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fmb-1835-11-27-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Georg Friedrich Carl August Büttner in Weimar <lb></lb>Berlin, 27. November 1835 geehrtes Schreiben vom 22sten empfing ich gestern hier, wohin mich ein trauriges Familienereigniß vor mehreren Tagen gerufen hatte; ich fühle mich dennoch verpflichtet meine Antwort nicht aufzuschieben, da es sich um einen Gegenstand handelt, der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 4, 1257.

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Deutschland Weimar D-WRgs Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv - 38/V,8,1, Bl. 20-21. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Georg Friedrich Carl August Büttner in Weimar; Berlin, 27. November 1835 geehrtes Schreiben vom 22sten empfing ich gestern hier, wohin mich ein trauriges Familienereigniß vor mehreren Tagen gerufen hatte; ich fühle mich dennoch verpflichtet meine Antwort nicht aufzuschieben, da es sich um einen Gegenstand handelt, der

4 beschr. S.

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

27. November 1835 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Berlin Deutschland Büttner, Georg Friedrich Carl August (1792-1843) Weimar Deutschland deutsch
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Ew. Hochwohlgeboren

geehrtes Schreiben vom 22sten empfing ich gestern hier, wohin mich ein trauriges Familienereigniß vor mehreren Tagen gerufen hatte; ich fühle mich dennoch verpflichtet meine Antwort nicht aufzuschieben, da es sich um einen Gegenstand handelt, der mich seit langer Zeit mit der engsten Theilnahme erfüllt hat: um das Wohl und die Zukunft des jungen Walther von GoetheGoethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885). Obwohl ich mir nach seinem kurzen Aufenthalt in Leipzig über ihn durchaus nicht ein competentes Urtheil anzumaßen wage, so erlaube ich mir dennoch auf Ihre Anfrage hin, Ihnen dieselbe Meinung hiedurch mitzutheilen, die ich seiner Frau MutterGoethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872), bei ihrer damaligen Anwesenheit, zu äußern für meine Pflicht hielt. Ich glaube nämlich, da den jungen von GoetheGoethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885) seine Neigung und seine Anlagen zum musikalischen Studium hinziehen, daß kein Tag zu verlieren sei, um dieses Studium, oder die Vorbereitungen dazu mit Ernst und Gründlichkeit vorzunehmen, daß also schon vor nächsten Michaelis dazu gethan werden müsse seinen Arbeiten in dieser Beziehung eine solche Richtung zu geben, daß nichts darin versäumt sei, im Falle er sich dann zum musikalischen Berufe entscheiden würde. Mir scheinen nämlich seine angebornen Fähigkeiten zur Musik, sein Talent dazu, bei weitem dem überwiegend, was er bis jetzt darin gelernt hat, seine Ideeen beim Phantasiren, sein Ausdruck beim Spielen, sind oft ganz überraschend; aber seine Finger, seine Geschmacksbildung, seine Fertigkeit im Schreiben noch sehr weit zurück. Da er sich nun dem Alter nähert, wo diese letztgenannten Schwierigkeiten schon überwunden sein müssen, um den eigenen Arbeiten Platz zu machen und zu dienen, so wiederhole ich, daß ich glaube, es sey wo möglich keine Zeit zu verlieren, um das zu ersetzen, was jetzt mit einiger Anstrengung, und einigem Fleiße leicht zu ersetzen sein wird, in wenigen Jahren aber schwer oder unmöglich. Das Mittel dazu sind Lectionen bei einem bewährten, gründlichen Musiker, der den jungen von GoetheGoethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885) sowohl im Clavierspielen als im Generalbaß sogleich unterrichtete, und ihm das Mechanische dieser beiden Fächer ganz geläufig zu machen wüßte. Ein solcher wird ja gewiß in Ihrer Stadt zu finden sein, und der junge v. GoetheGoethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885) selbst hat mir öfters wiederholt, daß er es einsehe, wie diesem Mangel an technischer Ausbildung, hauptsächlich durch Fleiß und Energie von seiner Seite abgeholfen werden und daß er selbst also das Meiste dazu thun müsse. Denn es scheint mir seine Pflicht bei jedem Fach, das erGoethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885) ergreifen wollte, auf gründliche Ausbildung, auf Vollkommenheit zu zielen, die erGoethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885) sich selbst und seinem Namen schuldig ist, und ohne die ihn kein Talent, auch das größte nicht, auszeichnen kann.

Diese Gründlichkeit aber liegt nach meiner Überzeugung nur in der Qualität der Studien, durchaus nicht in der Quantität derselben, und gerade dann wenn, der junge v. GoetheGoethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885) den Weg einschlüge, über den ich mit ihm selbst wiederholt gesprochen, und den ich eben angedeutet habe, dann würde und dürfte seine allgemeinere Ausbildung unter seinen musikalischen Studien nichts zu leiden haben. Wenn er zu seinem Vergnügen fortfährt Musik zu treiben, sich an seinen eignen Fähigkeiten erfreuend, sich die Stücke vorspielend, die er schon kennt, oder sich in freie Phantasieen verlierend, so wird ihn das zerstreuen, abziehen, den andren Studien mehr abhold machen; wenn er aber bei jeder Stunde Musik die er treibt, seine Fortschritte im Auge behält, die Musik als eine Kunst und eine Aufgabe für sich ansieht, mit einem Wort sie für jetzt als ein Studium behandelt, so wird ihm an Lust und Zeit zu andern Beschäftigungen soviel bleiben müssen, daß seine allgemeine Ausbildung nicht darunter leiden wird. Ich betrachte dieselbe sogar als unumgänglich nöthig, für die Stufe die erGoethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885) einmal einnehmen sollte, sowohl in künstlerischer, als geselliger Beziehung, obwohl viele Musiker hierin nicht mit mir übereinstimmen möchten. Das Beides verträglich sei, davon könnte ich mehrere Beispiele aufstellen, auch habe ich selbst in der Zeit, wo ich am fleißigsten Musik studirte und componirte, mein Universitätsexamen gemacht, und mehrere Jahre hindurch Collegia besucht. Wieviel Stunden aber zu gehöriger Vorbereitung der Musik gewidmet werden müßten, ist schwer zu bestimmen, und es schiene mir am besten darüber die Entscheidung dem Lehrer, sobald ein solcher genommen ist, zu überlassen; doch glaube ich, daß man im Allgemeinen annehmen kann, es sey mit 3 Lectionen im Generalbaß, und 3 im Clavierspielen für jede Woche genug, wenn außerdem noch 2-3 Stunden der eignen Übung gewidmet wären, so daß täglich etwa 4 Stunden Musik getrieben würden. Mehr würde ich in keinem Falle für ersprieslich halten, daß aber bei dem Stande der musikalischen Bildung des jungen v. GoetheGoethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885) auch nicht viel weniger dazu verwendet werden dürfe, um bald ein erwünschtes Resultat zu liefern, das scheint mir gewiß. Dabei würde aber immer der eigne Fleiß und die Energie im Üben die Hauptsache bleiben, und wenn es an denen nicht fehlt, glaube ich daß es nach Verlauf von einiger Zeit auch vielleicht an einer kleineren Anzahl Lectionen genügen möge. In jedem Fall blieben täglich doch noch etwa 5-6 Stunden zu andern Studien frei, deren Fortsetzung mir, wie gesagt, auch schon in musikalischer Hinsicht für ihn wünschenswerth erscheint; am nöthigsten jedoch eine baldige Befestigung in den technischen und mechanischen Grundlagen der Kunst, zu der ihn seine Neigung treibt, und eine vollständige Bekanntschaft der Mittel, mit denen sein Talent dann später schalten und walten könne.

Indem ich Ihnen für das ehrenvolle Zutrauen danke, das sich in ihrem Briefe für mich ausspricht und für die Gelegenheit die Sie mir dadurch geben meine Meinung über einen Gegenstand zu äußern, der meine wärmste Theilnahme und mein dauerndes Interesse in Anspruch nimmt, bitte ich Sie die Versicherungen der größten Hochachtung zu genehmigen, mit welcher ich die Ehre habe zu sein

Ew. HochwohlgeborenergebensterFelix Mendelssohn Bartholdy.Berlin den 27 Nov. 1835.
            Ew. Hochwohlgeboren
geehrtes Schreiben vom 22sten empfing ich gestern hier, wohin mich ein trauriges Familienereigniß vor mehreren Tagen gerufen hatte; ich fühle mich dennoch verpflichtet meine Antwort nicht aufzuschieben, da es sich um einen Gegenstand handelt, der mich seit langer Zeit mit der engsten Theilnahme erfüllt hat: um das Wohl und die Zukunft des jungen Walther von Goethe. Obwohl ich mir nach seinem kurzen Aufenthalt in Leipzig über ihn durchaus nicht ein competentes Urtheil anzumaßen wage, so erlaube ich mir dennoch auf Ihre Anfrage hin, Ihnen dieselbe Meinung hiedurch mitzutheilen, die ich seiner Frau Mutter, bei ihrer damaligen Anwesenheit, zu äußern für meine Pflicht hielt. Ich glaube nämlich, da den jungen von Goethe seine Neigung und seine Anlagen zum musikalischen Studium hinziehen, daß kein Tag zu verlieren sei, um dieses Studium, oder die Vorbereitungen dazu mit Ernst und Gründlichkeit vorzunehmen, daß also schon vor nächsten Michaelis dazu gethan werden müsse seinen Arbeiten in dieser Beziehung eine solche Richtung zu geben, daß nichts darin versäumt sei, im Falle er sich dann zum musikalischen Berufe entscheiden würde. Mir scheinen nämlich seine angebornen Fähigkeiten zur Musik, sein Talent dazu, bei weitem dem überwiegend, was er bis jetzt darin gelernt hat, seine Ideeen beim Phantasiren, sein Ausdruck beim Spielen, sind oft ganz überraschend; aber seine Finger, seine Geschmacksbildung, seine Fertigkeit im Schreiben noch sehr weit zurück. Da er sich nun dem Alter nähert, wo diese letztgenannten Schwierigkeiten schon überwunden sein müssen, um den eigenen Arbeiten Platz zu machen und zu dienen, so wiederhole ich, daß ich glaube, es sey wo möglich keine Zeit zu verlieren, um das zu ersetzen, was jetzt mit einiger Anstrengung, und einigem Fleiße leicht zu ersetzen sein wird, in wenigen Jahren aber schwer oder unmöglich. Das Mittel dazu sind Lectionen bei einem bewährten, gründlichen Musiker, der den jungen von Goethe sowohl im Clavierspielen als im Generalbaß sogleich unterrichtete, und ihm das Mechanische dieser beiden Fächer ganz geläufig zu machen wüßte. Ein solcher wird ja gewiß in Ihrer Stadt zu finden sein, und der junge v. Goethe selbst hat mir öfters wiederholt, daß er es einsehe, wie diesem Mangel an technischer Ausbildung, hauptsächlich durch Fleiß und Energie von seiner Seite abgeholfen werden und daß er selbst also das Meiste dazu thun müsse. Denn es scheint mir seine Pflicht bei jedem Fach, das er ergreifen wollte, auf gründliche Ausbildung, auf Vollkommenheit zu zielen, die er sich selbst und seinem Namen schuldig ist, und ohne die ihn kein Talent, auch das größte nicht, auszeichnen kann.
Diese Gründlichkeit aber liegt nach meiner Überzeugung nur in der Qualität der Studien, durchaus nicht in der Quantität derselben, und gerade dann wenn, der junge v. Goethe den Weg einschlüge, über den ich mit ihm selbst wiederholt gesprochen, und den ich eben angedeutet habe, dann würde und dürfte seine allgemeinere Ausbildung unter seinen musikalischen Studien nichts zu leiden haben. Wenn er zu seinem Vergnügen fortfährt Musik zu treiben, sich an seinen eignen Fähigkeiten erfreuend, sich die Stücke vorspielend, die er schon kennt, oder sich in freie Phantasieen verlierend, so wird ihn das zerstreuen, abziehen, den andren Studien mehr abhold machen; wenn er aber bei jeder Stunde Musik die er treibt, seine Fortschritte im Auge behält, die Musik als eine Kunst und eine Aufgabe für sich ansieht, mit einem Wort sie für jetzt als ein Studium behandelt, so wird ihm an Lust und Zeit zu andern Beschäftigungen soviel bleiben müssen, daß seine allgemeine Ausbildung nicht darunter leiden wird. Ich betrachte dieselbe sogar als unumgänglich nöthig, für die Stufe die er einmal einnehmen sollte, sowohl in künstlerischer, als geselliger Beziehung, obwohl viele Musiker hierin nicht mit mir übereinstimmen möchten. Das Beides verträglich sei, davon könnte ich mehrere Beispiele aufstellen, auch habe ich selbst in der Zeit, wo ich am fleißigsten Musik studirte und componirte, mein Universitätsexamen gemacht, und mehrere Jahre hindurch Collegia besucht. Wieviel Stunden aber zu gehöriger Vorbereitung der Musik gewidmet werden müßten, ist schwer zu bestimmen, und es schiene mir am besten darüber die Entscheidung dem Lehrer, sobald ein solcher genommen ist, zu überlassen; doch glaube ich, daß man im Allgemeinen annehmen kann, es sey mit 3 Lectionen im Generalbaß, und 3 im Clavierspielen für jede Woche genug, wenn außerdem noch 2-3 Stunden der eignen Übung gewidmet wären, so daß täglich etwa 4 Stunden Musik getrieben würden. Mehr würde ich in keinem Falle für ersprieslich halten, daß aber bei dem Stande der musikalischen Bildung des jungen v. Goethe auch nicht viel weniger dazu verwendet werden dürfe, um bald ein erwünschtes Resultat zu liefern, das scheint mir gewiß. Dabei würde aber immer der eigne Fleiß und die Energie im Üben die Hauptsache bleiben, und wenn es an denen nicht fehlt, glaube ich daß es nach Verlauf von einiger Zeit auch vielleicht an einer kleineren Anzahl Lectionen genügen möge. In jedem Fall blieben täglich doch noch etwa 5-6 Stunden zu andern Studien frei, deren Fortsetzung mir, wie gesagt, auch schon in musikalischer Hinsicht für ihn wünschenswerth erscheint; am nöthigsten jedoch eine baldige Befestigung in den technischen und mechanischen Grundlagen der Kunst, zu der ihn seine Neigung treibt, und eine vollständige Bekanntschaft der Mittel, mit denen sein Talent dann später schalten und walten könne.
Indem ich Ihnen für das ehrenvolle Zutrauen danke, das sich in ihrem Briefe für mich ausspricht und für die Gelegenheit die Sie mir dadurch geben meine Meinung über einen Gegenstand zu äußern, der meine wärmste Theilnahme und mein dauerndes Interesse in Anspruch nimmt, bitte ich Sie die Versicherungen der größten Hochachtung zu genehmigen, mit welcher ich die Ehre habe zu sein
Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster
Felix Mendelssohn Bartholdy.
Berlin den 27 Nov. 1835.          
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1835-11-27" xml:id="date_9f8f1603-08f0-4182-a59a-35c2831fd5b6">27. 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Wenn er zu seinem <hi rend="underline">Vergnügen</hi> fortfährt Musik zu treiben, sich an seinen eignen Fähigkeiten erfreuend, sich die Stücke vorspielend, die er schon kennt, oder sich in freie Phantasieen verlierend, so wird ihn das zerstreuen, abziehen, den andren Studien mehr abhold machen; wenn er aber bei jeder Stunde Musik die er treibt, seine <hi rend="underline">Fortschritte</hi> im Auge behält, die Musik als eine Kunst und eine Aufgabe für sich ansieht, mit einem Wort sie für jetzt als ein Studium behandelt, so wird ihm an Lust und Zeit zu andern Beschäftigungen soviel bleiben müssen, daß seine allgemeine Ausbildung nicht darunter leiden wird. Ich betrachte dieselbe sogar als unumgänglich nöthig, für die Stufe die <persName xml:id="persName_a83417af-6d71-4f47-bc31-f3b25d38d780">er<name key="PSN0111426" style="hidden">Goethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885)</name></persName> einmal einnehmen sollte, sowohl in künstlerischer, als geselliger Beziehung, obwohl viele Musiker hierin nicht mit mir übereinstimmen möchten. Das Beides verträglich sei, davon könnte ich mehrere Beispiele aufstellen, auch habe ich selbst in der Zeit, wo ich am fleißigsten Musik studirte und componirte, mein Universitätsexamen gemacht, und mehrere Jahre hindurch Collegia besucht. Wieviel Stunden aber zu gehöriger Vorbereitung der Musik gewidmet werden müßten, ist schwer zu bestimmen, und es schiene mir am besten darüber die Entscheidung dem Lehrer, sobald ein solcher genommen ist, zu überlassen; doch glaube ich, daß man im Allgemeinen annehmen kann, es sey mit 3 Lectionen im Generalbaß, und 3 im Clavierspielen für jede Woche genug, wenn außerdem noch 2-3 Stunden der eignen Übung gewidmet wären, so daß täglich etwa 4 Stunden Musik getrieben würden. Mehr würde ich in keinem Falle für ersprieslich halten, daß aber bei dem Stande der musikalischen Bildung des <persName xml:id="persName_8bbf3d2d-4479-4f7b-856c-a0a025f709c3">jungen v. Goethe<name key="PSN0111426" style="hidden">Goethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885)</name></persName> auch nicht viel weniger dazu verwendet werden dürfe, um bald ein erwünschtes Resultat zu liefern, das scheint mir gewiß. Dabei würde aber immer der eigne Fleiß und die Energie im Üben die Hauptsache bleiben, und wenn es an denen nicht fehlt, glaube ich daß es nach Verlauf von einiger Zeit auch vielleicht an einer kleineren Anzahl Lectionen genügen möge. In jedem Fall blieben täglich doch noch etwa 5-6 Stunden zu andern Studien frei, deren Fortsetzung mir, wie gesagt, auch schon in musikalischer Hinsicht für ihn wünschenswerth erscheint; am nöthigsten jedoch eine baldige Befestigung in den technischen und mechanischen Grundlagen der Kunst, zu der ihn seine Neigung treibt, und eine vollständige Bekanntschaft der Mittel, mit denen sein Talent dann später schalten und walten könne.</p><p>Indem ich Ihnen für das ehrenvolle Zutrauen danke, das sich in ihrem Briefe für mich ausspricht und für die Gelegenheit die Sie mir dadurch geben meine Meinung über einen Gegenstand zu äußern, der meine wärmste Theilnahme und mein dauerndes Interesse in Anspruch nimmt, bitte ich Sie die Versicherungen der größten Hochachtung zu genehmigen, mit welcher ich die Ehre habe zu sein</p><signed rend="right">Ew. Hochwohlgeboren</signed><signed rend="right">ergebenster</signed><signed rend="left">Felix Mendelssohn Bartholdy.</signed><dateline rend="left">Berlin den <date cert="high" when="1835-11-27" xml:id="date_c0ed9a57-71c7-4c5b-9e4f-519402d5b91e">27 Nov. 1835</date>.</dateline></div></body> </text></TEI>