]> Brief: fmb-1836-06-24-01

fmb-1836-06-24-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Johann Christian August Clarus in Leipzig <lb></lb>Frankfurt a. M., 24. Juni 1836 Seit ich in Düsseldorf Ihre freundlichen gütigen Zeilen durch Herrn David empfing, war es mir eine Pflicht Ihnen meinen herzlichen Dank dafür auszusprechen, und doch kann ich erst jetzt sie erfüllen. Meine Tage waren seit Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 4, 1370.

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Deutschland Düsseldorf D-DÜhh Düsseldorf, Heinrich-Heine-Institut Sammlung Gottschalk 91.5050/125TG. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Johann Christian August Clarus in Leipzig; Frankfurt a. M., 24. Juni 1836 Seit ich in Düsseldorf Ihre freundlichen gütigen Zeilen durch Herrn David empfing, war es mir eine Pflicht Ihnen meinen herzlichen Dank dafür auszusprechen, und doch kann ich erst jetzt sie erfüllen. Meine Tage waren seit

4 beschr. S.; Adresse, 1 Poststempel.

Felix Mendelssohn Bartholdy

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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

24. Juni 1836 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Frankfurt a. M. Deutschland Clarus, Johann Christian August (1774-1854) Leipzig Deutschland deutsch
Herrn Herrn Hofrath Dr. Clarus. hochwohlgeboren in Leipzig frey.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Frankfurt a m den 24sten Juni 1836Hochgeehrter Herr Hofrath

Seit ich in Düsseldorf Ihre freundlichen gütigen Zeilen durch Herrn DavidDavid, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873) empfing, war es mir eine Pflicht Ihnen meinen herzlichen Dank dafür auszusprechen, und doch kann ich erst jetzt sie erfüllen. Meine Tage waren seit jener Zeit theils mit Geschäften theils mit alten und neuen Bekanntschaften, die mich in Anspruch nahmen, so besetzt, daß ich gar nicht zu mir selbst und zur Ruhe kommen konnte. Entschuldigen Sie es deshalb, daß ich erst so spät Ihnen für den neuen Beweis von Güte danken kann, den Sie mir durch Ihren Brief gegeben haben; wie oft ich es schon im Stillen gethan und Ihrer und der Ihrigen mit Dankbarkeit gedacht habe, das brauche ich wohl nicht zu sagen, denn Sie wissen es – aber ich wollte doch, ich könnte Ihnen einmal so recht dafür danken und für die freundschaftliche Gesinnung, die aus den Zeilen Ihres Briefs spricht. Auch wissen Sie, wie glücklich es mich macht, daß Sie mir bei meinem ferneren Aufenthalt in Leipzig die Erhaltung Ihrer Freundschaft versprechen, und mir erlauben darauf fort zu bauen. So manche trübe Stunde wäre mir seitdem gewiß erspart gewesen, wenn ich in Ihrer Nähe hätte sein können, Sie einmal bei meinen imaginären Krankheiten um ein Paar Trostworte gefragt, oder einen Abend in Ihrer FamilieClarus, Familie von → Johann Christian August C. etwa im Garten oder am Hyazynthen-Fenster zugebracht hätte. Denn während ich nun in Düsseldorf und hier auch bei meiner ernsten Lage und Stimmung alle Arten von Festlichkeiten und Vergnügungen mitmachen mußte, die dann auch für den Augenblick alles andre übertönen und mich oft ganz in Anspruch nahmen, so kommt nachher die alte Stimmung desto stärker wieder, und weicht nur vor einem fleißigen fortgesetzt ruhigen Leben, wie mirs nun in diesem Sommer nicht zu Theil werden soll. Daß das beim Musikfest18. Niederrheinisches Musikfest (1836)DüsseldorfDeutschland so sein würde hatte ich wohl vorausgewußt; da geht der ganze Tag im Schwindel hin, man probirt von früh um 8 bis Abends spät, und kann an nichts anders denken, als an Posaunen, Solosänger und Copisten. Freilich ist der Genuß ein seltener und großer; doch schreibe ich Ihnen davon nichts, weil Sie wahrscheinlich durch die Leipziger Augen- oder Ohrenzeugen davon eine bessere Beschreibung bekommen haben als ich sie geben könnte. Doch ist es auch nach dem Feste18. Niederrheinisches Musikfest (1836)DüsseldorfDeutschland wenig anders geworden, und das ist schlimm. In Düsseldorf gab es die Nachfeiern des Musikfestes18. Niederrheinisches Musikfest (1836)DüsseldorfDeutschland, die in Abendessen, diners, Pferderennen, Bällen &c. bestanden; und hier in Frankfurt geht es nicht viel ruhiger her. Der Caecilien-VereinCäcilienvereinFrankfurt a. M.Deutschland wegen dessen ich hier geblieben bin macht mir zwar große Freude; es ist ein ChorCäcilienvereinFrankfurt a. M.Deutschland von über 100 Dilettanten, die die schwersten complicirtesten Sachen von BachBach, Johann Sebastian (1685-1750) mit solcher Sicherheit und so schönem Vortrage singen, daß es zum Erstaunen ist; dabei viele ganz herrliche Stimmen, und die meisten fest musikalisch gebildet; da ist mirs recht deutlich geworden, was der Wille eines Einzelnen durchsetzen kann, denn während das ganze junge Frankfurt nur Robert den Teufel<name key="PSN0113318" style="hidden" type="author">Meyerbeer (vorh. 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Musiker genug giebt es hier, auch sehr gute, ein RiesRies, Ferdinand (1784-1838), AndréAndré, Johann Anton (1775-1842), Aloys SchmittSchmitt, Aloys (1788-1866), &c. aber doch sinds dazu nicht die rechten, weil sie die Sache der Musik nicht von der Sache ihrer Musik trennen wollen; – mir scheint überhaupt, als würde das jetzt sehr Mode, das junge Deutschland, von welchem ich zuweilen in Leipzig Anfälle hatte und lange daran litt, grassirt hier auch; GutzkowGutzkow, Karl Ferdinand (1811-1878) heirathet eine SenatorstochterKlönne, Susanne Mathilde Amalie (1817-1848), und schreibt Brochüren<name key="PSN0111640" style="hidden" type="author">Gutzkow, Karl Ferdinand (1811-1878)</name><name key="CRT0108931" style="hidden" type="literature">Verteidigung gegen Menzel</name><name key="PSN0111640" style="hidden" type="author">Gutzkow, Karl Ferdinand (1811-1878)</name><name key="CRT0108928" style="hidden" type="literature">Appellation an den gesunden Menschenverstand. 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Ich habe schon zuweilen Lust dazu bekommen, es ist aber bisjetzt beim Spazierengehn geblieben; wohnte ich hier so würde ich für nichts stehen; Gärtnerei triebe ich nun einmal gewiß, und wollte bald, trotz der Frau HofräthinnClarus, Juliane Friederike Auguste (1787-1852), schöne Blumen ziehn (– grand vincoeurs, – und noch andere fremde Namen.) Wirklich aber ist mir es überraschend gewesen, diese Gegend, die ich nur vom Durchreisen kannte, bei näherer Bekanntschaft so schön zu finden; alles so fruchtbar, reich und heimathlich, daß man es mit jedem Tage lieber gewinnen muß. Was meine ferneren Reisepläne betrifft, so habe ich mir vorgenommen gegen Ende Juli nach dem Haag zu gehn, um während des Augustes in Scheveningen die von Ihnen anbefohlnen Seebäder zu brauchen. Nun möchte ich Sie wohl bitten (wenn es nicht zu unbescheiden ist) mir durch ein Paar Worte wissen zu lassen, ob Sie auch mit der Wahl dieses Ortes einverstanden sind, den ich hauptsächlich deswegen vorziehen würde, weil man im Haag ganz still nicht als Badegast, sondern als Fremder bleiben kann; dann aber auch, ob ich noch irgend etwas besonderes bei dem Seebaden zu thun oder zu lassen habe, oder ob ich blos alle Tage herumzuschwimmen brauche, nach Herzenslust. Verzeihen Sie meine Umständlichkeit, aber da ich die Reise und den Aufenthalt blos des Seebades wegen machen werde, so möchte ich auch gern alles thun, was zum Zweck führt, um so mehr da ich selbst jetzt fühle, wie nothwendig mir es sein, und wie wohl es mir thun wird.

Noch muß ich über das hiesige Treiben nachtragen, daß wir den großen maestroRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) hier hatten, und uns herrlich mit ihmRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) amüsirt haben; wenn man dem RossiniRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) auch alles andre absprechen wollte so müßte man ihmRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) doch einräumen, daß er der sprudelndste, lebhafteste, klügste Gesellschafter ist, und ein Mensch voll Geist und Leben d. h. wenn er die Sonntagslaune hat, denn in der gewöhnlichen Pariser Laune ist er blasirt und sehr unausstehlich. Hier war erRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) aber ganz Liebenswürdigkeit und Satyre, und hat sich in den Paar Tagen die er hier blieb, alle Leute so befreundet, indem er sich über alle Leute moquirte, daß es zum Todtlachen war; aber davon muß ich die besten Anecdoten noch mündlich nachtragen, erRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) hat davon zu viele geliefert. Auch vom hiesigen Orchester ist mancherlei zu erzählen, was das Leipziger OrchesterGewandhausLeipzigDeutschland gern hören würde, weil es doch ein wenig anders da steht; indem ich so manches Andre sehe und höre, lerne ich von neuem schätzen, was ich dort habe, und freue mich auch in dieser Hinsicht wieder auf den nächsten Winter. Und nun sollte ich Sie um Entschuldigung für diesen schwatzhaften Brief bitten, da Sie schwerlich Zeit und Lust haben werden ihn ganz durchzulesen; aber ich berufe mich deshalb auf die Frau HofräthinnClarus, Juliane Friederike Auguste (1787-1852), welche mir ausdrücklich erlaubte, dann und wann einen recht umständlichen Brief zu schreiben, und welcheClarus, Juliane Friederike Auguste (1787-1852) mich vertreten muß. Indem ich Sie bitte mich Ihrer ganzen FamilieClarus, Familie von → Johann Christian August C. aufs herzlichste zu empfehlen bin ich stets

Ihr ergebnerFelix Mendelssohn Bartholdy
            Frankfurt a m den 24sten Juni 1836Hochgeehrter Herr Hofrath
Seit ich in Düsseldorf Ihre freundlichen gütigen Zeilen durch Herrn David empfing, war es mir eine Pflicht Ihnen meinen herzlichen Dank dafür auszusprechen, und doch kann ich erst jetzt sie erfüllen. Meine Tage waren seit jener Zeit theils mit Geschäften theils mit alten und neuen Bekanntschaften, die mich in Anspruch nahmen, so besetzt, daß ich gar nicht zu mir selbst und zur Ruhe kommen konnte. Entschuldigen Sie es deshalb, daß ich erst so spät Ihnen für den neuen Beweis von Güte danken kann, den Sie mir durch Ihren Brief gegeben haben; wie oft ich es schon im Stillen gethan und Ihrer und der Ihrigen mit Dankbarkeit gedacht habe, das brauche ich wohl nicht zu sagen, denn Sie wissen es – aber ich wollte doch, ich könnte Ihnen einmal so recht dafür danken und für die freundschaftliche Gesinnung, die aus den Zeilen Ihres Briefs spricht. Auch wissen Sie, wie glücklich es mich macht, daß Sie mir bei meinem ferneren Aufenthalt in Leipzig die Erhaltung Ihrer Freundschaft versprechen, und mir erlauben darauf fort zu bauen. So manche trübe Stunde wäre mir seitdem gewiß erspart gewesen, wenn ich in Ihrer Nähe hätte sein können, Sie einmal bei meinen imaginären Krankheiten um ein Paar Trostworte gefragt, oder einen Abend in Ihrer Familie etwa im Garten oder am Hyazynthen-Fenster zugebracht hätte. Denn während ich nun in Düsseldorf und hier auch bei meiner ernsten Lage und Stimmung alle Arten von Festlichkeiten und Vergnügungen mitmachen mußte, die dann auch für den Augenblick alles andre übertönen und mich oft ganz in Anspruch nahmen, so kommt nachher die alte Stimmung desto stärker wieder, und weicht nur vor einem fleißigen fortgesetzt ruhigen Leben, wie mirs nun in diesem Sommer nicht zu Theil werden soll. Daß das beim Musikfest so sein würde hatte ich wohl vorausgewußt; da geht der ganze Tag im Schwindel hin, man probirt von früh um 8 bis Abends spät, und kann an nichts anders denken, als an Posaunen, Solosänger und Copisten. Freilich ist der Genuß ein seltener und großer; doch schreibe ich Ihnen davon nichts, weil Sie wahrscheinlich durch die Leipziger Augen- oder Ohrenzeugen davon eine bessere Beschreibung bekommen haben als ich sie geben könnte. Doch ist es auch nach dem Feste wenig anders geworden, und das ist schlimm. In Düsseldorf gab es die Nachfeiern des Musikfestes, die in Abendessen, diners, Pferderennen, Bällen &c. bestanden; und hier in Frankfurt geht es nicht viel ruhiger her. Der Caecilien-Verein wegen dessen ich hier geblieben bin macht mir zwar große Freude; es ist ein Chor von über 100 Dilettanten, die die schwersten complicirtesten Sachen von Bach mit solcher Sicherheit und so schönem Vortrage singen, daß es zum Erstaunen ist; dabei viele ganz herrliche Stimmen, und die meisten fest musikalisch gebildet; da ist mirs recht deutlich geworden, was der Wille eines Einzelnen durchsetzen kann, denn während das ganze junge Frankfurt nur Robert den Teufel und dergleichen Teufeleien liebt und will, und während die haute diplomatie so viel italiänisirt, als die Deutschen Bundestagskehlen es nur irgend erlauben wollen – so hat sich da in der Stille ungehindert ein solcher Verein gegründet und entfaltet, und nimmt an Umfang und Festigkeit zu, je weiter alle die andern sich davon entfernen. Leider aber ist der Mann dem die Frankfurter dies Werk verdanken jetzt durch schwere Krankheit vielleicht auf immer, gewiß für lange Zeit zur Direction unfähig gemacht, und da lernen denn die Leute, wie gewöhnlich, ihn erst recht schätzen, da sie sehen, wie unersetzlich er ist. Musiker genug giebt es hier, auch sehr gute, ein Ries, André, Aloys Schmitt, &c. aber doch sinds dazu nicht die rechten, weil sie die Sache der Musik nicht von der Sache ihrer Musik trennen wollen; – mir scheint überhaupt, als würde das jetzt sehr Mode, das junge Deutschland, von welchem ich zuweilen in Leipzig Anfälle hatte und lange daran litt, grassirt hier auch; Gutzkow heirathet eine Senatorstochter, und schreibt Brochüren dazu, über Goethe im Wendepunct einiger Jahrhunderte &c. &c. Auch noch andere große Männer schreiben, namentlich über Politik, aber ihre Namen sind nur bisjetzt ganz unbekannt; das ist alles hier fast noch unleidlicher, als im Norden, weil das Land und die ganze Natur hier so wunderherrlich sind, daß ich gar nicht begreife warum solch ein Mensch nicht lieber den ganzen Tag spazieren geht und die blauen Berge anguckt, oder wenn er Geld braucht, etwa die Erde gräbt, was doch viel angenehmer und natürlicher wäre. Ich habe schon zuweilen Lust dazu bekommen, es ist aber bisjetzt beim Spazierengehn geblieben; wohnte ich hier so würde ich für nichts stehen; Gärtnerei triebe ich nun einmal gewiß, und wollte bald, trotz der Frau Hofräthinn, schöne Blumen ziehn (– grand vincoeurs, – und noch andere fremde Namen. ) Wirklich aber ist mir es überraschend gewesen, diese Gegend, die ich nur vom Durchreisen kannte, bei näherer Bekanntschaft so schön zu finden; alles so fruchtbar, reich und heimathlich, daß man es mit jedem Tage lieber gewinnen muß. Was meine ferneren Reisepläne betrifft, so habe ich mir vorgenommen gegen Ende Juli nach dem Haag zu gehn, um während des Augustes in Scheveningen die von Ihnen anbefohlnen Seebäder zu brauchen. Nun möchte ich Sie wohl bitten (wenn es nicht zu unbescheiden ist) mir durch ein Paar Worte wissen zu lassen, ob Sie auch mit der Wahl dieses Ortes einverstanden sind, den ich hauptsächlich deswegen vorziehen würde, weil man im Haag ganz still nicht als Badegast, sondern als Fremder bleiben kann; dann aber auch, ob ich noch irgend etwas besonderes bei dem Seebaden zu thun oder zu lassen habe, oder ob ich blos alle Tage herumzuschwimmen brauche, nach Herzenslust. Verzeihen Sie meine Umständlichkeit, aber da ich die Reise und den Aufenthalt blos des Seebades wegen machen werde, so möchte ich auch gern alles thun, was zum Zweck führt, um so mehr da ich selbst jetzt fühle, wie nothwendig mir es sein, und wie wohl es mir thun wird.
Noch muß ich über das hiesige Treiben nachtragen, daß wir den großen maestro hier hatten, und uns herrlich mit ihm amüsirt haben; wenn man dem Rossini auch alles andre absprechen wollte so müßte man ihm doch einräumen, daß er der sprudelndste, lebhafteste, klügste Gesellschafter ist, und ein Mensch voll Geist und Leben d. h. wenn er die Sonntagslaune hat, denn in der gewöhnlichen Pariser Laune ist er blasirt und sehr unausstehlich. Hier war er aber ganz Liebenswürdigkeit und Satyre, und hat sich in den Paar Tagen die er hier blieb, alle Leute so befreundet, indem er sich über alle Leute moquirte, daß es zum Todtlachen war; aber davon muß ich die besten Anecdoten noch mündlich nachtragen, er hat davon zu viele geliefert. Auch vom hiesigen Orchester ist mancherlei zu erzählen, was das Leipziger Orchester gern hören würde, weil es doch ein wenig anders da steht; indem ich so manches Andre sehe und höre, lerne ich von neuem schätzen, was ich dort habe, und freue mich auch in dieser Hinsicht wieder auf den nächsten Winter. Und nun sollte ich Sie um Entschuldigung für diesen schwatzhaften Brief bitten, da Sie schwerlich Zeit und Lust haben werden ihn ganz durchzulesen; aber ich berufe mich deshalb auf die Frau Hofräthinn, welche mir ausdrücklich erlaubte, dann und wann einen recht umständlichen Brief zu schreiben, und welche mich vertreten muß. Indem ich Sie bitte mich Ihrer ganzen Familie aufs herzlichste zu empfehlen bin ich stets
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Felix Mendelssohn Bartholdy          
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Meine Tage waren seit jener Zeit theils mit Geschäften theils mit alten und neuen Bekanntschaften, die mich in Anspruch nahmen, so besetzt, daß ich gar nicht zu mir selbst und zur Ruhe kommen konnte. Entschuldigen Sie es deshalb, daß ich erst so spät Ihnen für den neuen Beweis von Güte danken kann, den Sie mir durch Ihren Brief gegeben haben; wie oft ich es schon im Stillen gethan und Ihrer und der Ihrigen mit Dankbarkeit gedacht habe, das brauche ich wohl nicht zu sagen, denn Sie wissen es – aber ich wollte doch, ich könnte Ihnen einmal so recht dafür danken und für die freundschaftliche Gesinnung, die aus den Zeilen Ihres Briefs spricht. Auch wissen Sie, wie glücklich es mich macht, daß Sie mir bei meinem ferneren Aufenthalt in Leipzig die Erhaltung Ihrer Freundschaft versprechen, und mir erlauben darauf fort zu bauen. So manche trübe Stunde wäre mir seitdem gewiß erspart gewesen, wenn ich in Ihrer Nähe hätte sein können, Sie einmal bei meinen imaginären Krankheiten um ein Paar Trostworte gefragt, oder einen Abend in <persName xml:id="persName_967fdd45-4a85-4315-bdac-1ca3f947331d">Ihrer Familie<name key="PSN0110403" style="hidden">Clarus, Familie von → Johann Christian August C.</name></persName> etwa im Garten oder am Hyazynthen-Fenster zugebracht hätte. Denn während ich nun in Düsseldorf und hier auch bei meiner ernsten Lage und Stimmung alle Arten von Festlichkeiten und Vergnügungen mitmachen mußte, die dann auch für den Augenblick alles andre übertönen und mich oft ganz in Anspruch nahmen, so kommt nachher die alte Stimmung desto stärker wieder, und weicht nur vor einem fleißigen fortgesetzt ruhigen Leben, wie mirs nun in diesem Sommer nicht zu Theil werden soll. Daß das beim <placeName xml:id="placeName_6b2c765f-ab1a-4c53-89f0-19265500b2e8">Musikfest<name key="NST0100342" style="hidden" subtype="" type="institution">18. Niederrheinisches Musikfest (1836)</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> so sein würde hatte ich wohl vorausgewußt; da geht der ganze Tag im Schwindel hin, man probirt von früh um 8 bis Abends spät, und kann an nichts anders denken, als an Posaunen, Solosänger und Copisten. Freilich ist der Genuß ein seltener und großer; doch schreibe ich Ihnen davon nichts, weil Sie wahrscheinlich durch die Leipziger Augen- oder Ohrenzeugen davon eine bessere Beschreibung bekommen haben als ich sie geben könnte. Doch ist es auch nach dem <placeName xml:id="placeName_40111b20-8438-4c6c-88be-c60fe3a647c4">Feste<name key="NST0100342" style="hidden" subtype="" type="institution">18. Niederrheinisches Musikfest (1836)</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wenig anders geworden, und das ist schlimm. In Düsseldorf gab es die Nachfeiern des <placeName xml:id="placeName_1f38dba9-0836-4990-88b9-9d2fa41f73b3">Musikfestes<name key="NST0100342" style="hidden" subtype="" type="institution">18. Niederrheinisches Musikfest (1836)</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, die in Abendessen, diners, Pferderennen, Bällen &amp;c. bestanden; und hier in Frankfurt geht es nicht viel ruhiger her. Der <placeName xml:id="placeName_e8fa172a-045b-4bd8-9433-cd9030a96944">Caecilien-Verein<name key="NST0100338" style="hidden" subtype="" type="institution">Cäcilienverein</name><settlement key="STM0100204" style="hidden" type="">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wegen dessen ich hier geblieben bin macht mir zwar große Freude; es ist ein <placeName xml:id="placeName_92588a1c-46ff-4e68-ae67-5f5e7b1d67b1">Chor<name key="NST0100338" style="hidden" subtype="" type="institution">Cäcilienverein</name><settlement key="STM0100204" style="hidden" type="">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> von über 100 Dilettanten, die die schwersten complicirtesten Sachen von <persName xml:id="persName_ba7d3eff-1dc3-4013-a072-3d4e57366740">Bach<name key="PSN0109617" style="hidden">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name></persName> mit solcher Sicherheit und so schönem Vortrage singen, daß es zum Erstaunen ist; dabei viele ganz herrliche Stimmen, und die meisten fest musikalisch gebildet; da ist mirs recht deutlich geworden, was der Wille eines Einzelnen durchsetzen kann, denn während das ganze junge Frankfurt nur <title xml:id="title_7e6cd91a-582f-4663-b379-eb51fb30960c">Robert den Teufel<name key="PSN0113318" style="hidden" type="author">Meyerbeer (vorh. Liebmann Meyer Beer), Giacomo (Jakob) (1791-1864)</name><name key="CRT0109979" style="hidden" type="music">Robert le diable</name></title> und dergleichen Teufeleien liebt und will, und während die haute diplomatie so viel italiänisirt, als die Deutschen Bundestagskehlen es nur irgend erlauben wollen – so hat sich da in der Stille ungehindert ein <placeName xml:id="placeName_b7c69710-b231-47e0-89c8-81ed5ba620aa">solcher Verein<name key="NST0100338" style="hidden" subtype="" type="institution">Cäcilienverein</name><settlement key="STM0100204" style="hidden" type="">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> gegründet und entfaltet, und nimmt an Umfang und Festigkeit zu, je weiter alle die andern sich davon entfernen. Leider aber ist der <persName xml:id="persName_2e57e12b-b1dd-490f-a313-9bc2a31c2366">Mann<name key="PSN0114524" style="hidden">Schelble, Johann Nepomuk (1789-1837)</name></persName> dem die Frankfurter dies Werk verdanken jetzt durch schwere Krankheit vielleicht auf immer, gewiß für lange Zeit zur Direction unfähig gemacht, und da lernen denn die Leute, wie gewöhnlich, <persName xml:id="persName_7317db49-31a2-4c4f-8cb6-35643839a5b2">ihn<name key="PSN0114524" style="hidden">Schelble, Johann Nepomuk (1789-1837)</name></persName> erst recht schätzen, da sie sehen, wie unersetzlich <persName xml:id="persName_9fee7c14-fd4b-4610-b0fa-f78fd7288037">er<name key="PSN0114524" style="hidden">Schelble, Johann Nepomuk (1789-1837)</name></persName> ist. Musiker genug giebt es hier, auch sehr gute, ein <persName xml:id="persName_fb2b7021-9508-4b7f-82f4-dff71b9e5e09">Ries<name key="PSN0114191" style="hidden">Ries, Ferdinand (1784-1838)</name></persName>, <persName xml:id="persName_6b587826-aba7-490e-a934-d300ddd6a1aa">André<name key="PSN0109484" style="hidden">André, Johann Anton (1775-1842)</name></persName>, <persName xml:id="persName_aaabda81-af1b-4d35-ba41-fa0769efa6c0">Aloys Schmitt<name key="PSN0114624" style="hidden">Schmitt, Aloys (1788-1866)</name></persName>, &amp;c. aber doch sinds dazu nicht die rechten, weil sie die Sache der Musik nicht von der Sache ihrer Musik trennen wollen; – mir scheint überhaupt, als würde das jetzt sehr Mode, das junge Deutschland, von welchem ich zuweilen in Leipzig Anfälle hatte und lange daran litt, grassirt hier auch; <persName xml:id="persName_b9fd9a84-72cd-4000-98b8-c3ab3aa73e72">Gutzkow<name key="PSN0111640" style="hidden">Gutzkow, Karl Ferdinand (1811-1878)</name></persName> heirathet eine <persName xml:id="persName_42bfc7c8-d1bc-4802-9616-8a189bf99c2d">Senatorstochter<name key="PSN0112442" style="hidden">Klönne, Susanne Mathilde Amalie (1817-1848)</name></persName>, und schreibt <title xml:id="title_657b7110-9e3c-4851-b0ce-8bc753060343">Brochüren<name key="PSN0111640" style="hidden" type="author">Gutzkow, Karl Ferdinand (1811-1878)</name><name key="CRT0108931" style="hidden" type="literature">Verteidigung gegen Menzel</name><name key="PSN0111640" style="hidden" type="author">Gutzkow, Karl Ferdinand (1811-1878)</name><name key="CRT0108928" style="hidden" type="literature">Appellation an den gesunden Menschenverstand. Letztes Wort in einer literarischen Streitfrage</name></title> dazu, über <title xml:id="title_ccd0b713-cb90-40c0-bcc2-340f9559352e">Goethe im Wendepunct einiger Jahrhunderte<name key="PSN0111640" style="hidden" type="author">Gutzkow, Karl Ferdinand (1811-1878)</name><name key="CRT0108930" style="hidden" type="literature">Ueber Göthe im Wendepunkte zweier Jahrhunderte</name></title> &amp;c. &amp;c. Auch noch andere große Männer schreiben, namentlich über Politik, aber ihre Namen sind nur bisjetzt ganz unbekannt; das ist alles hier fast noch unleidlicher, als im Norden, weil das Land und die ganze Natur hier so wunderherrlich sind, daß ich gar nicht begreife warum solch ein Mensch nicht lieber den ganzen Tag spazieren geht und die blauen Berge anguckt, oder wenn er Geld braucht, etwa die Erde gräbt, was doch viel angenehmer und natürlicher wäre. Ich habe schon zuweilen Lust dazu bekommen, es ist aber bisjetzt beim Spazierengehn geblieben; wohnte ich hier so würde ich für nichts stehen; Gärtnerei triebe ich nun einmal gewiß, und wollte bald, trotz der <persName xml:id="persName_b4df1949-03ba-4571-964a-06f71001f16b">Frau Hofräthinn<name key="PSN0110407" style="hidden">Clarus, Juliane Friederike Auguste (1787-1852)</name></persName>, schöne Blumen ziehn (– grand vincoeurs, – und noch andere fremde Namen.) Wirklich aber ist mir es überraschend gewesen, diese Gegend, die ich nur vom Durchreisen kannte, bei näherer Bekanntschaft so schön zu finden; alles so fruchtbar, reich und heimathlich, daß man es mit jedem Tage lieber gewinnen muß. Was meine ferneren Reisepläne betrifft, so habe ich mir vorgenommen gegen Ende Juli nach dem Haag zu gehn, um während des Augustes in Scheveningen die von Ihnen anbefohlnen Seebäder zu brauchen. Nun möchte ich Sie wohl bitten (wenn es nicht zu unbescheiden ist) mir durch ein Paar Worte wissen zu lassen, ob Sie auch mit der Wahl dieses Ortes einverstanden sind, den ich hauptsächlich deswegen vorziehen würde, weil man im Haag ganz still nicht als Badegast, sondern als Fremder bleiben kann; dann aber auch, ob ich noch irgend etwas besonderes bei dem Seebaden zu thun oder zu lassen habe, oder ob ich blos alle Tage herumzuschwimmen brauche, nach Herzenslust. Verzeihen Sie meine Umständlichkeit, aber da ich die Reise und den Aufenthalt blos des Seebades wegen machen werde, so möchte ich auch gern alles thun, was zum Zweck führt, um so mehr da ich selbst jetzt fühle, wie nothwendig mir es sein, und wie wohl es mir thun wird.</p><p>Noch muß ich über das hiesige Treiben nachtragen, daß wir den <persName xml:id="persName_d091cf35-fef0-48bb-ae57-46baea6b0ad1">großen maestro<name key="PSN0114299" style="hidden">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> hier hatten, und uns herrlich mit <persName xml:id="persName_131c3c06-c107-4116-b848-57480c5ab97d">ihm<name key="PSN0114299" style="hidden">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> amüsirt haben; wenn man dem <persName xml:id="persName_df08e381-c0cb-4c58-bc3a-c6451060e799">Rossini<name key="PSN0114299" style="hidden">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> auch alles andre absprechen wollte so müßte man <persName xml:id="persName_d2f3bf6f-454b-4848-8fec-9684d9a5de86">ihm<name key="PSN0114299" style="hidden">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> doch einräumen, daß er der sprudelndste, lebhafteste, klügste Gesellschafter ist, und ein Mensch voll Geist und Leben d. h. wenn er die Sonntagslaune hat, denn in der gewöhnlichen Pariser Laune ist er blasirt und sehr unausstehlich. Hier war <persName xml:id="persName_10a722d3-31ea-4617-9a8e-63a32ff3a863">er<name key="PSN0114299" style="hidden">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> aber ganz Liebenswürdigkeit und Satyre, und hat sich in den Paar Tagen die er hier blieb, alle Leute so befreundet, indem er sich über alle Leute moquirte, daß es zum Todtlachen war; aber davon muß ich die besten Anecdoten noch mündlich nachtragen, <persName xml:id="persName_e95c0ec2-dd4b-4a60-b65e-b358803879da">er<name key="PSN0114299" style="hidden">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> hat davon zu viele geliefert. Auch vom hiesigen Orchester ist mancherlei zu erzählen, was das Leipziger <placeName xml:id="placeName_6ce67c05-5e66-4a33-8323-cd4da1a7bd1f">Orchester<name key="NST0100494" style="hidden" subtype="" type="institution">Gewandhaus</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> gern hören würde, weil es doch ein wenig anders da steht; indem ich so manches Andre sehe und höre, lerne ich von neuem schätzen, was ich dort habe, und freue mich auch in dieser Hinsicht wieder auf den nächsten Winter. Und nun sollte ich Sie um Entschuldigung für diesen schwatzhaften Brief bitten, da Sie schwerlich Zeit und Lust haben werden ihn ganz durchzulesen; aber ich berufe mich deshalb auf die <persName xml:id="persName_2c16ea4c-6e01-4bb5-b56c-4c7a2c30ef56">Frau Hofräthinn<name key="PSN0110407" style="hidden">Clarus, Juliane Friederike Auguste (1787-1852)</name></persName>, welche mir ausdrücklich erlaubte, dann und wann einen recht umständlichen Brief zu schreiben, und <persName xml:id="persName_8eef80e1-bed8-4c55-ac8f-4f804a2693ac">welche<name key="PSN0110407" style="hidden">Clarus, Juliane Friederike Auguste (1787-1852)</name></persName> mich vertreten muß. Indem ich Sie bitte mich <persName xml:id="persName_2bf754a9-f184-4f41-b6f4-f93e2c1ed857">Ihrer ganzen Familie<name key="PSN0110403" style="hidden">Clarus, Familie von → Johann Christian August C.</name></persName> aufs herzlichste zu empfehlen bin ich stets</p><signed rend="right">Ihr ergebner</signed><signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy</signed></div></body> </text></TEI>