhnt, der Tag geht schnell hin und Abends spät kommt regelmäßig der hiesige <persName xml:id="persName_13c8d823-88f3-493c-b7d0-d0613123b1a1">Kapellmeister<name key="PSN0112957" style="hidden">Lübeck, Johann Heinrich (1799-1865)</name></persName>, trinkt seinen Thee bei mir und raucht seine Cigarre dazu, wir führen einen phlegmatischen Discurs über Holländische Musik und Musiker, ich sage ihm, in Deutschland sei es doch besser; wenn er dann seine Cigarre ausgeraucht hat so geht <persName xml:id="persName_3b2b38d5-983d-4c9f-8b72-3664cb684997">er<name key="PSN0112957" style="hidden">Lübeck, Johann Heinrich (1799-1865)</name></persName> zu Haus, und ich schlafen, und wenn das kein mechanisches Leben ist, so weiß ichs nicht. Wie eine aufgezogne Uhr, die den ganzen Tag über nichts thut, als ablaufen, und wahrlich am Strande in Scheveningen thun alle die Badgäste nichts anders, als neben einander ablaufen. Herrn von S<hi rend="superscript">t</hi> <persName xml:id="persName_c0484cdd-7cfa-437e-8c37-6724854edc54">George<name key="PSN0114424" style="hidden">Saint-George (St. George), Johann Georg Konrad von (1782-1863)</name></persName> bitte ich jetzt vieles Frühere ab; er ist doch ein Frankfurter, und spricht Frankfurtisch, das ist viel werth hier in Scheveningen und so freue ich mich immer auf die zehn Worte, die wir jeden Morgen regelmäßig mit einander sprechen. Auch <persName xml:id="persName_d6b4b3c8-5484-4261-a53c-df437fa6b406">seine Tochter<name key="PSN0114425" style="hidden">Saint-George (St. George), Susanne Elisabeth Ida von (1815-1896)</name></persName> ist schon ein wenig von ihrer Leidenschaft für Scheveningen zurückkommen, und mei[nt] es gäbe doch auch langweilige Momente da, auf diese Weise sind wir verwandte Tonarten, wie Sie es nennen. Aber nun beklage ich mich auch über ein Wort in Ihrem lieben Briefe; ein sehr entsetzliches Wort, denn Sie sagen von mir, daß ich ein Gelehrter sei. Aber gelehrte Musiker nennen die Leute fast immer nur die, von deren Musik sie gar nichts hören mögen, solche die aus lauter vierstimmigem Satz und Contrapunct und Fugen zusammengesetzt sind, und wenn eine Musik recht confus und durch einander klingt, so heißts sie sei zu gelehrt. Nun hoffe ich, daß Sie mich in diesem Sinn nicht für einen Gelehrten hielten, wenigstens wärs hart, und in einem andern als musikalischen Sinn kann ich solch einen Titel nicht bekommen; daß ich wenigstens kein gelehrter Maler bin, das mag die <title xml:id="title_c8ec4c1e-6b3d-4080-991c-bcfabd19f75a">Hauptwache<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_yioucntr-hbfw-kpmv-j0iz-iobufgkaisz0"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100875" style="hidden">Frankfurt, 24. Juli 1836; fol. 2r<idno type="MWV">ZB 12/2</idno><idno type="op"></idno></name></title> am Fahrthor bezeugen, die heutigen Tages noch in meinem Zeichenbuche umfällt, <persName xml:id="persName_95a27a7b-c0c3-4869-a5b3-c13f1e052704">Herr Radel<name key="PSN0114052" style="hidden">Radl, Anton (1774-1852)</name></persName> mag sie noch so sehr vertheidigen. Und nun bin ich an den Rand des Papiers gekommen; daß Sie es thaten, dafür hätte ich tausendmal gedankt, wenn ichs gedurft hätte; daß ichs aber zu thun wage, deshalb muß ich doch um Entschuldigung bitten. Aber ich wills lieber mündlich thun, denn wundern Sie sich nicht, wenn ich bald einmal wieder in Ihr Zimmer trete, und Ihnen <hi rend="underline">dennoch</hi> für Ihren Brief danke, morgen oder übermorgen ist meine Badzahl voll, und dann denke ich mit so kurzem Aufenthalt zurück, als nur möglich. Leben Sie wohl und bitte empfehlen Sie mich aufs herzlichste <persName xml:id="persName_b7df8281-934d-4f1e-98f7-e3bd49ba16f8">den Ihrigen<name key="PSN0112220" style="hidden">Jeanrenaud, Familie von → Elisabeth Wilhelmine J.</name></persName>. <seg type="closer" xml:id="seg_a0778983-24f4-4ae4-84b3-2c0b086da373">Mit wahrer Hochachtung bin ich</seg></p><closer rend="right" xml:id="closer_b2ff658e-54ce-467b-a034-2c1bb0daa755">stets Ihr ergebner</closer><signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy.</signed></div></body> </text></TEI>