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fmb-1835-01-26-02

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy und Abraham Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb>Düsseldorf, 26. Januar 1835 Liebe Mutter erst heut kann ich dazu kommen Dir für Deine lieben Briefe zu danken und sie zu beantworten und bitte um Entschuldigung deswegen; aber nun will ich auch recht systematisch verfahren. Vor allen Dingen Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 4, 1078.

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

USA New York, NY US-NYp New York, NY, The New York Public Library for the Performing Arts, Astor, Lenox and Tilden Foundations, Music Division *MNY++ Mendelssohn Letters Vol. IIIc/16 (223). Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy und Abraham Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Düsseldorf, 26. Januar 1835 Liebe Mutter erst heut kann ich dazu kommen Dir für Deine lieben Briefe zu danken und sie zu beantworten und bitte um Entschuldigung deswegen; aber nun will ich auch recht systematisch verfahren. Vor allen Dingen

4 beschr. S.; Adresse, 1 Poststempel.

Felix Mendelssohn Bartholdy

Brief Nr. 1077 (fmb-1835-01-26-01 Felix Mendelssohn Bartholdy an Abraham Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Düsseldorf, 26. Januar 1835).

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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

26. Januar 1835 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Düsseldorf Deutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) Berlin Deutschland deutsch
An Mde. Mde. Mendelssohn Bartholdy. Wohlgeboren Berlin. Leipziger Straße no. 3.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Düsseldorf den 26 Jan. 1835.

Liebe Mutter erst heut kann ich dazu kommen Dir für Deine lieben Briefe zu danken und sie zu beantworten und bitte um Entschuldigung deswegen; aber nun will ich auch recht systematisch verfahren. Vor allen Dingen PatschkePatschke, C. (?-1877), wegen dessen Du mich schiltst; aber ich wünsche nicht, daß er das Geld von Euch bekommen soll, also ist mir es ganz recht, daß Du ihn nicht bezahlt hast; sie wollen beim Theater hierStadttheaterDüsseldorfDeutschland die 20 rt. die ihnen sehr viel für eine so kleine Partitur<name key="PSN0109794" style="hidden" type="author">Bellini, Vincenzo Salvatore Carmelo Francesco (1801-1835)</name><name key="CRT0108119" style="hidden" type="music">La sonnambula</name> scheinen, erst bezahlen wenn sie sich überzeugt haben, daß es mit der Bogenzahl seine Richtigkeit hat, und die Sendung soll durch die Fahrpost geschehen. Dies bitte ich Dich PatschkePatschke, C. (?-1877) sagen zu lassen, ihm zu bedeuten, daß ich seit meinen Verhandlungen mit BlumBlum (eigtl. Blume), Carl Wilhelm August (1786-1844) ganz von dem Theater entfernt bin, und ihm zu sagen daß er die Partitur an den Musikdirector Julius RietzRietz, August Wilhelm Julius (1812-1877) in Düsseldorf adressiren möge, der ihm umgehend nach dem Empfange die Zahlung zukommen lassen werde. Das wäre PatschkePatschke, C. (?-1877)! Meine Vorschüsse vom TheaterStadttheaterDüsseldorfDeutschland habe ich richtig wieder empfangen, worüber der inliegende Zettel an VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) das Nähere besagt. Mein Münchner Paket enthält aber außer Briefen und Papieren noch eine Menge Sachen, die ich nicht vernichtet wünschte, am liebsten wäre mirs also, wenn ihm KerstorfsKerstorf, Familie von → Heinrich Sigmund Friedrich von K. den Platz noch gönnen könnten, bis ich mal wieder hinkäme, was doch wohl bald einmal geschieht. Geht das aber nicht, so wäre es freilich zu beschwerlich und kostspielig es mit der Post zu versenden, und sie thäten am besten dann es zu vernichten. Zelter und Goethe letzten Band<name key="PSN0114188" style="hidden" type="author">Riemer, Friedrich Wilhelm (1774-1845)</name><name key="CRT0110463" style="hidden" type="literature">Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832 (Herausgabe)</name> habe ich freilich bekommen; er steckte aber nicht in der Tasche, sondern erfolgte apart. Und endlich brauche ich das Öl, und befinde mich wohl und vergnügt, bis auf einigen Catarrh und Husten, den die ganze Stadt bei dem warmen Frühlingswinter hat, und wegen dessen ich weder einen Homöo- noch einen Allo-Pathen incommodiren mag. Meine Ohren halten sich wacker, das einzige Mittel das ich für sie brauche, ist ein bischen Baumwolle, wenns regnet, und auch die hoffe ich bald los zu werden, denn sie ennüyirt mich.

Heut habe ich nun Vaters zwei Briefe als Antwort auf den meinigen vor mir, und da ich in diesen Tagen gerade sehr viel Briefe zu schreiben habe, und da der erste auch zur Hälfte von Dir war, so bitte ich Dich lieber Vater, dies für einen Dankbrief an Dich anzunehmen, und will Deinem Rathe gemäß handeln. Sobald sich ein Resultat ergeben wird melde ichs wieder, für jetzt bitte ich nur wiederholt die Sache bis dahin geheim zu halten, und mir zu glauben, daß es keineswegs meine Absicht ist mich von der dramatischen Musik zurückzuziehen, und daß Du gewiß vollkommen Recht hast dies zu wünschen. Übrigens freut es mich Dir sagen zu können, daß die hiesigen Verhältnisse sich nicht so unangenehm stellen, wie Du es glaubst, denn ImmermannImmermann, Karl Leberecht (1796-1840) ist durch die Theatergeschichte durchaus nicht mein Gegner geworden, wir sind vielmehr jetzt wieder ganz so vertraulich und sehn uns so oft wie früher, und ich bin ihm schuldig zu sagen, daß erImmermann, Karl Leberecht (1796-1840) sich dabei wirklich freundschaftlich gegen mich benommen hat, indem er wohl einsah, daß die Sache nicht ging. Denn eben was von mir gefordert wurde, war jenes Detail von dem Du schreibst, und dem konnte ich nur durch mein definitives Ausscheiden entgehen; im VerwaltungsratheStadttheaterDüsseldorfDeutschland bin ich geblieben, und ich glaube kaum, daß mir es einer der Herren übel gedeutet hat, daß ich jene fatale Geschichte aufgab, weil ich weder Talent, noch Neigung noch sonst was dazu habe. Ich wollte nichts als Musik dirigiren, ImmermannImmermann, Karl Leberecht (1796-1840) aber wollte einen Geschäftsführer haben, und als ich der nicht sein wollte, so zog er vor mir auch das Dirigiren &c zu erlassen und das ließ ich mir denn gefallen. Aber wie gesagt, erImmermann, Karl Leberecht (1796-1840) hat sich mir seitdem auf eine so freundliche Weise wieder genähert, daß ich all die Launen mit denen er sich fast alle Menschen hir zu Feinden macht, von jetzt an gern ertragen werde und mit ihmImmermann, Karl Leberecht (1796-1840) zusammenhalten will, so lange ers will. – Dann soll ich von den lächerlichen SingvereingeschichtenSingvereinDüsseldorfDeutschland Euch erzählen, aber wahrlich es ist kaum das Papier werth, auf das ich es schreibe. Sie zankten sich nämlich immer fort unter einander, und namentlich mit WoringenWoringen, Theodor Franz Ferdinand von (1798-1851), der alle seine übrige Zeit und Mühe diesem VereineSingvereinDüsseldorfDeutschland aufopfert, und den sie zum Dank dafür immerfort ärgerten, wo sie konnten. Sie wollten ihn endlich aus der Direction ausstoßen &c., wollten ferner mit dem einzigen guten Baßsänger hier (ParrodParrod, Claude François (Franz) (1809-1866)) nicht zusammensingen weil er ein Schauspieler sey, und nachdem ich mit aller möglichen Geduld die Sache 2 Monat lang hin und her gehalten und geleimt hatte, wurde mirs endlich eklig, und ich sagte ihnen kurz, sie möchten aufhören sich zu zanken, und Frieden halten, und bis das geschähe, hätte ich mit ihnen weiter nichts zu thun. Dies gab denn eine unsägliche Stadtklatscherei und hatte den guten Erfolg, daß sie sich alle wieder versöhnten, um mich wieder gut zu machen, den sie für schrecklich böse hielten. Ich wars aber gar nicht, und nun lebt alles in schönster Eintracht. Die Damen hatten mir einen Brief mit 50 Unterschriften geschickt, mit den ehrenvollsten Versicherungen und friedlichsten Versprechungen, die Herren hielten eine Generalversammlung und schrieben mir ebenfalls einen schönen Brief in pleno, hierauf habe ich vorige Woche die vier Jahreszeiten<name key="PSN0111789" style="hidden" type="author">Haydn, Franz Joseph (1732-1809)</name><name key="CRT0109072" style="hidden" type="music">Die Jahreszeiten Hob. XXI : 3</name> mit Orchester aufgeführt und somit schloß der Singvereinskandal. Unglücklicherweise hatte ich damals die Professur in Leipzig ausgeschlagen, daher es denn gleich hieß und gedruckt wurde, ich hätte eine Stelle in Leipzig angenommen, überhaupt haben sich bei dieser Gelegenheit wieder einige Winkelblätter, die in Deutschland gräßlich sind, ausgezeichnet und Geld und Artikel aus der Sache gepreßt, soviel sie konnten, und zwei Tage lang wurde nichts andres gesprochen, als SingvereinSingvereinDüsseldorfDeutschland. Dafür müssen sie nun auch den ganzen Messias<name key="PSN0111693" style="hidden" type="author">Händel, Georg Friedrich (1685-1759)</name><name key="CRT0108996" style="hidden" type="music">Messiah HWV 56</name> in der ersten Fastenwoche mit anhören, und ich glaube sie sängen ihn zweimal, wenn ichs verlangte. Aber gnug davon; zum Erzählen wärs lange gut gewesen, aber für einen Brief. Indeß macht mich der Catarrh heut Abend ganz dumm, und raubt mir die gute Brieflaune, drum entschuldige das trockne Zeug, liebe Mutter. Inliegenden Brief bitte ich auf die Post zu geben, und nun guten Abend. An PaulMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) noch vielen Dank für seinen lieben Brief, ich schreibe ihm bald, und freue mich, daß erMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) in der bösen Zeit doch an mich gedacht hat. Grüß AlbertineHeine, Pauline Louise Albertine (1814-1879) vielmal. Was machen aber die SchwesternHensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)? Und warum schreiben die mir nicht? Nochmal lebwohl liebe Mutter

DeinFelix MB.
            Düsseldorf den 26 Jan. 1835. Liebe Mutter erst heut kann ich dazu kommen Dir für Deine lieben Briefe zu danken und sie zu beantworten und bitte um Entschuldigung deswegen; aber nun will ich auch recht systematisch verfahren. Vor allen Dingen Patschke, wegen dessen Du mich schiltst; aber ich wünsche nicht, daß er das Geld von Euch bekommen soll, also ist mir es ganz recht, daß Du ihn nicht bezahlt hast; sie wollen beim Theater hier die 20 rt. die ihnen sehr viel für eine so kleine Partitur scheinen, erst bezahlen wenn sie sich überzeugt haben, daß es mit der Bogenzahl seine Richtigkeit hat, und die Sendung soll durch die Fahrpost geschehen. Dies bitte ich Dich Patschke sagen zu lassen, ihm zu bedeuten, daß ich seit meinen Verhandlungen mit Blum ganz von dem Theater entfernt bin, und ihm zu sagen daß er die Partitur an den Musikdirector Julius Rietz in Düsseldorf adressiren möge, der ihm umgehend nach dem Empfange die Zahlung zukommen lassen werde. Das wäre Patschke! Meine Vorschüsse vom Theater habe ich richtig wieder empfangen, worüber der inliegende Zettel an Vater das Nähere besagt. Mein Münchner Paket enthält aber außer Briefen und Papieren noch eine Menge Sachen, die ich nicht vernichtet wünschte, am liebsten wäre mirs also, wenn ihm Kerstorfs den Platz noch gönnen könnten, bis ich mal wieder hinkäme, was doch wohl bald einmal geschieht. Geht das aber nicht, so wäre es freilich zu beschwerlich und kostspielig es mit der Post zu versenden, und sie thäten am besten dann es zu vernichten. Zelter und Goethe letzten Band habe ich freilich bekommen; er steckte aber nicht in der Tasche, sondern erfolgte apart. Und endlich brauche ich das Öl, und befinde mich wohl und vergnügt, bis auf einigen Catarrh und Husten, den die ganze Stadt bei dem warmen Frühlingswinter hat, und wegen dessen ich weder einen Homöo- noch einen Allo-Pathen incommodiren mag. Meine Ohren halten sich wacker, das einzige Mittel das ich für sie brauche, ist ein bischen Baumwolle, wenns regnet, und auch die hoffe ich bald los zu werden, denn sie ennüyirt mich.
Heut habe ich nun Vaters zwei Briefe als Antwort auf den meinigen vor mir, und da ich in diesen Tagen gerade sehr viel Briefe zu schreiben habe, und da der erste auch zur Hälfte von Dir war, so bitte ich Dich lieber Vater, dies für einen Dankbrief an Dich anzunehmen, und will Deinem Rathe gemäß handeln. Sobald sich ein Resultat ergeben wird melde ichs wieder, für jetzt bitte ich nur wiederholt die Sache bis dahin geheim zu halten, und mir zu glauben, daß es keineswegs meine Absicht ist mich von der dramatischen Musik zurückzuziehen, und daß Du gewiß vollkommen Recht hast dies zu wünschen. Übrigens freut es mich Dir sagen zu können, daß die hiesigen Verhältnisse sich nicht so unangenehm stellen, wie Du es glaubst, denn Immermann ist durch die Theatergeschichte durchaus nicht mein Gegner geworden, wir sind vielmehr jetzt wieder ganz so vertraulich und sehn uns so oft wie früher, und ich bin ihm schuldig zu sagen, daß er sich dabei wirklich freundschaftlich gegen mich benommen hat, indem er wohl einsah, daß die Sache nicht ging. Denn eben was von mir gefordert wurde, war jenes Detail von dem Du schreibst, und dem konnte ich nur durch mein definitives Ausscheiden entgehen; im Verwaltungsrathe bin ich geblieben, und ich glaube kaum, daß mir es einer der Herren übel gedeutet hat, daß ich jene fatale Geschichte aufgab, weil ich weder Talent, noch Neigung noch sonst was dazu habe. Ich wollte nichts als Musik dirigiren, Immermann aber wollte einen Geschäftsführer haben, und als ich der nicht sein wollte, so zog er vor mir auch das Dirigiren &c zu erlassen und das ließ ich mir denn gefallen. Aber wie gesagt, er hat sich mir seitdem auf eine so freundliche Weise wieder genähert, daß ich all die Launen mit denen er sich fast alle Menschen hir zu Feinden macht, von jetzt an gern ertragen werde und mit ihm zusammenhalten will, so lange ers will. – Dann soll ich von den lächerlichen Singvereingeschichten Euch erzählen, aber wahrlich es ist kaum das Papier werth, auf das ich es schreibe. Sie zankten sich nämlich immer fort unter einander, und namentlich mit Woringen, der alle seine übrige Zeit und Mühe diesem Vereine aufopfert, und den sie zum Dank dafür immerfort ärgerten, wo sie konnten. Sie wollten ihn endlich aus der Direction ausstoßen &c., wollten ferner mit dem einzigen guten Baßsänger hier (Parrod) nicht zusammensingen weil er ein Schauspieler sey, und nachdem ich mit aller möglichen Geduld die Sache 2 Monat lang hin und her gehalten und geleimt hatte, wurde mirs endlich eklig, und ich sagte ihnen kurz, sie möchten aufhören sich zu zanken, und Frieden halten, und bis das geschähe, hätte ich mit ihnen weiter nichts zu thun. Dies gab denn eine unsägliche Stadtklatscherei und hatte den guten Erfolg, daß sie sich alle wieder versöhnten, um mich wieder gut zu machen, den sie für schrecklich böse hielten. Ich wars aber gar nicht, und nun lebt alles in schönster Eintracht. Die Damen hatten mir einen Brief mit 50 Unterschriften geschickt, mit den ehrenvollsten Versicherungen und friedlichsten Versprechungen, die Herren hielten eine Generalversammlung und schrieben mir ebenfalls einen schönen Brief in pleno, hierauf habe ich vorige Woche die vier Jahreszeiten mit Orchester aufgeführt und somit schloß der Singvereinskandal. Unglücklicherweise hatte ich damals die Professur in Leipzig ausgeschlagen, daher es denn gleich hieß und gedruckt wurde, ich hätte eine Stelle in Leipzig angenommen, überhaupt haben sich bei dieser Gelegenheit wieder einige Winkelblätter, die in Deutschland gräßlich sind, ausgezeichnet und Geld und Artikel aus der Sache gepreßt, soviel sie konnten, und zwei Tage lang wurde nichts andres gesprochen, als Singverein. Dafür müssen sie nun auch den ganzen Messias in der ersten Fastenwoche mit anhören, und ich glaube sie sängen ihn zweimal, wenn ichs verlangte. Aber gnug davon; zum Erzählen wärs lange gut gewesen, aber für einen Brief. Indeß macht mich der Catarrh heut Abend ganz dumm, und raubt mir die gute Brieflaune, drum entschuldige das trockne Zeug, liebe Mutter. Inliegenden Brief bitte ich auf die Post zu geben, und nun guten Abend. An Paul noch vielen Dank für seinen lieben Brief, ich schreibe ihm bald, und freue mich, daß er in der bösen Zeit doch an mich gedacht hat. Grüß Albertine vielmal. Was machen aber die Schwestern? Und warum schreiben die mir nicht? Nochmal lebwohl liebe Mutter
Dein
Felix MB.          
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Vor allen Dingen <persName xml:id="persName_84a0b9f6-5b8c-4a8c-8e33-8a0ec8c40bd1">Patschke<name key="PSN0113766" style="hidden">Patschke, C. (?-1877)</name></persName>, wegen dessen Du mich schiltst; aber ich wünsche nicht, daß er das Geld von Euch bekommen soll, also ist mir es ganz recht, daß Du ihn nicht bezahlt hast; sie wollen <placeName xml:id="placeName_8424eff9-9ba9-46d2-b00b-10e677888736">beim Theater hier<name key="NST0100296" style="hidden" subtype="" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> die 20 rt. die ihnen sehr viel für eine so <title xml:id="title_4e933fe6-55e3-4d6c-8c67-f80a47f35e71">kleine Partitur<name key="PSN0109794" style="hidden" type="author">Bellini, Vincenzo Salvatore Carmelo Francesco (1801-1835)</name><name key="CRT0108119" style="hidden" type="music">La sonnambula</name></title> scheinen, erst bezahlen wenn sie sich überzeugt haben, daß es mit der Bogenzahl seine Richtigkeit hat, und die Sendung soll durch die Fahrpost geschehen. Dies bitte ich Dich <persName xml:id="persName_d2c9a677-12ae-41ef-a7e1-08863e27a844">Patschke<name key="PSN0113766" style="hidden">Patschke, C. (?-1877)</name></persName> sagen zu lassen, ihm zu bedeuten, daß ich seit meinen Verhandlungen mit <persName xml:id="persName_2d7fd738-46d8-494a-a880-e6dbd2bc1401">Blum<name key="PSN0109980" style="hidden">Blum (eigtl. Blume), Carl Wilhelm August (1786-1844)</name></persName> ganz von dem Theater entfernt bin, und ihm zu sagen daß er die Partitur an den <persName xml:id="persName_f68234a8-f319-4cc6-a00a-91773a147304">Musikdirector Julius Rietz<name key="PSN0114200" style="hidden">Rietz, August Wilhelm Julius (1812-1877)</name></persName> in Düsseldorf adressiren möge, der ihm umgehend nach dem Empfange die Zahlung zukommen lassen werde. Das wäre <persName xml:id="persName_9f836443-d643-4683-99bd-c814b84ffa50">Patschke<name key="PSN0113766" style="hidden">Patschke, C. (?-1877)</name></persName>! Meine Vorschüsse vom <placeName xml:id="placeName_4411b83f-1bda-4531-b50c-d90aa4824adf">Theater<name key="NST0100296" style="hidden" subtype="" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> habe ich richtig wieder empfangen, worüber der inliegende Zettel an <persName xml:id="persName_304af59d-62b0-4511-978e-e0321d1598b8">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> das Nähere besagt. Mein Münchner Paket enthält aber außer Briefen und Papieren noch eine Menge Sachen, die ich nicht vernichtet wünschte, am liebsten wäre mirs also, wenn ihm <persName xml:id="persName_97631229-3527-4c7e-8bfd-aa7c88c65e8b">Kerstorfs<name key="PSN0112357" style="hidden">Kerstorf, Familie von → Heinrich Sigmund Friedrich von K.</name></persName> den Platz noch gönnen könnten, bis ich mal wieder hinkäme, was doch wohl bald einmal geschieht. Geht das aber nicht, so wäre es freilich zu beschwerlich und kostspielig es mit der Post zu versenden, und sie thäten am besten dann es zu vernichten. <title xml:id="title_25191e0b-c0e6-4727-b4e2-c6293c5ce080">Zelter und Goethe letzten Band<name key="PSN0114188" style="hidden" type="author">Riemer, Friedrich Wilhelm (1774-1845)</name><name key="CRT0110463" style="hidden" type="literature">Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832 (Herausgabe)</name></title> habe ich freilich bekommen; er steckte aber nicht in der Tasche, sondern erfolgte apart. Und endlich brauche ich das Öl, und befinde mich wohl und vergnügt, bis auf einigen Catarrh und Husten, den die ganze Stadt bei dem warmen Frühlingswinter hat, und wegen dessen ich weder einen Homöo- noch einen Allo-Pathen incommodiren mag. Meine Ohren halten sich wacker, das einzige Mittel das ich für sie brauche, ist ein bischen Baumwolle, wenns regnet, und auch die hoffe ich bald los zu werden, denn sie ennüyirt mich.</p><p>Heut habe ich nun Vaters zwei Briefe als Antwort auf den meinigen vor mir, und da ich in diesen Tagen gerade sehr viel Briefe zu schreiben habe, und da der erste auch zur Hälfte von Dir war, so bitte ich Dich lieber Vater, dies für einen Dankbrief an Dich anzunehmen, und will Deinem Rathe gemäß handeln. Sobald sich ein Resultat ergeben wird melde ichs wieder, für jetzt bitte ich nur wiederholt die Sache bis dahin geheim zu halten, und mir zu glauben, daß es keineswegs meine Absicht ist mich von der dramatischen Musik zurückzuziehen, und daß Du gewiß vollkommen Recht hast dies zu wünschen. Übrigens freut es mich Dir sagen zu können, daß die hiesigen Verhältnisse sich nicht so unangenehm stellen, wie Du es glaubst, denn <persName xml:id="persName_b0165644-b553-44f2-8bdb-ec7305c92a68">Immermann<name key="PSN0112169" style="hidden">Immermann, Karl Leberecht (1796-1840)</name></persName> ist durch die Theatergeschichte durchaus nicht mein Gegner geworden, wir sind vielmehr jetzt wieder ganz so vertraulich und sehn uns so oft wie früher, und ich bin ihm schuldig zu sagen, daß <persName xml:id="persName_05b2722d-beac-4d81-ac4a-a41c57636ee6">er<name key="PSN0112169" style="hidden">Immermann, Karl Leberecht (1796-1840)</name></persName> sich dabei wirklich freundschaftlich gegen mich benommen hat, indem er wohl einsah, daß die Sache nicht ging. Denn eben was von mir gefordert wurde, war jenes Detail von dem Du schreibst, und dem konnte ich nur durch mein definitives Ausscheiden entgehen; im <placeName xml:id="placeName_09d8d6dd-9a00-4bd2-8e1b-6af3f67816bb">Verwaltungsrathe<name key="NST0100296" style="hidden" subtype="Verwaltungsrat" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> bin ich geblieben, und ich glaube kaum, daß mir es einer der Herren übel gedeutet hat, daß ich jene fatale Geschichte aufgab, weil ich weder Talent, noch Neigung noch sonst was dazu habe. Ich wollte nichts als Musik dirigiren, <persName xml:id="persName_f03e4cc7-8bf4-4fee-afc9-d2e4302bb149">Immermann<name key="PSN0112169" style="hidden">Immermann, Karl Leberecht (1796-1840)</name></persName> aber wollte einen Geschäftsführer haben, und als ich der nicht sein wollte, so zog er vor mir auch das Dirigiren &amp;c zu erlassen und das ließ ich mir denn gefallen. Aber wie gesagt, <persName xml:id="persName_abbac777-0960-4fd3-8eb3-37f735665601">er<name key="PSN0112169" style="hidden">Immermann, Karl Leberecht (1796-1840)</name></persName> hat sich mir seitdem auf eine so freundliche Weise wieder genähert, daß ich all die Launen mit denen er sich fast alle Menschen hir zu Feinden macht, von jetzt an gern ertragen werde und mit <persName xml:id="persName_a5555741-45d9-4ba9-adae-edb4da41c5d8">ihm<name key="PSN0112169" style="hidden">Immermann, Karl Leberecht (1796-1840)</name></persName> zusammenhalten will, so lange ers will. – Dann soll ich von den lächerlichen <placeName xml:id="placeName_c9251d3b-515c-4eb3-9635-3f648b27bbd6">Singvereingeschichten<name key="NST0100306" style="hidden" subtype="" type="institution">Singverein</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> Euch erzählen, aber wahrlich es ist kaum das Papier werth, auf das ich es schreibe. Sie zankten sich nämlich immer fort unter einander, und namentlich mit <persName xml:id="persName_2b190eb1-2ce9-422d-a75f-b0d123588cda">Woringen<name key="PSN0115884" style="hidden">Woringen, Theodor Franz Ferdinand von (1798-1851)</name></persName>, der alle seine übrige Zeit und Mühe diesem <placeName xml:id="placeName_60a481ca-911e-476a-8bea-ddeccf0fb2b3">Vereine<name key="NST0100306" style="hidden" subtype="" type="institution">Singverein</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> aufopfert, und den sie zum Dank dafür immerfort ärgerten, wo sie konnten. Sie wollten ihn endlich aus der Direction ausstoßen &amp;c., wollten ferner mit dem einzigen guten Baßsänger hier (<persName xml:id="persName_e3692b10-b6d9-4bb1-9354-5817155c2557">Parrod<name key="PSN0113753" style="hidden">Parrod, Claude François (Franz) (1809-1866)</name></persName>) nicht zusammensingen weil er ein Schauspieler sey, und nachdem ich mit aller möglichen Geduld die Sache 2 Monat lang hin und her gehalten und geleimt hatte, wurde mirs endlich eklig, und ich sagte ihnen kurz, sie möchten aufhören sich zu zanken, und Frieden halten, und bis das geschähe, hätte ich mit ihnen weiter nichts zu thun. Dies gab denn eine unsägliche Stadtklatscherei und hatte den guten Erfolg, daß sie sich alle wieder versöhnten, um mich wieder gut zu machen, den sie für schrecklich böse hielten. Ich wars aber gar nicht, und nun lebt alles in schönster Eintracht. Die Damen hatten mir einen Brief mit 50 Unterschriften geschickt, mit den ehrenvollsten Versicherungen und friedlichsten Versprechungen, die Herren hielten eine Generalversammlung und schrieben mir ebenfalls einen schönen Brief in pleno, hierauf habe ich vorige Woche die <title xml:id="title_d408fdd2-c8d0-4bde-b813-4e0d18c8ebf6">vier Jahreszeiten<name key="PSN0111789" style="hidden" type="author">Haydn, Franz Joseph (1732-1809)</name><name key="CRT0109072" style="hidden" type="music">Die Jahreszeiten Hob. XXI : 3</name></title> mit Orchester aufgeführt und somit schloß der Singvereinskandal. Unglücklicherweise hatte ich damals die Professur in Leipzig ausgeschlagen, daher es denn gleich hieß und gedruckt wurde, ich hätte eine Stelle in Leipzig angenommen, überhaupt haben sich bei dieser Gelegenheit wieder einige Winkelblätter, die in Deutschland gräßlich sind, ausgezeichnet und Geld und Artikel aus der Sache gepreßt, soviel sie konnten, und zwei Tage lang wurde nichts andres gesprochen, als <placeName xml:id="placeName_766dc86f-5776-4393-a5fb-ceef951c00e1">Singverein<name key="NST0100306" style="hidden" subtype="" type="institution">Singverein</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>. Dafür müssen sie nun auch den <title xml:id="title_3102d723-86ab-446c-89e7-f7bfeed4d46f">ganzen Messias<name key="PSN0111693" style="hidden" type="author">Händel, Georg Friedrich (1685-1759)</name><name key="CRT0108996" style="hidden" type="music">Messiah HWV 56</name></title> in der ersten Fastenwoche mit anhören, und ich glaube sie sängen ihn zweimal, wenn ichs verlangte. Aber gnug davon; zum Erzählen wärs lange gut gewesen, aber für einen Brief. Indeß macht mich der Catarrh heut Abend ganz dumm, und raubt mir die gute Brieflaune, drum entschuldige das trockne Zeug, liebe Mutter. Inliegenden Brief bitte ich auf die Post zu geben, und nun guten Abend. An <persName xml:id="persName_624295bb-f10b-4964-ab4c-1b156edf9d08">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> noch vielen Dank für seinen lieben Brief, ich schreibe ihm bald, und freue mich, daß <persName xml:id="persName_0d7b67f1-3c1b-4f33-8be3-8319088dc101">er<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> in der bösen Zeit doch an mich gedacht hat. Grüß <persName xml:id="persName_8bf4e3a0-5cd9-4b5a-afdb-1e0fff038670">Albertine<name key="PSN0117011" style="hidden">Heine, Pauline Louise Albertine (1814-1879)</name></persName> vielmal. Was machen aber die <persName xml:id="persName_58741b06-c13c-425b-8de1-77dcb4955c8b">Schwestern<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="PSN0110673" style="hidden">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>? Und warum schreiben die mir nicht? <seg type="closer" xml:id="seg_4c7d70c0-2eda-4ee0-bd0c-981df489b665">Nochmal </seg><hi rend="underline">lebwohl</hi><seg type="closer" xml:id="seg_05625b98-6eb3-4b8c-b828-599aa6c43e1f"> liebe Mutter</seg></p><signed rend="right">Dein</signed><signed rend="right">Felix MB.</signed></div></body> </text></TEI>