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fmb-1834-03-27-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Abraham Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb>Düsseldorf, 27. März 1834 Tausend Dank für Deinen lieben lieben Brief von Mutters Geburtstag. Er traf mich mitten in Generalproben vom Wasserträger, sonst hätte ich ihn gleich beantwortet und Dir dafür gedankt; bitte schreib mir nur recht oft. Vor Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 3, 884

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

USA New York, NY US-NYp New York, NY, The New York Public Library for the Performing Arts, Astor, Lenox and Tilden Foundations, Music Division *MNY++ Mendelssohn Letters Vol. IIIb/28 (185). Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Abraham Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Düsseldorf, 27. März 1834 Tausend Dank für Deinen lieben lieben Brief von Mutters Geburtstag. Er traf mich mitten in Generalproben vom Wasserträger, sonst hätte ich ihn gleich beantwortet und Dir dafür gedankt; bitte schreib mir nur recht oft. Vor

4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Die Datierung ergibt sich aus dem Hinweis »Morgen (Charfreitag)« (Z. 56). Der Poststempel vom 28. März 1834 verweist dagegen auf das Absendedatum.

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Mendelssohn, Briefe 1833-1847, S. 30-34 (Teildruck, datiert 27. März 1834).

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

27. März 1834 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Düsseldorf Deutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) Berlin Deutschland deutsch
Herrn Herrn Stadtrath A. Mendelssohn Bartholdy Wohlgeboren Berlin
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Lieber Vater

Tausend Dank für Deinen lieben lieben Brief von MuttersMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) Geburtstag. Er traf mich mitten in Generalproben vom Wasserträger<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name>, sonst hätte ich ihn gleich beantwortet und Dir dafür gedankt; bitte schreib mir nur recht oft. Vor allem aber danke ich Dir für Deine Ermahnung wegen des Fleißes und der eigenen Arbeiten; glaube mir daß ich sie befolgen werde, aber ich kann Dich auch versichern, daß ich durchaus nicht eine Philosophie habe, die mir Bequemlichkeit anräth oder doch wenigstens entschuldigt. Es ist freilich wahr, daß ich in den letzten Wochen fortwährend äußerlich beschäftigt war, aber es waren lauter Dinge bei denen ich bedeutend zugelernt habe, und zwar für mein Fach zugelernt, und ich habe gewiß dabei meine Arbeiten nicht aus den Augen verloren. Auch hat der Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_b2osy69m-mmdr-0nju-0qtn-a6hbgbmvhnbv"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name> schon ziemlich Fortschritte gemacht und ich denke schon vor Pfingsten mit dem Schreiben anfangen zu können. Daß ich aber die bestellten Sachen<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ynt75xp4-vetd-t4zz-cdhd-eedgn6lxke5r"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_orchestra" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100231" style="hidden">»Infelice! – Ah, ritorna, età dell’ oro« für Sopran, obligate Violine und Orchester, 3. April 1834<idno type="MWV">H 4</idno><idno type="op"></idno></name> fürs Philharmonic und die englischen VerlegerMori & Lavenu, Musikverlag in London vorher gemacht habe, war mir nicht allein der Bestellung wegen, sondern auch innerlich nothwendig, weil ich wirklich sehr lange nicht anhaltend componirt und gearbeitet habe, und auch dazu ein gewisser Zug mir nöthig ist. Doch zielt das alles schon darauf hin, und so denke ich gewiß nicht, daß mich alle jene Zerstreuungen schlaff oder nachlässiger machen sollen.

Und wie gesagt, es sind nicht blos Zerstreuungen, sondern wirkliche Arbeiten, und zum Theil erfreuliche. Eine gute Aufführung im Düsseldorfer TheaterStadttheaterDüsseldorfDeutschland geht freilich nicht durch die Welt, und wohl kaum über die Düssel, aber wenn ich selbst und alle Menschen im Hause sich recht durch und durch an der guten Musik erfreuen und wärmen, so ist das auch was Hübsches. Die acht Tage vorher<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name> waren wirklich mühsam gewesen, täglich 2 große Proben, oft 9–10 Stunden im Ganzen, dann noch die Vorbereitungen für die Kirchenmusik in dieser Woche, dazu kommt daß auch im Agiren, Anordnungen der Scenen, im Dialog man für alles sorgen muß, sonst geht es verkehrt, so kam ich etwas müde am Freitag Abend ans Pult; wir hatten noch den Vormittag eine vollständige Generalprobe halten müssen, so daß mir mein rechter Arm ganz steif war. Auch hatten die Leute, die den Wasserträger<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name> nur vor 15-20 Jahren gesehn oder davon gehört hatten, die Meinung, es sei eine alte vergeßne Oper, die das ComitéTheaterverein (1832 bis Anfang 1834: Provisorischer Theaterverein)DüsseldorfDeutschland aufwärmen wollen, und auf der Bühne waren sie alle bange – das gab aber gerade die rechte Stimmung für den ersten Act; das ganze ging so nervös, gespannt, zitternd durch einander daß schon bei dem 2ten Musikstück die ganze Düsseldorfer Opposition (denn wir haben hier auch eine) ins Feuer gerieth, und klatschte, und rief und weinte durch einander, einen bessern Wasserträger<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name> als meinen GüntherGünther, Carl Wilhelm (1809-1859) (das erstemal) habe ich und werde ich nicht sehen; das war alles so liebenswürdig, und natürlich, und ein bischen ordinair dabei, damit die noblesse nicht gar zu fabelhaft würde; er wurde ungeheuer fetirt, 2mal herausgerufen, das verdarb ihn fürs 2te mal; wo er dann gleich zu viel auftrug, und zu sicher schien, aber das erstemal hättet ihr ihn sehen sollen. Das war mein vergnügtester Theaterabend seit langer Zeit, denn ich nahm an der Vorstellung Theil wie ein Zuschauer, lachte und klatschte mit und schrie bravos hinauf, dirigirte dabei munter fort, die Chöre im 2ten Act knallten wie aus der Pistole geschossen, im Zwischenact war die ganze Bühne voll Menschen, die sich freuten und den Sängern gratulirten, und sogar das Orchester klappte, bis auf einige Placker, wo ich sie mit allem Ermahnen und Drohen während der Vorstellung nicht dazu bringen konnte, die Augen von der Bühne weg und auf die Noten zu richten. Sonntag mußte es wiederholt werden, und ging nicht halb so schön, aber ich habe mein Plaisir das erstemal weggehabt, obwohl das Haus beim 2ten male viel gepropfter voll war, und der Effect wieder ebenso. – Ich schreibe Dir, lieber Vater, alle diese détails, weil ich weiß, daß Dich diese Oper<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name> interessirt, und auch unser kleinstädtisches Treiben hier. Denn wirklich wir machen so viel und gute Musik, als man für meinen ersten Winter hier nur erwarten konnte. Morgen (Charfreitag) Abend singen wir die 7 Worte von Palestrina<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110283" style="hidden" type="music">Popule meus</name>, die ich in Cöln gefunden habe, und ein Stück von Lasso<name key="PSN0112695" style="hidden" type="author">Lasso, Orlando di (?-1594)</name><name key="CRT0109666" style="hidden" type="music">Popule meus a 5 voci</name><name key="PSN0112695" style="hidden" type="author">Lasso, Orlando di (?-1594)</name><name key="CRT0109663" style="hidden" type="music">Miserere a due cori</name> in der KircheSt. MaximilianDüsseldorfDeutschland, und Sonntag geben wir die Cherubinische Cdur Messe<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108385" style="hidden" type="music">Messe solennelle Nr. 4 C-Dur</name>. – Ein schlimmes Ding ist die Cabinetsordre, welche die Feier der MusikfesteNiederrheinische MusikfesteRheinlandDeutschland um Pfingsten verbietet; gestern ist die Nachricht hergekommen, und dadurch erleiden die FesteNiederrheinische MusikfesteRheinlandDeutschland einen solchen Stoß, daß wir hier noch gar nicht wissen, wie es sich wird einrichten lassen, da an keinen andren Tagen auf halb soviel Theilnahme der Auswärtigen zu rechnen ist. – Neulich ist auch die erste Theaterconferenz gewesen; das DingStadttheaterDüsseldorfDeutschland wird sehr vernünftig angefangen, und kann sehr gut werden; doch halte ich mich ein wenig außer dem Schusse, weil ich trotz des Vergnügens, das mir die Oper neulich z.B. gemacht hat, mich mit dem eigentlichen Theaterwesen, den Schauspielergeschichten, dem fortwährenden Effectsuchen und -machen, nicht befreunden kann, und weil michs auch von meinem eigentlichen Zweck, den ich in D: habe, für mich zu arbeiten, zu weit entfernt; ich bekomme nur die obere Aufsicht über die musikal. Geschäfte, Zusammensetzung des Orchesters, Engagement der Sänger, habe monatlich etwa eine Oper zu dirigiren (und auch das soll ganz von mir abhängen) mein 3 monatlicher Urlaub bleibt mir natürlich, und mit einem Wort ich will beim hiesigen TheaterStadttheaterDüsseldorfDeutschland ganz unabhängig und nur als Freund der Sache stehen, nicht dabei angestellt sein. Eben deshalb habe ich auch auf das Gehalt verzichtet, für welches sie nun einen 2ten Dirigenten anstellen müssen, der die Hauptsache zu thun hat. Eine Geschichte, die mir gestern begegnet, wird Dich amüsiren. Hier war im Carnaval ein hübsches MädchenStoltenhoff, Julie Wilhelmine (II) (1814-1878), Tochter eines FabrikantenStoltenhoff, Johann Gottfried (1784-1846) bei Aachen, die Clavier spielte, und deren Verwandte mich unbekannterweise bitten ließen, mir doch zuweilen von ihr vorspielen zu lassen, ihr was drüber zu sagen, kurz ihr ein Paar Stunden zu geben, ich that das auch, hielt ihr ein Paar Strafpredigten über all ihren HerzHerz, Henri (Heinrich) (1803-1888), und HüntenHünten, Franz (François) (1792-1878), und entließ sie bei ihrerStoltenhoff, Julie Wilhelmine (II) (1814-1878) Abreise mit vielem neugekauften MozartMozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791) und BeethovenBeethoven, Ludwig van (1770-1827) – da bekomm ich gestern ein gewaltiges Packet, mit einem sehr höflichen Dankbrief des VatersStoltenhoff, Johann Gottfried (1784-1846), und aus Erkenntlichkeit müßte er mir ein Stück Tuch aus seiner Fabrik schicken; ich konnte es erst nicht glauben, aber es ist wirklich feines schwarzes Tuch zu Hosen, Rock u s. f. im Packete. Dies schmeckt nach dem Mittelalter – die Maler beneiden mich aber schrecklich drum. – Nun lieber Vater, verzeih das Geschwätz, ich wollte ich wäre bei Dir und könnts erzählen. Lebwohl

DeinFelix MB.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)

P.S. Eben kommt ein Brief von MutterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842), vom 21sten, ich danke auch schön. Das Paket Morgengesang<name key="PSN0114109" style="hidden" type="author">Reichardt, Johann Friedrich (1752-1814)</name><name key="CRT0110432" style="hidden" type="music">Miltons Morgengesang (»Allmächtiger, die herrliche Natur ist deiner Hände Werk«)</name> und Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108086" style="hidden" type="music">Streichquartette op. 59 (»Rasumowsky«)</name> ist gleichfalls da und ich danke.

            Lieber Vater
Tausend Dank für Deinen lieben lieben Brief von Mutters Geburtstag. Er traf mich mitten in Generalproben vom Wasserträger, sonst hätte ich ihn gleich beantwortet und Dir dafür gedankt; bitte schreib mir nur recht oft. Vor allem aber danke ich Dir für Deine Ermahnung wegen des Fleißes und der eigenen Arbeiten; glaube mir daß ich sie befolgen werde, aber ich kann Dich auch versichern, daß ich durchaus nicht eine Philosophie habe, die mir Bequemlichkeit anräth oder doch wenigstens entschuldigt. Es ist freilich wahr, daß ich in den letzten Wochen fortwährend äußerlich beschäftigt war, aber es waren lauter Dinge bei denen ich bedeutend zugelernt habe, und zwar für mein Fach zugelernt, und ich habe gewiß dabei meine Arbeiten nicht aus den Augen verloren. Auch hat der Paulus schon ziemlich Fortschritte gemacht und ich denke schon vor Pfingsten mit dem Schreiben anfangen zu können. Daß ich aber die bestellten Sachen fürs Philharmonic und die englischen Verleger vorher gemacht habe, war mir nicht allein der Bestellung wegen, sondern auch innerlich nothwendig, weil ich wirklich sehr lange nicht anhaltend componirt und gearbeitet habe, und auch dazu ein gewisser Zug mir nöthig ist. Doch zielt das alles schon darauf hin, und so denke ich gewiß nicht, daß mich alle jene Zerstreuungen schlaff oder nachlässiger machen sollen.
Und wie gesagt, es sind nicht blos Zerstreuungen, sondern wirkliche Arbeiten, und zum Theil erfreuliche. Eine gute Aufführung im Düsseldorfer Theater geht freilich nicht durch die Welt, und wohl kaum über die Düssel, aber wenn ich selbst und alle Menschen im Hause sich recht durch und durch an der guten Musik erfreuen und wärmen, so ist das auch was Hübsches. Die acht Tage vorher waren wirklich mühsam gewesen, täglich 2 große Proben, oft 9–10 Stunden im Ganzen, dann noch die Vorbereitungen für die Kirchenmusik in dieser Woche, dazu kommt daß auch im Agiren, Anordnungen der Scenen, im Dialog man für alles sorgen muß, sonst geht es verkehrt, so kam ich etwas müde am Freitag Abend ans Pult; wir hatten noch den Vormittag eine vollständige Generalprobe halten müssen, so daß mir mein rechter Arm ganz steif war. Auch hatten die Leute, die den Wasserträger nur vor 15-20 Jahren gesehn oder davon gehört hatten, die Meinung, es sei eine alte vergeßne Oper, die das Comité aufwärmen wollen, und auf der Bühne waren sie alle bange – das gab aber gerade die rechte Stimmung für den ersten Act; das ganze ging so nervös, gespannt, zitternd durch einander daß schon bei dem 2ten Musikstück die ganze Düsseldorfer Opposition (denn wir haben hier auch eine) ins Feuer gerieth, und klatschte, und rief und weinte durch einander, einen bessern Wasserträger als meinen Günther (das erstemal) habe ich und werde ich nicht sehen; das war alles so liebenswürdig, und natürlich, und ein bischen ordinair dabei, damit die noblesse nicht gar zu fabelhaft würde; er wurde ungeheuer fetirt, 2mal herausgerufen, das verdarb ihn fürs 2te mal; wo er dann gleich zu viel auftrug, und zu sicher schien, aber das erstemal hättet ihr ihn sehen sollen. Das war mein vergnügtester Theaterabend seit langer Zeit, denn ich nahm an der Vorstellung Theil wie ein Zuschauer, lachte und klatschte mit und schrie bravos hinauf, dirigirte dabei munter fort, die Chöre im 2ten Act knallten wie aus der Pistole geschossen, im Zwischenact war die ganze Bühne voll Menschen, die sich freuten und den Sängern gratulirten, und sogar das Orchester klappte, bis auf einige Placker, wo ich sie mit allem Ermahnen und Drohen während der Vorstellung nicht dazu bringen konnte, die Augen von der Bühne weg und auf die Noten zu richten. Sonntag mußte es wiederholt werden, und ging nicht halb so schön, aber ich habe mein Plaisir das erstemal weggehabt, obwohl das Haus beim 2ten male viel gepropfter voll war, und der Effect wieder ebenso. – Ich schreibe Dir, lieber Vater, alle diese détails, weil ich weiß, daß Dich diese Oper interessirt, und auch unser kleinstädtisches Treiben hier. Denn wirklich wir machen so viel und gute Musik, als man für meinen ersten Winter hier nur erwarten konnte. Morgen (Charfreitag) Abend singen wir die 7 Worte von Palestrina, die ich in Cöln gefunden habe, und ein Stück von Lasso in der Kirche, und Sonntag geben wir die Cherubinische Cdur Messe. – Ein schlimmes Ding ist die Cabinetsordre, welche die Feier der Musikfeste um Pfingsten verbietet; gestern ist die Nachricht hergekommen, und dadurch erleiden die Feste einen solchen Stoß, daß wir hier noch gar nicht wissen, wie es sich wird einrichten lassen, da an keinen andren Tagen auf halb soviel Theilnahme der Auswärtigen zu rechnen ist. – Neulich ist auch die erste Theaterconferenz gewesen; das Ding wird sehr vernünftig angefangen, und kann sehr gut werden; doch halte ich mich ein wenig außer dem Schusse, weil ich trotz des Vergnügens, das mir die Oper neulich z. B. gemacht hat, mich mit dem eigentlichen Theaterwesen, den Schauspielergeschichten, dem fortwährenden Effectsuchen und -machen, nicht befreunden kann, und weil michs auch von meinem eigentlichen Zweck, den ich in D: habe, für mich zu arbeiten, zu weit entfernt; ich bekomme nur die obere Aufsicht über die musikal. Geschäfte, Zusammensetzung des Orchesters, Engagement der Sänger, habe monatlich etwa eine Oper zu dirigiren (und auch das soll ganz von mir abhängen) mein 3 monatlicher Urlaub bleibt mir natürlich, und mit einem Wort ich will beim hiesigen Theater ganz unabhängig und nur als Freund der Sache stehen, nicht dabei angestellt sein. Eben deshalb habe ich auch auf das Gehalt verzichtet, für welches sie nun einen 2ten Dirigenten anstellen müssen, der die Hauptsache zu thun hat. Eine Geschichte, die mir gestern begegnet, wird Dich amüsiren. Hier war im Carnaval ein hübsches Mädchen, Tochter eines Fabrikanten bei Aachen, die Clavier spielte, und deren Verwandte mich unbekannterweise bitten ließen, mir doch zuweilen von ihr vorspielen zu lassen, ihr was drüber zu sagen, kurz ihr ein Paar Stunden zu geben, ich that das auch, hielt ihr ein Paar Strafpredigten über all ihren Herz, und Hünten, und entließ sie bei ihrer Abreise mit vielem neugekauften Mozart und Beethoven – da bekomm ich gestern ein gewaltiges Packet, mit einem sehr höflichen Dankbrief des Vaters, und aus Erkenntlichkeit müßte er mir ein Stück Tuch aus seiner Fabrik schicken; ich konnte es erst nicht glauben, aber es ist wirklich feines schwarzes Tuch zu Hosen, Rock u s. f. im Packete. Dies schmeckt nach dem Mittelalter – die Maler beneiden mich aber schrecklich drum. – Nun lieber Vater, verzeih das Geschwätz, ich wollte ich wäre bei Dir und könnts erzählen. Lebwohl
Dein
Felix MB.
P. S. Eben kommt ein Brief von Mutter, vom 21sten, ich danke auch schön. Das Paket Morgengesang und Beethoven ist gleichfalls da und ich danke.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1834-03-27-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1834-03-27-01" xml:id="title_5147645d-a4f8-4186-a048-62ae6a0bea61">Felix Mendelssohn Bartholdy an Abraham Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb>Düsseldorf, 27. März 1834</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_034c4271-e66e-4212-8ee8-4f0c7622a02a">Tausend Dank für Deinen lieben lieben Brief von Mutters Geburtstag. Er traf mich mitten in Generalproben vom Wasserträger, sonst hätte ich ihn gleich beantwortet und Dir dafür gedankt; bitte schreib mir nur recht oft. 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März 1834).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1834-03-27" xml:id="date_b0222189-c09f-4cfe-a91c-c10db858564d">27. März 1834</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_cc34cbd4-b4a3-4995-a42c-7e64f809c13f">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_54c5ef68-ade8-47f5-94e0-09b636480f75"> <settlement key="STM0100109">Düsseldorf</settlement> <country>Deutschland</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113247" resp="receiver" xml:id="persName_fbdcedcb-5b3b-483f-99ae-d74f49947fa2">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_5307b15e-26c1-438c-acac-248cc9cf75ac"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_094f1f92-57f0-4d8c-acf6-46cb5b36769c"> <head> <address> <addrLine>Herrn</addrLine> <addrLine>Herrn Stadtrath A. Mendelssohn Bartholdy</addrLine> <addrLine>Wohlgeboren</addrLine> <addrLine>Berlin</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_d292e08e-e4e3-4631-b1d9-888fac70d3a6"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><salute rend="left">Lieber Vater</salute><p style="paragraph_without_indent">Tausend Dank für Deinen lieben lieben Brief von <persName xml:id="persName_e4a95e09-d260-4a9a-9cd4-c5e9909de293">Mutters<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> Geburtstag. Er traf mich mitten in Generalproben vom <title xml:id="title_efaaaaed-c53d-444a-82db-ca6ae103b18d">Wasserträger<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name></title>, sonst hätte ich ihn gleich beantwortet und Dir dafür gedankt; bitte schreib mir nur recht oft. Vor allem aber danke ich Dir für Deine Ermahnung wegen des Fleißes und der eigenen Arbeiten; glaube mir daß ich sie befolgen werde, aber ich kann Dich auch versichern, daß ich durchaus nicht eine Philosophie habe, die mir Bequemlichkeit anräth oder doch wenigstens entschuldigt. Es ist freilich wahr, daß ich in den letzten Wochen fortwährend äußerlich beschäftigt war, aber es waren lauter Dinge bei denen ich bedeutend zugelernt habe, und zwar für mein Fach zugelernt, und ich habe gewiß dabei meine Arbeiten nicht aus den Augen verloren. Auch hat der <title xml:id="title_d773f71e-fb3c-4d67-91d9-ed5774126020">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_b2osy69m-mmdr-0nju-0qtn-a6hbgbmvhnbv"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> schon ziemlich Fortschritte gemacht und ich denke schon vor Pfingsten mit dem Schreiben anfangen zu können. Daß ich aber <title xml:id="title_997100de-f2a4-431d-8470-1b2eda99512c">die bestellten Sachen<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ynt75xp4-vetd-t4zz-cdhd-eedgn6lxke5r"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_orchestra" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100231" style="hidden">»Infelice! – Ah, ritorna, età dell’ oro« für Sopran, obligate Violine und Orchester, 3. April 1834<idno type="MWV">H 4</idno><idno type="op"></idno></name></title> fürs Philharmonic und <persName xml:id="persName_ee8f5145-bdfd-4d81-8b29-5b07b9e501f7">die englischen Verleger<name key="PSN0113425" style="hidden">Mori &amp; Lavenu, Musikverlag in London</name></persName> vorher gemacht habe, war mir nicht allein der Bestellung wegen, sondern auch innerlich nothwendig, weil ich wirklich sehr lange nicht anhaltend componirt und gearbeitet habe, und auch dazu ein gewisser Zug mir nöthig ist. Doch zielt das alles schon darauf hin, und so denke ich gewiß nicht, daß mich alle jene Zerstreuungen schlaff oder nachlässiger machen sollen.</p><p>Und wie gesagt, es sind nicht blos Zerstreuungen, sondern wirkliche Arbeiten, und zum Theil erfreuliche. Eine gute Aufführung im <placeName xml:id="placeName_51918ad0-daf4-4911-9135-4e221fbe295e">Düsseldorfer Theater<name key="NST0100296" style="hidden" subtype="" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> geht freilich nicht durch die Welt, und wohl kaum über die Düssel, aber wenn ich selbst und alle Menschen im Hause sich recht durch und durch an der guten Musik erfreuen und wärmen, so ist das auch was Hübsches. Die <title xml:id="title_4d09d9b9-ecdb-4401-beba-cbab48eab538">acht Tage vorher<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name></title> waren wirklich mühsam gewesen, täglich 2 große Proben, oft 9–10 Stunden im Ganzen, dann noch die Vorbereitungen für die Kirchenmusik in dieser Woche, dazu kommt daß auch im Agiren, Anordnungen der Scenen, im Dialog man für alles sorgen muß, sonst geht es verkehrt, so kam ich etwas müde am Freitag Abend ans Pult; wir hatten noch den Vormittag eine vollständige Generalprobe halten müssen, so daß mir mein rechter Arm ganz steif war. Auch hatten die Leute, die den <title xml:id="title_9e572da8-714e-459d-9c14-b8b329d442dc">Wasserträger<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name></title> nur vor 15-20 Jahren gesehn oder davon gehört hatten, die Meinung, es sei eine alte vergeßne Oper, die das <placeName xml:id="placeName_af9de05b-786a-4d0f-bb9b-ae3aa410e5c3">Comité<name key="NST0100325" style="hidden" subtype="Komitee" type="institution">Theaterverein (1832 bis Anfang 1834: Provisorischer Theaterverein)</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> aufwärmen wollen, und auf der Bühne waren sie alle bange – das gab aber gerade die rechte Stimmung für den ersten Act; das ganze ging so nervös, gespannt, zitternd durch einander daß schon bei dem 2<hi rend="superscript">ten</hi> Musikstück die ganze Düsseldorfer Opposition (denn wir haben hier auch eine) ins Feuer gerieth, und klatschte, und rief und weinte durch einander, einen bessern <title xml:id="title_0643545a-4d97-4d34-9c7d-45d24f631a70">Wasserträger<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name></title> als <persName xml:id="persName_c96228b8-578a-4f49-a767-027806ba4a08">meinen Günther<name key="PSN0111623" style="hidden">Günther, Carl Wilhelm (1809-1859)</name></persName> (das erstemal) habe ich und werde ich nicht sehen; das war alles so liebenswürdig, und natürlich, und ein bischen ordinair dabei, damit die noblesse nicht gar zu fabelhaft würde; er wurde ungeheuer fetirt, 2mal herausgerufen, das verdarb ihn fürs 2<hi rend="superscript">te</hi> mal; wo er dann gleich zu viel auftrug, und zu sicher schien, aber das erstemal hättet ihr ihn sehen sollen. Das war mein vergnügtester Theaterabend seit langer Zeit, denn ich nahm an der Vorstellung Theil wie ein Zuschauer, lachte und klatschte mit und schrie bravos hinauf, dirigirte dabei munter fort, die Chöre im 2<hi rend="superscript">ten</hi> Act knallten wie aus der Pistole geschossen, im Zwischenact war die ganze Bühne voll Menschen, die sich freuten und den Sängern gratulirten, und sogar das Orchester klappte, bis auf einige Placker, wo ich sie mit allem Ermahnen und Drohen während der Vorstellung nicht dazu bringen konnte, die Augen von der Bühne weg und auf die Noten zu richten. Sonntag mußte es wiederholt werden, und ging nicht halb so schön, aber ich habe mein Plaisir das erstemal weggehabt, obwohl das Haus beim 2<hi rend="superscript">ten</hi> male viel gepropfter voll war, und der Effect wieder ebenso. – Ich schreibe Dir, lieber Vater, alle diese détails, weil ich weiß, daß Dich diese <title xml:id="title_a2b42661-2b50-452c-b207-969c4b284131">Oper<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108366" style="hidden" type="music">Les Deux Journées, ou Le Porteur d’eau</name></title> interessirt, und auch unser kleinstädtisches Treiben hier. Denn wirklich wir machen so viel und gute Musik, als man für meinen ersten Winter hier nur erwarten konnte. Morgen (Charfreitag) Abend singen wir die <title xml:id="title_a439b6c4-21e6-49c8-a886-d2a6853e07cc">7 Worte von Palestrina<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110283" style="hidden" type="music">Popule meus</name></title>, die ich in Cöln gefunden habe, und ein <title xml:id="title_56e20f0f-fb05-4e7a-ad36-f787c05a87a1">Stück von Lasso<name key="PSN0112695" style="hidden" type="author">Lasso, Orlando di (?-1594)</name><name key="CRT0109666" style="hidden" type="music">Popule meus a 5 voci</name><name key="PSN0112695" style="hidden" type="author">Lasso, Orlando di (?-1594)</name><name key="CRT0109663" style="hidden" type="music">Miserere a due cori</name></title> in der <placeName xml:id="placeName_1e4486f3-85ff-4f9a-a19f-b28a8c7ca0e5">Kirche<name key="SGH0100313" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Maximilian</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, und Sonntag geben wir <title xml:id="title_b9cd7c05-a03b-4f9d-9177-8fcd9edcbd19">die Cherubinische Cdur Messe<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108385" style="hidden" type="music">Messe solennelle Nr. 4 C-Dur</name></title>. – Ein schlimmes Ding ist die Cabinetsordre, welche die Feier der <placeName xml:id="placeName_0a65a174-f997-44b4-bc02-1fccc181b815">Musikfeste<name key="NST0100337" style="hidden" subtype="" type="institution">Niederrheinische Musikfeste</name><settlement key="STM0100336" style="hidden" type="">Rheinland</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> um Pfingsten verbietet; gestern ist die Nachricht hergekommen, und dadurch erleiden die <placeName xml:id="placeName_8dc6e122-07fa-4882-8ea6-b1f57bf32d1f">Feste<name key="NST0100337" style="hidden" subtype="" type="institution">Niederrheinische Musikfeste</name><settlement key="STM0100336" style="hidden" type="">Rheinland</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> einen solchen Stoß, daß wir hier noch gar nicht wissen, wie es sich wird einrichten lassen, da an keinen andren Tagen auf halb soviel Theilnahme der Auswärtigen zu rechnen ist. – Neulich ist auch die erste Theaterconferenz gewesen; das <placeName xml:id="placeName_0c25e7e1-cb02-4b80-86a6-4e68a3b440ce">Ding<name key="NST0100296" style="hidden" subtype="" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wird sehr vernünftig angefangen, und kann sehr gut werden; doch halte ich mich ein wenig außer dem Schusse, weil ich trotz des Vergnügens, das mir die Oper neulich z.B. gemacht hat, mich mit dem eigentlichen Theaterwesen, den Schauspielergeschichten, dem fortwährenden Effectsuchen und -machen, nicht befreunden kann, und weil michs auch von meinem eigentlichen Zweck, den ich in D: habe, für mich zu arbeiten, zu weit entfernt; ich bekomme nur die obere Aufsicht über die musikal. Geschäfte, Zusammensetzung des Orchesters, Engagement der Sänger, habe monatlich etwa eine Oper zu dirigiren (und auch das soll ganz von mir abhängen) mein 3 monatlicher Urlaub bleibt mir natürlich, und mit einem Wort ich will beim hiesigen <placeName xml:id="placeName_84279c9e-74ae-4ce2-86c9-8df57419c8e6">Theater<name key="NST0100296" style="hidden" subtype="" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> ganz unabhängig und nur als Freund der Sache stehen, nicht dabei angestellt sein. Eben deshalb habe ich auch auf das Gehalt verzichtet, für welches sie nun einen 2<hi rend="superscript">ten</hi> Dirigenten anstellen müssen, der die Hauptsache zu thun hat. Eine Geschichte, die mir gestern begegnet, wird Dich amüsiren. Hier war im Carnaval <persName xml:id="persName_2c50f633-f30f-455b-aa5b-660d1f2dfd66">ein hübsches Mädchen<name key="PSN0115154" style="hidden">Stoltenhoff, Julie Wilhelmine (II) (1814-1878)</name></persName>, <persName xml:id="persName_e253bffc-b178-4e0d-9102-4351d9066685">Tochter eines Fabrikanten<name key="PSN0115153" style="hidden">Stoltenhoff, Johann Gottfried (1784-1846)</name></persName> bei Aachen, die Clavier spielte, und deren Verwandte mich unbekannterweise bitten ließen, mir doch zuweilen von ihr vorspielen zu lassen, ihr was drüber zu sagen, kurz ihr ein Paar Stunden zu geben, ich that das auch, hielt ihr ein Paar Strafpredigten über all ihren <persName xml:id="persName_73f2bda3-3187-4ea8-bdc7-cda2725c6666">Herz<name key="PSN0111939" style="hidden">Herz, Henri (Heinrich) (1803-1888)</name></persName>, und <persName xml:id="persName_67584b52-2a2b-48dd-91c1-5eadd088ebf9">Hünten<name key="PSN0112153" style="hidden">Hünten, Franz (François) (1792-1878)</name></persName>, und entließ sie bei <persName xml:id="persName_fddf77d8-84c7-4d28-bc3b-091e1d83720a">ihrer<name key="PSN0115154" style="hidden">Stoltenhoff, Julie Wilhelmine (II) (1814-1878)</name></persName> Abreise mit vielem neugekauften <persName xml:id="persName_cded7a88-97c9-4ba1-b051-07f55d51533e">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName> und <persName xml:id="persName_3f3e00dd-0942-48a6-92be-362a0a5324e8">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> – da bekomm ich gestern ein gewaltiges Packet, mit einem sehr höflichen Dankbrief des <persName xml:id="persName_dda13b15-3456-440a-99ec-6f37ddbe204e">Vaters<name key="PSN0115153" style="hidden">Stoltenhoff, Johann Gottfried (1784-1846)</name></persName>, und aus Erkenntlichkeit müßte er mir ein Stück Tuch aus seiner Fabrik schicken; ich konnte es erst nicht glauben, aber es ist wirklich feines schwarzes Tuch zu Hosen, Rock u s. f. im Packete. Dies schmeckt nach dem Mittelalter – die Maler beneiden mich aber schrecklich drum. – <seg type="closer" xml:id="seg_d9a31028-d211-4fed-ad98-65c542fe04d5">Nun lieber Vater, verzeih das Geschwätz, ich wollte ich wäre bei Dir und könnts erzählen. Lebwohl</seg></p><signed rend="right">Dein</signed><signed rend="right">Felix MB.</signed></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_4c94151e-e668-4952-99de-5179c5885df3"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p style="paragraph_without_indent">P.S. Eben kommt ein Brief von <persName xml:id="persName_48871b28-9e02-44b0-b375-80035ad8adfc">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, vom <date cert="high" when="1834-03-21" xml:id="date_3166ffca-a5a1-478d-a057-bc8059b09e46">21<hi rend="superscript">sten</hi></date>, ich danke auch schön. Das Paket <title xml:id="title_af3e62c2-8ac8-4dd3-aeb2-a640a5709f93">Morgengesang<name key="PSN0114109" style="hidden" type="author">Reichardt, Johann Friedrich (1752-1814)</name><name key="CRT0110432" style="hidden" type="music">Miltons Morgengesang (»Allmächtiger, die herrliche Natur ist deiner Hände Werk«)</name></title> und <title xml:id="title_dae6eff9-5e98-4e9e-b93f-e80f18dca5c0">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108086" style="hidden" type="music">Streichquartette op. 59 (»Rasumowsky«)</name></title> ist gleichfalls da und ich danke.</p></div></body> </text></TEI>