fmb-1833-07-30-01
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London, 29. und 30. Juli 1833
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.
Abraham Mendelssohn Bartholdy,
-
4 beschr. S.; Adresse von Abraham Mendelssohn Bartholdys Hand: »a Madame / M. Mendelssohn Bartholdy / Berlin / [Zusatz von fremder Hand:] Leipziger Straße No 3. / double / [Abraham Mendelssohn Bartholdy:] Hambourg / Steamer«, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Klingemann
-
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
o3. /
double/ Hambourg / Steamer
ich schrieb Dir vorigen Posttag nicht, liebes Kind, weil ich hoffte Dir, wenn auch nicht den heutigen Brief selbst zu bringen, doch mit Gewisheit schreiben zu können, wann ich Euch rejoinen werde (Du siehst, daß ich anfange Deutsch zu verlernen, ich werde also auch wohl noch Englisch lernen.) Doch will sich das noch nicht thun laßen, und da es wahrscheinlich auch morgen, als am eigentlichen Posttage nicht, wird geschehen können, so will ich immer wieder anfangen zu schreiben Und zwar will ich Dir, in Folge der zwischen uns bestehenden Verabredung, auf deren Innehaltung ich so oft bestanden nicht länger vorenthalten, daß die Ursache meines verlangerten Aufenthalts hier keine freiwillige, sondern eine entgegengesetzte ist: Du erinnerst Dich, daß e bouillon oh! oh!) halben Zoll lang, unten nicht weit von der Fußbiegung geschunden. ich achtete es gar nicht, weil ich keine Schmerzen fühlte, trug immerfort meine wollenen Strümpfe, bis endlich, grade heut vor 14 Tagen, ich bemerkte, daß das Ding übel geworden; ich verband mir es anfangs selbst; ging noch mehrere Tage aus und mußte mich endlich doch überzeugen, daß eine ordentliche ärtzliche Behandlung nicht zu umgehen sey. Diese ist nun seit etwa 10 Tagen eingetreten, und hat seit 3 Tagen eine langsame, aber fortschreitende, und augenscheinliche Verbeßerung der, einige Tage lang vorher stagnirenden Wunde herbei geführt. An und für sich heilen Schienbeinwunden viel langsamer als alle andre, und ich hatte alles gethan, was man nur zweckwidriges thun konnte. Unter andern hatte ich mir die Theorie ersonnen, daß man unter solchen Umständen sehr mäßig, ja schlecht leben, gar keinen Wein trinken, dagegen viel Früchte und Waßer zu sich nehmen müße u:s:w: so dauerte es freilich
30ten
viele Tage ehe nur erst gut gemacht werden konnte, was ich verdorben hatte; jezt aber bin ich auf dem besten Wege. Wenn ich Dir nun noch hinzufüge, daß mich der erste unter den vier Ersten Wundärtzten Londons, Mr alles und die reinste Wahrheit gesagt, und hoffe dagegen, daß Du mir auch ganz unbedingt glauben, von Sorge gar nichts, und von Verdruß nur, wie ich, empfinden werdest, daß ich Mr
en an sofort. en welche Sie am 21 gekauft, waren außerordentlich billig. F 10/m davon müßen als Deckung der mit StellPrämie verkauften F 10/m in reserva bleiben, die andern F 20/m habe ich hier à 9478 […] álto July begeben, werde sie mit 4 à 3 % […] 15 August hereinnehmen, und ersuche solche so abzusenden daß sie zu diesem Tage hier sind. Diese 70/m decken die Metall und die Coupons. Letztere bringe ich selbst mit, wenn Gott giebt daß ich mich bald auf den Weg machen kann. Wenn nicht, schicke ich sie nach Hamburg an en gut werden haben einkaufen können, was dann ein gutes Geschäfft werden kann. Die gestrige Post hat mir keinen Brief von Ihnen gebracht, und ich weiß daher keine Course, sonst würde ich schon im Voraus die 1 2
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Umgebung: Eine Masse Damen,
Sie wissen also, daß unser deutscher Club wieder um einen Patienten herumlagert, der dabei im schönsten Humor auf dem Sopha lagert, und der über seine Zustände einen so wahrhaften weder über- noch untertreibenden Bericht erstattet hat, daß gar nichts hinzu- noch daran zu thun ist; käme uns diese stille beschauliche Zeit hier nicht zu Gute so daß sie nicht ungenossen und ungenutzt verstreicht, wären Sie zu bedauern daß sie Ihnen entgeht. Jetzt z. B. ließt der
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Ich bringe Ihnen jetzt das größte Opfer deßen man fähig seyn kann, – ich stehe vom Tische auf, an dem der
Wenn ich hier heraufkomme, gehe ich gewöhnlich durch den Laden, – die Nachbarn müßen glauben, entweder ich sey ein Koch oder ich kaufe mir eine Maße Keßel, Feuerzangen und allerlei Eß- und FeuerApparat zu einer eignen Haushaltung, – Sie wißens aber beßer; ich muß erst das große Loos haben.
Ich muß würklich aufhören und lieber noch einige Gläser des braven Ports trinken, der heute alle werden muß, weil er morgen abschmäckig wird, was ich schon heute
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London 29 Juli 1833. ich schrieb Dir vorigen Posttag nicht, liebes Kind, weil ich hoffte Dir, wenn auch nicht den heutigen Brief selbst zu bringen, doch mit Gewisheit schreiben zu können, wann ich Euch rejoinen werde (Du siehst, daß ich anfange Deutsch zu verlernen, ich werde also auch wohl noch Englisch lernen. ) Doch will sich das noch nicht thun laßen, und da es wahrscheinlich auch morgen, als am eigentlichen Posttage nicht, wird geschehen können, so will ich immer wieder anfangen zu schreiben Und zwar will ich Dir, in Folge der zwischen uns bestehenden Verabredung, auf deren Innehaltung ich so oft bestanden nicht länger vorenthalten, daß die Ursache meines verlangerten Aufenthalts hier keine freiwillige, sondern eine entgegengesetzte ist: Du erinnerst Dich, daß der alte Löwe, lustigen Andenkens, als er sich einmal ans Schienbein stieß, die sehr witzige Bemerkung machte, daß die Natur dasselbe sehr unzweckmäßig vorn am Fuße angebracht habe, wo es offenbar am meisten exponirt ist; es wäre hinten viel zweckmäßiger. Ich habe nun Gelegenheit gehabt, und habe sie eben noch, auch die tiefe Wahrheit dieser Löweschen Critik anzuerkennen. Ich hatte mir, ohne bestimmt angeben zu können, wann und wo, es muß aber wenigstens schon 4 Wochen her, das rechte Schienbein, etwa einen (hier werde ich eben unterbrochen, um den ersten ächt deutsch französischen Bouillon zu kosten, welchen mit Me Jeannete Goldschmidt schickte da dergleichen in einem englischen Hause zu erhalten, eine reine Unmöglichkeit ist. Liberty. so! so! publicity. ja! ja! und no bouillon oh! oh!) halben Zoll lang, unten nicht weit von der Fußbiegung geschunden. ich achtete es gar nicht, weil ich keine Schmerzen fühlte, trug immerfort meine wollenen Strümpfe, bis endlich, grade heut vor 14 Tagen, ich bemerkte, daß das Ding übel geworden; ich verband mir es anfangs selbst; ging noch mehrere Tage aus und mußte mich endlich doch überzeugen, daß eine ordentliche ärtzliche Behandlung nicht zu umgehen sey. Diese ist nun seit etwa 10 Tagen eingetreten, und hat seit 3 Tagen eine langsame, aber fortschreitende, und augenscheinliche Verbeßerung der, einige Tage lang vorher stagnirenden Wunde herbei geführt. An und für sich heilen Schienbeinwunden viel langsamer als alle andre, und ich hatte alles gethan, was man nur zweckwidriges thun konnte. Unter andern hatte ich mir die Theorie ersonnen, daß man unter solchen Umständen sehr mäßig, ja schlecht leben, gar keinen Wein trinken, dagegen viel Früchte und Waßer zu sich nehmen müße u:s:w: so dauerte es freilich 30ten viele Tage ehe nur erst gut gemacht werden konnte, was ich verdorben hatte; jezt aber bin ich auf dem besten Wege. Wenn ich Dir nun noch hinzufüge, daß mich der erste unter den vier Ersten Wundärtzten Londons, Mr Brodie, behandelt, daß von irgend einer operation gar keine Rede ist, sondern die Sache mit Portwein, Muttonchops, und highlife neben etwas Pflaster und unbedingtem Stilleliegen behandelt wird, so habe ich Dir alles und die reinste Wahrheit gesagt, und hoffe dagegen, daß Du mir auch ganz unbedingt glauben, von Sorge gar nichts, und von Verdruß nur, wie ich, empfinden werdest, daß ich Mr Brodie für den ersten Besuch 2 Guinéen, und für jeden folgenden 1 dito zahlen muß (oder will, der Mann wollte nehmlich nichts nehmen, als er hörte daß Felix mein Sohn sey, ich aber wollte mir letzteres wohl gefallen laßen, aber nichts weiter) welches Geld beßer anzulegen wäre. Es wird übrigens der Gegenstand eines eigenen Briefes werden, Dir die zahllosen, würklich rührenden und erfreulichen Beweise von Liebe und Güte zu erzehlen, deren ich mich täglich und stündlich von allen Seiten erlabe und genieße, und die, bei dem gänzlichen Mangel aller Ansprüche darauf meinerseits, allerdings eine besondre, und liebenswürdige Seite des hiesigen Lebens bilden. Daß ich unter diesen allgemeinen Wohlthaten und Wohlthätern, nicht Klingemann und Felix begreife, versteht sich von selbst. Darüber schreibe ich nicht, sondern hoffe zu Gott es Euch bald mit dankbarer Rührung erzählen, und Euren Dank in Euren Augen lesen zu können. Und nun für jezt zu Hrn Nathan. ich schrieb v: P: nicht, und hoffe daß Sie daher die F 50/m holl 5 %gen an G. werden abgesendet haben; sollte es noch nicht geschehen seyn, so thun Sie es sofort. Goldsch. hat dagegen bereits v: P. durch Giermann an Sie die F 30/m Metall abgesendet, die Sie ohne Zweifel erhalten haben werden: Laßen Sie solche nur ruhig liegen, oder registriren sie, wenn Sie Gold brauchen. Die L 30/m 5 %gen welche Sie am 21 gekauft, waren außerordentlich billig. F 10/m davon müßen als Deckung der mit StellPrämie verkauften F 10/m in reserva bleiben, die andern F 20/m habe ich hier à 9478 … álto July begeben, werde sie mit 4 à 3 % … 15 August hereinnehmen, und ersuche solche so abzusenden daß sie zu diesem Tage hier sind. Diese 70/m decken die Metall und die Coupons. Letztere bringe ich selbst mit, wenn Gott giebt daß ich mich bald auf den Weg machen kann. Wenn nicht, schicke ich sie nach Hamburg an Giermann zu Ihrer Verfügung, worüber bald Weiteres. Goldschm. wünscht, daß Sie ihm die Kosten des ganzen Lotterielooses mit Einmal aufgeben, und das Weitere damit besorgen mögen; beschreiben Sie es nur als Eigenthum Goldschmidts. Er flucht über die bei den Prämienscheinen berechneten Courtagen; ich werde sehen wie ich mit ihm fertig werde. zur Ersparung des Portos schreibt er Ihnen wegen dieses Geschäfftes nicht, ich habe seinen Brief deswegen hier. ich hoffe daß Sie da man bei uns nicht so rasch zu steigen pflegt, die heute vor 7/T committirten F 100/m 5 %gen gut werden haben einkaufen können, was dann ein gutes Geschäfft werden kann. Die gestrige Post hat mir keinen Brief von Ihnen gebracht, und ich weiß daher keine Course, sonst würde ich schon im Voraus die 1 2 hier begeben haben. Es wird beim Warten nichts rascher seyn. Was die alte Goldschm. Angelegenheit betrifft, so habe ich alles gethan, was thunlich war, um mir die Dividende in jedem Falle zu sichern, und hoffe, sie werde mir nicht entgehn. Die Lage der Dinge hier, scheint sich mit jedem Tage mehr zu befestigen und zu beruhigen, und ich glaube an hohe Course in diesem Jahre. Wenn Belgier mit 1 % Nutzen hier rendiren, so nehmen Sie einige Tausend Pfund, und zeigen Geschehenes an. Einige hundert Prämienscheine mögte ich auch bei der Seehandl hier legen. Eben verlaßt mich der Artzt, der Felix im Notenschreiben traf, und nach der Besichtigung mir sagte, er glaube, so sehr F. Musik die Leute erfreuen würde, mir doch noch etwas angenehmeres zu hören zu geben, wenn er mich versicherte, mein Bein sey beautyful mein Zustand glorious u s: w:. Hiermit, und mit dem Wunsche, nächste Post durch einen großen Brief für den letzten sehr kurzen, und den gestern ganz ausgebliebenen (culpa mea) entschädigt zu werden, grüße ich Euch alle insgesamt herzlichst und sehnsuchtsvoll nach baldiger Heimkehr truly yours AMBy Umgebung: Eine Masse Damen, Madam Moscheles à la tête, genug um Einem den Kopf zu verdrehen, aber nicht im Stande mich von meinen Herzensergießungen abzuhalten, ich sammle mich und spreche: – (Die Damen gehen und es wird eine liebliche Stille. ) – Sie wissen also, daß unser deutscher Club wieder um einen Patienten herumlagert, der dabei im schönsten Humor auf dem Sopha lagert, und der über seine Zustände einen so wahrhaften weder über- noch untertreibenden Bericht erstattet hat, daß gar nichts hinzu- noch daran zu thun ist; käme uns diese stille beschauliche Zeit hier nicht zu Gute so daß sie nicht ungenossen und ungenutzt verstreicht, wären Sie zu bedauern daß sie Ihnen entgeht. Jetzt z. B. ließt der Stadtrath im Tasso während Felix und ich schreiben, und wirft einzelne Glanzstellen in unsre Prosa, und zum Ueberfluß ist sogar der Himmel draußen kühlblau, während jener blaue Himmel herbeicitirt wird. – Ich glaube der Stadtrath ist mit uns zufrieden als Ammen und Mährchenerzähler, – aber bei allen Mächten und Potentaten Himmels und der Erden, es giebt auch keinen liebenswürdigern Patienten wie ihn, und ich muß das gelegentlich mündlich oder schriftlich weiter ausführen, weil Felix dies vorlesen könnte. Aus eben diesen Gründen lobe ich auch Felix wenig; er hat aber Gaben und Geschick als Nurse und ein schlummerndes Talent hat Gelegenheit gehabt sich auszubilden, – er läßt mir kaum mal Platz von meiner Seite zu glänzen und hier einen Stuhl zu rücken oder dort ein Glas Port einzuschenken. Unser Hochleben ist beschrieben, – nahrhaft für Kranke und Gesunde. Dabei wars himmlisches warmes Wetter draußen, und der Stadtrath hätte ihm Ehrenabbitte zu thun, – freilich wars damals wie ers verläumdete, scheußlich. Conversation an jenem Regentage unter meinem Fenster: A. How do you do? – B. How are you? – A. Wet morning! – B. Very! – A. God bye! – B. Good bye to you! – Jetzt gehen wir aber täglich schwimmen, in der großen Spree, die sie hier Themse nennen, und in der das Wasser manchmal sogar hinauffließt und in der es nie alle wird, das ist schön! Ich hielt gestern Felix eine Rede im Wasser, ohngefähr so: Man schaue um sich wenn man die Augen nicht zu voll Waßer hat, und bewundre die Lage, nicht des Schwimmers, sondern der Umgegend – rechts ist der Pallast des Primaten von England, des Erzbischofs von Canterbury, der jetzt vielleicht gar über eine neue Clausel in der Irish Church Bill brütet, oder in seiner PrivatCapelle den lieben Gott um eine Zulage bittet, – der arme Mann! Und links ist des Speakers Haus, nicht des löschpapiernen Berliners der hinter dem Gießhause wohnt, sondern des ersten Gentlemens von England, der Peer werden kann ehe man eine Hand umdreht oder gar PremierMinister werden, und der ins Unterhaus mit Schlafrock und Pantoffeln gehen könnte, wenn er dürfte, und gegen den sich kein M. P. rippelt, wenn er ruft: Order! Und in den beiden Häusern sind beide Häuser, wo jetzt vielleicht die schönsten Reden fallen oder der treflichste Unsinn, die uns morgen früh beim Caffe so wohl thun, wo vielleicht Lord Londonderry faselt, oder Brougham einen armen Teufel lebendig gerbt, oder OConnel sich blamirt, oder Dein Freund Hawse für Lambeth spricht, während da unten seine Seife kocht und dampft, daß alle benachbarten Nasen sich darüber entsetzen. Und da drüben kucken die Thürme der Abtei her, in der so viele todte Könige und lebendige Autoren begraben liegen, und wo man den König von England krönt, der freilich das nächstemal eine Königin ist. Und vor uns ist die große Brücke, wo uns eine ganze Menge Menschen mit Füßen treten wenn wir drunter durch schwimmen. Und hinter uns ist ein großer Theil von ganz England u. s. w. Ich glaube aber ich habe das Alles nicht gesagt, denn wenn ich schwimme, puste ich mehr als ich rede. – Jetzt hat der Tasso einer Börsen- und FundsConversation Platz gemacht, bei der ich viel ruhiger schreibe. – In der Luft muß ein Gewitter gewesen seyn, es ist so hübsch kühl geworden, und die Engländerinnen sehen heut ganz göttlich aus, blaß und sehnsüchtig, als hätten sie sich die letzten drei Tage bei den Pariser drei Tagen ennüyirt. – A propos, wenn Sie in der Staatszeitung eine Ode auf den Sieg des Admirals Napier lesen, ist sie von mir. – Heute ging ich in Pallmall bei einem schönen Banquierhause vorbei, vor dem ein Miethwagen hielt, aus dem keine Leute stiegen, sondern lauter Geldsäcke, – große, schwere, – einige arme Kerle standen daneben, und sahen schlimm aus, mißgünstig, wild, – ein Savegarde drehte seine Orgel und es kam die Parisienne heraus, und sein Affe tanzte dazu erbärmlich – so nach allen Seiten aufmerkend und vorwärtsschreitend, wollte ich einige Kinder umgehn und überschreiten, aber ihre erschrockene Irländische Mutter rief drohend: Mind the Posterity! Aber die Revolution ist noch weit, wie ich am letzten Sonnabend gesehen habe. Da ging ich mit unserm jungen Verbinder in sechs Schnapsläden, Abends spät, um Bärme aufzusuchen, die damals noch zu Umschlägen für das Schienbein gebraucht wurde, und alle waren sie voll von Trinkenden, und die Bar-Maids sahen müde und verblüht aus vom vielen Einschenken. In den einen Laden kam eine verdrießliche Mutter mit ein paar verwachten Kindern, und wollte ihren Mann holen, der derweilen lustig sein eben bekommenes Wochenlohn versoff, sie schrie, die Schenkerinn zählte ihr Geld, die Kinder waren durstig, der Mann rief drinnen: Order – I say – Lord Grey – Wir fanden den Ort erbärmlich, weder Bärme noch Erbarmen dort zu haben. – Ich bringe Ihnen jetzt das größte Opfer deßen man fähig seyn kann, – ich stehe vom Tische auf, an dem der Stadtrath, Felix und Rosen noch festiren, und suche fortzufahren. Es wird aber nicht gehen, meine Phantasie ist nicht mehr so blühend, man ißt und trinkt zu gut im Hôtel Heincke, und wir haben neben dem guten Eßen noch sehr hungrigmachende Gespräche gepflogen. Ach, wir haben ein Beef gegeßen, deßen sich kein Ochse zu schämen hatte. Das Gelée hatte Madam Moscheles geliefert, und wir wurden ganz feurig. Nebenbei ist Rosen über einige scandalose Geschichten roth geworden. Wenn ich hier heraufkomme, gehe ich gewöhnlich durch den Laden, – die Nachbarn müßen glauben, entweder ich sey ein Koch oder ich kaufe mir eine Maße Keßel, Feuerzangen und allerlei Eß- und FeuerApparat zu einer eignen Haushaltung, – Sie wißens aber beßer; ich muß erst das große Loos haben. Ich muß würklich aufhören und lieber noch einige Gläser des braven Ports trinken, der heute alle werden muß, weil er morgen abschmäckig wird, was ich schon heute bin. Leben Sie alle wohl und sehr wohl, Sie haben dort dasselbe tapfre Genesungstreffen geliefert was wir hier nachspielen wollen, und wo möglich überbieten. Immer der Ihrige CKlingemann d. 30sten July. In so froher Stimmung wie die Klingemannsche drüben, müßt Ihr Euch heut Vater und seine Umgebungen denken, und da wir denn doch einmal nun beiderseitig uns Bülletins schreiben müssen so ist es schön daß wir Eurem erwünschten Beispiel folgen können und die besten Nachrichten geben. Aber ist es nicht gar zu fatal, daß Vater nun schon seit beinahe 8 Tagen das Sopha hüten muß? Und ist nicht London den Beinen aus unsrer Familie sehr verhängnißvoll? Ich hab es freilich ungefähr 60mal so schlimm gehabt, als Vater, denn hoffentlich wird sein Stuben-Arrest schon in den nächsten Tagen aufgehoben, aber er möchte nun gar zu gern die Rückreise antreten, und davon wollen die Aerzte nicht eher, als in 14 Tagen sprechen hören. Das macht mich freilich sehr verstimmt, und ich weiß kaum ob ich mich so sehr gesehnt habe, Vater in London zu sehn, als ich ihn jetzt wieder auf dem Dampfboot wünsche, indessen ist Vater jetzt so guter Laune und so liebenswürdig, daß nur der Gedanke an das unfreiwillige mich verstimmen kann. Zudem glaube ich unter uns, daß seine Lebensart (die vielen Früchte, Zuckerwasser …) in allen Beziehungen ihm schädlich war, und daß er vielleicht das jetzt zu rechter Zeit noch erfahren hat, denn wie sehr gut ihm die Paar Tage stärkere Diät gethan haben könnt Ihr gar nicht glauben und die Ärzte behaupten, er müsse niemals wieder davon lassen; sogar seine Augen sind besser und die Nerven stärker. Sonst ist zur Beschreibung die Vater selbst giebt nicht hinzuzufügen, als eben die Bitte, nun wirklich Euch keinen Augenblick Unruhe zu geben, und nur die Ungeduld einige Wochen noch auszuhalten. Wir schreiben Euch jeden Posttag und geben so exacte, und hoffentlich auch so gute Bülletins wie heut. Verzeiht mir daß ich immer so schlecht schreibe, aber wie gesagt, ich bin ein Affe am Orinoko und kann nur grüßen und Euch Gutes wünschen. Felix MB
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Mendelssohn Bartholdy / Berlin / [Zusatz von fremder Hand:] Leipziger Straße No 3. / double / [Abraham Mendelssohn Bartholdy:] Hambourg / Steamer«, mehrere Poststempel.</p> <handDesc hands="2"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Klingemann</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1833-07-29" xml:id="date_0210fa9a-bb1c-45ac-ae3d-94c0a5aa46bb">29.</date> und <date cert="high" when="1833-07-30" xml:id="date_067a46c8-8637-4804-9639-883d46371402">30. Juli 1833</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0112434" resp="author" xml:id="persName_191081cd-3eba-4df7-8f44-f31c9812a3af">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName> <persName key="PSN0113247" resp="author" xml:id="persName_dadc5424-0c47-43e6-b96a-a79d33de2f16">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_1666c63b-53f8-49c4-bf71-992088902291">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><persName key="PSN0112434" resp="writer">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName><persName key="PSN0113247" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_90ff2e78-b3a2-4c67-86d1-e3c5528be2c7"> <settlement key="STM0100126">London</settlement> <country>Großbritannien</country></placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113546" resp="receiver" xml:id="persName_a98bc829-0e2c-4a53-ad6d-c0ad42206c1b">Nathan, Wolff (1810-1877)</persName> <persName key="PSN0113241" resp="receiver" xml:id="persName_965a3681-3ab6-4b10-b6cc-3055e8c5a3bd">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</persName> <persName key="PSN0113260" resp="receiver" xml:id="persName_8a2d103d-9017-4bf9-ba20-74225bbe31bd">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_597faafa-1b74-4936-b558-9d6222bfb781"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country></placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_8c59ce0d-1c95-4e21-be70-041f7a55b95e"> <head> <address> <addrLine>a Madame</addrLine> <addrLine>M. Mendelssohn Bartholdy</addrLine> <addrLine>Berlin</addrLine> </address> </head> </div> <div type="annotation" xml:id="div_c9b3d700-a0cb-481d-b94c-8b60fd23801d"> <note type="other-third-party-annotation" xml:id="note_590d5097-7f8c-41c0-a702-1cbcf1fca190">Leipziger Straße N<hi rend="superscript">o</hi> 3. / <hi n="1" rend="underline">double</hi> / Hambourg / Steamer</note> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_2e6c9461-831a-433f-b868-26ca9eae4f19"> <docAuthor key="PSN0113247" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_a8792801-bc06-4b4b-b5fe-07c9aaebe5a9">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113247" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_38eb3fb7-8ed8-4e35-b359-7a88d4a8e9c8">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</docAuthor> <dateline rend="right">London <date cert="high" when="1833-07-29" xml:id="date_224d92c3-4f63-437b-95e4-3d18699c62a2">29 Juli 1833.</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">ich schrieb Dir vorigen Posttag nicht, liebes Kind, weil ich hoffte Dir, wenn auch nicht den heutigen Brief selbst zu bringen, doch mit Gewisheit schreiben zu können, wann ich Euch rejoinen werde (Du siehst, daß ich anfange Deutsch zu verlernen, ich werde also auch wohl noch Englisch lernen.) Doch will sich das noch nicht thun laßen, und da es wahrscheinlich auch morgen, als am eigentlichen Posttage nicht, wird geschehen können, so will ich immer wieder anfangen zu schreiben Und zwar will ich Dir, in Folge der zwischen uns bestehenden Verabredung, auf deren Innehaltung ich so oft bestanden nicht länger vorenthalten, daß die Ursache meines verlangerten Aufenthalts hier keine freiwillige, sondern eine entgegengesetzte ist: Du erinnerst Dich, daß <persName xml:id="persName_8ef405d8-b7ba-4c8d-a375-0a4f2cf2bc59">der alte Löwe<name key="PSN0112913" style="hidden">Loewe (Löwe), Joel Brill (1762-1802)</name><name key="PSN0112947" style="hidden">Lowe (Löwe), Johann Michael Siegfried (eigtl. Moses Samuel) (1756-1831)</name></persName>, lustigen Andenkens, als er sich einmal ans Schienbein stieß, die sehr witzige Bemerkung machte, daß die Natur dasselbe sehr unzweckmäßig vorn am Fuße angebracht habe, wo es offenbar am meisten exponirt ist; es wäre hinten viel zweckmäßiger. Ich habe nun Gelegenheit gehabt, und habe sie eben noch, auch die tiefe Wahrheit dieser <persName xml:id="persName_c43f1296-8a3b-4b17-aaba-e20f48772b3d">Löweschen<name key="PSN0112913" style="hidden">Loewe (Löwe), Joel Brill (1762-1802)</name></persName> Critik anzuerkennen. Ich hatte mir, ohne bestimmt angeben zu können, wann und wo, es muß aber wenigstens schon 4 Wochen her, das rechte Schienbein, etwa einen (hier werde ich eben unterbrochen, um den ersten ächt deutsch französischen Bouillon zu kosten, welchen mit M<hi rend="superscript">e</hi> <persName xml:id="persName_e5595459-d325-428b-bee5-ad5f0d83ace6">Jeannete Goldschmidt<name key="PSN0111446" style="hidden">Goldschmidt, Jeanette</name></persName> schickte da dergleichen in einem englischen Hause zu erhalten, eine reine Unmöglichkeit ist. Liberty. so! so! publicity. ja! ja! und no <hi rend="underline">bouillon</hi> oh! oh!) halben Zoll lang, unten nicht weit von der Fußbiegung geschunden. ich achtete es gar nicht, weil ich keine Schmerzen fühlte, trug immerfort meine wollenen Strümpfe, bis endlich, grade heut vor 14 Tagen, ich bemerkte, daß das Ding übel geworden; ich verband mir es anfangs selbst; ging noch mehrere Tage aus und mußte mich endlich doch überzeugen, daß eine ordentliche ärtzliche Behandlung nicht zu umgehen sey. Diese ist nun seit etwa 10 Tagen eingetreten, und hat seit 3 Tagen eine langsame, aber fortschreitende, und augenscheinliche Verbeßerung der, einige Tage lang vorher stagnirenden Wunde herbei geführt. An und für sich heilen Schienbeinwunden viel langsamer als alle andre, und ich hatte alles gethan, was man nur zweckwidriges thun konnte. Unter andern hatte ich mir die Theorie ersonnen, daß man unter solchen Umständen sehr mäßig, ja schlecht leben, gar keinen Wein trinken, dagegen viel Früchte und Waßer zu sich nehmen müße u:s:w: so dauerte es freilich</p> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_cf1904b1-8c75-4126-b7fb-7020725cc37e"> <docAuthor key="PSN0113247" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_7420772a-b569-489b-a0f3-1fe07f11b12d">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113247" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_801b85dc-6d61-45d6-bbef-c39723944c34">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</docAuthor> <dateline rend="left"><date cert="high" when="1833-07-30" xml:id="date_700c5413-3d5e-4de7-a0de-8fa1e0562beb"><hi rend="underline">30</hi>ten</date></dateline> <p>viele Tage ehe nur erst gut gemacht werden konnte, was ich verdorben hatte; jezt aber bin ich auf dem besten Wege. Wenn ich Dir nun noch hinzufüge, daß mich der erste unter den vier Ersten Wundärtzten Londons, M<hi rend="superscript">r</hi> <persName xml:id="persName_5d49812d-e891-4f15-b191-f9d595114547">Brodie<name key="PSN0110143" style="hidden">Brodie, (seit 1834) Sir Benjamin Collins 1st Baronet (1783-1862)</name></persName>, behandelt, daß von irgend einer operation gar keine Rede ist, sondern die Sache mit Portwein, Muttonchops, und highlife neben etwas Pflaster und unbedingtem Stilleliegen behandelt wird, so habe ich Dir <hi rend="underline">alles</hi> und die reinste Wahrheit gesagt, und hoffe dagegen, daß Du mir auch ganz unbedingt glauben, von Sorge gar nichts, und von Verdruß nur, wie ich, empfinden werdest, daß ich M<hi rend="superscript">r</hi> <persName xml:id="persName_82cc933d-338a-406c-bc8f-f4a862ad6636">Brodie<name key="PSN0110143" style="hidden">Brodie, (seit 1834) Sir Benjamin Collins 1st Baronet (1783-1862)</name></persName> für den ersten Besuch 2 Guinéen, und für jeden folgenden 1 dito zahlen muß (oder will, der <persName xml:id="persName_7b56dce2-30c4-4a72-9c2b-a42493e864d4">Mann<name key="PSN0110143" style="hidden">Brodie, (seit 1834) Sir Benjamin Collins 1st Baronet (1783-1862)</name></persName> wollte nehmlich nichts nehmen, als er hörte daß Felix mein Sohn sey, ich aber wollte mir letzteres wohl gefallen laßen, aber nichts weiter) welches Geld beßer anzulegen wäre. Es wird übrigens der Gegenstand eines eigenen Briefes werden, Dir die zahllosen, würklich rührenden und erfreulichen Beweise von Liebe und Güte zu erzehlen, deren ich mich täglich und stündlich von allen Seiten erlabe und genieße, und die, bei dem gänzlichen Mangel aller Ansprüche darauf meinerseits, allerdings eine besondre, und liebenswürdige Seite des hiesigen Lebens bilden. Daß ich unter diesen allgemeinen Wohlthaten und Wohlthätern, nicht <persName xml:id="persName_210e86d0-6e16-460c-92c6-ad5f87f8336a">Klingemann<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> und Felix begreife, versteht sich von selbst. Darüber schreibe ich nicht, sondern hoffe zu Gott es Euch bald mit dankbarer Rührung erzählen, und Euren Dank in Euren Augen lesen zu können. <seg type="closer" xml:id="seg_f246157e-0b90-4e6d-9ee9-0338cefa4524">Und nun für jezt zu</seg></p> </div> <div n="3" type="act_of_writing" xml:id="div_e69de481-f2bf-4305-acfc-413d32b5af18"> <docAuthor key="PSN0113247" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113247" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</docAuthor> <p><persName xml:id="persName_56756e9a-84e6-402b-864b-8e49bf4eb4fe">Hrn Nathan<name key="PSN0113546" style="hidden">Nathan, Wolff (1810-1877)</name></persName>. ich schrieb v: P: nicht, und hoffe daß Sie daher die F 50/m holl 5 %g<hi rend="superscript">en</hi> an <persName xml:id="persName_ae16517a-c249-4fca-ad64-4f64c4c741b9">G.<name key="PSN0111441" style="hidden">Goldschmidt (Goldsmith), Adolph (Adolf, Adolphus) (1798-1879)</name></persName> werden abgesendet haben; sollte es noch nicht geschehen seyn, so thun Sie es <hi rend="underline">sofort</hi>. <persName xml:id="persName_ab76698b-49d6-452e-a15f-7973105f0edd">Goldsch.<name key="PSN0111441" style="hidden">Goldschmidt (Goldsmith), Adolph (Adolf, Adolphus) (1798-1879)</name></persName> hat dagegen bereits v: P. durch <persName xml:id="persName_d369f06f-8573-4016-a37a-848fdb77803a">Giermann<name key="PSN0111373" style="hidden">Giermann, Johann Heinrich Christian (?-1836)</name></persName> an Sie die F 30/m Metall abgesendet, die Sie ohne Zweifel erhalten haben werden: Laßen Sie solche nur ruhig liegen, oder registriren sie, wenn Sie Gold brauchen. Die L 30/m 5 %g<hi rend="superscript">en</hi> welche Sie am 21 gekauft, waren außerordentlich billig. F 10/m davon müßen als Deckung der mit StellPrämie verkauften F 10/m in reserva bleiben, die andern F 20/m habe ich hier à <hi rend="underline">9478</hi> […] ált<hi rend="superscript">o</hi> July begeben, werde sie mit 4 à 3 % […] 15 August hereinnehmen, und ersuche solche so abzusenden daß sie zu diesem Tage hier sind. Diese 70/m decken die Metall und die Coupons. Letztere bringe ich selbst mit, wenn Gott giebt daß ich mich bald auf den Weg machen kann. Wenn nicht, schicke ich sie nach Hamburg an <persName xml:id="persName_cc51524a-1a74-41f5-b623-9bb72bd0e817">Giermann<name key="PSN0111373" style="hidden">Giermann, Johann Heinrich Christian (?-1836)</name></persName> zu Ihrer Verfügung, worüber bald Weiteres. <persName xml:id="persName_e3521615-2566-4a4b-8e9b-c2dbb5a608fb">Goldschm.<name key="PSN0111441" style="hidden">Goldschmidt (Goldsmith), Adolph (Adolf, Adolphus) (1798-1879)</name></persName> wünscht, daß Sie ihm die Kosten des ganzen Lotterielooses mit Einmal aufgeben, und das Weitere damit besorgen mögen; beschreiben Sie es nur als Eigenthum <persName xml:id="persName_4f97dc67-da58-4290-bd11-1246b0f33889">Goldschmidts<name key="PSN0111441" style="hidden">Goldschmidt (Goldsmith), Adolph (Adolf, Adolphus) (1798-1879)</name></persName>. Er flucht über die bei den Prämienscheinen berechneten Courtagen; ich werde sehen wie ich mit ihm fertig werde. zur Ersparung des Portos schreibt er Ihnen wegen dieses Geschäfftes nicht, ich habe seinen Brief deswegen hier. ich hoffe daß Sie da man bei uns nicht so rasch zu steigen pflegt, die heute vor 7/T committirten F 100/m 5 %g<hi rend="superscript">en</hi> gut werden haben einkaufen können, was dann ein gutes Geschäfft werden kann. Die gestrige Post hat mir keinen Brief von Ihnen gebracht, und ich weiß daher keine Course, sonst würde ich schon im Voraus die <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> hier begeben haben. Es wird beim Warten nichts rascher seyn. Was die alte <persName xml:id="persName_045af6e5-18ea-4375-8a67-6ea2ede7c3c7">Goldschm.<name key="PSN0111441" style="hidden">Goldschmidt (Goldsmith), Adolph (Adolf, Adolphus) (1798-1879)</name></persName> Angelegenheit betrifft, so habe ich alles gethan, was thunlich war, um mir die Dividende in jedem Falle zu sichern, und hoffe, sie werde mir nicht entgehn. Die Lage der Dinge hier, scheint sich mit jedem Tage mehr zu befestigen und zu beruhigen, und ich glaube an hohe Course in diesem Jahre. Wenn Belgier mit 1 % Nutzen hier rendiren, so nehmen Sie einige Tausend Pfund, und zeigen Geschehenes an. Einige hundert Prämienscheine mögte ich auch bei der <placeName xml:id="placeName_e23144d6-6488-416c-b2f9-70bbd867a10d">Seehandl<name key="NST0100429" style="hidden" subtype="" type="institution">Königlich Preußische Seehandlung</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> hier legen.</p> <p style="paragraph_centered"> <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_eed158ae-ec21-947f6-31087-5b20d896feee" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> </p> <p>Eben verlaßt mich der <persName xml:id="persName_38482191-529c-47f8-8f2d-b240898eda35">Artzt<name key="PSN0110143" style="hidden">Brodie, (seit 1834) Sir Benjamin Collins 1st Baronet (1783-1862)</name></persName>, der Felix im Notenschreiben traf, und nach der Besichtigung mir sagte, er glaube, so sehr F. Musik die Leute erfreuen würde, mir doch noch etwas angenehmeres zu hören zu geben, wenn er mich versicherte, mein Bein sey beautyful mein Zustand glorious u s: w:. <seg type="closer" xml:id="seg_86216b3a-9ad4-4477-b0ca-b41b9ebfd529">Hiermit, und mit dem Wunsche, nächste Post durch einen großen Brief für den letzten sehr kurzen, und den gestern ganz ausgebliebenen (culpa mea) entschädigt zu werden, grüße ich Euch alle insgesamt herzlichst und sehnsuchtsvoll nach baldiger Heimkehr</seg></p> <signed rend="right">truly yours AMBy</signed> </div> <div n="4" type="act_of_writing" xml:id="div_49b21d3f-780d-40ca-b508-9a42ea9a37ab"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_7c8392e8-de3f-4dfd-a11a-04797016b781">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798–1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_38b24f82-1f92-4f7a-8769-dd13ceb2387b">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798–1862)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Umgebung: Eine Masse Damen, <persName xml:id="persName_1eaf819a-9d17-4a52-b4cd-f6f826d85b5d">Madam Moscheles<name key="PSN0113436" style="hidden">Moscheles, Charlotte (1805-1889)</name></persName> à la tête, genug um Einem den Kopf zu verdrehen, aber nicht im Stande mich von meinen Herzensergießungen abzuhalten, ich sammle mich und spreche: – (Die Damen gehen und es wird eine liebliche Stille.) –</p> <p>Sie wissen also, daß unser deutscher Club wieder um einen Patienten herumlagert, der dabei im schönsten Humor auf dem Sopha lagert, und der über seine Zustände einen so wahrhaften weder über- noch untertreibenden Bericht erstattet hat, daß gar nichts hinzu- noch daran zu thun ist; käme uns diese stille beschauliche Zeit hier nicht zu Gute so daß sie nicht ungenossen und ungenutzt verstreicht, wären Sie zu bedauern daß sie Ihnen entgeht. Jetzt z. B. ließt der <persName xml:id="persName_f88e1086-faed-435b-9520-260645621042">Stadtrath<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> im <title xml:id="title_5382b6a1-3067-48cc-b2f8-37c35c95c419">Tasso<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108851" style="hidden" type="dramatic_work">Torquato Tasso</name></title> während Felix und ich schreiben, und wirft einzelne Glanzstellen in unsre Prosa, und zum Ueberfluß ist sogar der Himmel draußen kühlblau, während jener blaue Himmel herbeicitirt wird. – Ich glaube der <persName xml:id="persName_643d196f-a0ee-4ec9-9958-70c75dfa5ad9">Stadtrath<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> ist mit uns zufrieden als Ammen und Mährchenerzähler, – aber bei allen Mächten und Potentaten Himmels und der Erden, es giebt auch keinen liebenswürdigern Patienten wie ihn, und ich muß das gelegentlich mündlich oder schriftlich weiter ausführen, weil Felix dies vorlesen könnte. Aus eben diesen Gründen lobe ich auch Felix wenig; er hat aber Gaben und Geschick als Nurse und ein schlummerndes Talent hat Gelegenheit gehabt sich auszubilden, – er läßt mir kaum mal Platz von meiner Seite zu glänzen und hier einen Stuhl zu rücken oder dort ein Glas Port einzuschenken. Unser Hochleben ist beschrieben, – nahrhaft für Kranke und Gesunde. Dabei wars himmlisches warmes Wetter draußen, und der <persName xml:id="persName_55bad7e6-4634-4146-ab89-d6c12cd8e094">Stadtrath<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> hätte ihm Ehrenabbitte zu thun, – freilich wars damals wie ers verläumdete, scheußlich. Conversation an jenem Regentage unter meinem Fenster: A. How do you do? – B. How are you? – A. Wet morning! – B. Very! – A. God bye! – B. Good bye to you! – Jetzt gehen wir aber täglich schwimmen, in der großen Spree, die sie hier Themse nennen, und in der das Wasser manchmal sogar hinauffließt und in der es nie alle wird, das ist schön! Ich hielt gestern Felix eine Rede im Wasser, ohngefähr so: Man schaue um sich wenn man die Augen nicht zu voll Waßer hat, und bewundre die Lage, nicht des Schwimmers, sondern der Umgegend – rechts ist der Pallast des Primaten von England, <persName xml:id="persName_a7b7a6d0-1152-4e42-97c5-dc58806113f6">des Erzbischofs von Canterbury<name key="PSN0112117" style="hidden">Howley, William (1766-1841)</name></persName>, der jetzt vielleicht gar über eine neue Clausel in der Irish Church Bill brütet, oder in seiner PrivatCapelle den lieben Gott um eine Zulage bittet, – der arme Mann! Und links ist des <persName xml:id="persName_d27e44f1-ed61-4c4a-b0b9-b86ab0826ec3">Speakers<name key="PSN0113056" style="hidden">Manners-Sutton, Charles 1st Viscount Canterbury (1780-1845)</name></persName> Haus, nicht des löschpapiernen <persName xml:id="persName_f472ce34-7178-4f39-a557-f27a216d197c">Berliners<name key="PSN0115023" style="hidden">Spiker, Samuel Heinrich (1786-1858)</name></persName> der hinter dem Gießhause wohnt, sondern <persName xml:id="persName_cbe17a6f-59e3-48fe-9f74-62fb129be668">des ersten Gentlemens von England<name key="PSN0113056" style="hidden">Manners-Sutton, Charles 1st Viscount Canterbury (1780-1845)</name></persName>, der Peer werden kann ehe man eine Hand umdreht oder gar PremierMinister werden, und der ins <placeName xml:id="placeName_4bb8f802-c543-4c2c-8cd1-08cfe0b959d5">Unterhaus<name key="NST0100416" style="hidden" subtype="" type="institution">House of Commons</name><settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> mit Schlafrock und Pantoffeln gehen könnte, wenn er dürfte, und gegen den sich kein M. P. rippelt, wenn er ruft: Order! Und in den beiden Häusern sind <placeName xml:id="placeName_b3365091-d8a3-41ef-aa52-05c16913b826">beide Häuser<name key="NST0100431" style="hidden" subtype="" type="institution">House of Lords</name><settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country><name key="NST0100416" style="hidden" subtype="" type="institution">House of Commons</name><settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName>, wo jetzt vielleicht die schönsten Reden fallen oder der treflichste Unsinn, die uns morgen früh beim Caffe so wohl thun, wo vielleicht <persName xml:id="persName_e3576d01-bf33-4b0d-82a7-3f9e302220c4">Lord Londonderry<name key="PSN0115128" style="hidden">Stewart, Charles William Vane (seit 1814) Baron S., (seit 1822) 3rd Marquess of Londonderry, (seit 1823) Earl Vane and Viscount Seeham (1778-1854)</name></persName> faselt, oder <persName xml:id="persName_9a552523-90e3-48cd-bd66-96e76117470d">Brougham<name key="PSN0110150" style="hidden">Brougham, Henry Peter (seit 1830) 1st Baron Brougham and Vaux (1778-1868)</name></persName> einen armen Teufel lebendig gerbt, oder <persName xml:id="persName_5417c352-db01-407c-a5af-6095d24b50ec">OConnel<name key="PSN0113632" style="hidden">O’Connell, Daniel (Dónall Ó Conaill) (1775-1847)</name></persName> sich blamirt, oder <persName xml:id="persName_6c12f2db-ee63-4ace-8bdd-50a31c1112c0">Dein Freund Hawse<name key="PSN0111783" style="hidden">Hawes, Sir Benjamin (1797-1862)</name></persName> für Lambeth spricht, während da unten seine Seife kocht und dampft, daß alle benachbarten Nasen sich darüber entsetzen. Und da drüben kucken die <placeName xml:id="placeName_d9909b76-faa8-42f9-82fb-7c344976e082">Thürme der Abtei<name key="SGH0100434" style="hidden" subtype="" type="sight">Westminster Abbey</name><settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> her, in der so viele todte Könige und lebendige Autoren begraben liegen, und wo man den König von England krönt, der freilich das nächstemal eine Königin ist. Und vor uns ist die große Brücke, wo uns eine ganze Menge Menschen mit Füßen treten wenn wir drunter durch schwimmen. Und hinter uns ist ein großer Theil von ganz England u. s. w. Ich glaube aber ich habe das Alles nicht gesagt, denn wenn ich schwimme, puste ich mehr als ich rede. –</p> <p>Jetzt hat der <title xml:id="title_435c71e2-1c16-4263-8789-c29a3746efcf">Tasso<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108851" style="hidden" type="dramatic_work">Torquato Tasso</name></title> einer Börsen- und FundsConversation Platz gemacht, bei der ich viel ruhiger schreibe. – In der Luft muß ein Gewitter gewesen seyn, es ist so hübsch kühl geworden, und die Engländerinnen sehen heut ganz göttlich aus, blaß und sehnsüchtig, als hätten sie sich die letzten drei Tage bei den Pariser drei Tagen ennüyirt. – A propos, wenn Sie in der Staatszeitung eine Ode auf den Sieg des <persName xml:id="persName_1a6af92a-ea10-487e-a573-1e3512f933d9">Admirals Napier<name key="PSN0113538" style="hidden">Napier, Sir Charles John (1786-1860)</name></persName> lesen, ist sie von mir. – Heute ging ich in Pallmall bei einem schönen Banquierhause vorbei, vor dem ein Miethwagen hielt, aus dem keine Leute stiegen, sondern lauter Geldsäcke, – große, schwere, – einige arme Kerle standen daneben, und sahen schlimm aus, mißgünstig, wild, – ein Savegarde drehte seine Orgel und es kam die Parisienne heraus, und sein Affe tanzte dazu erbärmlich – so nach allen Seiten aufmerkend und vorwärtsschreitend, wollte ich einige Kinder umgehn und überschreiten, aber ihre erschrockene Irländische Mutter rief drohend: Mind the Posterity! Aber die Revolution ist noch weit, wie ich am letzten Sonnabend gesehen habe. Da ging ich mit unserm jungen Verbinder in sechs Schnapsläden, Abends spät, um Bärme aufzusuchen, die damals noch zu Umschlägen für das Schienbein gebraucht wurde, und alle waren sie voll von Trinkenden, und die Bar-Maids sahen müde und verblüht aus vom vielen Einschenken. In den einen Laden kam eine verdrießliche Mutter mit ein paar verwachten Kindern, und wollte ihren Mann holen, der derweilen lustig sein eben bekommenes Wochenlohn versoff, sie schrie, die Schenkerinn zählte ihr Geld, die Kinder waren durstig, der Mann rief drinnen: Order – I say – <persName xml:id="persName_da44952b-0c8a-4543-bd0c-793010d89727">Lord Grey<name key="PSN0111533" style="hidden">Grey, Charles (gen. Viscount Howick) (seit 1807) 2nd Earl of (1764-1845)</name></persName> – Wir fanden den Ort erbärmlich, weder Bärme noch Erbarmen dort zu haben. –</p> <p>Ich bringe Ihnen jetzt das größte Opfer deßen man fähig seyn kann, – ich stehe vom Tische auf, an dem der <persName xml:id="persName_e775e3fd-f2a1-4a64-97b0-b62856964f4b">Stadtrath<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName>, Felix und <persName xml:id="persName_181edde8-805a-49de-8478-8a9e54104343">Rosen<name key="PSN0114283" style="hidden">Rosen (bis 1817: Ballhorn), Friedrich August (1805-1837)</name></persName> noch festiren, und suche fortzufahren. Es wird aber nicht gehen, meine Phantasie ist nicht mehr so blühend, man ißt und trinkt zu gut im <persName xml:id="persName_169cacb2-37f2-4767-b819-e780fef46491">Hôtel Heincke<name key="PSN0111829" style="hidden">Heinke, Gotthilf Friederich (Frederick) (1786-1871)</name></persName>, und wir haben neben dem guten Eßen noch sehr hungrigmachende Gespräche gepflogen. Ach, wir haben ein Beef gegeßen, deßen sich kein Ochse zu schämen hatte. Das Gelée hatte <persName xml:id="persName_166a9d86-7d8f-430d-a5a2-1c77435e3ec6">Madam Moscheles<name key="PSN0113436" style="hidden">Moscheles, Charlotte (1805-1889)</name></persName> geliefert, und wir wurden ganz feurig. Nebenbei ist <persName xml:id="persName_847b7b41-47ae-4300-9473-b8d49184a184">Rosen<name key="PSN0114283" style="hidden">Rosen (bis 1817: Ballhorn), Friedrich August (1805-1837)</name></persName> über einige scandalose Geschichten roth geworden.</p> <p>Wenn ich hier heraufkomme, gehe ich gewöhnlich durch den Laden, – die Nachbarn müßen glauben, entweder ich sey ein Koch oder ich kaufe mir eine Maße Keßel, Feuerzangen und allerlei Eß- und FeuerApparat zu einer eignen Haushaltung, – Sie wißens aber beßer; ich muß erst das große Loos haben.</p> <p>Ich muß würklich aufhören und lieber noch einige Gläser des braven Ports trinken, der heute alle werden muß, weil er morgen abschmäckig wird, was ich schon heute <seg type="closer" xml:id="seg_0a14a7ba-2797-454a-a100-cb4700ec10fe">bin. Leben Sie alle wohl und sehr wohl, Sie haben dort dasselbe tapfre Genesungstreffen geliefert was wir hier nachspielen wollen, und wo möglich überbieten.</seg></p> <signed rend="right">Immer der Ihrige</signed> <signed rend="right">CKlingemann</signed> </div> <div n="5" type="act_of_writing" xml:id="div_c9d49bbc-d31d-430a-aeca-bcfe5be25971"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent"><date cert="high" when="1833-07-30" xml:id="date_f051d4b0-b59a-4df6-8494-826951480785"><seg type="inline">d. 30</seg><hi rend="superscript">sten</hi><seg type="inline"> July.</seg></date> In so froher Stimmung wie die <persName xml:id="persName_447df88c-2999-465e-b3fc-d21ed3059a00">Klingemannsche<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> drüben, müßt Ihr Euch heut <persName xml:id="persName_0c009b53-fe46-430a-92c3-38af8d6198cb">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> und seine Umgebungen denken, und da wir denn doch einmal nun beiderseitig uns Bülletins schreiben müssen so ist es schön daß wir Eurem erwünschten Beispiel folgen können und die besten Nachrichten geben. Aber ist es nicht gar zu fatal, daß <persName xml:id="persName_416ce323-d273-4ff0-b74e-89dbb08861a7">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> nun schon seit beinahe 8 Tagen das Sopha hüten muß? Und ist nicht London den Beinen aus <persName xml:id="persName_de6ab501-f902-4d14-9352-66476fc67977">unsrer Familie<name key="PSN0113241" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</name></persName> sehr verhängnißvoll? Ich hab es freilich ungefähr 60mal so schlimm gehabt, als <persName xml:id="persName_2c5a505f-db18-4418-9b07-c12933fde45e">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName>, denn hoffentlich wird sein Stuben-Arrest schon in den nächsten Tagen aufgehoben, aber er möchte nun gar zu gern die Rückreise antreten, und davon wollen die <persName xml:id="persName_d627adfd-7896-4663-bbe5-410035606df9">Aerzte<name key="PSN0110143" style="hidden">Brodie, (seit 1834) Sir Benjamin Collins 1st Baronet (1783-1862)</name><name key="PSN0115161" style="hidden">Stone, Thomas Arthur (1797-1864)</name></persName> nicht eher, als in 14 Tagen sprechen hören. Das macht mich freilich sehr verstimmt, und ich weiß kaum ob ich mich so sehr gesehnt habe, <persName xml:id="persName_e0e755d8-3b06-47b9-8008-d50d86817e39">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> in London zu sehn, als ich ihn jetzt wieder auf dem Dampfboot wünsche, indessen ist <persName xml:id="persName_ba5d4d0f-82c5-4657-89b8-725f6403286f">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> jetzt so guter Laune und so liebenswürdig, daß nur der Gedanke an das unfreiwillige mich verstimmen kann. Zudem glaube ich unter uns, daß seine Lebensart (die vielen Früchte, Zuckerwasse[r …)] in allen Beziehungen ihm schädlich war, und daß er vielleicht das jetzt zu rechter Zeit noch erfahren hat, denn wie sehr gut ihm die Paar Tage stärkere Diät gethan haben könnt Ihr gar nicht glauben und die <persName xml:id="persName_1f1d5b05-342a-4830-bda1-f8fc8db6e5c6">Ärzte<name key="PSN0110143" style="hidden">Brodie, (seit 1834) Sir Benjamin Collins 1st Baronet (1783-1862)</name><name key="PSN0115161" style="hidden">Stone, Thomas Arthur (1797-1864)</name></persName> behaupten, er müsse niemals wieder davon lassen; sogar seine Augen sind besser und die Nerven stärker. Sonst ist zur Beschreibung die <persName xml:id="persName_0b8e27a1-e63b-4677-a596-f856dcd83aca">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> selbst giebt nicht hinzuzufügen, als eben die Bitte, nun wirklich Euch keinen Augenblick Unruhe zu geben, und nur die Ungeduld einige Wochen noch auszuhalten. Wir schreiben Euch jeden Posttag und geben so exacte, und hoffentlich auch so gute Bülletins wie heut. <seg type="closer" xml:id="seg_9764c99c-b996-428d-a3cc-2e0efaf63551">Verzeiht mir daß ich immer so schlecht schreibe, aber wie gesagt, ich bin ein Affe am Orinoko und kann nur grüßen und Euch Gutes wünschen.</seg></p> <signed rend="right">Felix MB</signed> </div> </body> </text></TEI>