fmb-1834-04-19-01
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Düsseldorf, 19. April 1834
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
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Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
con amore
verlange, im
fehlenschien. Denn die Complimente thun es wohl nicht, und es hätten viel weniger Complimente und viel mehr Anerkennung drin sein können. – Denn die verdient es wirklich im höchsten Grade, wenn sich einer durch keine Umstände und Schwierigkeiten abhalten läßt, sein Talent weiter auszubilden, und mit einem Wort unbekümmert fleißig ist. Das fehlt den meisten Künstlern vom Fach jetzt, und ist um so erfreulicher also, wenn sichs ohne die äußre Nothwendigkeit blos durch die innre getrieben findet. Eben weil Sie selbst wissen, daß Sie „ohne Ihr Notenschreiben jetzt eine bessre Stelle haben würden“ eben dadurch beweisen Sie auch „daß Sie daran nicht besser getan haben würden“ und daß Sie nicht anders hätten thun dürfen, denn es kommt am Ende doch nicht darauf an, ob einer Präsident oder Minister geworden ist, sondern ob er die möglichste Ausbildung erreicht hat. So lassen Sie sich also durch kein vornehmes Stillschweigen, und durch kein vornehmes Lob, und durch nichts davon abbringen, weiter zu arbeiten, und selbst wenns weiter gar kein Resultat hätte, so ist die Arbeit und die Freude daran schon Resultat und Gewinn genug.
Darüber steht also meine Meinung ganz fest, und ich glaube nicht, daß ich mich irre; arbeiten Sie fortwährend weiter, und lassen Sie mich bald wieder etwas davon kennen lernen, weil michs stets erfreuen muß, Ihre Fortschritte zu bemerken und anzuerkennen.
Nun wollen Sie über das
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tenMale kommt, die Cavatina in f. no. 18, und außerdem in allen Stücken viele einzelne Stellen. Hingegen sämmtliche ernstere, leidenschaftliche Stücke, in trüben, bewegten, oder romantischen Situationen sagen mir nicht so zu; es sind mir fast alle Ihre Motive darin, zu kurz, zu klein, zu abbrechend, und das Orchester zu sehr die musikalische Idee unterbrechend, so daß der Gang des ganzen Musikstücks nicht eben, einfach und schlagend genug wird. Und wieder sind mir diese Ideen selbst, wenn ich sie mir aus den verschiedenartigen Bestandtheilen von Instrumenten und Stimmen zusammensuche, wieder
zueinfach, d. h. zu conventionell, zu wenig dieser einen Situation allein angemessen und aus ihr entstanden, und durch diesen Mangel an bestimmten, einfachen aber ganz schlagenden, aus der Sache und den Worten gegriffenen Motiven scheint mir Ihre Musik in allen diesen Punkten nicht dramatisch. Nehmen Sie z. B. die Arie des Aldrovan no. 15 im 3
tenAct, so werden Sie jedes Wort des Sängers, jeden Vers fast durch eine Pause unterbrochen finden; die beiden erstenmale beim Ruf erscheint es natürlich, aber dann sollte es nun zusammengehen, dann sollte ein solches dramatisch-musikalisches Motiv auftreten, statt der Pausen im 16
tenTakt, noch mehr im 22
stenund so immer fort bei den Worten „denn mich lockt – des Ruhmes Kranz“. Auch ein solches Abbrechen könnte motiviert sein, aber dann müßten die Zwischensätze im Orchester eben in diesem Sinne sein, nicht blos als Fortsetzung derselben Idee. Das dann eintretende Thema „lebet wohl pp.“ ist mir ebenfalls zu kurz, zu klein für einen großen Heldenabschied und einen wichtigen Moment, da läßt sich der Mann nicht sogleich vom Chor unterbrechen, und bleibt ruhig auf der Bühne stehen, oder spielet stumm, sondern erst muß er den Mund voller genommen haben, ehe der Chor mit seiner ruhigen Bemerkung „er trotzet“ Platz finden kann. Da mir nun auch zugleich Ihre Instrumentirung faßt überall viel zu schwer, zu dick scheint, so könnte ich das Alles so zusammenfassen: ich möchte, daß die Ideeen einfacher und natürlicher
ausgesprochen, aber complicirter und eigenthümlicher
ausgedachtwären. Und hiezu ist der einzige Weg, daß Sie sich mehr, oder vielmehr allein an die Worte halten, sich von den Worten und der Situation allein die Form und den Gedanken des ganzen Musikstücks geben lassen, und es dann danach so einfach und klar als möglich ausführen. Z. B. beim
tenAct no. 17. Da ist das Thema nicht die Worte der Scheidenden sondern ein Instrumentensatz, und die Worte kommen nur so dazwischen; er wartet drei Tacte bis er ihr antwortet; und immer sind die Reden von Pausen unterbrochen, die nicht zum Ausdruck nothwendig sind. Ebenso bei der folgenden Arie; bei der Cavatina no. 19 (die Pause und Wiederholung von „den zärtlichen Küssen“) die wohl nur der Situation nach ganz kurz und lebendig und vorübergehend sein dürfte, und ohne brillanten Schluß; ebenso bei der folgenden Arie no. 20 wo mir der Eintritt der Singstimme nicht
erfundengenug, und die vorhergehenden Sätze, mit der Nachahmung der Bratsche &c zu erfunden scheinen. Ebenso in no. 21 wo der ganze Dialog während der Ausforderung und des Kämpfens, mir viel zu sehr mit Wiederholungen überladen und durch Pausen unterbrochen scheint. (z. B. „daß meine Wohnung, meine Wohnung“ oder „ich, ich bin es, ich“) und wo durchgehends die Singstimmen die Instrumente begleiten. Mit einem Wort also liegt meiner Meinung nach, bei Ihren ernsteren bewegteren Stücken der Gang fast immer in den Instrumenten, oder sie unterbrechen ihn doch eigenmächtig, und das halte ich für einen Fehler. Ich würde Ihnen dies nicht so offen und gerade heraus sagen, wenn ich nicht eben hoffte und wünschte, daß Sie noch recht viel sich mit Musik beschäftigen möchten, wo Sie dann entweder mir Recht geben werden und es anders machen, oder nicht, und es von selbst thun, – aber in beiden Fällen werden Sie mir meine Bemerkungen nicht übel nehmen.
Ihre
Denn, wie gesagt, meine Ausstellungen habe ich nur gemacht um meine Meinung aufrichtig auszusprechen. und um Ihnen, im Falle ich Recht in einigen Punkten habe, die Mühe zu sparen es von selbst und durch sich selbst zu bemerken. Fortfahren in Ihren Arbeiten müssen Sie, und da Sie aller technischen Mittel, einer reinen Schreibart, richtigen Gebrauch der Instrumente, &c vollkommen Herr sind, und da Sie es dazu treibt, so werden Sie es auch. Wenn Sie aber von Zeit zu Zeit dann mir Nachricht davon geben wollen, oder mir eins oder das andre zuschicken, so werden Sie mich jedesmal von ganzem Herzen erfreuen und ich werde es Ihnen wahren Dank wissen.
Düsseldorf d. 19 April 1834. Lieber Herr v. Boguslavski erst heute komme ich dazu Ihnen meinen besten Dank für das Vergnügen zu sagen, das Sie mir durch die Zusendung Ihrer Oper gemacht haben. Entschuldigen Sie nur daß ich die Partitur so übertrieben lange behalten und so lange keine Nachricht darüber gegeben habe; wie beschäftigt ich in einem noch so ungeordneten Musikwesen den ersten Winter war, können Sie sich denken, und da ich zugleich mehrere eigene dringende Arbeiten fortführte, so blieb mir fast keine Zeit. Sobald es um Ostern etwas licht wurde nahm ich recht con amore Ihre Partitur samt Tiecks Text vor, führte mir das Werk am Clavier auf, und sang und agirte auch dazu, und hätte an sehr vielen Stellen auch als Publikum gleich klatschen sollen, indeß will ich das jetzt erst schriftlich thun. Sie erhalten Ihre Partitur mit der Fahrpost einige Tage nach diesem Brief, ich schicke sie noch heute ab. Meine Äußerung wegen des Tisches, den man mit Vorliebe ansehen soll, haben Sie übrigens gerade umgekehrt genommen, als ich es gemeint hatte, da mir gerade diese Liebe zu jedem Kunstwerk, die ich vom Künstler und (wie ich damals schrieb) auch vom Handwerker zum seinigen verlange, im Reißigerschen Brief zu fehlen schien. Denn die Complimente thun es wohl nicht, und es hätten viel weniger Complimente und viel mehr Anerkennung drin sein können. – Denn die verdient es wirklich im höchsten Grade, wenn sich einer durch keine Umstände und Schwierigkeiten abhalten läßt, sein Talent weiter auszubilden, und mit einem Wort unbekümmert fleißig ist. Das fehlt den meisten Künstlern vom Fach jetzt, und ist um so erfreulicher also, wenn sichs ohne die äußre Nothwendigkeit blos durch die innre getrieben findet. Eben weil Sie selbst wissen, daß Sie „ohne Ihr Notenschreiben jetzt eine bessre Stelle haben würden“ eben dadurch beweisen Sie auch „daß Sie daran nicht besser getan haben würden“ und daß Sie nicht anders hätten thun dürfen, denn es kommt am Ende doch nicht darauf an, ob einer Präsident oder Minister geworden ist, sondern ob er die möglichste Ausbildung erreicht hat. So lassen Sie sich also durch kein vornehmes Stillschweigen, und durch kein vornehmes Lob, und durch nichts davon abbringen, weiter zu arbeiten, und selbst wenns weiter gar kein Resultat hätte, so ist die Arbeit und die Freude daran schon Resultat und Gewinn genug. Darüber steht also meine Meinung ganz fest, und ich glaube nicht, daß ich mich irre; arbeiten Sie fortwährend weiter, und lassen Sie mich bald wieder etwas davon kennen lernen, weil michs stets erfreuen muß, Ihre Fortschritte zu bemerken und anzuerkennen. Nun wollen Sie über das Werk selbst meine Meinung wissen, und die will ich auch gerade herschreiben, obwohl es kein Urtheil sein soll und auch für mich selbst nicht einmal sein kann. Ich kann also blos vom Eindruck sprechen, dens auf mich macht, und wenn da mitunter etwas ungünstiges steht, so müssen Sie mir nicht zürnen, denn es mag ebensowohl meine wie Ihre Schuld sein, daß mirs so erscheint. Zwei Hauptbemerkungen haben sich mir aufgedrungen: in allen leichten, gesangreichen Stücken, in den frohen, lebendigen Situationen hat mir Ihre Musik fast durchgängig gefallen, z. B. das ganze Ende des ersten Acts mit dem wunderhübschen Horneintritt am Ende der Beschwörungsscene, der Anfangschor des dritten Acts, der namentlich sehr anmuthig schließt, das Duettino in fdur 6 8 „glückliche Stunde“, mehr noch wo es zum 2ten Male kommt, die Cavatina in f. no. 18, und außerdem in allen Stücken viele einzelne Stellen. Hingegen sämmtliche ernstere, leidenschaftliche Stücke, in trüben, bewegten, oder romantischen Situationen sagen mir nicht so zu; es sind mir fast alle Ihre Motive darin, zu kurz, zu klein, zu abbrechend, und das Orchester zu sehr die musikalische Idee unterbrechend, so daß der Gang des ganzen Musikstücks nicht eben, einfach und schlagend genug wird. Und wieder sind mir diese Ideen selbst, wenn ich sie mir aus den verschiedenartigen Bestandtheilen von Instrumenten und Stimmen zusammensuche, wieder zu einfach, d. h. zu conventionell, zu wenig dieser einen Situation allein angemessen und aus ihr entstanden, und durch diesen Mangel an bestimmten, einfachen aber ganz schlagenden, aus der Sache und den Worten gegriffenen Motiven scheint mir Ihre Musik in allen diesen Punkten nicht dramatisch. Nehmen Sie z. B. die Arie des Aldrovan no. 15 im 3ten Act, so werden Sie jedes Wort des Sängers, jeden Vers fast durch eine Pause unterbrochen finden; die beiden erstenmale beim Ruf erscheint es natürlich, aber dann sollte es nun zusammengehen, dann sollte ein solches dramatisch-musikalisches Motiv auftreten, statt der Pausen im 16ten Takt, noch mehr im 22sten und so immer fort bei den Worten „denn mich lockt – des Ruhmes Kranz“. Auch ein solches Abbrechen könnte motiviert sein, aber dann müßten die Zwischensätze im Orchester eben in diesem Sinne sein, nicht blos als Fortsetzung derselben Idee. Das dann eintretende Thema „lebet wohl pp. “ ist mir ebenfalls zu kurz, zu klein für einen großen Heldenabschied und einen wichtigen Moment, da läßt sich der Mann nicht sogleich vom Chor unterbrechen, und bleibt ruhig auf der Bühne stehen, oder spielet stumm, sondern erst muß er den Mund voller genommen haben, ehe der Chor mit seiner ruhigen Bemerkung „er trotzet“ Platz finden kann. Da mir nun auch zugleich Ihre Instrumentirung faßt überall viel zu schwer, zu dick scheint, so könnte ich das Alles so zusammenfassen: ich möchte, daß die Ideeen einfacher und natürlicher ausgesprochen, aber complicirter und eigenthümlicher ausgedacht wären. Und hiezu ist der einzige Weg, daß Sie sich mehr, oder vielmehr allein an die Worte halten, sich von den Worten und der Situation allein die Form und den Gedanken des ganzen Musikstücks geben lassen, und es dann danach so einfach und klar als möglich ausführen. Z. B. beim Anfang des Finale no. 7 ist die eigentliche Idee eine den Worten ganz fremde, denn „nun ist die Stunde da“ ist es nicht, was die kleinen Figuren in den Instrumenten sagen können, und der Eintritt der Singstimme ganz zufällig, gleichsam nur wie eine Mittelstimme, und wieder die 32 Theile der Instrumente zu klein dazu; derselbe Fehler scheint mir in dem Stück durchzugehen, die Singstimme folgt den Instrumenten hin und her, und ich meine es sollte umgekehrt sein; „Höre, ich beschwöre“ dabei wären mir niemals diese Triller, punctirten Noten &c eingefallen, und soll es so oft wiederholt werden, so muß die Beschwörung entsetzlich gesteigert werden, sonst ist einmal Beschwören genug. Die Stelle „die Stunde rückt“ fängt mehr in meinem Sinne an, und auch die Wendung „Singe das bekannte Lied“ ist schön, nur sind mir da wieder alle die Posaunen, Pauken &c vielzuviel, und thun der Stimme und dem Verständniß der Worte zu sehr Schaden; und eben weil es das bekannte (Zauber) lied sein soll, müßte nun das folgende viel weniger vereinzelt und, mit Instrumentensätzen ausgestattet, abgebrochen sein. Ollalins Stimme dagegen „ich zwinge sie“ gefällt mir sehr, und ist auch schön instrumentirt. – Ebenso im 3ten Act no. 17. Da ist das Thema nicht die Worte der Scheidenden sondern ein Instrumentensatz, und die Worte kommen nur so dazwischen; er wartet drei Tacte bis er ihr antwortet; und immer sind die Reden von Pausen unterbrochen, die nicht zum Ausdruck nothwendig sind. Ebenso bei der folgenden Arie; bei der Cavatina no. 19 (die Pause und Wiederholung von „den zärtlichen Küssen“) die wohl nur der Situation nach ganz kurz und lebendig und vorübergehend sein dürfte, und ohne brillanten Schluß; ebenso bei der folgenden Arie no. 20 wo mir der Eintritt der Singstimme nicht erfunden genug, und die vorhergehenden Sätze, mit der Nachahmung der Bratsche &c zu erfunden scheinen. Ebenso in no. 21 wo der ganze Dialog während der Ausforderung und des Kämpfens, mir viel zu sehr mit Wiederholungen überladen und durch Pausen unterbrochen scheint. (z. B. „daß meine Wohnung, meine Wohnung“ oder „ich, ich bin es, ich“) und wo durchgehends die Singstimmen die Instrumente begleiten. Mit einem Wort also liegt meiner Meinung nach, bei Ihren ernsteren bewegteren Stücken der Gang fast immer in den Instrumenten, oder sie unterbrechen ihn doch eigenmächtig, und das halte ich für einen Fehler. Ich würde Ihnen dies nicht so offen und gerade heraus sagen, wenn ich nicht eben hoffte und wünschte, daß Sie noch recht viel sich mit Musik beschäftigen möchten, wo Sie dann entweder mir Recht geben werden und es anders machen, oder nicht, und es von selbst thun, – aber in beiden Fällen werden Sie mir meine Bemerkungen nicht übel nehmen. Ihre Abänderungen des Textes soviel ich sie aus der Partitur ersehen konnte, scheinen mir sehr zweckmäßig; das Wiederkommen mehrerer Motive ist sehr treffend und gut, namentlich bei dem letzten Auftreten der Angelica; es sind übrigens von Tiecks Seite gegen das Dramatische schlimme Verstöße, wie mir scheint, und namentlich scheint mir die ganze Entwickelung so sehr zufällig, weil Olallin ganz ebenso gut Elfino todt schießen könnte, daß ich darüber viel einzelne Schönheiten, die sich allerdings in Menge finden, vergessen würde. Ihre Ouvertüre ist lebendig und fließend, ich möchte sie gern einmal hören, und noch lieber bald wieder etwas Neues von Ihren Compositionen erhalten, in dem sich Ihr Fortschreiten wieder auf eine so deutliche Art zu erkennen gäbe. Denn, wie gesagt, meine Ausstellungen habe ich nur gemacht um meine Meinung aufrichtig auszusprechen. und um Ihnen, im Falle ich Recht in einigen Punkten habe, die Mühe zu sparen es von selbst und durch sich selbst zu bemerken. Fortfahren in Ihren Arbeiten müssen Sie, und da Sie aller technischen Mittel, einer reinen Schreibart, richtigen Gebrauch der Instrumente, &c vollkommen Herr sind, und da Sie es dazu treibt, so werden Sie es auch. Wenn Sie aber von Zeit zu Zeit dann mir Nachricht davon geben wollen, oder mir eins oder das andre zuschicken, so werden Sie mich jedesmal von ganzem Herzen erfreuen und ich werde es Ihnen wahren Dank wissen. Leben Sie wohl. Stets Ihr Felix Mendelssohn Bartholdy. P. S. Von mir und dem lustigen Leben hier nächstens.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1834-04-19" xml:id="date_91718c6a-c119-4201-884b-136057264d21">19. 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Meine Äußerung wegen des Tisches, den man mit Vorliebe ansehen soll, haben Sie übrigens gerade umgekehrt genommen, als ich es gemeint hatte, da mir gerade diese Liebe zu jedem Kunstwerk, die ich vom Künstler und (wie ich damals schrieb) auch vom Handwerker zum seinigen <hi rend="underline">verlange</hi>, im <persName xml:id="persName_e5719a1e-0dd7-4201-98f9-44d5f4809126">Reißigerschen<name key="PSN0114129" style="hidden">Reißiger (Reissiger), Carl Gottlieb (1798-1859)</name></persName> Brief zu <hi rend="underline">fehlen</hi> schien. Denn die Complimente thun es wohl nicht, und es hätten viel weniger Complimente und viel mehr Anerkennung drin sein können. – Denn die verdient es wirklich im höchsten Grade, wenn sich einer durch keine Umstände und Schwierigkeiten abhalten läßt, sein Talent weiter auszubilden, und mit einem Wort unbekümmert fleißig ist. Das fehlt den meisten Künstlern vom Fach jetzt, und ist um so erfreulicher also, wenn sichs ohne die äußre Nothwendigkeit blos durch die innre getrieben findet. Eben weil Sie selbst wissen, daß Sie „ohne Ihr Notenschreiben jetzt eine bessre Stelle haben würden“ eben dadurch beweisen Sie auch „daß Sie daran nicht besser getan haben würden“ und daß Sie nicht anders hätten thun dürfen, denn es kommt am Ende doch nicht darauf an, ob einer Präsident oder Minister geworden ist, sondern ob er die möglichste Ausbildung erreicht hat. So lassen Sie sich also durch kein vornehmes Stillschweigen, und durch kein vornehmes Lob, und durch nichts davon abbringen, weiter zu arbeiten, und selbst wenns weiter gar kein Resultat hätte, so ist die Arbeit und die Freude daran schon Resultat und Gewinn genug.</p><p>Darüber steht also meine Meinung ganz fest, und ich glaube nicht, daß ich mich irre; arbeiten Sie fortwährend weiter, und lassen Sie mich bald wieder etwas davon kennen lernen, weil michs stets erfreuen muß, Ihre Fortschritte zu bemerken und anzuerkennen.</p><p>Nun wollen Sie über das <title xml:id="title_8d6f992c-66e0-45e1-81c8-d773418c12b5">Werk<name key="PSN0110007" style="hidden" type="author">Boguslawski, Wilhelm von (1803-1874)</name><name key="CRT0108251" style="hidden" type="music">Elfino</name></title> selbst meine Meinung wissen, und die will ich auch gerade herschreiben, obwohl es kein Urtheil sein soll und auch für mich selbst nicht einmal sein kann. Ich kann also blos vom Eindruck sprechen, dens auf mich macht, und wenn da mitunter etwas ungünstiges steht, so müssen Sie mir nicht zürnen, denn es mag ebensowohl meine wie Ihre Schuld sein, daß mirs so erscheint. Zwei Hauptbemerkungen haben sich mir aufgedrungen: in allen leichten, gesangreichen Stücken, in den frohen, lebendigen Situationen hat mir Ihre Musik fast durchgängig gefallen, z. B. das ganze Ende des ersten Acts mit dem wunderhübschen Horneintritt am Ende der Beschwörungsscene, der Anfangschor des dritten Acts, der namentlich sehr anmuthig schließt, das Duettino in fdur <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">6</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">8</hi></formula> „glückliche Stunde“, mehr noch wo es zum 2<hi rend="superscript">ten</hi> Male kommt, die Cavatina in f. no. 18, und außerdem in allen Stücken viele einzelne Stellen. Hingegen sämmtliche ernstere, leidenschaftliche Stücke, in trüben, bewegten, oder romantischen Situationen sagen mir nicht so zu; es sind mir fast alle Ihre Motive darin, zu kurz, zu klein, zu abbrechend, und das Orchester zu sehr die musikalische Idee unterbrechend, so daß der Gang des ganzen Musikstücks nicht eben, einfach und schlagend genug wird. Und wieder sind mir diese Ideen selbst, wenn ich sie mir aus den verschiedenartigen Bestandtheilen von Instrumenten und Stimmen zusammensuche, wieder <hi rend="underline">zu</hi> einfach, d. h. zu conventionell, zu wenig dieser einen Situation allein angemessen und aus ihr entstanden, und durch diesen Mangel an bestimmten, einfachen aber ganz schlagenden, aus der Sache und den Worten gegriffenen Motiven scheint mir Ihre Musik in allen diesen Punkten nicht dramatisch. Nehmen Sie z. B. die Arie des Aldrovan no. 15 im 3<hi rend="superscript">ten</hi> Act, so werden Sie jedes Wort des Sängers, jeden Vers fast durch eine Pause unterbrochen finden; die beiden erstenmale beim Ruf erscheint es natürlich, aber dann sollte es nun zusammengehen, dann sollte ein solches dramatisch-musikalisches Motiv auftreten, statt der Pausen im 16<hi rend="superscript">ten</hi> Takt, noch mehr im 22<hi rend="superscript">sten</hi> und so immer fort bei den Worten „denn mich lockt – des Ruhmes Kranz“. Auch ein solches Abbrechen könnte motiviert sein, aber dann müßten die Zwischensätze im Orchester eben in diesem Sinne sein, nicht blos als Fortsetzung derselben Idee. Das dann eintretende Thema „lebet wohl pp.“ ist mir ebenfalls zu kurz, zu klein für einen großen Heldenabschied und einen wichtigen Moment, da läßt sich der Mann nicht sogleich vom Chor unterbrechen, und bleibt ruhig auf der Bühne stehen, oder spielet stumm, sondern erst muß er den Mund voller genommen haben, ehe der Chor mit seiner ruhigen Bemerkung „er trotzet“ Platz finden kann. Da mir nun auch zugleich Ihre Instrumentirung faßt überall viel zu schwer, zu dick scheint, so könnte ich das Alles so zusammenfassen: ich möchte, daß die Ideeen einfacher und natürlicher <hi rend="underline">ausgesprochen</hi>, aber complicirter und eigenthümlicher <hi rend="underline">ausgedacht</hi> wären. Und hiezu ist der einzige Weg, daß Sie sich mehr, oder vielmehr allein an die Worte halten, sich von den Worten und der Situation allein die Form und den Gedanken des ganzen Musikstücks geben lassen, und es dann danach so einfach und klar als möglich ausführen. Z. B. beim <title xml:id="title_1b973d5a-765c-4239-9f6a-f199b92abc0c">Anfang des Finale<name key="PSN0110007" style="hidden" type="author">Boguslawski, Wilhelm von (1803-1874)</name><name key="CRT0108251" style="hidden" type="music">Elfino</name></title> no. 7 ist die eigentliche Idee eine den Worten ganz fremde, denn „nun ist die Stunde da“ ist es nicht, was die kleinen Figuren in den Instrumenten sagen können, und der Eintritt der Singstimme ganz zufällig, gleichsam nur wie eine Mittelstimme, und wieder die 32 Theile der Instrumente zu klein dazu; derselbe Fehler scheint mir in dem Stück durchzugehen, die Singstimme folgt den Instrumenten hin und her, und ich meine es sollte umgekehrt sein; „Höre, ich beschwöre“ dabei wären mir niemals diese Triller, punctirten Noten &c eingefallen, und soll es so oft wiederholt werden, so muß die Beschwörung entsetzlich gesteigert werden, sonst ist einmal Beschwören genug. Die Stelle „die Stunde rückt“ fängt mehr in meinem Sinne an, und auch die Wendung „Singe das bekannte Lied“ ist schön, nur sind mir da wieder alle die Posaunen, Pauken &c vielzuviel, und thun der Stimme und dem Verständniß der Worte zu sehr Schaden; und eben weil es <title xml:id="title_a15eb1e4-f646-4122-8399-ce17dad53a3b">das bekannte (Zauber)lied<name key="PSN0115334" style="hidden" type="author">Tieck, Johann Ludwig (1773-1853)</name><name key="CRT0111076" style="hidden" type="literature">Das Ungeheuer und der verzauberte Wald</name></title> sein soll, müßte nun das folgende viel weniger vereinzelt und, mit Instrumentensätzen ausgestattet, abgebrochen sein. Ollalins Stimme dagegen „ich zwinge sie“ gefällt mir sehr, und ist auch schön instrumentirt. – Ebenso im 3<hi rend="superscript">ten</hi> Act no. 17. Da ist das Thema nicht die Worte der Scheidenden sondern ein Instrumentensatz, und die Worte kommen nur so dazwischen; er wartet drei Tacte bis er ihr antwortet; und immer sind die Reden von Pausen unterbrochen, die nicht zum Ausdruck nothwendig sind. Ebenso bei der folgenden Arie; bei der Cavatina no. 19 (die Pause und Wiederholung von „den zärtlichen Küssen“) die wohl nur der Situation nach ganz kurz und lebendig und vorübergehend sein dürfte, und ohne brillanten Schluß; ebenso bei der folgenden Arie no. 20 wo mir der Eintritt der Singstimme nicht <hi rend="underline">erfunden</hi> genug, und die vorhergehenden Sätze, mit der Nachahmung der Bratsche &c zu erfunden scheinen. Ebenso in no. 21 wo der ganze Dialog während der Ausforderung und des Kämpfens, mir viel zu sehr mit Wiederholungen überladen und durch Pausen unterbrochen scheint. (z. B. „daß meine Wohnung, meine Wohnung“ oder „ich, ich bin es, ich“) und wo durchgehends die Singstimmen die Instrumente begleiten. Mit einem Wort also liegt meiner Meinung nach, bei Ihren ernsteren bewegteren Stücken der Gang fast immer in den Instrumenten, oder sie unterbrechen ihn doch eigenmächtig, und das halte ich für einen Fehler. Ich würde Ihnen dies nicht so offen und gerade heraus sagen, wenn ich nicht eben hoffte und wünschte, daß Sie noch recht viel sich mit Musik beschäftigen möchten, wo Sie dann entweder mir Recht geben werden und es anders machen, oder nicht, und es von selbst thun, – aber in beiden Fällen werden Sie mir meine Bemerkungen nicht übel nehmen.</p><p>Ihre <title xml:id="title_f419b337-bced-41f2-a7e1-9213f648f319">Abänderungen des Textes<name key="PSN0110007" style="hidden" type="author">Boguslawski, Wilhelm von (1803-1874)</name><name key="CRT0108251" style="hidden" type="music">Elfino</name></title> soviel ich sie aus der Partitur ersehen konnte, scheinen mir sehr zweckmäßig; das Wiederkommen mehrerer Motive ist sehr treffend und gut, namentlich bei dem letzten Auftreten der Angelica; es sind übrigens von <persName xml:id="persName_2c17b3da-20f1-4a6b-bd94-f222b7702469">Tiecks<name key="PSN0115334" style="hidden">Tieck, Johann Ludwig (1773-1853)</name></persName> Seite gegen das Dramatische schlimme Verstöße, wie mir scheint, und namentlich scheint mir die ganze Entwickelung so sehr zufällig, weil Olallin ganz ebenso gut Elfino todt schießen könnte, daß ich darüber viel einzelne Schönheiten, die sich allerdings in Menge finden, vergessen würde. <title xml:id="title_934206e2-9cf3-4eb2-b2df-e30091a164fd">Ihre Ouvertüre<name key="PSN0110007" style="hidden" type="author">Boguslawski, Wilhelm von (1803-1874)</name><name key="CRT0108251" style="hidden" type="music">Elfino</name></title> ist lebendig und fließend, ich möchte sie gern einmal hören, und noch lieber bald wieder etwas Neues von Ihren Compositionen erhalten, in dem sich Ihr Fortschreiten wieder auf eine so deutliche Art zu erkennen gäbe.</p><p>Denn, wie gesagt, meine Ausstellungen habe ich nur gemacht um meine Meinung aufrichtig auszusprechen. und um Ihnen, im Falle ich Recht in einigen Punkten habe, die Mühe zu sparen es von selbst und durch sich selbst zu bemerken. Fortfahren in Ihren Arbeiten müssen Sie, und da Sie aller technischen Mittel, einer reinen Schreibart, richtigen Gebrauch der Instrumente, &c vollkommen Herr sind, und da Sie es dazu treibt, so werden Sie es auch. Wenn Sie aber von Zeit zu Zeit dann mir Nachricht davon geben wollen, oder mir eins oder das andre zuschicken, so werden Sie mich jedesmal von ganzem Herzen erfreuen und ich werde es Ihnen wahren Dank wissen. <seg type="closer" xml:id="seg_b1823c65-9a02-43b3-898a-7570bbed5502">Leben Sie wohl.</seg></p><signed rend="right">Stets Ihr</signed><signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy.</signed><signed rend="right">P. S. Von mir und dem lustigen Leben hier nächstens.</signed></div></body> </text></TEI>