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fmb-1833-02-13-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Klingemann in London <lb></lb>Berlin, 13. Februar 1833 Da aber kein Brief nach London gehn darf, ohne einige Zeilen an Dich, so erhältst Du trotz Deiner grimmigen Seitenblicke auf die freudige Post, heut wieder ein negatives Postgeld. Aber im Ernst schreib es auf, Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 3, 671

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Deutschland Düsseldorf D-DÜhh Düsseldorf, Heinrich-Heine-Institut - 98.5002 TG. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Klingemann in London; Berlin, 13. Februar 1833 Da aber kein Brief nach London gehn darf, ohne einige Zeilen an Dich, so erhältst Du trotz Deiner grimmigen Seitenblicke auf die freudige Post, heut wieder ein negatives Postgeld. Aber im Ernst schreib es auf,

2 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel, Zusatz von fremder Hand auf der Adressenseite: »Only Double-Limit (?)«.

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Abschrift, D-B, Musikabteilung, MA Nachl. 7,37,10. Klingemann, Briefwechsel, S. 110-112. J. A. Stargardt, Berlin, Katalog 653, Auktion 11. und 12. März 1993, Nr. 988 (Teildruck).

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

13. Februar 1833 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Berlin Deutschland Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862) London Großbritannien deutsch
C. Klingemann Esqu. London. 37 Bury Street, St James Hamburgh & steamboat
Zusatz von fremder Hand auf der Adresssenseite: »Only Double-Limit (?)«
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Berlin d. 13 Febr. 1833

Da aber kein Brief nach London gehn darf, ohne einige Zeilen an Dich, so erhältst Du trotz Deiner grimmigen Seitenblicke auf die freudige Post, heut wieder ein negatives Postgeld. Aber im Ernst schreib es auf, denn Du mußt mir sonst alle meine Engl. Briefe frankiren; ich will es Dir dann wiedergeben, was Du für AttwoodAttwood, Thomas (1765-1838), Mosch.Moscheles, Ignaz (Isack) (1794-1870), und NovelloNovello, Vincent (1781-1861) (in spe) auslegst; für Dich keinen pence. Nun wirst Du mit milderem Sinne lesen, daß hierin gar nichts stehn kann weil ich Dir gar nichts zu berichten weiß, es ist nur grade eine halbe Stunde vor Tische, also wollen wir die Zeit bis VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) kommt und von der Börse Glossen über die Thronrede mitbringt, mit einander zubringen. Ich freue mich wieder beim Frühstück eine ordentliche times zu lesen, nicht die verdammte löschpapierne mit ihren schlechten Übersetzungen, Lügen und Schmeicheleien; so lange die Zeitung auf solchem Papier erscheint, ist für Berlin nichts zu hoffen. Neulich war ich zum erstenmal in meinem Leben auf einem Subscriptionsball – o Klingemann! HenselHensel, Wilhelm (1794-1861) ist so arg rojalistisch, daß es jeden Abend die gräßlichsten Streitigkeiten giebt, aber auch ohne das, hat man Grund sich manchmal zu ärgern, das Stadtgespräch ist jetzt ein SchlosserKrüger, J. C., der sich während der Cholerazeit vor allen andern ausgezeichnet hat, durch persönliche Anstrengungen und Aufopferungen; jetzt werden Orden für die Leute die sich dabei verdient gemacht ausgetheilt, alle die bekommen den rothen Adler, die eine Art Rang oder Titel haben, der SchlosserKrüger, J. C. allein aber nur das Ehrenzeichen, und drüber wird der Mann verrückt. Es ist für beide Theile characteristisch und traurig, für die, die ihn nicht geben, und für den, der darüber in Verzweiflung geräth. – Heut ist DirichletsDirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859) Geburtstag, wo er von uns allen mit Zuckerwerk beschenkt wird, da er nächst der Algebra die Conditorei am höchsten stellt, zugleich ist auch Tante HinnisMendelssohn, Henriette (Hinni) (1776-1862) Geburtstag und da haben wir heut Abend den allergräulichsten Spas vor; wir hatten zu VatersMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) Geburtstag eine lustige Comödie, Scenen aus Was Ihr wollt<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564-1616)</name><name key="CRT0110873" style="hidden" type="dramatic_work">Was ihr wollt (Twelfth Night, or What You Will)</name>, wo Onkel JosephMendelssohn, Joseph (1770-1848) den Rülp, Alb. HeydemannHeydemann, Albert Gustav (1808-1877) den Bleichenwang, ich den Narren, BeckchenDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858) Maria<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564-1616)</name><name key="CRT0110873" style="hidden" type="dramatic_work">Was ihr wollt (Twelfth Night, or What You Will)</name> machte, das hat sich RöselRösel, Gottlob Samuel (1769-1843) gemerkt und zu heut Abend einen Witz in Knittelversen gedichtet, die einen Stein erbarmen möchten, so Berlinisch, so ungutmüthig und unnaiv und unerfreulich – ich weiß nicht ob Du seine Poesie kennst, kurz ich muß um 6 in den Narrenkleidern stecken, damit die Kinder, die mitspielen, nicht vorher einschlafen, und um 8 muß ich bei der DeckerDecker, Johanne Sophie Friederike Pauline (1812-1882) (ehmals Schätzel) sein, die mich heut zum erstenmal einlädt, da ich ihr im July eine Visite gemacht habe. Ich mach mir aber nichts daraus, lebe in Berlin und gehe hin. Wird Dir Berlinisch zu Muth? Vorgestern war bei WünschWünsch, Karl (1793-1837) viel Musik, da sangen Hr.Devrient, Philipp Eduard (1801-1877) und Mde. DevrientDevrient, Therese (1803-1882), und Mde. TürrschmiedtTürrschmidt, Auguste (1800-1866), und StümerStümer, Johann Daniel Heinrich (1789-1856), und die SchätzelDecker, Johanne Sophie Friederike Pauline (1812-1882) eine Oper von Curschmann<name key="PSN0110519" style="hidden" type="author">Curschmann, Carl Friedrich (1805-1841)</name><name key="CRT0108480" style="hidden" type="music">Abdul und Erinyeh oder Die Toten op. 12</name>, und unter den Zuhörern saß Mde. SieberSieber, Jenny, die ich lieb habe, weil wir ihr einmal einen Abend lang zusammen die Cour machten, (Du allein länger, glaub ich.) Auch Mde. Ernestine RobertRobert-Tornow, Ernestine (1794-1846) war da, und Mlle. SolmarSolmar, Henriette Marie (vorh. Jette Salomon) (1794-1889), die französisch sprach, und Louis RellstabRellstab, Heinrich Friedrich Ludwig (Louis) (1799-1860), der mich um Notizen zu meiner eignen Biographie für das Conversationslexicon bat (ich schrieb ihm, ich sey am 3ten Febr. geboren, außerdem sey mir noch nichts merkwürdiges passirt) und Herr RexRex, Johann Carl Friedrich (1780-1866), der jetzt BeethovenBeethoven, Ludwig van (1770-1827) lobt – wird Dir Berlinisch zu Muth? Ich vergelte Gutes mit Bösem, und wenn Du mich nach England versetzt, so gebe ich Dir dafür in meinen Briefen Berlin zu kosten. Willst Du die Beschreibung einer soirée, wo ich mich mit MünchhausenMünchhausen, Börries Wilhelm Freiherr von (1794-1849) über Dich unterhielt, und er Dich ganz unmäßig pries, ich kann ihn aber doch nicht ausstehen. Oder eine soirée bei JaquesJaques (Jacques), Friedrich Joseph, der mich jedesmal fragt, was MoschelesMoscheles, Ignaz (Isack) (1794-1870) schreibt, worauf ich ihm jedesmal antworte nichts, oder eines Montags bei CrelleCrelle, August Leopold (1780-1855), oder eines Mittwochs bei SchleiermacherSchleiermacher, Friedrich Daniel Ernst (1768-1834)? Bei Gott, das hübscheste Haus in Berlin machen FriedlaendersFriedländer, IrisFriedländer, Joseph (1786-?), ich war zweimal seit ich hier bin am alten Freitag da, und die alten Bilder und Zeichnungen, und das alte Clavier, und die alte schöne Stimme der kleinen FrauFriedländer, Iris, und die alte Freundlichkeit von JosephFriedländer, Joseph (1786-?), und die Menge neuer kleiner KinderchenFriedländer, Kinder von → Joseph F. und → Iris F. rührte mich fast; wenn ich ihn am jüngsten Tage nackt aus dem Grabe steigen sehe, so wird er mich fragen, ob ich nächsten Freitag zu ihm kommen werde. Eigentlich sind das glückliche Menschen, und ich denke oft, ob ich nicht sehr klug thäte, auch eiserne Töpfe zu verkaufen und unglaublich viel Kinder mir und andern zu verschaffen, und wenn Zukunft und Vergangenheit nicht wären, so thäte ichs am Ende. Einstweilen aber wollen wir ein wenig in der Welt umherschweifen, und wenn ich zurückkomme lädt mich PaulMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) in sein Haus, und ich küsse seinen jüngsten Jungen. Aber ist es nicht zum tollwerden? Ich schreibe ihm neulich einen freundlichen Brief, da er seit den Londoner Briefen die er mir schrieb, gebrummt und geschwiegen hatte, und sage ihm ich bedauerte, ihn nicht mehr hier zu sehen. Bekomme ich einen Hirtenbrief, einen wahren Kanzelbrief wieder „erMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) wolle nicht näher ergründen, weshalb ich meinem Vaterlande den Rücken wende, und da ich es einmal so wollte, so triebe er mich sogar dazu an, mein Pallästina zu suchen; das würde ich aber in England, wo man MozartMozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791) corriged by BishopBishop, (seit 1842) Sir Henry Rowley (1786-1855) gäbe nicht finden.“ Was soll ich nun sagen? Daß man Palästina mit einem l, und corriged gar nicht schreibt? Oder was sonst? O Gott, wie alt werden die Menschen! Wenn Du Dir und mir nicht noch ein lustig Stück Jugend aufbewahrtest, da wäre mir bange; aber wir beide zusammen, sehen das Ding schon klarer an, als manche. Es giebt junge Burschen von 70 (AttwoodAttwood, Thomas (1765-1838) ist so einer) und alte Männer von 14 (mein Neffe Arnold MendelssohnMendelssohn, Arnold Maximilian Albrecht (1817-1854) aus Schlesien, dem ich alle Sonntag früh um 8 eine Clavierstunde gebe, ist so einer) Ich wünsche PaulMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874), daß er nicht zu den letzten gehöre. – Was macht RosenRosen (bis 1817: Ballhorn), Friedrich August (1805-1837)? Mariane SaalingSaaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868), die seit mehreren Wochen unwohl ist, erzählt überall, er habe einen sehr verstimmten Brief an sieSaaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868) geschrieben; ich glaube, sie glaubt, man glaube er sey sehnsüchtig nach Berlin. Aber nein. Grüß den sehr großen Mann. Meine Sinfonie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ma0ches5-3td5-ekbk-fpco-if78d4htjfoi"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100342" style="hidden">Sinfonie A-Dur (»Italienische«) für Orchester, [Ende 1830] bis 13. März 1833; [Juni 1834 bis Anfang 1835]<idno type="MWV">N 16</idno><idno type="op">90</idno></name> geht vorwärts, und nach einem Sujet gucke ich mich um. Nun lebewohl, das Ende hab ich Nachmittag geschrieben, nun wird es dunkel, und ich muß ins Narrenkleid. Du siehst an dem Briefe daß ich wüthig und verstimmt bin und gern fluchen möchte; schreib mir eine besänftigende Antwort, ich werde gewiß in derselben Stimmung noch sein, oder wieder sein, wenn sie ankommt, dann thut sie gut und wirkt nach. Oder fluche mit, das ist auch besänftigend. Nun RöselscheRösel, Gottlob Samuel (1769-1843) Verse –

FMB.
            Berlin d. 13 Febr. 1833Da aber kein Brief nach London gehn darf, ohne einige Zeilen an Dich, so erhältst Du trotz Deiner grimmigen Seitenblicke auf die freudige Post, heut wieder ein negatives Postgeld. Aber im Ernst schreib es auf, denn Du mußt mir sonst alle meine Engl. Briefe frankiren; ich will es Dir dann wiedergeben, was Du für Attwood, Mosch., und Novello (in spe) auslegst; für Dich keinen pence. Nun wirst Du mit milderem Sinne lesen, daß hierin gar nichts stehn kann weil ich Dir gar nichts zu berichten weiß, es ist nur grade eine halbe Stunde vor Tische, also wollen wir die Zeit bis Vater kommt und von der Börse Glossen über die Thronrede mitbringt, mit einander zubringen. Ich freue mich wieder beim Frühstück eine ordentliche times zu lesen, nicht die verdammte löschpapierne mit ihren schlechten Übersetzungen, Lügen und Schmeicheleien; so lange die Zeitung auf solchem Papier erscheint, ist für Berlin nichts zu hoffen. Neulich war ich zum erstenmal in meinem Leben auf einem Subscriptionsball – o Klingemann! Hensel ist so arg rojalistisch, daß es jeden Abend die gräßlichsten Streitigkeiten giebt, aber auch ohne das, hat man Grund sich manchmal zu ärgern, das Stadtgespräch ist jetzt ein Schlosser, der sich während der Cholerazeit vor allen andern ausgezeichnet hat, durch persönliche Anstrengungen und Aufopferungen; jetzt werden Orden für die Leute die sich dabei verdient gemacht ausgetheilt, alle die bekommen den rothen Adler, die eine Art Rang oder Titel haben, der Schlosser allein aber nur das Ehrenzeichen, und drüber wird der Mann verrückt. Es ist für beide Theile characteristisch und traurig, für die, die ihn nicht geben, und für den, der darüber in Verzweiflung geräth. – Heut ist Dirichlets Geburtstag, wo er von uns allen mit Zuckerwerk beschenkt wird, da er nächst der Algebra die Conditorei am höchsten stellt, zugleich ist auch Tante Hinnis Geburtstag und da haben wir heut Abend den allergräulichsten Spas vor; wir hatten zu Vaters Geburtstag eine lustige Comödie, Scenen aus Was Ihr wollt, wo Onkel Joseph den Rülp, Alb. Heydemann den Bleichenwang, ich den Narren, Beckchen Maria machte, das hat sich Rösel gemerkt und zu heut Abend einen Witz in Knittelversen gedichtet, die einen Stein erbarmen möchten, so Berlinisch, so ungutmüthig und unnaiv und unerfreulich – ich weiß nicht ob Du seine Poesie kennst, kurz ich muß um 6 in den Narrenkleidern stecken, damit die Kinder, die mitspielen, nicht vorher einschlafen, und um 8 muß ich bei der Decker (ehmals Schätzel) sein, die mich heut zum erstenmal einlädt, da ich ihr im July eine Visite gemacht habe. Ich mach mir aber nichts daraus, lebe in Berlin und gehe hin. Wird Dir Berlinisch zu Muth? Vorgestern war bei Wünsch viel Musik, da sangen Hr. und Mde. Devrient, und Mde. Türrschmiedt, und Stümer, und die Schätzel eine Oper von Curschmann, und unter den Zuhörern saß Mde. Sieber, die ich lieb habe, weil wir ihr einmal einen Abend lang zusammen die Cour machten, (Du allein länger, glaub ich. ) Auch Mde. Ernestine Robert war da, und Mlle. Solmar, die französisch sprach, und Louis Rellstab, der mich um Notizen zu meiner eignen Biographie für das Conversationslexicon bat (ich schrieb ihm, ich sey am 3ten Febr. geboren, außerdem sey mir noch nichts merkwürdiges passirt) und Herr Rex, der jetzt Beethoven lobt – wird Dir Berlinisch zu Muth? Ich vergelte Gutes mit Bösem, und wenn Du mich nach England versetzt, so gebe ich Dir dafür in meinen Briefen Berlin zu kosten. Willst Du die Beschreibung einer soirée, wo ich mich mit Münchhausen über Dich unterhielt, und er Dich ganz unmäßig pries, ich kann ihn aber doch nicht ausstehen. Oder eine soirée bei Jaques, der mich jedesmal fragt, was Moscheles schreibt, worauf ich ihm jedesmal antworte nichts, oder eines Montags bei Crelle, oder eines Mittwochs bei Schleiermacher? Bei Gott, das hübscheste Haus in Berlin machen Friedlaenders, ich war zweimal seit ich hier bin am alten Freitag da, und die alten Bilder und Zeichnungen, und das alte Clavier, und die alte schöne Stimme der kleinen Frau, und die alte Freundlichkeit von Joseph, und die Menge neuer kleiner Kinderchen rührte mich fast; wenn ich ihn am jüngsten Tage nackt aus dem Grabe steigen sehe, so wird er mich fragen, ob ich nächsten Freitag zu ihm kommen werde. Eigentlich sind das glückliche Menschen, und ich denke oft, ob ich nicht sehr klug thäte, auch eiserne Töpfe zu verkaufen und unglaublich viel Kinder mir und andern zu verschaffen, und wenn Zukunft und Vergangenheit nicht wären, so thäte ichs am Ende. Einstweilen aber wollen wir ein wenig in der Welt umherschweifen, und wenn ich zurückkomme lädt mich Paul in sein Haus, und ich küsse seinen jüngsten Jungen. Aber ist es nicht zum tollwerden? Ich schreibe ihm neulich einen freundlichen Brief, da er seit den Londoner Briefen die er mir schrieb, gebrummt und geschwiegen hatte, und sage ihm ich bedauerte, ihn nicht mehr hier zu sehen. Bekomme ich einen Hirtenbrief, einen wahren Kanzelbrief wieder „er wolle nicht näher ergründen, weshalb ich meinem Vaterlande den Rücken wende, und da ich es einmal so wollte, so triebe er mich sogar dazu an, mein Pallästina zu suchen; das würde ich aber in England, wo man Mozart corriged by Bishop gäbe nicht finden. “ Was soll ich nun sagen? Daß man Palästina mit einem l, und corriged gar nicht schreibt? Oder was sonst? O Gott, wie alt werden die Menschen! Wenn Du Dir und mir nicht noch ein lustig Stück Jugend aufbewahrtest, da wäre mir bange; aber wir beide zusammen, sehen das Ding schon klarer an, als manche. Es giebt junge Burschen von 70 (Attwood ist so einer) und alte Männer von 14 (mein Neffe Arnold Mendelssohn aus Schlesien, dem ich alle Sonntag früh um 8 eine Clavierstunde gebe, ist so einer) Ich wünsche Paul, daß er nicht zu den letzten gehöre. – Was macht Rosen? Mariane Saaling, die seit mehreren Wochen unwohl ist, erzählt überall, er habe einen sehr verstimmten Brief an sie geschrieben; ich glaube, sie glaubt, man glaube er sey sehnsüchtig nach Berlin. Aber nein. Grüß den sehr großen Mann. Meine Sinfonie geht vorwärts, und nach einem Sujet gucke ich mich um. Nun lebewohl, das Ende hab ich Nachmittag geschrieben, nun wird es dunkel, und ich muß ins Narrenkleid. Du siehst an dem Briefe daß ich wüthig und verstimmt bin und gern fluchen möchte; schreib mir eine besänftigende Antwort, ich werde gewiß in derselben Stimmung noch sein, oder wieder sein, wenn sie ankommt, dann thut sie gut und wirkt nach. Oder fluche mit, das ist auch besänftigend. Nun Röselsche Verse –
FMB.          
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1833-02-13" xml:id="date_e8bcf279-0156-49ea-8aff-1cff6006b277">13. Februar 1833</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_301beb97-e3eb-4c45-916a-3566f13874d8">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_de9174df-d04c-495c-9387-80f732f6aa72"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0112434" resp="receiver" xml:id="persName_f82e8010-6d43-4e43-935c-29161d9539af">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_1284857e-cc46-41f3-897a-b3702c7be02f"> <settlement key="STM0100126">London</settlement> <country>Großbritannien</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_44b5d718-b96e-43b3-b463-483139cd5294"> <head> <address> <addrLine>C. Klingemann</addrLine> <addrLine>Esqu.</addrLine> <addrLine>London.</addrLine> <addrLine>37 Bury Street, S<hi rend="superscript">t</hi> James</addrLine> <addrLine>Hamburgh &amp; steamboat</addrLine> </address> </head> </div> <div type="annotation" xml:id="div_989f52f6-c9f5-4137-b99f-f76c39735280"> <note type="other-third-party-annotation" xml:id="note_5d6635ed-958e-473c-86e1-b919ed9d7cda">Zusatz von fremder Hand auf der Adresssenseite: »Only Double-Limit (?)«</note> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_0b999571-e48e-4d87-a6ae-d4f0889cd60c"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Berlin d. <date cert="high" when="1833-02-13" xml:id="date_28e2c8f5-aa1a-4311-97fe-d5dba157c9b6">13 Febr. 1833</date></dateline><p style="paragraph_without_indent">Da aber kein Brief nach London gehn darf, ohne einige Zeilen an Dich, so erhältst Du trotz Deiner grimmigen Seitenblicke auf die freudige Post, heut wieder ein negatives Postgeld. Aber im Ernst schreib es auf, denn Du mußt mir sonst alle meine Engl. Briefe frankiren; ich will es Dir dann wiedergeben, was Du für <persName xml:id="persName_b16dec5f-2da2-488e-b7a1-039b11013813">Attwood<name key="PSN0109576" style="hidden">Attwood, Thomas (1765-1838)</name></persName>, <persName xml:id="persName_7b43537f-f636-4eb1-a5fd-b4c796a530f6">Mosch.<name key="PSN0113441" style="hidden">Moscheles, Ignaz (Isack) (1794-1870)</name></persName>, und <persName xml:id="persName_3cf063f4-bf0c-4cd3-a886-14bfb45efd62">Novello<name key="PSN0113627" style="hidden">Novello, Vincent (1781-1861)</name></persName> (in spe) auslegst; für Dich keinen pence. Nun wirst Du mit milderem Sinne lesen, daß hierin gar nichts stehn kann weil ich Dir gar nichts zu berichten weiß, es ist nur grade eine halbe Stunde vor Tische, also wollen wir die Zeit bis <persName xml:id="persName_6c0c2eb5-447a-4d0b-a486-918bba979c76">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> kommt und von der Börse Glossen über die Thronrede mitbringt, mit einander zubringen. Ich freue mich wieder beim Frühstück eine ordentliche times zu lesen, nicht die verdammte löschpapierne mit ihren schlechten Übersetzungen, Lügen und Schmeicheleien; so lange die Zeitung auf solchem Papier erscheint, ist für Berlin nichts zu hoffen. Neulich war ich zum erstenmal in meinem Leben auf einem Subscriptionsball – o Klingemann! <persName xml:id="persName_ee5bbbcc-1c7e-406a-8749-0e465081ff36">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> ist so arg rojalistisch, daß es jeden Abend die gräßlichsten Streitigkeiten giebt, aber auch ohne das, hat man Grund sich manchmal zu ärgern, das Stadtgespräch ist jetzt ein <persName xml:id="persName_ed40f341-65da-4aec-b604-bcda4137d4c4">Schlosser<name key="PSN0112565" style="hidden">Krüger, J. C.</name></persName>, der sich während der Cholerazeit vor allen andern ausgezeichnet hat, durch persönliche Anstrengungen und Aufopferungen; jetzt werden Orden für die Leute die sich dabei verdient gemacht ausgetheilt, alle die bekommen den rothen Adler, die eine Art Rang oder Titel haben, der <persName xml:id="persName_0dcdbc8c-da8f-44c4-b3fa-f794c97a7a43">Schlosser<name key="PSN0112565" style="hidden">Krüger, J. C.</name></persName> allein aber nur das Ehrenzeichen, und drüber wird der Mann verrückt. Es ist für beide Theile characteristisch und traurig, für die, die ihn nicht geben, und für den, der darüber in Verzweiflung geräth. – Heut ist <persName xml:id="persName_e2fb0e40-de29-406d-b8be-d0e96de14802">Dirichlets<name key="PSN0110672" style="hidden">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859)</name></persName> Geburtstag, wo er von uns allen mit Zuckerwerk beschenkt wird, da er nächst der Algebra die Conditorei am höchsten stellt, zugleich ist auch <persName xml:id="persName_2510628f-2083-4c30-b095-6a06cc424801">Tante Hinnis<name key="PSN0113223" style="hidden">Mendelssohn, Henriette (Hinni) (1776-1862)</name></persName> Geburtstag und da haben wir heut Abend den allergräulichsten Spas vor; wir hatten zu <persName xml:id="persName_9a461c41-b270-4e39-89ff-a4d374e6f1ba">Vaters<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> Geburtstag eine lustige Comödie, <title xml:id="title_c2a4282b-2091-4eb5-b254-f90789f6887c">Scenen aus Was Ihr wollt<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564-1616)</name><name key="CRT0110873" style="hidden" type="dramatic_work">Was ihr wollt (Twelfth Night, or What You Will)</name></title>, wo <persName xml:id="persName_734e443c-aed5-4dc4-9e80-c40a3c1e68c0">Onkel Joseph<name key="PSN0113227" style="hidden">Mendelssohn, Joseph (1770-1848)</name></persName> den Rülp, <persName xml:id="persName_aa4d960d-81d1-4909-ab2d-d40fcd9035cf">Alb. Heydemann<name key="PSN0111960" style="hidden">Heydemann, Albert Gustav (1808-1877)</name></persName> den Bleichenwang, ich den Narren, <persName xml:id="persName_0a0a5f97-f626-4753-ac0a-3c75331fe714">Beckchen<name key="PSN0110673" style="hidden">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> <title xml:id="title_17056eaf-78a5-4a32-b0fe-f6802c54c05c">Maria<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564-1616)</name><name key="CRT0110873" style="hidden" type="dramatic_work">Was ihr wollt (Twelfth Night, or What You Will)</name></title> machte, das hat sich <persName xml:id="persName_70f4d73c-2417-4489-94b3-d3abd9a75c80">Rösel<name key="PSN0114280" style="hidden">Rösel, Gottlob Samuel (1769-1843)</name></persName> gemerkt und zu heut Abend einen Witz in Knittelversen gedichtet, die einen Stein erbarmen möchten, so Berlinisch, so ungutmüthig und unnaiv und unerfreulich – ich weiß nicht ob Du seine Poesie kennst, kurz ich muß um 6 in den Narrenkleidern stecken, damit die Kinder, die mitspielen, nicht vorher einschlafen, und um 8 muß ich bei der <persName xml:id="persName_6e4e86e7-f544-4bfd-bdfa-12e256e740d5">Decker<name key="PSN0110583" style="hidden">Decker, Johanne Sophie Friederike Pauline (1812-1882)</name></persName> (ehmals Schätzel) sein, die mich heut zum erstenmal einlädt, da ich ihr im July eine Visite gemacht habe. Ich mach mir aber nichts daraus, lebe in Berlin und gehe hin. Wird Dir Berlinisch zu Muth? Vorgestern war bei <persName xml:id="persName_b3f2ff58-d8b2-4fb2-b8d9-d2aa37ff7677">Wünsch<name key="PSN0115895" style="hidden">Wünsch, Karl (1793-1837)</name></persName> viel Musik, da sangen <persName xml:id="persName_328c14d9-6440-45a1-a2c4-9de06440279b">Hr.<name key="PSN0110637" style="hidden">Devrient, Philipp Eduard (1801-1877)</name></persName> und <persName xml:id="persName_cb386b98-f33c-4f5a-abfd-df6d981d5b12">Mde. Devrient<name key="PSN0110639" style="hidden">Devrient, Therese (1803-1882)</name></persName>, und <persName xml:id="persName_3ec5f9d2-5dcb-48eb-a57d-7f1781c264e9">Mde. Türrschmiedt<name key="PSN0115410" style="hidden">Türrschmidt, Auguste (1800-1866)</name></persName>, und <persName xml:id="persName_541d361f-f4ab-425a-94f8-aeddc7e5c91f">Stümer<name key="PSN0115193" style="hidden">Stümer, Johann Daniel Heinrich (1789-1856)</name></persName>, und die <persName xml:id="persName_e489bbc2-27b6-4e48-a59d-0feaae2bf6b1">Schätzel<name key="PSN0110583" style="hidden">Decker, Johanne Sophie Friederike Pauline (1812-1882)</name></persName> eine <title xml:id="title_012e1cd1-cb8c-44c6-a42c-6d4a5f6661a9">Oper von Curschmann<name key="PSN0110519" style="hidden" type="author">Curschmann, Carl Friedrich (1805-1841)</name><name key="CRT0108480" style="hidden" type="music">Abdul und Erinyeh oder Die Toten op. 12</name></title>, und unter den Zuhörern saß <persName xml:id="persName_4a9992d5-f6cf-493c-ab54-8b077c354407">Mde. Sieber<name key="PSN0114901" style="hidden">Sieber, Jenny</name></persName>, die ich lieb habe, weil wir ihr einmal einen Abend lang zusammen die Cour machten, (Du allein länger, glaub ich.) Auch <persName xml:id="persName_bc9691d1-ea17-4f43-bf77-580778abaa32">Mde. Ernestine Robert<name key="PSN0114235" style="hidden">Robert-Tornow, Ernestine (1794-1846)</name></persName> war da, und <persName xml:id="persName_0dff98ad-eda8-4f78-896c-c861edfff7de">Mlle. Solmar<name key="PSN0114964" style="hidden">Solmar, Henriette Marie (vorh. Jette Salomon) (1794-1889)</name></persName>, die französisch sprach, und <persName xml:id="persName_3bae6b56-a49a-4d99-8dd4-a0c8b595178c">Louis Rellstab<name key="PSN0114136" style="hidden">Rellstab, Heinrich Friedrich Ludwig (Louis) (1799-1860)</name></persName>, der mich um Notizen zu meiner eignen Biographie für das Conversationslexicon bat (ich schrieb ihm, ich sey am 3<hi rend="superscript">ten</hi> Febr. geboren, außerdem sey mir noch nichts merkwürdiges passirt) und <persName xml:id="persName_9ecf8b54-20f1-48a4-a358-d3569fc01b03">Herr Rex<name key="PSN0114147" style="hidden">Rex, Johann Carl Friedrich (1780-1866)</name></persName>, der jetzt <persName xml:id="persName_77dcd3fc-2493-4a38-a813-78953c0f6d4c">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> lobt – wird Dir Berlinisch zu Muth? Ich vergelte Gutes mit Bösem, und wenn Du mich nach England versetzt, so gebe ich Dir dafür in meinen Briefen Berlin zu kosten. Willst Du die Beschreibung einer soirée, wo ich mich mit <persName xml:id="persName_9e6e61c5-994c-4992-b756-9c05fb8a9d35">Münchhausen<name key="PSN0113512" style="hidden">Münchhausen, Börries Wilhelm Freiherr von (1794-1849)</name></persName> über Dich unterhielt, und er Dich ganz unmäßig pries, ich kann ihn aber doch nicht ausstehen. Oder eine soirée bei <persName xml:id="persName_e7982c8a-bbb3-451e-b91c-f507c39f1ebe">Jaques<name key="PSN0112215" style="hidden">Jaques (Jacques), Friedrich Joseph</name></persName>, der mich jedesmal fragt, was <persName xml:id="persName_9c2b543d-1c9e-47c7-81e0-7584a2811c62">Moscheles<name key="PSN0113441" style="hidden">Moscheles, Ignaz (Isack) (1794-1870)</name></persName> schreibt, worauf ich ihm jedesmal antworte nichts, oder eines Montags bei <persName xml:id="persName_0b4acc5b-f161-419c-bd24-9fc47602f68b">Crelle<name key="PSN0110497" style="hidden">Crelle, August Leopold (1780-1855)</name></persName>, oder eines Mittwochs bei <persName xml:id="persName_3ee5d87a-26df-4b4e-a694-9e298604e92d">Schleiermacher<name key="PSN0114564" style="hidden">Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst (1768-1834)</name></persName>? Bei Gott, das hübscheste Haus in Berlin machen <persName xml:id="persName_3462e64c-2bd5-432f-81ee-6cb4b03a2d85">Friedlaenders<name key="PSN0111204" style="hidden">Friedländer, Iris</name><name key="PSN0111205" style="hidden">Friedländer, Joseph (1786-?)</name></persName>, ich war zweimal seit ich hier bin am alten Freitag da, und die alten Bilder und Zeichnungen, und das alte Clavier, und die alte schöne Stimme der <persName xml:id="persName_14bbe997-e342-4ebe-aa2c-2e80001a0602">kleinen Frau<name key="PSN0111204" style="hidden">Friedländer, Iris</name></persName>, und die alte Freundlichkeit von <persName xml:id="persName_a1c9b1c2-768c-4087-8440-6e36cb12893c">Joseph<name key="PSN0111205" style="hidden">Friedländer, Joseph (1786-?)</name></persName>, und die <persName xml:id="persName_c3faf228-0d31-452f-83ea-28f33ab1936e">Menge neuer kleiner Kinderchen<name key="PSN0111200" style="hidden">Friedländer, Kinder von → Joseph F. und → Iris F.</name></persName> rührte mich fast; wenn ich ihn am jüngsten Tage nackt aus dem Grabe steigen sehe, so wird er mich fragen, ob ich nächsten Freitag zu ihm kommen werde. Eigentlich sind das glückliche Menschen, und ich denke oft, ob ich nicht sehr klug thäte, auch eiserne Töpfe zu verkaufen und unglaublich viel Kinder mir und andern zu verschaffen, und wenn Zukunft und Vergangenheit nicht wären, so thäte ichs am Ende. Einstweilen aber wollen wir ein wenig in der Welt umherschweifen, und wenn ich zurückkomme lädt mich <persName xml:id="persName_33cec695-dd79-430f-866d-f21f9b7c877d">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> in sein Haus, und ich küsse seinen jüngsten Jungen. Aber ist es nicht zum tollwerden? Ich schreibe ihm neulich einen freundlichen Brief, da er seit den Londoner Briefen die er mir schrieb, gebrummt und geschwiegen hatte, und sage ihm ich bedauerte, ihn nicht mehr hier zu sehen. Bekomme ich einen Hirtenbrief, einen wahren Kanzelbrief wieder „<persName xml:id="persName_4b105f8e-8271-4c53-99b4-11014039a406">er<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> wolle nicht näher ergründen, weshalb ich meinem Vaterlande den Rücken wende, und da ich es einmal so wollte, so triebe er mich sogar dazu an, mein Pallästina zu suchen; das würde ich aber in England, wo man <persName xml:id="persName_447b22e6-7991-4302-a7fb-12b0298eeb3e">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName> corriged by <persName xml:id="persName_f0d14124-d9b6-467d-a125-23228afac87c">Bishop<name key="PSN0109963" style="hidden">Bishop, (seit 1842) Sir Henry Rowley (1786-1855)</name></persName> gäbe nicht finden.“ Was soll ich nun sagen? Daß man Palästina mit <hi rend="underline">einem</hi> l, und corriged gar nicht schreibt? Oder was sonst? O Gott, wie alt werden die Menschen! Wenn Du Dir und mir nicht noch ein lustig Stück Jugend aufbewahrtest, da wäre mir bange; aber wir beide zusammen, sehen das Ding schon klarer an, als manche. Es giebt junge Burschen von 70 (<persName xml:id="persName_5702a34f-7cb1-4468-bcce-69689fe7c2c5">Attwood<name key="PSN0109576" style="hidden">Attwood, Thomas (1765-1838)</name></persName> ist so einer) und alte Männer von 14 (<persName xml:id="persName_513ff22e-ea3f-4ace-8d21-52a361ad74de">mein Neffe Arnold Mendelssohn<name key="PSN0113216" style="hidden">Mendelssohn, Arnold Maximilian Albrecht (1817-1854)</name></persName> aus Schlesien, dem ich alle Sonntag früh um 8 eine Clavierstunde gebe, ist so einer) Ich wünsche <persName xml:id="persName_04f39075-90ee-4e35-858d-9d497656304f">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName>, daß er nicht zu den letzten gehöre. – Was macht <persName xml:id="persName_b0ef8b15-efd4-4401-b304-645ee5965c00">Rosen<name key="PSN0114283" style="hidden">Rosen (bis 1817: Ballhorn), Friedrich August (1805-1837)</name></persName>? <persName xml:id="persName_412d7d50-dbaa-491e-9e3b-1e1dc89e80f7">Mariane Saaling<name key="PSN0114390" style="hidden">Saaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868)</name></persName>, die seit mehreren Wochen unwohl ist, erzählt überall, er habe einen sehr verstimmten Brief an <persName xml:id="persName_d6ecf212-96ed-461b-95a2-6f2b708fcf34">sie<name key="PSN0114390" style="hidden">Saaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868)</name></persName> geschrieben; ich glaube, sie glaubt, man glaube er sey sehnsüchtig nach Berlin. Aber nein. Grüß den sehr großen Mann. <title xml:id="title_15a8c952-d6dc-44db-95a6-556beb2da1c1">Meine Sinfonie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ma0ches5-3td5-ekbk-fpco-if78d4htjfoi"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100342" style="hidden">Sinfonie A-Dur (»Italienische«) für Orchester, [Ende 1830] bis 13. März 1833; [Juni 1834 bis Anfang 1835]<idno type="MWV">N 16</idno><idno type="op">90</idno></name></title> geht vorwärts, und nach einem Sujet gucke ich mich um. Nun lebewohl, das Ende hab ich Nachmittag geschrieben, nun wird es dunkel, und ich muß ins Narrenkleid. Du siehst an dem Briefe daß ich wüthig und verstimmt bin und gern fluchen möchte; schreib mir eine besänftigende Antwort, ich werde gewiß in derselben Stimmung noch sein, oder wieder sein, wenn sie ankommt, dann thut sie gut und wirkt nach. Oder fluche mit, das ist auch besänftigend. Nun <persName xml:id="persName_86fa8bc3-2596-4618-a7d4-44721bbfd549">Röselsche<name key="PSN0114280" style="hidden">Rösel, Gottlob Samuel (1769-1843)</name></persName> Verse –</p><signed rend="right">FMB.</signed></div></body> </text></TEI>