fmb-1836-07-07-01
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Frankfurt a. M., 7. Juli 1836
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
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Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Frankfurt a/m 7 July 1836. Lieber Hauser. Aus Schelbles wohlbekannter Musikstube mit 4 Fenstern, Aussicht, Flügel in der Mitte, dem Cölner Dombild, dem heil. Christofel, Händel und Bachs Portraits wo wir ohnedem unser Wesen lustig treiben, schreibe ich Dir diesen Brief. Eigentlich nur, um Dir für den Deinigen zu danken, und ein Lebenszeichen zu geben. Sonst habe ich so wenig oder vielleicht soviel zu sagen, daß ich nichts zu schreiben habe. Schelble ist schon 8 Tage, ehe ich hier ankam (was nun auch schon 4 Wochen her ist) nach Hüfingen abgereist; dorther hat seine Frau bis jetzt zweymal geschrieben, und erwünschte Nachricht über ihn gegeben; es sey ihm wohler als hier, er arbeite den ganzen Morgen im Garten, was ihm gut bekommt, sehe dann Nachmittag seine dortigen Freunde, deren Umgang und Gespräch ihn wenig aufregt, und doch zerstreut, und gehe also hoffentlich seiner Besserung mehr und mehr entgegen. Aber leider scheint es doch damit nur sehr langsam fortzuschreiten; sein ganzes Nervensystem ist in so entsetzlicher Zerrüttung, daß der kleinste Zufall, ein Wetterwechsel, oder dergl: ihn zu allem unfähig macht; wie bald er also wieder hieher kommen, ob er dann wieder einmal den Verein dirigiren wird, das ist alles noch im Ungewissen. Somit also auch die ganze Zukunft des Vereins. In 14 Tagen geh ich ins Seebad nach Scheveningen, da ich im September wieder in Leipzig seyn muß, und was dann mit dem Cäcilienverein werden soll, wissen sie wie mir es scheint selbst noch nicht. Hättest Du nur damals ordentlich Clavier studirt wie Du Dir es vornahmst, so könnte Dir es jetzt vielleicht conveniren; denn daß Dir Berlin nicht behagen würde habe ich ja immer gedacht und gesagt, und während Du bey einem Singvereine, mit gebildeten Leuten, klassischer Musik und sichtbaren Fortschritten zum Bessern recht in Deinem Element gewesen wärst. Aber dies leidige Clavierspielen! O Du Sünder! Ich glaube sie wollen einen vorläufigen Direktor nur für den nächsten Winter zu bekommen suchen, für den Fall, daß Schelble wieder eintreten könnte; ein Jahr Zeit hättest Du also noch um Clavier zu studieren, und es ist doch auf keinen Fall verlorene Zeit, und leider ist es sehr unwahrscheinlich daß Schelble es wieder übernimmt. Du solltest also wirklich Clavier studieren. Aber ich glaube Du wirst es nicht thun. Und doch ist offenbar beym Theater Dein Element nicht mehr; diese Kunstanstalten kommen wirklich auch so schnell herunter, daß es entsetzlich ist; der Abstand von den Springerbuden ist gar nicht mehr so weit. Je mehr es verbrämt und bepurpurmäntelt ist, wie bey Euch in Berlin oder in andern kunstleitenden und künstlichen Plätzen, desto mehr ist es mir zuwider. Könntest Du doch den nächsten Winter in Leipzig seyn! Ringelhardt soll wie ich höre, den Sängern erlauben wollen, am Concert zuweilen mitzuwirken, – da machten wir zusammen Musik. Ich ein Thomascantor? Das käme mir denn doch gar zu curios vor, und ich glaube nicht recht daran. Ueberhaupt kann ich immer noch gar keine Respektsperson werden, wenigstens so lange ich gegenwärtig bin, Du kennst das von früher her; vielleicht könnte ich also blos für die 6 Sommermonate, in denen ich Reisen mache die Cantorstelle bekommen; ich flößte dann den Jungen durch meine Abwesenheit den seltensten Respekt ein, und je tiefer ich in die Schweitz hinein ginge, desto mehr wüchse ihre Ehrfurcht; dafür sollte ich eigentlich auch an andern Orten Gehalt beziehen, und ich glaube das wäre die einzige Art für mich tüchtig Geld zu verdienen. Daß Du aber Theresiam nicht aufgefunden, oder vielmehr nicht aufgesucht hast, dafür fällst Du in die tiefste Ungnade, und erhältst den Titel Rabenfreund. Sie ist sehr lieblich, ich wollte ich könnte sie bald wiedersehen. Aber hier gibts auch sehr liebliche Mädchen, besonders eine, welche braune Locken hat; wäre ich nicht so ganz und gar von aller Lustigkeit entfernt, so hätte ich hier frohe Tage haben können. Vielleicht bringt sie mir die Zeit. Nun lebe wohl, grüße die Frau und die Kinder, und denke mein zuweilen. Dein Felix MB.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1836-07-07" xml:id="date_1ce8593f-ef12-42d1-8ad5-a5db799e465f">7. 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Sonst habe ich so wenig oder vielleicht soviel zu sagen, daß ich nichts zu schreiben habe. <persName xml:id="persName_11ffcbff-99f5-4486-86a4-abd47a8d5a52">Schelble<name key="PSN0114524" style="hidden">Schelble, Johann Nepomuk (1789-1837)</name></persName> ist schon 8 Tage, ehe ich hier ankam (was nun auch schon 4 Wochen her ist) nach Hüfingen abgereist; dorther hat <persName xml:id="persName_799b0a09-625f-40bd-a3d4-508e77e6e695">seine Frau<name key="PSN0114523" style="hidden">Schelble, Auguste Amalie (Molly) (1799-1862)</name></persName> bis jetzt zweymal geschrieben, und erwünschte Nachricht über ihn gegeben; es sey ihm wohler als hier, <persName xml:id="persName_7f9d8fef-3972-498a-a89d-ef8947e9c12b">er<name key="PSN0114524" style="hidden">Schelble, Johann Nepomuk (1789-1837)</name></persName> arbeite den ganzen Morgen im Garten, was ihm gut bekommt, sehe dann Nachmittag seine dortigen Freunde, deren Umgang und Gespräch ihn wenig aufregt, und doch zerstreut, und gehe also hoffentlich seiner Besserung mehr und mehr entgegen. Aber leider scheint es doch damit nur sehr langsam fortzuschreiten; sein ganzes Nervensystem ist in so entsetzlicher Zerrüttung, daß der kleinste Zufall, ein Wetterwechsel, oder dergl: ihn zu allem unfähig macht; wie bald er also wieder hieher kommen, ob <persName xml:id="persName_00a891ef-abf8-4139-b1d1-458c18d08686">er<name key="PSN0114524" style="hidden">Schelble, Johann Nepomuk (1789-1837)</name></persName> dann wieder einmal den <placeName xml:id="placeName_5ba42572-6130-46d3-a338-bed555abc614">Verein<name key="NST0100338" style="hidden" subtype="" type="institution">Cäcilienverein</name><settlement key="STM0100204" style="hidden" type="">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> dirigiren wird, das ist alles noch im Ungewissen. 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Je mehr es verbrämt und bepurpurmäntelt ist, wie bey Euch in Berlin oder in andern kunstleitenden und künstlichen Plätzen, desto mehr ist es mir zuwider. Könntest Du doch den nächsten Winter in Leipzig seyn! <persName xml:id="persName_c44e0a97-72ff-4119-a058-5af32502edfb">Ringelhardt<name key="PSN0114217" style="hidden">Ringelhardt, Friedrich Sebald (1785-1855)</name></persName> soll wie ich höre, den Sängern erlauben wollen, am <placeName xml:id="placeName_fe2af5d7-69bc-484f-8e48-5b7ff01f833a">Concert<name key="NST0100117" style="hidden" subtype="" type="institution">Gewandhaus</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zuweilen mitzuwirken, – da machten wir zusammen Musik. Ich ein Thomascantor? Das käme mir denn doch gar zu curios vor, und ich glaube nicht recht daran. Ueberhaupt kann ich immer noch gar keine Respektsperson werden, wenigstens so lange ich gegenwärtig bin, Du kennst das von früher her; vielleicht könnte ich also blos für die 6 Sommermonate, in denen ich Reisen mache die Cantorstelle bekommen; ich flößte dann den Jungen durch meine Abwesenheit den seltensten Respekt ein, und je tiefer ich in die Schweitz hinein ginge, desto mehr wüchse ihre Ehrfurcht; dafür sollte ich eigentlich auch an andern Orten Gehalt beziehen, und ich glaube das wäre die einzige Art für mich tüchtig Geld zu verdienen. Daß Du aber <persName xml:id="persName_88f4aac6-8596-442f-8502-4453126a89fc">Theresiam<name key="PSN0112018" style="hidden">Hirschböck, Therese</name></persName> nicht aufgefunden, oder vielmehr nicht aufgesucht hast, dafür fällst Du in die tiefste Ungnade, und erhältst den Titel Rabenfreund. Sie ist sehr lieblich, ich wollte ich könnte <persName xml:id="persName_8e1a371f-2e20-4cd9-b016-013b5703bbc1">sie<name key="PSN0112018" style="hidden">Hirschböck, Therese</name></persName> bald wiedersehen. Aber hier gibts auch sehr liebliche Mädchen, besonders <persName xml:id="persName_6c8327c6-6b3d-468f-a51b-fcdbb4903eb2">eine<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName>, welche braune Locken hat; wäre ich nicht so ganz und gar von aller Lustigkeit entfernt, so hätte ich hier frohe Tage haben können. Vielleicht bringt sie mir die Zeit. Nun lebe wohl, grüße die <persName xml:id="persName_8091138a-dbe5-45d8-961f-ed981bba2716">Frau<name key="PSN0111777" style="hidden">Hauser, Luise Georgine Henriette (1796-1867)</name></persName> und die <persName xml:id="persName_c04a5d2c-ab8b-42eb-affa-bbeb91400302">Kinder<name key="PSN0111778" style="hidden">Hauser, Moritz Heinrich (1826-1857)</name><name key="PSN0111776" style="hidden">Hauser, Joseph Paul (1828-1903)</name></persName>, und denke mein zuweilen. <seg type="signed">Dein Felix MB</seg>.</p></div></body> </text></TEI>