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fmb-1834-08-14-03

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Klingemann in London <lb></lb>Düsseldorf, 14. August 1834 Du schlägst vor den 2tenAct mit Perv. allein in der Hütte anfangen zu lassen, dann eine Scene mit Vastola, dann die Mutter und dann den Abgang zum Fest. Dafür bin ich nicht 1) weil diese Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 4, 989.

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

- - - Autograph, ehemals Klingemann-Nachlass (Mikrofilmkopie vor 1960) - - Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Klingemann in London; Düsseldorf, 14. August 1834 Du schlägst vor den 2tenAct mit Perv. allein in der Hütte anfangen zu lassen, dann eine Scene mit Vastola, dann die Mutter und dann den Abgang zum Fest. Dafür bin ich nicht 1) weil diese

4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Abschrift, D-B, Musikabteilung, MA Nachl. 7,37,29. Klingemann, Briefwechsel, S. 148-151. J. A. Stargardt, Berlin, Katalog 680, Auktion, 23. und 24. November 2004, Nr. 841 (Teildruck, mit Faksimile der ersten Seite, S. 347).

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

14. August 1834 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Düsseldorf Deutschland Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862) London Großbritannien deutsch
C. Klingemann Esqu. London. 37 Bury Street, St James’. fr.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Düsseldorf 14 Aug 1834.Lieber Klingemann

Du schlägst vor den 2ten Act mit Perv.<name key="PSN0112434" style="hidden" type="author">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name><name key="CRT0109536" style="hidden" type="dramatic_work">Pervonte (Libretto)</name> allein in der Hütte anfangen zu lassen, dann eine Scene mit Vastola, dann die Mutter und dann den Abgang zum Fest. Dafür bin ich nicht 1) weil diese Scene mit Vastola im Gange des Ganzen keinen Fortschritt (und auch keinen Ruhepunct) machen würde 2) aber besonders weil mir die ganze Oper wesentlich in 2 Hälften zu zerfallen scheint, vor der Schön- und Klugwerdung Pervonte’s, und nach ihr. Es würde mir nicht recht scheinen, wenn der ganze 2te Act noch mit dem dummen und häßlichen Perv. spielte, diese Situation kann sich, glaube ich, im Finale des 1sten Acts, namentlich aber in der Scene beim Feste, wo ihr Culminationspunct ist, genug aussprechen. Vor dem Schlusse des 2ten Actes müßte Perv. sich Schönheit und Verstand gewünscht haben, und vielleicht könnte ihm sogleich mit dem Verstand die wirkliche Liebe zu Vastola kommen, und er könnte bemerken, daß sie ihn nur gezwungen und durch Zauberei liebt; so könnte er also im 3ten Act erst ihren Zauber, dann den seinigen auflösen, und es gäbe namentlich bei Auflösung des ihrigen eine interessante Scene, wo sie dem schönen Prinzen Pervonte nun trotz alle dem doch nicht mehr liebte, und so vielleicht auf Astolfo zurückkäme, auch bei seiner Entzauberung, die der Wielandischen ähnlich sein könnte, daß er sich so recht aus Herzensgrunde alles das wegwünschte. Das wären dann die Grundzüge des 3ten Acts.

Um nun speziell zu werden, so habe ich für den Anfang des 2ten Actes 2 Vorschläge: entweder er finge, wie ich schon geschrieben, in der Hütte an, wo die Exposition auch ohne Zeitung durch die Mutter geschähe, und dann gingen sie zum Feste (Herolde möchte ich nicht gern ausrufen lassen, da die Hütte recht einsam sein muß) oder aber der Act finge in demselben Zimmer, wie der erste an. Da wäre nun der ganze Hof in Unordnung, der Seneschall machte dem König den Vorschlag des Festes, und hier könnte man es noch am Schluß der Scene unter den Fenstern von den Herolden ausgerufen hören. Dann verwandelte sich die Bühne gleich zum Platz des Volksfestes, der noch leer wäre, und auf dem Pervonte und die Mutter eine Scene allein hätten, dann käme nach und nach der Chor, und das Fest. (Denn die 4malige Verwandl. „Pallast, Hütte, Fest, und Insel“ wäre nicht gut.). – In diesem Falle müßte im Anfang des Actes eine große Scene und Arie von Vastola sein, die sie dem ganzen Hofe vorsingen könnte, oder noch besser en petit comité blos dem Vater, und eben Astolfo (von ihm nachher) und dem Seneschall, worin sie das curiose Wesen solch einer entsetzlichen Zauberliebe gut aus einandersetzen könnte. Ich würde vorschlagen den Act mit einem kurzen betrübten Chor der Hofleute zu eröffnen, mit einigen Solostellen des betrübten Astolfo dazwischen. Der König käme, und wollte mit Seneschall und Ast. allein sein; frägt sie um Rath, der Seneschall schlägt (nach Wieland) das Fest vor, man ließe Vast. kommen oder sie käme von selbst (dann könnte sie die ganze Arie für sich singen, von den andern belauscht) dann könnte ihr im Dialog das Fest angezeigt werden, dann ein kurzes hübsches Quartett, wo sie von nichts wissen will, und die andern wie wohlmeinende Freunde jeder nach seiner Ansicht zureden, jeder einzeln dazwischen, bis endlich draußen die Trompeten klängen, und die Scene endigten. Dann Volksfestplatz. Man könnte vielleicht mit einem Zug der Herolde (von der vorigen Scene her) anfangen, denen sich dann Volk und unter andern auch Perv. und die Mutter anschlössen, das Volk gruppirte sich hinten und ginge ab und zu, vorne hätten die beiden einen Dialog, der lustig genug sein könnte (N. B. hier möchte ich gern das angebracht, was auf jeden Fall hübsch wäre, daß er sich einmal etwas wünschte, und es auch in Erfüllung ginge, ohne daß weder er, noch die übrigen auf dem Theater es merkten, nur die Zuschauer, die dadurch vor Augen sähen, daß er selbst die Wunschkraft niemals rauskriegen wird, und daß sie noch fortdauert – speziell fällt mir nichts ein – denke Dir doch was aus – es müßte was komisches sein – etwa die Leute im Hintergrund betreffend –) Nun finge das Fest an. Perv. müßte zum Anfang beim Turnier fort sein, erst zum Mat de Coc. wiederkommen. Vergiß den steigenden Zorn und Ungeduld der Vornehmen nicht, wenns durch den Ritterstand, herab zu dem Pöbel kommt, dann die Scene wie ich früher schrieb. – Du sagst „Meer haben wir nicht bei der Hand, die Delinquenten würden also blos abgeführt“ Aber ich meine im Gegentheil es sey nothwendig, daß wir sehen, wie sie eingepackt und fortgeschickt werden, auch thäte bei der Decoration ein practikabeles Meer hinten die besten Dienste, ja ich würde sogar vorschlagen, schon während des Festes etwas Gewitter heraufziehen zu lassen, und sie so im Sturm dem Wasser Preis zu geben. Dann würde das Ende dieser Scene recht bewegt, und vielleicht könnten dann während des Sturms die 3 Feen kurz vorüberziehen, und müßten aber nicht helfen können, sondern zusehen bis er wünscht. Wenn sichs nun aufheiterte sähen wir den Inselstrand und die Tonne käme an und strandete. Dialog zwischen beiden, Erklärung, Pallast herangewünscht – nun sagst Du „damit muß der 2te Act schließen – in Pracht und mit dem unsichtbaren Chor, aber neben Errettung aus der leiblichen Noth steckt Vastola noch in der geistigen – Perv. wünscht sich Speisen und Brunnen von Wein – ißt und trinkt und verhöhnt Vast. &c.“ Dieser Schluß gefiele mir aus oben gesagten Gründen nicht, und ich meine der Act müsse verlängert sein, sie eilt in den Pallast um alles zu sehen, er bliebe draußen und wünschte sich während er allein ist in einem behaglichen Musikst. alles voll Essen, Trinken, Vögel zum Singen, alles mögl. Epicuräische, und nun fände ihn Vastola so, er müßte sich Schönheit wünschen, dann Verstand, und nun müßte erst das Duett zum Schluß des Actes eintreten, woran schon jetzt die Verschiedenheit, das Nichtzueinanderpassen bemerklich würde. Dies ist ein schwerer Punct, aber ich glaube doch, daß es zu machen sein wird.

Dann – ich habe einen Vorschlag noch in petto der Dich zwar fürchte ich auf den ersten Blick abschrecken wird, den ich aber doch für den einzigen halte, der uns aus der Klemme mit dem Astolfo hilft, die wirklich groß ist. Ich hatte ihn längst im Kopfe, wollte aber noch mehr hinzuthun und finde nichts. – Wie, wenn wir Vastolas Character bei Wieland<name key="PSN0115764" style="hidden" type="author">Wieland, Christoph Martin (1733-1813)</name><name key="CRT0111297" style="hidden" type="literature">Pervonte oder die Wünsche. Ein neapolitanisches Mährchen</name> als Spröde &c. ganz umänderten, und sie von Anfang an in Astolfo verliebt machten, der aber weit unter ihrem Range stehn müßte – eben ein guter, frischer Haudegen, sonst nichts – der Vater müßte dieser Liebe ganz wüthend im Wege stehen, und so durch diese ganze Oper gleichsam belehrt und gebessert werden. Nur müßte Vastola durchaus nicht sentimental gehalten sein von Anfang, sondern im Gegentheil recht wie ein verzognes Kind und ein Trotzköpfchen, schlüge alle PrinzenPartieen aus, verspottete alle Wünsche des Vaters und Landes (damit sie auch im Unrecht wäre) und wollte nichts als ihren Astolfo, wobei sie dann doch ganz lustig und guter Dinge bleiben könnte. – Ich halte dies aus verschiednen Gründen für eine Verbesserung – 1) bekäme die ganze Geschichte mit Perv. einen neuen Sinn, indem dadurch der König kirre gemacht würde, und ganz froh wäre, wenn die Prinzess. endlich doch noch einen Grafen wenigstens, und ordentl. Kriegshelden bekommt 2) scheint mirs unmögl. soviel Veränderung dramatisch in einer Person darzustellen, wie von Vastola der Wielandischen<name key="PSN0115764" style="hidden" type="author">Wieland, Christoph Martin (1733-1813)</name><name key="CRT0111297" style="hidden" type="literature">Pervonte oder die Wünsche. Ein neapolitanisches Mährchen</name> Spröden, durch die Verwickel. mit Perv. zur Liebe des Astolfo hindurch 3) wäre so alles einfacher, und Astolfo natürlich gleich mit im Spiele. Du müßtest freilich die ersten Scenen ganz umändern, und die Feenromanze fiele vielleicht weg, aber geändert müßten diese ersten Sc. doch ohnehin werden, und für die Romanze ließe sich viell. eine kleine Abhülfe noch finden. Auf jeden Fall wäre es eines Opfers werth, wenn Du es so ansähest wie ich. Hältst Du vielleicht den Anfang für zu alltäglich so, so meine ich gerade, daß diese Steigerung bis zu den Feen, und zum Finale sehr verwickelt und hübsch sein könnte.

Ehe ich nun hierauf Deine Meinung weiß (aber überlege Dir es ja genau) wäre es unnütz und unmöglich vom 3ten Act zu sprechen; vielleicht müßte der 2te Act dann schon so schließen, daß Astolfo herbeigewünscht wird, und Perv. eifersüchtig auf ihn wird. So daß im 3ten Act nichts durchzumachen wäre, als der Prozeß in Pervonte selbst bis er sich entschließt allen Zauber aufzuheben, worauf er ernsthaft genug schließen könnte.

Nun bitte ich Dich mir gleich hierauf zu antworten, und zwar nach Berlin wieder einmal, wohin ich in 8 Tagen zu gehen, und bis Ende Sept. zu bleiben gedenke. Vom Anfang October an bin ich wieder hier, und hoffe fest Dich hier zu sehen. Bitte, lieber Klingem., halte daran fest, denn abgesehn vom Gelingen dieser Oper, das mir ohnedas ganz unmöglich scheint, und mit dem sehr gewiß, wäre mir es gar zu lieb, wenn wir dies Jahr nicht müßten hingehn lassen, ohne uns gesehn zu haben. Ich kann nicht kommen, also komme Du.

Alle mögliche Musik gebe ich Dir dann mit. Es ist ja nur noch etwa 5 Wochen hin. Vielleicht kannst Du dann auch den Port mitbringen. Wo er zu haben ist, weiß ich nicht, vielleicht kann Dirs Goldschm.Goldschmidt (Goldsmith), Adolph (Adolf, Adolphus) (1798-1879) sagen. Er hat übrigens nur die Eigenschaft voraus ohne brandy zu sein, und auf den Propfen stand: Port with out brandy im Siegellack. – Über den 2ten Act wird mir nun wohl nichts mehr einfallen, als Obengesagtes. Hoffentlich machst Du Dich nun bald daran. Aber auf jeden Fall im October. Nicht wahr? Mir liegt sehr viel daran, und so mußt Dus mir zu Gefallen thun. (Wir können ja auch meinen OnkelMendelssohn, Joseph (1770-1848) zur Weinlese besuchen, wenn Du willst.) Nur komm.

Lebe wohl und schreibe mir bald nach Berlin.DeinFelix Mendelssohn Bartholdy.
            Düsseldorf 14 Aug 1834. Lieber Klingemann
Du schlägst vor den 2ten Act mit Perv. allein in der Hütte anfangen zu lassen, dann eine Scene mit Vastola, dann die Mutter und dann den Abgang zum Fest. Dafür bin ich nicht 1) weil diese Scene mit Vastola im Gange des Ganzen keinen Fortschritt (und auch keinen Ruhepunct) machen würde 2) aber besonders weil mir die ganze Oper wesentlich in 2 Hälften zu zerfallen scheint, vor der Schön- und Klugwerdung Pervonte’s, und nach ihr. Es würde mir nicht recht scheinen, wenn der ganze 2te Act noch mit dem dummen und häßlichen Perv. spielte, diese Situation kann sich, glaube ich, im Finale des 1sten Acts, namentlich aber in der Scene beim Feste, wo ihr Culminationspunct ist, genug aussprechen. Vor dem Schlusse des 2ten Actes müßte Perv. sich Schönheit und Verstand gewünscht haben, und vielleicht könnte ihm sogleich mit dem Verstand die wirkliche Liebe zu Vastola kommen, und er könnte bemerken, daß sie ihn nur gezwungen und durch Zauberei liebt; so könnte er also im 3ten Act erst ihren Zauber, dann den seinigen auflösen, und es gäbe namentlich bei Auflösung des ihrigen eine interessante Scene, wo sie dem schönen Prinzen Pervonte nun trotz alle dem doch nicht mehr liebte, und so vielleicht auf Astolfo zurückkäme, auch bei seiner Entzauberung, die der Wielandischen ähnlich sein könnte, daß er sich so recht aus Herzensgrunde alles das wegwünschte. Das wären dann die Grundzüge des 3ten Acts.
Um nun speziell zu werden, so habe ich für den Anfang des 2ten Actes 2 Vorschläge: entweder er finge, wie ich schon geschrieben, in der Hütte an, wo die Exposition auch ohne Zeitung durch die Mutter geschähe, und dann gingen sie zum Feste (Herolde möchte ich nicht gern ausrufen lassen, da die Hütte recht einsam sein muß) oder aber der Act finge in demselben Zimmer, wie der erste an. Da wäre nun der ganze Hof in Unordnung, der Seneschall machte dem König den Vorschlag des Festes, und hier könnte man es noch am Schluß der Scene unter den Fenstern von den Herolden ausgerufen hören. Dann verwandelte sich die Bühne gleich zum Platz des Volksfestes, der noch leer wäre, und auf dem Pervonte und die Mutter eine Scene allein hätten, dann käme nach und nach der Chor, und das Fest. (Denn die 4malige Verwandl. „Pallast, Hütte, Fest, und Insel“ wäre nicht gut. ). – In diesem Falle müßte im Anfang des Actes eine große Scene und Arie von Vastola sein, die sie dem ganzen Hofe vorsingen könnte, oder noch besser en petit comité blos dem Vater, und eben Astolfo (von ihm nachher) und dem Seneschall, worin sie das curiose Wesen solch einer entsetzlichen Zauberliebe gut aus einandersetzen könnte. Ich würde vorschlagen den Act mit einem kurzen betrübten Chor der Hofleute zu eröffnen, mit einigen Solostellen des betrübten Astolfo dazwischen. Der König käme, und wollte mit Seneschall und Ast. allein sein; frägt sie um Rath, der Seneschall schlägt (nach Wieland) das Fest vor, man ließe Vast. kommen oder sie käme von selbst (dann könnte sie die ganze Arie für sich singen, von den andern belauscht) dann könnte ihr im Dialog das Fest angezeigt werden, dann ein kurzes hübsches Quartett, wo sie von nichts wissen will, und die andern wie wohlmeinende Freunde jeder nach seiner Ansicht zureden, jeder einzeln dazwischen, bis endlich draußen die Trompeten klängen, und die Scene endigten. Dann Volksfestplatz. Man könnte vielleicht mit einem Zug der Herolde (von der vorigen Scene her) anfangen, denen sich dann Volk und unter andern auch Perv. und die Mutter anschlössen, das Volk gruppirte sich hinten und ginge ab und zu, vorne hätten die beiden einen Dialog, der lustig genug sein könnte (N. B. hier möchte ich gern das angebracht, was auf jeden Fall hübsch wäre, daß er sich einmal etwas wünschte, und es auch in Erfüllung ginge, ohne daß weder er, noch die übrigen auf dem Theater es merkten, nur die Zuschauer, die dadurch vor Augen sähen, daß er selbst die Wunschkraft niemals rauskriegen wird, und daß sie noch fortdauert – speziell fällt mir nichts ein – denke Dir doch was aus – es müßte was komisches sein – etwa die Leute im Hintergrund betreffend –) Nun finge das Fest an. Perv. müßte zum Anfang beim Turnier fort sein, erst zum Mat de Coc. wiederkommen. Vergiß den steigenden Zorn und Ungeduld der Vornehmen nicht, wenns durch den Ritterstand, herab zu dem Pöbel kommt, dann die Scene wie ich früher schrieb. – Du sagst „Meer haben wir nicht bei der Hand, die Delinquenten würden also blos abgeführt“ Aber ich meine im Gegentheil es sey nothwendig, daß wir sehen, wie sie eingepackt und fortgeschickt werden, auch thäte bei der Decoration ein practikabeles Meer hinten die besten Dienste, ja ich würde sogar vorschlagen, schon während des Festes etwas Gewitter heraufziehen zu lassen, und sie so im Sturm dem Wasser Preis zu geben. Dann würde das Ende dieser Scene recht bewegt, und vielleicht könnten dann während des Sturms die 3 Feen kurz vorüberziehen, und müßten aber nicht helfen können, sondern zusehen bis er wünscht. Wenn sichs nun aufheiterte sähen wir den Inselstrand und die Tonne käme an und strandete. Dialog zwischen beiden, Erklärung, Pallast herangewünscht – nun sagst Du „damit muß der 2te Act schließen – in Pracht und mit dem unsichtbaren Chor, aber neben Errettung aus der leiblichen Noth steckt Vastola noch in der geistigen – Perv. wünscht sich Speisen und Brunnen von Wein – ißt und trinkt und verhöhnt Vast. &c. “ Dieser Schluß gefiele mir aus oben gesagten Gründen nicht, und ich meine der Act müsse verlängert sein, sie eilt in den Pallast um alles zu sehen, er bliebe draußen und wünschte sich während er allein ist in einem behaglichen Musikst. alles voll Essen, Trinken, Vögel zum Singen, alles mögl. Epicuräische, und nun fände ihn Vastola so, er müßte sich Schönheit wünschen, dann Verstand, und nun müßte erst das Duett zum Schluß des Actes eintreten, woran schon jetzt die Verschiedenheit, das Nichtzueinanderpassen bemerklich würde. Dies ist ein schwerer Punct, aber ich glaube doch, daß es zu machen sein wird.
Dann – ich habe einen Vorschlag noch in petto der Dich zwar fürchte ich auf den ersten Blick abschrecken wird, den ich aber doch für den einzigen halte, der uns aus der Klemme mit dem Astolfo hilft, die wirklich groß ist. Ich hatte ihn längst im Kopfe, wollte aber noch mehr hinzuthun und finde nichts. – Wie, wenn wir Vastolas Character bei Wieland als Spröde &c. ganz umänderten, und sie von Anfang an in Astolfo verliebt machten, der aber weit unter ihrem Range stehn müßte – eben ein guter, frischer Haudegen, sonst nichts – der Vater müßte dieser Liebe ganz wüthend im Wege stehen, und so durch diese ganze Oper gleichsam belehrt und gebessert werden. Nur müßte Vastola durchaus nicht sentimental gehalten sein von Anfang, sondern im Gegentheil recht wie ein verzognes Kind und ein Trotzköpfchen, schlüge alle PrinzenPartieen aus, verspottete alle Wünsche des Vaters und Landes (damit sie auch im Unrecht wäre) und wollte nichts als ihren Astolfo, wobei sie dann doch ganz lustig und guter Dinge bleiben könnte. – Ich halte dies aus verschiednen Gründen für eine Verbesserung – 1) bekäme die ganze Geschichte mit Perv. einen neuen Sinn, indem dadurch der König kirre gemacht würde, und ganz froh wäre, wenn die Prinzess. endlich doch noch einen Grafen wenigstens, und ordentl. Kriegshelden bekommt 2) scheint mirs unmögl. soviel Veränderung dramatisch in einer Person darzustellen, wie von Vastola der Wielandischen Spröden, durch die Verwickel. mit Perv. zur Liebe des Astolfo hindurch 3) wäre so alles einfacher, und Astolfo natürlich gleich mit im Spiele. Du müßtest freilich die ersten Scenen ganz umändern, und die Feenromanze fiele vielleicht weg, aber geändert müßten diese ersten Sc. doch ohnehin werden, und für die Romanze ließe sich viell. eine kleine Abhülfe noch finden. Auf jeden Fall wäre es eines Opfers werth, wenn Du es so ansähest wie ich. Hältst Du vielleicht den Anfang für zu alltäglich so, so meine ich gerade, daß diese Steigerung bis zu den Feen, und zum Finale sehr verwickelt und hübsch sein könnte.
Ehe ich nun hierauf Deine Meinung weiß (aber überlege Dir es ja genau) wäre es unnütz und unmöglich vom 3ten Act zu sprechen; vielleicht müßte der 2te Act dann schon so schließen, daß Astolfo herbeigewünscht wird, und Perv. eifersüchtig auf ihn wird. So daß im 3ten Act nichts durchzumachen wäre, als der Prozeß in Pervonte selbst bis er sich entschließt allen Zauber aufzuheben, worauf er ernsthaft genug schließen könnte.
Nun bitte ich Dich mir gleich hierauf zu antworten, und zwar nach Berlin wieder einmal, wohin ich in 8 Tagen zu gehen, und bis Ende Sept. zu bleiben gedenke. Vom Anfang October an bin ich wieder hier, und hoffe fest Dich hier zu sehen. Bitte, lieber Klingem., halte daran fest, denn abgesehn vom Gelingen dieser Oper, das mir ohnedas ganz unmöglich scheint, und mit dem sehr gewiß, wäre mir es gar zu lieb, wenn wir dies Jahr nicht müßten hingehn lassen, ohne uns gesehn zu haben. Ich kann nicht kommen, also komme Du.
Alle mögliche Musik gebe ich Dir dann mit. Es ist ja nur noch etwa 5 Wochen hin. Vielleicht kannst Du dann auch den Port mitbringen. Wo er zu haben ist, weiß ich nicht, vielleicht kann Dirs Goldschm. sagen. Er hat übrigens nur die Eigenschaft voraus ohne brandy zu sein, und auf den Propfen stand: Port with out brandy im Siegellack. – Über den 2ten Act wird mir nun wohl nichts mehr einfallen, als Obengesagtes. Hoffentlich machst Du Dich nun bald daran. Aber auf jeden Fall im October. Nicht wahr? Mir liegt sehr viel daran, und so mußt Dus mir zu Gefallen thun. (Wir können ja auch meinen Onkel zur Weinlese besuchen, wenn Du willst. ) Nur komm.
Lebe wohl und schreibe mir bald nach Berlin.
Dein
Felix Mendelssohn Bartholdy.          
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November 2004, Nr. 841 (Teildruck, mit Faksimile der ersten Seite, S. 347).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1834-08-14" xml:id="date_b421b154-b107-49b9-ad11-10743869672e">14. August 1834</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_7a6896d8-09f8-441f-be83-8bf9f0e204e8">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_1f7f421b-8d91-4f3a-a975-9d39a2576bea"> <settlement key="STM0100109">Düsseldorf</settlement> <country>Deutschland</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0112434" resp="receiver" xml:id="persName_ce0bd91e-abfa-4aca-a2a9-59d53b11745a">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_26698841-f153-432d-9457-2a8526775372"> <settlement key="STM0100126">London</settlement> <country>Großbritannien</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_7246aafc-fa1a-412a-9ac2-b4b04f96be61"> <head> <address> <addrLine>C. 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Dafür bin ich nicht 1) weil diese Scene mit Vastola im Gange des Ganzen keinen Fortschritt (und auch keinen Ruhepunct) machen würde 2) aber besonders weil mir die ganze Oper wesentlich in 2 Hälften zu zerfallen scheint, vor der Schön- und Klugwerdung Pervonte’s, und nach ihr. Es würde mir nicht recht scheinen, wenn der ganze 2<hi rend="superscript">te</hi> Act noch mit dem dummen und häßlichen Perv. spielte, diese Situation kann sich, glaube ich, im Finale des 1<hi rend="superscript">sten</hi> Acts, namentlich aber in der Scene beim Feste, wo ihr Culminationspunct ist, genug aussprechen. Vor dem Schlusse des 2<hi rend="superscript">ten</hi> Actes müßte Perv. sich Schönheit und Verstand gewünscht haben, und vielleicht könnte ihm sogleich mit dem Verstand die wirkliche Liebe zu Vastola kommen, und er könnte bemerken, daß sie ihn nur gezwungen und durch Zauberei liebt; so könnte er also im 3<hi rend="superscript">ten</hi> Act erst ihren Zauber, dann den seinigen auflösen, und es gäbe namentlich bei Auflösung des ihrigen eine interessante Scene, wo sie dem schönen Prinzen Pervonte nun trotz alle dem doch nicht mehr liebte, und so vielleicht auf Astolfo zurückkäme, auch bei <hi rend="underline">seiner</hi> Entzauberung, die der Wielandischen ähnlich sein könnte, daß er sich so recht aus Herzensgrunde alles das wegwünschte. Das wären dann die Grundzüge des 3<hi rend="superscript">ten</hi> Acts.</p><p>Um nun speziell zu werden, so habe ich für den Anfang des 2<hi rend="superscript">ten</hi> Actes 2 Vorschläge: entweder er finge, wie ich schon geschrieben, in der Hütte an, wo die Exposition auch ohne Zeitung durch die Mutter geschähe, und dann gingen sie zum Feste (Herolde möchte ich nicht gern ausrufen lassen, da die Hütte recht einsam sein muß) oder aber der Act finge in demselben Zimmer, wie der erste an. Da wäre nun der ganze Hof in Unordnung, der Seneschall machte dem König den Vorschlag des Festes, und hier könnte man es noch am Schluß der Scene unter den Fenstern von den Herolden ausgerufen hören. Dann verwandelte sich die Bühne gleich zum Platz des Volksfestes, der noch leer wäre, und auf dem Pervonte und die Mutter eine Scene allein hätten, dann käme nach und nach der Chor, und das Fest. (Denn die 4malige Verwandl. „Pallast, Hütte, Fest, und Insel“ wäre nicht gut.). – In diesem Falle müßte im Anfang des Actes eine große Scene und Arie von Vastola sein, die sie dem ganzen Hofe vorsingen könnte, oder noch besser en petit comité blos dem Vater, und eben Astolfo (von ihm nachher) und dem Seneschall, worin sie das curiose Wesen solch einer entsetzlichen Zauberliebe gut aus einandersetzen könnte. Ich würde vorschlagen den Act mit einem kurzen betrübten Chor der Hofleute zu eröffnen, mit einigen Solostellen des betrübten Astolfo dazwischen. Der König käme, und wollte mit Seneschall und Ast. allein sein; frägt sie um Rath, der Seneschall schlägt (nach Wieland) das Fest vor, man ließe Vast. kommen oder sie käme von selbst (dann könnte sie die ganze Arie für sich singen, von den andern belauscht) dann könnte ihr im Dialog das Fest angezeigt werden, dann ein kurzes hübsches Quartett, wo sie von nichts wissen will, und die andern wie wohlmeinende Freunde jeder nach seiner Ansicht zureden, jeder einzeln dazwischen, bis endlich draußen die Trompeten klängen, und die Scene endigten. Dann Volksfestplatz. Man könnte vielleicht mit einem Zug der Herolde (von der vorigen Scene her) anfangen, denen sich dann Volk und unter andern auch Perv. und die Mutter anschlössen, das Volk gruppirte sich hinten und ginge ab und zu, vorne hätten die beiden einen Dialog, der lustig genug sein könnte (N. B. hier möchte ich gern das angebracht, was auf jeden Fall hübsch wäre, daß er sich einmal etwas wünschte, und es auch in Erfüllung ginge, ohne daß weder er, noch die übrigen auf dem Theater es merkten, nur die Zuschauer, die dadurch vor Augen sähen, daß er selbst die Wunschkraft niemals rauskriegen wird, und daß sie noch fortdauert – speziell fällt mir nichts ein – denke Dir doch was aus – es müßte was komisches sein – etwa die Leute im Hintergrund betreffend –) Nun finge das Fest an. Perv. müßte zum Anfang beim Turnier fort sein, erst zum Mat de Coc. wiederkommen. Vergiß den steigenden Zorn und Ungeduld der Vornehmen nicht, wenns durch den Ritterstand, herab zu dem Pöbel kommt, dann die Scene wie ich früher schrieb. – Du sagst „Meer haben wir nicht bei der Hand, die Delinquenten würden also blos abgeführt“ Aber ich meine im Gegentheil es sey nothwendig, daß wir <hi rend="underline">sehen</hi>, wie sie eingepackt und fortgeschickt werden, auch thäte bei der Decoration ein practikabeles Meer hinten die besten Dienste, ja ich würde sogar vorschlagen, schon während des Festes etwas Gewitter heraufziehen zu lassen, und sie so im Sturm dem Wasser Preis zu geben. Dann würde das Ende dieser Scene recht bewegt, und vielleicht könnten dann während des Sturms die 3 Feen kurz vorüberziehen, und müßten aber nicht helfen können, sondern zusehen bis er wünscht. Wenn sichs nun aufheiterte sähen wir den Inselstrand und die Tonne käme an und strandete. Dialog zwischen beiden, Erklärung, Pallast herangewünscht – nun sagst Du „damit muß der 2<hi rend="superscript">te</hi> Act schließen – in Pracht und mit dem unsichtbaren Chor, aber neben Errettung aus der leiblichen Noth steckt Vastola noch in der geistigen – Perv. wünscht sich Speisen und Brunnen von Wein – ißt und trinkt und verhöhnt Vast. &amp;c.“ Dieser Schluß gefiele mir aus oben gesagten Gründen nicht, und ich meine der Act müsse verlängert sein, sie eilt in den Pallast um alles zu sehen, er bliebe draußen und wünschte sich während er allein ist in einem behaglichen Musikst. alles voll Essen, Trinken, Vögel zum Singen, alles mögl. Epicuräische, und nun fände ihn Vastola so, er müßte sich Schönheit wünschen, dann Verstand, und nun müßte erst das Duett zum Schluß des Actes eintreten, woran schon jetzt die Verschiedenheit, das Nichtzueinanderpassen bemerklich würde. Dies ist ein schwerer Punct, aber ich glaube doch, daß es zu machen sein wird.</p><p><hi rend="underline">Dann</hi> – ich habe einen Vorschlag noch in petto der Dich zwar fürchte ich auf den ersten Blick abschrecken wird, den ich aber doch für den einzigen halte, der uns aus der Klemme mit dem Astolfo hilft, die wirklich groß ist. Ich hatte ihn längst im Kopfe, wollte aber noch mehr hinzuthun und finde nichts. – Wie, wenn wir <title xml:id="title_3eea79fd-c887-460f-84b5-8e09bd83c7a8">Vastolas Character bei Wieland<name key="PSN0115764" style="hidden" type="author">Wieland, Christoph Martin (1733-1813)</name><name key="CRT0111297" style="hidden" type="literature">Pervonte oder die Wünsche. Ein neapolitanisches Mährchen</name></title> als Spröde &amp;c. ganz umänderten, und sie von Anfang an in Astolfo verliebt machten, der aber weit unter ihrem Range stehn müßte – eben ein guter, frischer Haudegen, sonst nichts – der Vater müßte dieser Liebe ganz wüthend im Wege stehen, und so durch diese ganze Oper gleichsam belehrt und gebessert werden. Nur müßte Vastola durchaus nicht sentimental gehalten sein von Anfang, sondern im Gegentheil recht wie ein verzognes Kind und ein Trotzköpfchen, schlüge alle PrinzenPartieen aus, verspottete alle Wünsche des Vaters und Landes (damit sie auch im Unrecht wäre) und wollte nichts als ihren Astolfo, wobei sie dann doch ganz lustig und guter Dinge bleiben könnte. – Ich halte dies aus verschiednen Gründen für eine Verbesserung – 1) bekäme die ganze Geschichte mit Perv. einen neuen Sinn, indem dadurch der König kirre gemacht würde, und ganz froh wäre, wenn die Prinzess. endlich doch noch einen Grafen wenigstens, und ordentl. Kriegshelden bekommt 2) scheint mirs unmögl. soviel Veränderung <hi rend="underline">dramatisch</hi> in einer Person darzustellen, wie von Vastola der <title xml:id="title_f49b7523-ff45-4897-bde8-e4af29de8fc2">Wielandischen<name key="PSN0115764" style="hidden" type="author">Wieland, Christoph Martin (1733-1813)</name><name key="CRT0111297" style="hidden" type="literature">Pervonte oder die Wünsche. Ein neapolitanisches Mährchen</name></title> Spröden, durch die Verwickel. mit Perv. zur Liebe des Astolfo hindurch 3) wäre so alles einfacher, und Astolfo natürlich gleich mit im Spiele. Du müßtest freilich die ersten Scenen ganz umändern, und die Feenromanze fiele vielleicht weg, aber geändert müßten diese ersten Sc. doch ohnehin werden, und für die Romanze ließe sich viell. eine kleine Abhülfe noch finden. Auf jeden Fall wäre es eines Opfers werth, wenn Du es so ansähest wie ich. Hältst Du vielleicht den Anfang für zu alltäglich so, so meine ich gerade, daß diese Steigerung bis zu den Feen, und zum Finale sehr verwickelt und hübsch sein könnte.</p><p>Ehe ich nun hierauf Deine Meinung weiß (aber überlege Dir es ja genau) wäre es unnütz und unmöglich vom 3<hi rend="superscript">ten</hi> Act zu sprechen; vielleicht müßte der 2<hi rend="superscript">te</hi> Act dann schon so schließen, daß Astolfo herbeigewünscht wird, und Perv. eifersüchtig auf ihn wird. So daß im 3<hi rend="superscript">ten</hi> Act nichts durchzumachen wäre, als der Prozeß in Pervonte selbst bis er sich entschließt allen Zauber aufzuheben, worauf er ernsthaft genug schließen könnte.</p><p>Nun bitte ich Dich mir gleich hierauf zu antworten, und zwar nach Berlin wieder einmal, wohin ich in 8 Tagen zu gehen, und bis Ende Sept. zu bleiben gedenke. Vom Anfang October an bin ich wieder hier, und hoffe fest Dich hier zu sehen. Bitte, lieber Klingem., halte daran fest, denn abgesehn vom Gelingen dieser Oper, das mir ohnedas ganz unmöglich scheint, und mit dem sehr gewiß, wäre mir es gar zu lieb, wenn wir dies Jahr nicht müßten hingehn lassen, ohne uns gesehn zu haben. Ich kann nicht kommen, also komme Du.</p><p>Alle mögliche Musik gebe ich Dir dann mit. Es ist ja nur noch etwa 5 Wochen hin. Vielleicht kannst Du dann auch den Port mitbringen. Wo er zu haben ist, weiß ich nicht, vielleicht kann Dirs <persName xml:id="persName_6a43b0d7-04cd-4130-a1de-920afab11d9b">Goldschm.<name key="PSN0111441" style="hidden">Goldschmidt (Goldsmith), Adolph (Adolf, Adolphus) (1798-1879)</name></persName> sagen. Er hat übrigens nur die Eigenschaft voraus ohne brandy zu sein, und auf den Propfen stand: Port with out brandy im Siegellack. – Über den 2<hi rend="superscript">ten</hi> Act wird mir nun wohl nichts mehr einfallen, als Obengesagtes. Hoffentlich machst Du Dich nun bald daran. Aber auf jeden Fall im October. Nicht wahr? Mir liegt sehr viel daran, und so mußt Dus mir zu Gefallen thun. (Wir können ja auch meinen <persName xml:id="persName_2d8fa9ac-3225-4642-b93e-7016f9fdb2c4">Onkel<name key="PSN0113227" style="hidden">Mendelssohn, Joseph (1770-1848)</name></persName> zur Weinlese besuchen, wenn Du willst.) Nur komm.</p><salute rend="left">Lebe wohl und schreibe mir bald nach Berlin.</salute><signed rend="right">Dein</signed><signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy.</signed></div></body> </text></TEI>