]> Brief: fmb-1835-07-22-01

fmb-1835-07-22-01

Hilfe zum Zitier-Tool

Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.

Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.


Felix Mendelssohn Bartholdy an Adrianus Catherinus Gerardus Vermeulen in Rotterdam <lb></lb>Düsseldorf, 22. Juli 1835 erhalten hiebei die übersandten Compositionen zurück und um Ihnen meine Meinung darüber zu sagen, werde ich mich an die im Namen des Vereins zu Beförderung der Tonkunst gestellten Fragen halten und dieselben mit unumwundner Aufrichtigkeit Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 4, 1186.

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Niederlande Amsterdam NL-Asta Amsterdam, Gemeente Amsterdam Stadsarchief Archivnr. 611 Inv.-Nr. 444. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Adrianus Catherinus Gerardus Vermeulen in Rotterdam; Düsseldorf, 22. Juli 1835 erhalten hiebei die übersandten Compositionen zurück und um Ihnen meine Meinung darüber zu sagen, werde ich mich an die im Namen des Vereins zu Beförderung der Tonkunst gestellten Fragen halten und dieselben mit unumwundner Aufrichtigkeit

4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel, Zusatz auf der Adressenseite von Lea Mendelssohn Bartholdys Hand: »[…] enthaltend geschriebene Musikalien. / mit Fuhrpost«. – Textverluste im Brief durch Siegelabriss.

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

22. Juli 1835 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Düsseldorf Deutschland Vermeulen, Adrianus Catharinus Gerardus (1798-1872) Rotterdam Niederlande deutsch
Herrn Herrn A. C. G. Vermeulen Wohlgeboren in Rotterdam.
Zusatz auf der Adressenseite von Lea Mendelssohn Bartholdys Hand: »[…] enthaltend geschriebene Musikalien. / mit Fuhrpost«.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Düsseldorf den 22. Juli 35Ew. Wohlgeboren

erhalten hiebei die übersandten Compositionen zurück und um Ihnen meine Meinung darüber zu sagen, werde ich mich an die im Namen des Vereins zu Beförderung der Tonkunst gestellten Fragen halten und dieselben mit unumwundner Aufrichtigkeit beantworten, da dies mir als Mitglied des Vereins eine Pflicht zu sein scheint.

Was die Jubel-National-Sinfonie betrifft, so muß ich nach meiner Ansicht die Frage „ob der Componist dem Geist und der Form solcher Compositionen treu geblieben ist“ mit Nein beantworten. Es spricht sich darin weder der Geist noch die Form einer Sinfonie aus; als Beispiele hiefür will ich nur den ersten Anfang und den Satz bis zum Tact 7 anführen, ferner die Modulation nach es pag. 4, das Violinsolo pag. 32 herausheben, die sämmtlich dem Geist irgend einer Sinfonie, geschweige einer solchen wie der Autor in seinem Vorwort beschreibt, durchaus ungenügend sind. Es sind Variationen auf das Holländische Nationallied mit einer Introduction und Coda, und wenn auch in dieser Form ein Sinfonieensatz denkbar wäre, so entbehren diese Variationen durchaus des Reichthums der Gedanken und ihrer Ausführung der vor allem deren Geist und die Form einer Sinfonie characterisiren soll. – Die zweite Frage „ob die Regeln der Harmonie und Composition in Acht genommen sind“ muß ich bejahen, es finden sich keine Fehler gegen den reinen Satz darin, obwohl der Satz nirgends mit Feinheit behandelt ist, und selten 3stimmig genannt werden kann, 4stimmig fast nirgends. – Die vierte Frage „ob es eigenthümliche Schönheiten im Ganzen oder in détails darbietet“ ist durch das Obige schon verneinend beantwortet. – Was fünftens die Instrumentirung betrifft, so zeigt sie genaue Kenntnisse der Saiteninstrumente, namentlich der Violinen und Violen, indeß sind diese so behandelt daß es eher einen Solospieler auf der Geige bekundet, als einen Componisten, viele Stellen haben sogar ganz den Character eines Violinconcertes mit seinen tutti’s u Solos; z. B. pag 7 die ersten 6 Tacte, pag. 8 Tact 3 und folg., pag. 9 Tact 3 u folg., pag 13 (Tact 2) bis pag. 14 Tact 5, pag 42, 43, 44 und 45, und viele andre Beispiele der Art. Was aber die Behandlung der andern Instrumente betrifft, so zeigt sie durchaus von Mangel an Übung, an einigen Stellen sogar von gänzlicher Unkenntniß derselben z. B. die g Trompeten pag. 2, und pag 16 und 17, &c., die Baßposaune und Ophicleide pag. 7 (Tact 1 und 2) pag. 27 Tact 3 und 4, ferner die Art die Hörner zu schreiben (wie pag. 28) und die Pauken mit dem tiefen d (das nachher corrigirt ist) die Behandlung der d Hörner pag 1 beim Triller, die Posaunen pag. 36 u. s. w., der Tamtam bei der letzten Note, und vieles Andre der Art. – Diese Sinfonie scheint mir aus diesen Gründen gänzlich ungeeignet, um auf Kosten und im Namen des Vereines herausgegeben zu werden.

Die Ouvertüre ist dem „Geist und der Form solcher Compositionen“ angemessner als die Sinfonie, jedoch mehr angemessen der Form von Ouvertüren allgemein als dem Geist einer Ouvertüre zu einem Trauerspiel, welches Heldenthaten, Volksaufstände, Schlacht und Sturm besingt. Das Thema und die ganze Haltung der Ouvertüre ist allen diesen Empfindungen wildfremd, es könnte besser die Ouvertüre eines komischen, bürgerlichen Schauspiels sein, und das Thema würde sich zu einem Intriguenstücke gut eignen, obwohl es nicht neu ist. Doch enthalten einige Stellen Sinn für dramatisches Leben und für Effect, und die Ouvertüre wird nicht ohne Wirkung mit einem großen Orchester klingen, obwohl sie wenig ausdrückt, am allerwenigsten alles das was der Componist in dem beigelegten Zettel andeuten will. – Die Regeln der Harmonie sind wohl beachtet. – Die Instrumentirung ist in der Art, wie die der Sinfonie, sie verräth an mehreren Stellen gänzliche Unkenntniß der Instrumente, die Hörner in a, pag. 6 beweisen das genügend, ebenso die Posaunen pag. 13, die durchgängig falsch geschriebne Paukenstimme &c. Auch darin sieht die Instrumentirung derjenigen der Sinfonie ähnlich, daß der Anfang viel mehr zu einem Cello Concert als zu einer Ouvertüre eines Theaterspiels paßt. – Obwohl mir die Ouverüre besser als die Sinfonie erscheint, halte ich sie doch für bei weitem ungenügend, um für den Verein herausgegeben zu werden.

Um die SoloCompositionen zu beurtheilen giebt es einen doppelten Standpunct, den der Anforderungen welche ein Componist und der Anforderungen welche ein Solospieler an ein solches Stück macht. Um über die letzteren sprechen zu können kenne ich die Litteratur in diesem Fache der Musik, und die Technik der beiden Instrumente zu wenig; ich spiele nur wenig Violine, Cello gar nicht, weiß also nicht in wie fern diese Solostücke neue, effectreiche Passagen und Schwierigkeiten enthalten, ob sie von Effect für das große Publicum sein werden, und einem Virtuosen Gelegenheit geben seine Fertigkeit geltend zu machen; sie scheinen mir jedoch mit Kenntniß der Instrumente und brillant für beide gemacht, so daß sie wohl ihren Effect nicht verfehlen, wenn sie vom Solospieler gut vorgetragen werden. Doch bin ich, wie gesagt um dies sicher zu behaupten nicht competent, auch ist diese Frage nur eine äußerliche. Die andre innerliche über den musikalischen Werth der Compositionen scheint mir die wichtigere für den Verein, und ich bedaure in dieser zweiten Hinsicht dieselbe Meinung aussprechen zu müssen, wie bei den vorigen Compositionen, daß sie nämlich nicht Werth genug besitzen, um vom Verein publicirt zu werden. Es finden sich in diesen Sachen, außer vielen andern Mängeln der Erfindung und Instrumentirung, sogar auch Fehler gegen den reinen Satz, die jeder Geübtere hätte vermeiden müssen z. B. in no. 10 pag. 21 Tact 3, ferner Tact 5 und 6 Bratsche und Cello, pag. 23 Tact 2, 3, 4. Die 2te Geige, pag. 3 letzter Tact bis pag. 4 erster Tact (2tes Fagott) und 2te Geige mit der ersten) Ferner in no. 11 pag. 2 Tact 10 und 11, pag. 3 Tact 6, 7, und folg. eine gänzlich fehlerhafte […] Ferner in no. 12 pag. 2 Tact 8 und 9 und folg. der vollkommne Unkenntniß des Satzes zei[…] so die Fag[…] pag. 3 Tact 4 &c., pag. 17 Tact 7 und unzählige andre […] no. 9 pag. 5 Tact 8 und 9, pag. 7 letzter Tact und pag. 8 Tact 1 und 2, pag. 28 die letzten 3 Tacte &c &c. – Alles dies beweis’t genugsam, daß die Compositionen nicht verdienen überhaupt publicirt zu werden, geschweige denn im Namen des Vereins; zugleich ist die Erfindung nirgends zu loben, die Instrumentirung an vielen Stellen auffallend mangelhaft z. B. in no. 11 pag. 3, die Flötenstelle, in no. 12 pag. 18 Tact 3 und 4, in no. 9 die a Trompeten durchgängig, ferner pag. 28 die letzten Tacte &c., und so findet sich in diesen Stücken nur sehr weniges, das keinen Tadel verdiente.

Ich bedaure daß meine Meinung über die mir zugeschickten Compositionen eine so ungünstige war, doch konnte ich nicht umhin, sie Ihnen aufrichtig mitzutheilen, so unangenehm es mir ist. Ich bitte Sie von diesem meinem Urtheil nur insofern Gebrauch zu machen, als es die Zwecke Ihres Vereins nothwendig machen, dasselbe jedoch auf keinen Fall irgend bekannt zu machen, da ich es durchaus nur als meine persönliche Meinung, die ich Ihnen zu den Zwecken Ihres hochgeachteten Vereines nicht vorenthalten wollte, betrachten kann. Die beigefügten Statuten von denen Sie mir schrieben, lagen nicht bei dem Paket, und muß ich daher annehmen daß Sie vergessen haben, dieselben beizupacken. Ich verlasse jetzt meinen Wohnort hier in Düsseldorf, werde den Herbst und Winter an verschiednen Orten zubringen und bitte Sie daher, falls Sie mir etwas mitzutheilen haben Ihren Brief an Herrn Breitkopf & HärtelBreitkopf & Härtel (bis 1786: Breitkopf), Verlag und Musikalienhandlung in Leipzig in Leipzig zu adressiren. Mit vollkommner Hochachtung ergebenst

Felix MendelssohnBartholdy.
            Düsseldorf den 22. Juli 35Ew. Wohlgeboren
erhalten hiebei die übersandten Compositionen zurück und um Ihnen meine Meinung darüber zu sagen, werde ich mich an die im Namen des Vereins zu Beförderung der Tonkunst gestellten Fragen halten und dieselben mit unumwundner Aufrichtigkeit beantworten, da dies mir als Mitglied des Vereins eine Pflicht zu sein scheint.
Was die Jubel-National-Sinfonie betrifft, so muß ich nach meiner Ansicht die Frage „ob der Componist dem Geist und der Form solcher Compositionen treu geblieben ist“ mit Nein beantworten. Es spricht sich darin weder der Geist noch die Form einer Sinfonie aus; als Beispiele hiefür will ich nur den ersten Anfang und den Satz bis zum Tact 7 anführen, ferner die Modulation nach es pag. 4, das Violinsolo pag. 32 herausheben, die sämmtlich dem Geist irgend einer Sinfonie, geschweige einer solchen wie der Autor in seinem Vorwort beschreibt, durchaus ungenügend sind. Es sind Variationen auf das Holländische Nationallied mit einer Introduction und Coda, und wenn auch in dieser Form ein Sinfonieensatz denkbar wäre, so entbehren diese Variationen durchaus des Reichthums der Gedanken und ihrer Ausführung der vor allem deren Geist und die Form einer Sinfonie characterisiren soll. – Die zweite Frage „ob die Regeln der Harmonie und Composition in Acht genommen sind“ muß ich bejahen, es finden sich keine Fehler gegen den reinen Satz darin, obwohl der Satz nirgends mit Feinheit behandelt ist, und selten 3stimmig genannt werden kann, 4stimmig fast nirgends. – Die vierte Frage „ob es eigenthümliche Schönheiten im Ganzen oder in détails darbietet“ ist durch das Obige schon verneinend beantwortet. – Was fünftens die Instrumentirung betrifft, so zeigt sie genaue Kenntnisse der Saiteninstrumente, namentlich der Violinen und Violen, indeß sind diese so behandelt daß es eher einen Solospieler auf der Geige bekundet, als einen Componisten, viele Stellen haben sogar ganz den Character eines Violinconcertes mit seinen tutti’s u Solos; z. B. pag 7 die ersten 6 Tacte, pag. 8 Tact 3 und folg., pag. 9 Tact 3 u folg., pag 13 (Tact 2) bis pag. 14 Tact 5, pag 42, 43, 44 und 45, und viele andre Beispiele der Art. Was aber die Behandlung der andern Instrumente betrifft, so zeigt sie durchaus von Mangel an Übung, an einigen Stellen sogar von gänzlicher Unkenntniß derselben z. B. die g Trompeten pag. 2, und pag 16 und 17, &c., die Baßposaune und Ophicleide pag. 7 (Tact 1 und 2) pag. 27 Tact 3 und 4, ferner die Art die Hörner zu schreiben (wie pag. 28) und die Pauken mit dem tiefen d (das nachher corrigirt ist) die Behandlung der d Hörner pag 1 beim Triller, die Posaunen pag. 36 u. s. w., der Tamtam bei der letzten Note, und vieles Andre der Art. – Diese Sinfonie scheint mir aus diesen Gründen gänzlich ungeeignet, um auf Kosten und im Namen des Vereines herausgegeben zu werden.
Die Ouvertüre ist dem „Geist und der Form solcher Compositionen“ angemessner als die Sinfonie, jedoch mehr angemessen der Form von Ouvertüren allgemein als dem Geist einer Ouvertüre zu einem Trauerspiel, welches Heldenthaten, Volksaufstände, Schlacht und Sturm besingt. Das Thema und die ganze Haltung der Ouvertüre ist allen diesen Empfindungen wildfremd, es könnte besser die Ouvertüre eines komischen, bürgerlichen Schauspiels sein, und das Thema würde sich zu einem Intriguenstücke gut eignen, obwohl es nicht neu ist. Doch enthalten einige Stellen Sinn für dramatisches Leben und für Effect, und die Ouvertüre wird nicht ohne Wirkung mit einem großen Orchester klingen, obwohl sie wenig ausdrückt, am allerwenigsten alles das was der Componist in dem beigelegten Zettel andeuten will. – Die Regeln der Harmonie sind wohl beachtet. – Die Instrumentirung ist in der Art, wie die der Sinfonie, sie verräth an mehreren Stellen gänzliche Unkenntniß der Instrumente, die Hörner in a, pag. 6 beweisen das genügend, ebenso die Posaunen pag. 13, die durchgängig falsch geschriebne Paukenstimme &c. Auch darin sieht die Instrumentirung derjenigen der Sinfonie ähnlich, daß der Anfang viel mehr zu einem Cello Concert als zu einer Ouvertüre eines Theaterspiels paßt. – Obwohl mir die Ouverüre besser als die Sinfonie erscheint, halte ich sie doch für bei weitem ungenügend, um für den Verein herausgegeben zu werden.
Um die SoloCompositionen zu beurtheilen giebt es einen doppelten Standpunct, den der Anforderungen welche ein Componist und der Anforderungen welche ein Solospieler an ein solches Stück macht. Um über die letzteren sprechen zu können kenne ich die Litteratur in diesem Fache der Musik, und die Technik der beiden Instrumente zu wenig; ich spiele nur wenig Violine, Cello gar nicht, weiß also nicht in wie fern diese Solostücke neue, effectreiche Passagen und Schwierigkeiten enthalten, ob sie von Effect für das große Publicum sein werden, und einem Virtuosen Gelegenheit geben seine Fertigkeit geltend zu machen; sie scheinen mir jedoch mit Kenntniß der Instrumente und brillant für beide gemacht, so daß sie wohl ihren Effect nicht verfehlen, wenn sie vom Solospieler gut vorgetragen werden. Doch bin ich, wie gesagt um dies sicher zu behaupten nicht competent, auch ist diese Frage nur eine äußerliche. Die andre innerliche über den musikalischen Werth der Compositionen scheint mir die wichtigere für den Verein, und ich bedaure in dieser zweiten Hinsicht dieselbe Meinung aussprechen zu müssen, wie bei den vorigen Compositionen, daß sie nämlich nicht Werth genug besitzen, um vom Verein publicirt zu werden. Es finden sich in diesen Sachen, außer vielen andern Mängeln der Erfindung und Instrumentirung, sogar auch Fehler gegen den reinen Satz, die jeder Geübtere hätte vermeiden müssen z. B. in no. 10 pag. 21 Tact 3, ferner Tact 5 und 6 Bratsche und Cello, pag. 23 Tact 2, 3, 4. Die 2te Geige, pag. 3 letzter Tact bis pag. 4 erster Tact (2tes Fagott) und 2te Geige mit der ersten) Ferner in no. 11 pag. 2 Tact 10 und 11, pag. 3 Tact 6, 7, und folg. eine gänzlich fehlerhafte … Ferner in no. 12 pag. 2 Tact 8 und 9 und folg. der vollkommne Unkenntniß des Satzes zei… so die Fag… pag. 3 Tact 4 &c., pag. 17 Tact 7 und unzählige andre … no. 9 pag. 5 Tact 8 und 9, pag. 7 letzter Tact und pag. 8 Tact 1 und 2, pag. 28 die letzten 3 Tacte &c &c. – Alles dies beweis’t genugsam, daß die Compositionen nicht verdienen überhaupt publicirt zu werden, geschweige denn im Namen des Vereins; zugleich ist die Erfindung nirgends zu loben, die Instrumentirung an vielen Stellen auffallend mangelhaft z. B. in no. 11 pag. 3, die Flötenstelle, in no. 12 pag. 18 Tact 3 und 4, in no. 9 die a Trompeten durchgängig, ferner pag. 28 die letzten Tacte &c., und so findet sich in diesen Stücken nur sehr weniges, das keinen Tadel verdiente.
Ich bedaure daß meine Meinung über die mir zugeschickten Compositionen eine so ungünstige war, doch konnte ich nicht umhin, sie Ihnen aufrichtig mitzutheilen, so unangenehm es mir ist. Ich bitte Sie von diesem meinem Urtheil nur insofern Gebrauch zu machen, als es die Zwecke Ihres Vereins nothwendig machen, dasselbe jedoch auf keinen Fall irgend bekannt zu machen, da ich es durchaus nur als meine persönliche Meinung, die ich Ihnen zu den Zwecken Ihres hochgeachteten Vereines nicht vorenthalten wollte, betrachten kann. Die beigefügten Statuten von denen Sie mir schrieben, lagen nicht bei dem Paket, und muß ich daher annehmen daß Sie vergessen haben, dieselben beizupacken. Ich verlasse jetzt meinen Wohnort hier in Düsseldorf, werde den Herbst und Winter an verschiednen Orten zubringen und bitte Sie daher, falls Sie mir etwas mitzutheilen haben Ihren Brief an Herrn Breitkopf & Härtel in Leipzig zu adressiren. Mit vollkommner Hochachtung ergebenst
Felix MendelssohnBartholdy.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1835-07-22-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1835-07-22-01" xml:id="title_ee89ba3f-38ce-4eb5-ad53-51c3d3e1eb67">Felix Mendelssohn Bartholdy an Adrianus Catherinus Gerardus Vermeulen in Rotterdam <lb></lb>Düsseldorf, 22. Juli 1835</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_e68259c1-4dd0-435a-9587-54f0feee0217">erhalten hiebei die übersandten Compositionen zurück und um Ihnen meine Meinung darüber zu sagen, werde ich mich an die im Namen des Vereins zu Beförderung der Tonkunst gestellten Fragen halten und dieselben mit unumwundner Aufrichtigkeit</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_4ba83659-5db6-4bbe-81c4-785b64d14751">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 4, 1186. </idno></publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_d048b589-6cb0-4aaf-9eb6-07ffb23d845b"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Niederlande</country> <settlement>Amsterdam</settlement> <institution key="RISM">NL-Asta</institution> <repository>Amsterdam, Gemeente Amsterdam Stadsarchief</repository> <collection>Archivnr. 611</collection> <idno type="signatur">Inv.-Nr. 444.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1835-07-22-01" type="letter" xml:id="title_b3412775-6de0-4806-a1c5-299137fec1f8">Felix Mendelssohn Bartholdy an Adrianus Catherinus Gerardus Vermeulen in Rotterdam; Düsseldorf, 22. Juli 1835</title> <incipit>erhalten hiebei die übersandten Compositionen zurück und um Ihnen meine Meinung darüber zu sagen, werde ich mich an die im Namen des Vereins zu Beförderung der Tonkunst gestellten Fragen halten und dieselben mit unumwundner Aufrichtigkeit</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel, Zusatz auf der Adressenseite von Lea Mendelssohn Bartholdys Hand: »[…] enthaltend geschriebene Musikalien. / mit Fuhrpost«. – Textverluste im Brief durch Siegelabriss.</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1835-07-22" xml:id="date_f0cbcd35-1ac7-4317-b696-7cd22a7f240f">22. Juli 1835</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_2fc4eb64-99eb-4248-b723-964bb35affbe">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_35bb9b42-68bb-4910-ab23-6248d7a60743"> <settlement key="STM0100109">Düsseldorf</settlement> <country>Deutschland</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0115490" resp="receiver" xml:id="persName_efca5e22-8c25-42dc-bc9e-31d9d49ad2e1">Vermeulen, Adrianus Catharinus Gerardus (1798-1872)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_8c61a758-e843-460f-95ce-dd4cc521c9e9"> <settlement key="STM0100166">Rotterdam</settlement> <country>Niederlande</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_7717b80d-8349-42d9-8c86-c60f16f06282"> <head> <address> <addrLine>Herrn</addrLine> <addrLine>Herrn A. C. G. Vermeulen</addrLine> <addrLine>Wohlgeboren</addrLine> <addrLine>in</addrLine> <addrLine>Rotterdam.</addrLine> </address> </head> </div> <div type="annotation" xml:id="div_8fc09fd7-4150-472b-a768-fc209aadf288"> <note type="other-third-party-annotation" xml:id="note_d9297a87-e795-4828-a625-099cc348c786">Zusatz auf der Adressenseite von Lea Mendelssohn Bartholdys Hand: »[…] enthaltend geschriebene Musikalien. / mit Fuhrpost«.</note> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_3dd7c976-62d9-443d-8f0f-1bc408c918e3"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Düsseldorf den <date cert="high" when="1835-07-22" xml:id="date_a17f7639-6bcf-46cd-9f45-d30ba5f80b66">22. Juli 35</date></dateline><salute rend="left">Ew. Wohlgeboren</salute><p style="paragraph_without_indent">erhalten hiebei die übersandten Compositionen zurück und um Ihnen meine Meinung darüber zu sagen, werde ich mich an die im Namen des Vereins zu Beförderung der Tonkunst gestellten Fragen halten und dieselben mit unumwundner Aufrichtigkeit beantworten, da dies mir als Mitglied des Vereins eine Pflicht zu sein scheint.</p><p>Was die <hi rend="underline">Jubel-National-Sinfonie</hi> betrifft, so muß ich nach meiner Ansicht die Frage „ob der Componist dem Geist und der Form solcher Compositionen treu geblieben ist“ mit Nein beantworten. Es spricht sich darin weder der Geist noch die Form einer Sinfonie aus; als Beispiele hiefür will ich nur den ersten Anfang und den Satz bis zum Tact 7 anführen, ferner die Modulation nach es pag. 4, das Violinsolo pag. 32 herausheben, die sämmtlich dem Geist irgend einer Sinfonie, geschweige einer solchen wie der Autor in seinem Vorwort beschreibt, durchaus ungenügend sind. Es sind Variationen auf das Holländische Nationallied mit einer Introduction und Coda, und wenn auch in dieser Form ein Sinfonieensatz denkbar wäre, so entbehren diese Variationen durchaus des Reichthums der Gedanken und ihrer Ausführung der vor allem deren Geist und die Form einer Sinfonie characterisiren soll. – Die zweite Frage „ob die Regeln der Harmonie und Composition in Acht genommen sind“ muß ich bejahen, es finden sich keine Fehler gegen den reinen Satz darin, obwohl der Satz nirgends mit Feinheit behandelt ist, und selten 3stimmig genannt werden kann, 4stimmig fast nirgends. – Die vierte Frage „ob es eigenthümliche Schönheiten im Ganzen oder in détails darbietet“ ist durch das Obige schon verneinend beantwortet. – Was fünftens die Instrumentirung betrifft, so zeigt sie genaue Kenntnisse der Saiteninstrumente, namentlich der Violinen und Violen, indeß sind diese so behandelt daß es eher einen Solospieler auf der Geige bekundet, als einen Componisten, viele Stellen haben sogar ganz den Character eines Violinconcertes mit seinen tutti’s u Solos; z. B. pag 7 die ersten 6 Tacte, pag. 8 Tact 3 und folg., pag. 9 Tact 3 u folg., pag 13 (Tact 2) bis pag. 14 Tact 5, pag 42, 43, 44 und 45, und viele andre Beispiele der Art. Was aber die Behandlung der andern Instrumente betrifft, so zeigt sie durchaus von Mangel an Übung, an einigen Stellen sogar von gänzlicher Unkenntniß derselben z. B. die g Trompeten pag. 2, und pag 16 und 17, &amp;c., die Baßposaune und Ophicleide pag. 7 (Tact 1 und 2) pag. 27 Tact 3 und 4, ferner die Art die Hörner zu schreiben (wie pag. 28) und die Pauken mit dem tiefen d (das nachher corrigirt ist) die Behandlung der d Hörner pag 1 beim Triller, die Posaunen pag. 36 u. s. w., der Tamtam bei der letzten Note, und vieles Andre der Art. – Diese Sinfonie scheint mir aus diesen Gründen gänzlich ungeeignet, um auf Kosten und im Namen des Vereines herausgegeben zu werden.</p><p>Die <hi rend="underline">Ouvertüre</hi> ist dem „Geist und der Form solcher Compositionen“ angemessner als die Sinfonie, jedoch mehr angemessen der Form von Ouvertüren allgemein als dem Geist einer Ouvertüre zu einem Trauerspiel, welches Heldenthaten, Volksaufstände, Schlacht und Sturm besingt. Das Thema und die ganze Haltung der Ouvertüre ist allen diesen Empfindungen wildfremd, es könnte besser die Ouvertüre eines komischen, bürgerlichen Schauspiels sein, und das Thema würde sich zu einem <hi rend="underline">Intriguenstücke</hi> gut eignen, obwohl es nicht neu ist. Doch enthalten einige Stellen Sinn für dramatisches Leben und für Effect, und die Ouvertüre wird nicht ohne Wirkung mit einem großen Orchester klingen, obwohl sie wenig ausdrückt, am allerwenigsten alles das was der Componist in dem beigelegten Zettel <hi rend="underline">andeuten</hi> will. – Die Regeln der Harmonie sind wohl beachtet. – Die Instrumentirung ist in der Art, wie die der Sinfonie, sie verräth an mehreren Stellen gänzliche Unkenntniß der Instrumente, die Hörner in a, pag. 6 beweisen das genügend, ebenso die Posaunen pag. 13, die durchgängig falsch geschriebne Paukenstimme &amp;c. Auch darin sieht die Instrumentirung derjenigen der Sinfonie ähnlich, daß der Anfang viel mehr zu einem Cello Concert als zu einer Ouvertüre eines Theaterspiels paßt. – Obwohl mir die Ouverüre besser als die Sinfonie erscheint, halte ich sie doch für bei weitem ungenügend, um für den Verein herausgegeben zu werden.</p><p>Um die SoloCompositionen zu beurtheilen giebt es einen doppelten Standpunct, den der Anforderungen welche ein Componist und der Anforderungen welche ein Solospieler an ein solches Stück macht. Um über die letzteren sprechen zu können kenne ich die Litteratur in diesem Fache der Musik, und die Technik der beiden Instrumente zu wenig; ich spiele nur wenig Violine, Cello gar nicht, weiß also nicht in wie fern diese Solostücke neue, effectreiche Passagen und Schwierigkeiten enthalten, ob sie von Effect für das große Publicum sein werden, und einem Virtuosen Gelegenheit geben seine Fertigkeit geltend zu machen; sie scheinen mir jedoch mit Kenntniß der Instrumente und brillant für beide gemacht, so daß sie wohl ihren Effect nicht verfehlen, wenn sie vom Solospieler gut vorgetragen werden. Doch bin ich, wie gesagt um dies sicher zu behaupten nicht competent, auch ist diese Frage nur eine äußerliche. Die andre innerliche über den musikalischen Werth der Compositionen scheint mir die wichtigere für den Verein, und ich bedaure in dieser zweiten Hinsicht dieselbe Meinung aussprechen zu müssen, wie bei den vorigen Compositionen, daß sie nämlich <hi rend="underline">nicht</hi> Werth genug besitzen, um vom Verein publicirt zu werden. Es finden sich in diesen Sachen, außer vielen andern Mängeln der Erfindung und Instrumentirung, sogar auch Fehler gegen den reinen Satz, die jeder Geübtere hätte vermeiden müssen z. B. in no. 10 pag. 21 Tact 3, ferner Tact 5 und 6 Bratsche und Cello, pag. 23 Tact 2, 3, 4. Die 2<hi rend="superscript">te</hi> Geige, pag. 3 letzter Tact bis pag. 4 erster Tact (2<hi rend="superscript">tes</hi> Fagott) und 2<hi rend="superscript">te</hi> Geige mit der ersten) Ferner in no. 11 pag. 2 Tact 10 und 11, pag. 3 Tact 6, 7, und folg. eine gänzlich fehlerhafte […] Ferner in no. 12 pag. 2 Tact 8 und 9 und folg. der vollkommne Unkenntniß des Satzes zei[…] so die Fag[…] pag. 3 Tact 4 &amp;c., pag. 17 Tact 7 und unzählige andre […] no. 9 pag. 5 Tact 8 und 9, pag. 7 letzter Tact und pag. 8 Tact 1 und 2, pag. 28 die letzten 3 Tacte &amp;c &amp;c. – Alles dies beweis’t genugsam, daß die Compositionen nicht verdienen überhaupt publicirt zu werden, geschweige denn im Namen des Vereins; zugleich ist die Erfindung nirgends zu loben, die Instrumentirung an vielen Stellen auffallend mangelhaft z. B. in no. 11 pag. 3, die Flötenstelle, in no. 12 pag. 18 Tact 3 und 4, in no. 9 die a Trompeten durchgängig, ferner pag. 28 die letzten Tacte &amp;c., und so findet sich in diesen Stücken nur sehr weniges, das keinen Tadel verdiente.</p><p>Ich bedaure daß meine Meinung über die mir zugeschickten Compositionen eine so ungünstige war, doch konnte ich nicht umhin, sie Ihnen aufrichtig mitzutheilen, so unangenehm es mir ist. Ich bitte Sie von diesem meinem Urtheil <hi rend="underline">nur</hi> insofern Gebrauch zu machen, als es die Zwecke Ihres Vereins nothwendig machen, dasselbe jedoch <hi rend="underline">auf keinen Fall</hi> irgend bekannt zu machen, da ich es durchaus nur als meine persönliche Meinung, die ich Ihnen zu den Zwecken Ihres hochgeachteten Vereines nicht <hi rend="underline">vorenthalten</hi> wollte, betrachten <hi rend="underline">kann</hi>. Die beigefügten <hi rend="underline">Statuten</hi> von denen Sie mir schrieben, lagen <hi rend="underline">nicht</hi> bei dem Paket, und muß ich daher annehmen daß Sie vergessen haben, dieselben beizupacken. Ich verlasse jetzt meinen Wohnort hier in Düsseldorf, werde den Herbst und Winter an verschiednen Orten zubringen und bitte Sie daher, falls Sie mir etwas mitzutheilen haben Ihren Brief an Herrn <persName xml:id="persName_5b66bd9a-9d52-4f2a-abf3-95d170f7d2ee">Breitkopf &amp; Härtel<name key="PSN0110112" style="hidden">Breitkopf &amp; Härtel (bis 1786: Breitkopf), Verlag und Musikalienhandlung in Leipzig</name></persName> in Leipzig zu adressiren. <seg type="closer" xml:id="seg_87cb6d2c-cec0-4f94-be12-003a70f57d33">Mit vollkommner Hochachtung ergebenst</seg></p><signed rend="right">Felix MendelssohnBartholdy.</signed></div></body> </text></TEI>