fmb-1836-04-21-01
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Leipzig, 21. April 1836
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
3 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Textverlust durch Abriss des Seitenrands.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
stenApril 36
Nachdem ich Deinen Brief gestern und vorgestern gelesen und wieder gelesen habe, und ihn nicht aus dem Kopfe verlieren konnte, antworte ich Dir heut darauf, und es wird mir nicht leicht. Denn indem ich selbst bei Deinem Plane, vielleicht nach Düsseldorf zu reisen allzusehr betheiligt bin, denke ich an eine und die andre Möglichkeit, und konnte zu keinem Entschlusse kommen, was ich Dir schreiben sollte. Laß mich nur auf jeden Fall hoffen, daß Du mir nicht böse bist, wenn ich Dir jetzt sage, daß ich trotz allem was mich reizt und drängt Dich zur Reise nach Düsseldorf zu bitten, es dennoch nicht thun kann – ja, daß der Plan allein, wie Du ihn mir schreibst, mich sobald ich lebhaft mir es klar machte mich so beunruhigt hat, daß ich es für meine schwere Pflicht halte, Dir nicht zuzureden. Und daß mir das schwer wird, weißt Du wohl, denn Du kennst mich. Es wäre mir freilich die größte Freude Dich bald wie[der] zusehen, und einige Tage mit Dir zu leben, aber der bloße Gedanke an die Möglich[keit] Deiner Unpäßlichkeit – etwa während des
hieraufgeführt, so in Deiner Nähe. Je mehr ich davon schreibe, je deutlicher fühl[e] ich, daß ich Dich
bittenmuß, um meinetwillen Deinen Plan nicht auszuführen, und mich der großen Angst nicht auszusetzen, die Deine Anwesenheit mir aus tausend Gründen bereiten würde. Sey es nun wegen unseres großen Unglück[s,] sei es die Erinnerung an die Tage Deiner vorigen Krankheit in Düsseldorf, genug der Gedanke macht mich zittern. Und wenn mich die bloße Erinnerung an Deine Krankheit damals so angreift, so weiß ich nicht, wie ich, wenn auch nicht in einem ähnlichen Falle, den Gott verhüte, doch bei bloßer Unpäßlichkeit und Besorgniß, im Stande sein könnte zu dirigiren. Es würde mir unmöglich, oder die Anstrengung zu groß werden.
Nicht als ob ich gerade eben fürchten und glauben könnte, daß Dir die Reise und das
So ist es Selbstsucht, es mag allzu ängstlich sein, was ich Dir schreibe, aber ich empfin[de] es allzulebhaft, um es Dir nicht mit Aufrichtigkeit zu sagen. Zudem willst Du, ich möchte Dir die reine Wahrheit darüber schreiben – und schon deshalb wäre es mir Pflicht dieses Wort zu befolgen. Wie schwer mir das wird, und wie gern ich Dich bald, bald wiedersähe, das brauche ich Dir nicht zu sagen; antworte mir nur bald, und sage mir, daß Dich dieser Brief nicht erzürnt hat. Lebewohl!
An
Leipzig den 21sten April 36Liebste Mutter Nachdem ich Deinen Brief gestern und vorgestern gelesen und wieder gelesen habe, und ihn nicht aus dem Kopfe verlieren konnte, antworte ich Dir heut darauf, und es wird mir nicht leicht. Denn indem ich selbst bei Deinem Plane, vielleicht nach Düsseldorf zu reisen allzusehr betheiligt bin, denke ich an eine und die andre Möglichkeit, und konnte zu keinem Entschlusse kommen, was ich Dir schreiben sollte. Laß mich nur auf jeden Fall hoffen, daß Du mir nicht böse bist, wenn ich Dir jetzt sage, daß ich trotz allem was mich reizt und drängt Dich zur Reise nach Düsseldorf zu bitten, es dennoch nicht thun kann – ja, daß der Plan allein, wie Du ihn mir schreibst, mich sobald ich lebhaft mir es klar machte mich so beunruhigt hat, daß ich es für meine schwere Pflicht halte, Dir nicht zuzureden. Und daß mir das schwer wird, weißt Du wohl, denn Du kennst mich. Es wäre mir freilich die größte Freude Dich bald wieder zusehen, und einige Tage mit Dir zu leben, aber der bloße Gedanke an die Möglichkeit Deiner Unpäßlichkeit – etwa während des Festes wo ich dirigiren müßte – ist mir gar zu schrecklich. Die Aufregung wäre für Dich sehr groß, die Reise kann niemals ohne Beschwerden abgehen, in Woringens Hause geht es während des Musikfestes toll und lärmend her, die Hitze wird groß, der Erfolg meines Oratoriums ist Dir zu viel werth, als daß er Dich nicht in jedem Falle afficiren müßte – alles das ist so beunruhigend, bei Deiner so leicht erregten Constitution. Dazu kommt noch daß ich an diesen Tagen Dich blos eben sehen, kaum sprechen könnte, an ein Zusammenleben wäre nicht zu denken, da ich schon jetzt fast den ganzen Tag fürs Musikfest zu arbeiten habe, und da auch mich mein Oratorium sehr in Anspruch nehmen wird – endlich wird es ja nur wenig Monate später, wahrscheinlich noch mehr vollendet, vielleicht sogar besser, gewiß mit mehr Ruhe und Sicherheit hier aufgeführt, so in Deiner Nähe. Je mehr ich davon schreibe, je deutlicher fühle ich, daß ich Dich bitten muß, um meinetwillen Deinen Plan nicht auszuführen, und mich der großen Angst nicht auszusetzen, die Deine Anwesenheit mir aus tausend Gründen bereiten würde. Sey es nun wegen unseres großen Unglücks, sei es die Erinnerung an die Tage Deiner vorigen Krankheit in Düsseldorf, genug der Gedanke macht mich zittern. Und wenn mich die bloße Erinnerung an Deine Krankheit damals so angreift, so weiß ich nicht, wie ich, wenn auch nicht in einem ähnlichen Falle, den Gott verhüte, doch bei bloßer Unpäßlichkeit und Besorgniß, im Stande sein könnte zu dirigiren. Es würde mir unmöglich, oder die Anstrengung zu groß werden. Nicht als ob ich gerade eben fürchten und glauben könnte, daß Dir die Reise und das Fest schlecht bekommen würden – aber ich bin verwöhnt, ich weiß daß Du mein Wohl und Glück von jeher mehr geliebt hast, als Deine eigne Freude; und obgleich es undankbar scheinen möchte, daß ich selbst Dir dieses sage, so muß ich es thun, weil meine Lage in jenem Falle doch gar zu verzweifelt wäre, und muß also wieder um dasselbe Opfer bitten, für das zu danken, ich wohl noch niemals Gelegenheit und Worte gehabt. So ist es Selbstsucht, es mag allzu ängstlich sein, was ich Dir schreibe, aber ich empfinde es allzulebhaft, um es Dir nicht mit Aufrichtigkeit zu sagen. Zudem willst Du, ich möchte Dir die reine Wahrheit darüber schreiben – und schon deshalb wäre es mir Pflicht dieses Wort zu befolgen. Wie schwer mir das wird, und wie gern ich Dich bald, bald wiedersähe, das brauche ich Dir nicht zu sagen; antworte mir nur bald, und sage mir, daß Dich dieser Brief nicht erzürnt hat. Lebewohl! An Fanny denke ich morgen oder noch diesen Abend zu schreiben; tausend Grüße Dir, Du liebes Beckchen. – Lebt wohl. Immer Dein Felix MB.
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