fmb-1835-08-09-02
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Berlin, 9. August 1835
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; mit Adresse und 1 Poststempel. – Die Reproduktion des Autographs umfasst nicht die Adressenseite, lässt aber aufgrund durchschlagender Schrift und Poststempel erkennen, dass eine solche vorhanden ist.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Ich kann es nicht unterlassen Ihnen von hier aus einige Zeilen zu schreiben, zuvörderst um Ihnen von dem willkommnen Wohlbefinden
Ich habe nun noch eine Bitte an Sie, lieber Herr Director, das inliegende Geld betreffend. Ich wollte während meiner Anwesenheit in Düsseldorf schon gern den nicht namentlich dabei anführten. Entschuldigen Sie mich, daß ich Ihnen eine Belästigung dadurch mache, aber ich wollte es nicht gern gerade durch die Post schicken.
Hier im Museum sollen zwei schöne neue Bilder aquirirt sein, von denen ich viel Lobens gehört,
tenAugust 1835
Lieber Herr Director Ich kann es nicht unterlassen Ihnen von hier aus einige Zeilen zu schreiben, zuvörderst um Ihnen von dem willkommnen Wohlbefinden Ihres Vaters, den ich gestern gesehen, Nachricht zu geben. Nachdem die ersten Tage nach unsrer glücklichen Ankunft hier vorüber waren und ich Ihren Herrn Vater mehremal verfehlt hatte, kam er gestern Abend hieher und war so muntrer Laune, so frisch wie ich ihn nur je gekannt habe. Über die Augen klagt er zwar, doch geht er Abends ohne Schwierigkeit allein auf der Straße, erkennt die Leute im Zimmer sogleich, und ist wie gesagt, dabei so heiter und aufgeräumt, daß es eine Lust ist. Er klagte über den Mangel an Regen, der in der Stadt eine exhalaison verursache, die ihm ganz abominable sei – als ich ihn frug, was die musikalische Section bei der Akademie machte, antwortete er: „gar nichts, mein Söhnchen“ – dann erzählte er vom Künstler- und vom Kunstverein, und von hundert Clubbs, dem Montagsclubb, und Schachclubb, und wie sie alle heißen – mit einem Wort, er ist ganz derselbe, wie ich ihn vor langer Zeit kennen lernte bis jetzt. Auch ich habe die Freude, daß die Leute hier meinen Vater wohler aussehend finden, als seit langer Zeit; die Reise war recht ängstlich und sorgenvoll, und wurde es doppelt, als Vater in Cassel unwohl und sehr übler Laune wurde. Die langsame Reise, die schnelle Abwechselung von Hitze und Kälte, der unerträgliche Staub trugen dazu bei, zugleich quälte auch ihn die Besorgniß wie Mutter die Fahrt bekommen würde, und so können Sie sich denken, wie ich Gott dankte, als endlich Steglitz und Schöneberg und die Gensd’armthürme erschienen. Doch auch die ersten Tage hier waren nicht angenehm; es mußten eine Menge Besuche abgewiesen werden, und dann kamen andre durch die Gartenthüre hinein, die mußten höflich herauscomplimentirt werden, und durften es doch nicht übel nehmen, und dann kam die Berliner Revolution, von der ich auch fürchtete, sie möchte Mutter ängstigen, obwohl sie nicht sehr ängstlich war – erst jetzt ist die alte häusliche Bequemlichkeit für die Eltern wieder da, und man kann nun erst eigentlich sagen, daß die Reise beendigt, und ganz glücklich überstanden sei. Ich werde noch etwa 8 Tage hier bleiben müssen, dann nach Leipzig gehen, und ob ich dann noch Zeit übrig behalte im September nach Frankfurt zu gehen das weiß ich noch gar nicht, möchte es aber gar zu gern, denn wäre ich einmal erst in Frankfurt, so müßte ich auch aufs Dampfboot, und besuchte Sie wohl noch auf ein Paar Tage. Aber wie gesagt, das schwebt mir noch etwas problematisch vor und ich wünschte mirs nur, ehe ich mich in Leipzig zum Winter einpuppe oder einpökle, wie man’s nennen will. – Von Berlin schreibe ich gar nichts, Sie kennen es es sehr gut, und es ist nicht begeisternd; über die große Revolution von 1835 in Berlin haben Sie gewiß auch schon alle möglichen Details; es sollen 150 Straßenjungen arretirt sein, und 50 andre Leute; was sie gewollt haben, liegt schon vor der Untersuchung klar am Tage: erst Raketen steigen lassen; da sie das nicht sollten, wollten sie das Militair ärgern und necken, stachen die Dragonerpferde mit Nadeln u. s. f., hierauf prügelte man sich gegenseitig, unter den Linden wurden alle Laternen eingeschlagen, alle Bänke demolirt, viele Fenster zerbrochen, Kranzlers neuer Laden wurde gestürmt indem populus rief: „ooch Eis essen“, ganz Berlin strömte hin und sah der Revolution zu, und am Tag darauf sangen die Schusterjungen: „Heil dir im Siegerkranz, heut bleibt keine Scheibe ganz. “ Wenn ich nun noch zusetze, daß sich Berlin in zwei Partheien hierauf getheilt hat, die eine die das Militair bedauert und den Pöpel schimpft, die andre die den Pöpel bedauert das Militair schimpft, und daß alles auf den Stralauer Fischzug sehr begierig ist, und Wetten macht, ob es ruhig oder unruhig ablaufen würde, – so habe ich die Berliner Revolution die ich hier erlebt, historisch dargestellt, wie Ranke das Mittelalter. Als Nachtrag muß ich noch melden, daß die Fenster der Fürstinn Liegnitz eingeworfen, und dem Herzog Carl der Hut vom Kopf geworfen worden sein soll, und daß auf der langen Brücke ein Schuster zur Schildwach gesagt habe: „halt mal weg, ich muß noch das Laterneken einschmeißen. “ Wenn Ihnen nun nicht vaterländisch zu Muth wird, so weiß ichs nicht. – Steinbrück habe ich mehreremal gesehn; er ist wohl und vergnügt, sehnt sich aber etwas nach der Arbeit, und nach Düsseldorf und denkt in der Mitte des nächsten Monats wieder dort zu sein. Ich habe nun noch eine Bitte an Sie, lieber Herr Director, das inliegende Geld betreffend. Ich wollte während meiner Anwesenheit in Düsseldorf schon gern den barmherzigen Schwestern einen Beitrag zu den Sammlungen geben, die sie wöchentlich machen, und hatte mir dazu mein nächstes Honorar bestimmt; es blieb mir aber lange aus, und ich habe es erst hier vor wenig Tagen erhalten. So wollte ich Sie nun also bitten die inliegende Anweisung erheben zu lassen, und die Summe dann in meinem Namen den barmherzigen Schwestern in Düsseldorf zu geben; doch wünschte ich daß dieselben, falls die Anzeigen in der Zeitung die ich öfters gelesen noch fortgesetzt werden, mich nicht namentlich dabei anführten. Entschuldigen Sie mich, daß ich Ihnen eine Belästigung dadurch mache, aber ich wollte es nicht gern gerade durch die Post schicken. Hier im Museum sollen zwei schöne neue Bilder aquirirt sein, von denen ich viel Lobens gehört, eins von Murillo und eins von Zurbaran. Ich habe sie aber noch nicht sehen können, da ich wegen einer kleinen Erkältung seit einigen Tagen das Zimmer hüten muß; doch denke ich morgen hingehen zu können. – Nun leben Sie wohl, lieber Herr Director, empfehlen Sie mich sehr vielmal der Frau Directorinn, und indem ich Ihnen und den Kindern alles Gute und Glückliche von ganzem Herzen wünsche bin ich stets Ihr ergebner Felix Mendelssohn Bartholdy Berlin den 9ten August 1835.
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Aber wie gesagt, das schwebt mir noch etwas problematisch vor und ich wünschte mirs nur, ehe ich mich in Leipzig zum Winter einpuppe oder einpökle, wie man’s nennen will. – Von Berlin schreibe ich gar nichts, Sie kennen es es sehr gut, und es ist nicht begeisternd; über die <placeName xml:id="placeName_e8e25420-f0bf-4cdb-ae5c-b98afbf40d84">große Revolution<name key="NST0100364" style="hidden" subtype="" type="institution">Feuerwerksrevolution</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> von 1835 in Berlin haben Sie gewiß auch schon alle möglichen Details; es sollen 150 Straßenjungen arretirt sein, und 50 andre Leute; was sie gewollt haben, liegt schon vor der Untersuchung klar am Tage: erst Raketen steigen lassen; da sie das nicht sollten, wollten sie das Militair ärgern und necken, stachen die Dragonerpferde mit Nadeln u. s. f., hierauf prügelte man sich gegenseitig, <placeName xml:id="placeName_1400e0dd-48f6-4721-93f4-8c25c74dc85c">unter den Linden<name key="SGH0100365" style="hidden" subtype="" type="sight">Unter den Linden</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wurden alle Laternen eingeschlagen, alle Bänke demolirt, viele Fenster zerbrochen, <placeName xml:id="placeName_f5b63457-8297-4ed7-9a1e-526d000c516c">Kranzlers neuer Laden<name key="NST0100366" style="hidden" subtype="" type="institution">Kranzler</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wurde gestürmt indem populus rief: „ooch Eis essen“, ganz Berlin strömte hin und sah der <placeName xml:id="placeName_e76eb958-395c-46bd-8837-18695cd76cd0">Revolution<name key="NST0100364" style="hidden" subtype="" type="institution">Feuerwerksrevolution</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zu, und am Tag darauf sangen die Schusterjungen: „Heil dir im Siegerkranz, heut bleibt keine Scheibe ganz.“ Wenn ich nun noch zusetze, daß sich Berlin in zwei Partheien hierauf getheilt hat, die eine die das Militair bedauert und den Pöpel schimpft, die andre die den Pöpel bedauert das Militair schimpft, und daß alles auf den <placeName xml:id="placeName_e8a3f6ce-478f-4e09-ba2e-9ca3a79b31ef">Stralauer Fischzug<name key="NST0100367" style="hidden" subtype="" type="institution">Stralauer Fischzug</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> sehr begierig ist, und Wetten macht, ob es ruhig oder unruhig ablaufen würde, – so habe ich die <placeName xml:id="placeName_f56f59d5-6793-4190-afc8-31784ebb0b86">Berliner Revolution<name key="NST0100364" style="hidden" subtype="" type="institution">Feuerwerksrevolution</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> die ich hier erlebt, historisch dargestellt, wie <persName xml:id="persName_71ab7f22-50d7-402a-b1c9-e509f9cf273b">Ranke<name key="PSN0114071" style="hidden">Ranke, Franz Leopold (seit 1865) von (1795-1886)</name></persName> das Mittelalter. Als Nachtrag muß ich noch melden, daß die Fenster der <persName xml:id="persName_d94621b6-e1e1-42dd-a413-db0fec8b7ec7">Fürstinn Liegnitz<name key="PSN0111710" style="hidden">Harrach, Auguste Gräfin von (seit 1824) Fürstin von Liegnitz (1800-1873)</name></persName> eingeworfen, und <persName xml:id="persName_be60a314-cd19-44c3-9fc5-396a98f36b0e">dem Herzog Carl<name key="PSN0113985" style="hidden">Preußen, Friedrich Carl Alexander Prinz von (1801-1883)</name></persName> der Hut vom Kopf geworfen worden sein soll, und daß auf der langen Brücke ein Schuster zur Schildwach gesagt habe: „halt mal weg, ich muß noch das Laterneken einschmeißen.“ Wenn Ihnen nun nicht vaterländisch zu Muth wird, so weiß ichs nicht. – <persName xml:id="persName_523eed48-fdae-4989-a622-a5e828fe0939">Steinbrück<name key="PSN0115099" style="hidden">Steinbrück, Eduard Carl (1802-1882)</name></persName> habe ich mehreremal gesehn; er ist wohl und vergnügt, sehnt sich aber etwas nach der Arbeit, und nach Düsseldorf und denkt in der Mitte des nächsten Monats wieder dort zu sein.</p><p>Ich habe nun noch eine Bitte an Sie, lieber Herr Director, das inliegende Geld betreffend. Ich wollte während meiner Anwesenheit in Düsseldorf schon gern den <placeName xml:id="placeName_6b1e713d-95a1-4ba5-ac81-55c0b3896e98">barmherzigen Schwestern<name key="NST0100368" style="hidden" subtype="" type="institution">Cellitinnenkloster</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> einen Beitrag zu den Sammlungen geben, die sie wöchentlich machen, und hatte mir dazu mein nächstes Honorar bestimmt; es blieb mir aber lange aus, und ich habe es erst hier vor wenig Tagen erhalten. So wollte ich Sie nun also bitten die inliegende Anweisung erheben zu lassen, und die Summe dann in meinem Namen den <placeName xml:id="placeName_74ef94f9-0382-4cb4-8be2-3ad7e0c118bc">barmherzigen Schwestern in Düsseldorf<name key="NST0100368" style="hidden" subtype="" type="institution">Cellitinnenkloster</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zu geben; doch wünschte ich daß dieselben, falls die Anzeigen in der Zeitung die ich öfters gelesen noch fortgesetzt werden, mich <hi rend="underline">nicht</hi> namentlich dabei anführten. Entschuldigen Sie mich, daß ich Ihnen eine Belästigung dadurch mache, aber ich wollte es nicht gern gerade durch die Post schicken.</p><p>Hier im Museum sollen zwei schöne neue Bilder aquirirt sein, von denen ich viel Lobens gehört, <title xml:id="title_cf6d1f4e-8943-447d-a409-8d9245ba5983">eins<name key="PSN0113524" style="hidden" type="author">Murillo (eigtl. Bartolomé Esteban Pérez), Bartholomé Esteban (1618-1682)</name><name key="CRT0110174" style="hidden" type="art">Der Heilige Antonius mit dem Christuskind</name></title> von <persName xml:id="persName_e68fbfbc-0db7-4d65-84fe-251d9609565e">Murillo<name key="PSN0113524" style="hidden">Murillo (eigtl. Bartolomé Esteban Pérez), Bartholomé Esteban (1618-1682)</name></persName> und <title xml:id="title_6814fc82-9634-457c-9585-22f4ba5f2e97">eins<name key="PSN0115944" style="hidden" type="author">Zurbarán, Francisco de (1598-1664)</name><name key="CRT0111342" style="hidden" type="art">Christus nach der Geißelung</name></title> von <persName xml:id="persName_d941e9b9-73f1-4b62-bd7e-2eb3dcb0a354">Zurbaran<name key="PSN0115944" style="hidden">Zurbarán, Francisco de (1598-1664)</name></persName>. Ich habe sie aber noch nicht sehen können, da ich wegen einer kleinen Erkältung seit einigen Tagen das Zimmer hüten muß; doch denke ich morgen hingehen zu können. – Nun leben Sie wohl, lieber Herr Director, empfehlen Sie mich sehr vielmal der <persName xml:id="persName_120f1ac1-ab3b-4083-939a-22257b37f18a">Frau Directorinn<name key="PSN0114492" style="hidden">Schadow, Charlotte (seit 1843) von Godenhaus (1795-1882)</name></persName>, <seg type="closer" xml:id="seg_547272be-6c59-454d-bf39-6491605cd0f4">und indem ich Ihnen und den Kindern alles Gute und Glückliche von ganzem Herzen wünsche bin ich</seg></p><signed rend="right">stets Ihr ergebner</signed><signed rend="left">Felix Mendelssohn Bartholdy</signed><dateline rend="left">Berlin den <date cert="high" when="1835-08-09" xml:id="date_40226c4f-154c-4463-a15f-c70ecc7fb4de">9<hi rend="superscript">ten</hi> August 1835</date>.</dateline></div></body> </text></TEI>