fmb-1834-06-11-01
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Düsseldorf, 11. Juni 1834
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
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Unbekannt
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
London
ich weiß gar nicht wie ichs anfangen soll Sie um Verzeihung zu bitten, für meine unverzeihliche Faulheit und mein Stillschweigen; Sie überhäufen mich mit Freundlichkeiten, und schicken mir wiederholt die interessantesten Nachrichten (denn ich habe sie freilich alle erhalten) und ich thue nichts, als sie empfangen, und mich damit freuen, und ganz stille schweigen. Ihr letztes kleines rosa Billet aber reißt mich doch aus dieser gar zu großen Faulheit, denn Sie schreiben darin von Ihrer Krankheit, und wie Sie kaum sprechen dürften – das habe ich nicht gewußt, es hat mich sehr erschreckt. Nun ist es mit diesem Briefe als liefe ich gleich selbst aus Portland Street nach Hanover Terrace um mich nur schnell zu erkundigen, wie es Ihnen geht; bitte, schicken Sie mir darüber eine ausführliche Nachricht, denn Ihre Zeilen sind so unmuthig und verstimmt, daß ich Sie mir wirklich krank denke, und doch sagen Sie nur ein Wort davon. Wenn Sie auch nichts von einem so schlechten Correspondenten wissen wollen, so schreibt mir vielleicht doch eine
Zwar hätte ich doch schreiben sollen, das sehe ich wohl ein, aber da sitze ich nun in diesem kleinen Städtchen, und jeder Tag bringt neue äußerliche Beschäftigungen, und innerlich habe ich noch mehr zu arbeiten, da fliegen die Tage, ohne daß ich recht zur Übersicht davon schon kommen könnte; und etwas halbes schreibt doch keiner gern. Indessen geht es vorwärts mit mir, und ich hoffe wieder recht in den Zug mit dem Arbeiten zu kommen, bin es auch zum Theil schon. Aber freilich sind da noch so manche böse Gewohnheiten der vorigen, bewegten Jahre, die mich hemmen, und mir viel Schaden thun, und sie sind nur schwer auszurotten; ich muß mich ganz in meine Arbeit verkriechen, und jede Stunde so fleißig sein, als möglich, um darüber nach und nach wegzukommen. Ein Brief, wie dieser aber, der einmal mich weit von Düsseldorf wegführt, und ob ich heut Abend mich wieder herfinde, ist die Frage, denn wenn ich mit den Gedanken mal in London bin, so bleibe ich auch gern ein Weilchen, und mag von sonst nichts wissen, und gerathe immer tiefer ins Nachdenken, in die leidige Erinnerung hinein – sehen Sie, das war mit ein Grund, warum ich so lange nicht schrieb. Jetzt bin ich wohl schon mehr in der Richtung, und darf mir mal eine solche Ausflucht erlauben, und ich will auch nun wieder fleißiger briefschreiben. Aber freilich das alles entschuldigt mich nicht; Nun denn, verzeihen Sie mir nur.
Wenn Sie mal sähen, wie ich den halben Morgen wenn ich solch eine Englische Zeitung bekomme, nichts thue als sie durch- und wieder lesen, und wie ich wieder in die Politik hineingerathe, und den Ministern vielen guten Rath geben möchte, und mit den Tories gar nicht zufrieden bin, und über die musikalischen Recensionen mich freue, (wenn sie mich loben) und mich sehr ärgere, (wenn sie
Düsseldorf den 11ten Juni 1834 Mein liebes Fräulein ich weiß gar nicht wie ichs anfangen soll Sie um Verzeihung zu bitten, für meine unverzeihliche Faulheit und mein Stillschweigen; Sie überhäufen mich mit Freundlichkeiten, und schicken mir wiederholt die interessantesten Nachrichten (denn ich habe sie freilich alle erhalten) und ich thue nichts, als sie empfangen, und mich damit freuen, und ganz stille schweigen. Ihr letztes kleines rosa Billet aber reißt mich doch aus dieser gar zu großen Faulheit, denn Sie schreiben darin von Ihrer Krankheit, und wie Sie kaum sprechen dürften – das habe ich nicht gewußt, es hat mich sehr erschreckt. Nun ist es mit diesem Briefe als liefe ich gleich selbst aus Portland Street nach Hanover Terrace um mich nur schnell zu erkundigen, wie es Ihnen geht; bitte, schicken Sie mir darüber eine ausführliche Nachricht, denn Ihre Zeilen sind so unmuthig und verstimmt, daß ich Sie mir wirklich krank denke, und doch sagen Sie nur ein Wort davon. Wenn Sie auch nichts von einem so schlechten Correspondenten wissen wollen, so schreibt mir vielleicht doch eine Ihrer Schwestern ein Paar Zeilen Englisch, um mir kurz zu sagen, ob es Ihnen besser geht. Denn Sie wissen wohl, wenn ich auch wenig schreiben und zuweilen reden kann, wie ich oft in Gedanken bei Ihnen bin, und wie sehr mich Ihr Wohlergehen bekümmert, und wie mich gerade die jetzt wiederkehrende Sommer und Herbstzeit zur Dankbarkeit an Sie mahnt. Drum bitte ich Sie zürnen Sie mir nicht, und geben Sie mir darüber eine Nachricht, und, so Gott will, eine gute, und glauben Sie mir daß ich morgen das Schreiben ganz und gar verlernen könnte, und würde drum doch, nach wie vor, täglich Ihrer gedenken und mir die Zeit herwünschen, wo ich wieder nach London kann. Zwar hätte ich doch schreiben sollen, das sehe ich wohl ein, aber da sitze ich nun in diesem kleinen Städtchen, und jeder Tag bringt neue äußerliche Beschäftigungen, und innerlich habe ich noch mehr zu arbeiten, da fliegen die Tage, ohne daß ich recht zur Übersicht davon schon kommen könnte; und etwas halbes schreibt doch keiner gern. Indessen geht es vorwärts mit mir, und ich hoffe wieder recht in den Zug mit dem Arbeiten zu kommen, bin es auch zum Theil schon. Aber freilich sind da noch so manche böse Gewohnheiten der vorigen, bewegten Jahre, die mich hemmen, und mir viel Schaden thun, und sie sind nur schwer auszurotten; ich muß mich ganz in meine Arbeit verkriechen, und jede Stunde so fleißig sein, als möglich, um darüber nach und nach wegzukommen. Ein Brief, wie dieser aber, der einmal mich weit von Düsseldorf wegführt, und ob ich heut Abend mich wieder herfinde, ist die Frage, denn wenn ich mit den Gedanken mal in London bin, so bleibe ich auch gern ein Weilchen, und mag von sonst nichts wissen, und gerathe immer tiefer ins Nachdenken, in die leidige Erinnerung hinein – sehen Sie, das war mit ein Grund, warum ich so lange nicht schrieb. Jetzt bin ich wohl schon mehr in der Richtung, und darf mir mal eine solche Ausflucht erlauben, und ich will auch nun wieder fleißiger briefschreiben. Aber freilich das alles entschuldigt mich nicht; Nun denn, verzeihen Sie mir nur. Wenn Sie mal sähen, wie ich den halben Morgen wenn ich solch eine Englische Zeitung bekomme, nichts thue als sie durch- und wieder lesen, und wie ich wieder in die Politik hineingerathe, und den Ministern vielen guten Rath geben möchte, und mit den Tories gar nicht zufrieden bin, und über die musikalischen Recensionen mich freue, (wenn sie mich loben) und mich sehr ärgere, (wenn sie Lord Brougham tadeln) so würden Sie es wohl glauben, daß an meinem Oratorium, oder was ich sonst arbeite, den Morgen wenig gethan wird. Aber es ist auch natürlich; denn was sie hier unter dem Namen einer Zeitung herausgeben, das ist ein gräuliches Ding, nur dazu gut, Butter und Käse drin hineinzuthun, ein Nachklang von einem Nachklang von einer partheilichen, verstümmelten, schlechten Königl. Preußischen Zeitung, in der nichts stehen darf, als was gerade den Herren angenehm ist, und kommt einmal eine Nachricht von England hinein, so steht da daß Wellington beim König gegessen hat, höchstens mal ein allgemeiner Bericht einer Debatte, wo es heißt „Lord Brougham hielt eine sehr lange Rede. “ Und weiter gar nichts. Wäre ich nur jetzt beim Ministerwechsel da gewesen, wie sehr hätte ich mit Fräulein Joanna disputirt; denn statt daß ich mich hier in Preußen von meinem Radicalismus curiren sollte, verstecke ich mich nur immer mehr. Ich glaube eigentlich, Sie können sich von solch einem Nest wie das hier, gar keinen Begriff machen – bekäme ich nicht zuweilen Briefe, so könnte man glauben, die Welt sei nicht aufgezogen, und stehen geblieben. Aber doch läßt sichs gut leben, die Leute malen gute Bilder, einer unsrer besten Deutschen Dichter lebt hier, und mit der Musik geht es auch ziemlich nett. Aber freilich kostet ein Billet zu solchem Konzert kaum 18 pence, und wenns Sonnabend ist, darf man kein Concert geben, weil da alle Stuben gescheuert und gekehrt werden, und Abends spät sind viele Musiker ganz betrunken (und die Dilettanten auch) und morgen frühe stehen sie im Schlafrock und mit der Tabackspfeife auf der Straße vor ihrer Hausthür, und wenn man ein unbekanntes Gesicht auf der Straße sieht, so sagt man: „dies ist ein Fremder“ – O weh, ich hätte Ihnen wohl das nicht schreiben sollen, denn was werden Sie nun von dem kleinstädtischen Musikdirector für Begriffe bekommen! Und wenn Sie es auch noch nachsehen, da Sie Deutschland und unsere Kleinbürgerei wohl kennen, so sagen Sie’s nur den Schwestern nicht, sonst wollen sie gar nichts mehr von mir wissen. Lassen Sie mich nur bald hören wie es mit Ihrer Gesundheit geht, und ob sie wieder hergestellt sind, mein liebes Fräulein; Sie sagen, ich verdiene es nicht, daß Sie mir noch freundlich sind, aber lassen Sie mich hoffen, daß ichs noch nicht verscherzt habe, und glauben Sie mir daß ich immer sein werde Ihr ergebner Felix Mendelssohn Bartholdy Herzliche Grüße und Wünsche Ihren lieben Frl. Schwestern.
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Ihr letztes kleines rosa Billet aber reißt mich doch aus dieser gar zu großen Faulheit, denn Sie schreiben darin von Ihrer Krankheit, und wie Sie kaum sprechen dürften – das habe ich nicht gewußt, es hat mich sehr erschreckt. Nun ist es mit diesem Briefe als liefe ich gleich selbst aus Portland Street nach Hanover Terrace um mich nur schnell zu erkundigen, wie es Ihnen geht; bitte, schicken Sie mir darüber eine ausführliche Nachricht, denn Ihre Zeilen sind so unmuthig und verstimmt, daß ich Sie mir wirklich krank denke, und doch sagen Sie nur <hi rend="underline">ein</hi> Wort davon. 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Drum bitte ich Sie zürnen Sie mir nicht, und geben Sie mir darüber eine Nachricht, und, so Gott will, eine gute, und glauben Sie mir daß ich morgen das Schreiben ganz und gar verlernen könnte, und würde drum doch, nach wie vor, täglich Ihrer gedenken und mir die Zeit herwünschen, wo ich wieder nach London kann.</p> <p>Zwar hätte ich doch schreiben sollen, das sehe ich wohl ein, aber da sitze ich nun in diesem kleinen Städtchen, und jeder Tag bringt neue äußerliche Beschäftigungen, und innerlich habe ich noch mehr zu arbeiten, da fliegen die Tage, ohne daß ich recht zur Übersicht davon schon kommen könnte; und etwas halbes schreibt doch keiner gern. Indessen geht es vorwärts mit mir, und ich hoffe wieder recht in den Zug mit dem Arbeiten zu kommen, bin es auch zum Theil schon. Aber freilich sind da noch so manche böse Gewohnheiten der vorigen, bewegten Jahre, die mich hemmen, und mir viel Schaden thun, und sie sind nur schwer auszurotten; ich muß mich ganz in meine Arbeit verkriechen, und jede Stunde so fleißig sein, als möglich, um darüber nach und nach wegzukommen. Ein Brief, wie dieser aber, der einmal mich weit von Düsseldorf wegführt, und ob ich heut Abend mich wieder herfinde, ist die Frage, denn wenn ich mit den Gedanken mal in London bin, so bleibe ich auch gern ein Weilchen, und mag von sonst nichts wissen, und gerathe immer tiefer ins Nachdenken, in die leidige Erinnerung hinein – sehen Sie, das war mit ein Grund, warum ich so lange nicht schrieb. Jetzt bin ich wohl schon mehr in der Richtung, und darf mir mal eine solche Ausflucht erlauben, und ich will auch nun wieder fleißiger briefschreiben. 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