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fmb-1832-04-16-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy und Carl August Dohrn an Heinrich Joseph Baermann in München<lb></lb>Paris, 16. April 1832 -chene Geschichte vollends auserzählen. Die Clarinettisten sind hier nämlich in einem schlechten Zustande, so daß im Orchester des Conservatoire, das sonst in den meisten Beziehungen sehr vortrefflich ist, zwei Clarinettspieler sitzen, die Dir nicht den Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Dohrn, Carl August (1806-1892) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Dohrn, Carl August (1806-1892)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 2, 529

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Deutschland Berlin D-B Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Musikabteilung N. Mus. ep. 476. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy und Carl August Dohrn an Heinrich Joseph Baermann in München; Paris, 16. April 1832 -chene Geschichte vollends auserzählen. Die Clarinettisten sind hier nämlich in einem schlechten Zustande, so daß im Orchester des Conservatoire, das sonst in den meisten Beziehungen sehr vortrefflich ist, zwei Clarinettspieler sitzen, die Dir nicht den

4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Möglicherweise entstand der erste Briefabschnitt bis Z. 39 schon vor dem 16. April 1832. Die Z. 6 erwähnte Pastoralsinfonie von Ludwig van Beethoven hatte Felix Mendelssohn Bartholdy am 18. März 1832 gehört. Er könnte den Brief demnach bereits nach dem 18. März 1832 begonnen haben.

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Abschrift, D-B, Musikabteilung, MA Nachl. 7,79/1,2. Nohl, Musiker-Briefe, S. 309-312.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

16. April 1832 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Dohrn, Carl August (1806-1892)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Dohrn, Carl August (1806-1892) Paris Frankreich Baermann, Heinrich Joseph (1784-1847) München Deutschland deutsch
Mr. Mr. H. Baermann membre de la chapelle de S. M. le roi de Bavière Munich (Carlsstrasse) franco
Dohrn, Carl August (1806–1892) Dohrn, Carl August (1806–1892)

-chene Geschichte vollends auserzählen. Die Clarinettisten sind hier nämlich in einem schlechten Zustande, so daß im Orchester des ConservatoireConservatoire de MusiqueParisFrankreich, das sonst in den meisten Beziehungen sehr vortrefflich ist, zwei Clarinettspieler sitzen, die Dir nicht den Rock ausklopfen dürften, wenn es in der Welt nach Ton, Vortrag, Ansatz und Billigkeit ginge. Nun setzt der erste davon neulich im Menuett der Pastoralsinfonie<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108067" style="hidden" type="music">6. Sinfonie F-Dur, op. 68 (»Pastorale«)</name> einen Tact zu früh mit seinem Solo ein, tutet auch munter immer weiter und merkt gar nicht, daß es infam klingt, daß mehrere im Publikum, unter andern Dein unterschriebner, schlimme Gesichter schneiden, daß der DirectorHabeneck, François-Antoine (1781-1849) Leibschmerzen bekommt, drauf soll das Horn kommen, es erschrickt aber und kommt nicht, drauf erschrecken die Geigen auch und spielen immer sachter, drauf wird es einer Katzenmusik immer ähnlicher, alle sind heraus und nur ein naher 2 4 Tact rettet sie von der Schande ganz aufzuhören und noch einmal anzufangen. Als ich da nach Hause ging war es sehr natürlich, daß ich mir die Geschichte überdachte und für mich ausrief: es ist zum Hinwerden, und mich gleich entschloß an Dich zu schreiben, Dir alles mitzutheilen und Dich zu fragen, ob Du damit zufrieden wärst, daß es in der Pariser Clarinettenwelt so schabig aussieht. Denn der Kerl ist Professor am ConservatoireConservatoire de MusiqueParisFrankreich und soll der beste hier sein und heißt glaub’ ich DacostaDacosta, Isaac François (eigtl. Franco) (1778-1866). Im Ernst aber hättest Du gar keine Lust, hier eine Clarinettenpflanzschule anzulegen? Ich dächte, es wäre sehr gescheut, und müßte gut gehen; Du hattest ohnehin das Project einmal nach Paris wieder zu gehen, da fordere ich Dich denn aus allen Kräften auf, das ja zu thun, denn es fehlt ihnen an jeder guten Idee von Deinem Instrumente und so würden sie es doppelt zu schätzen wissen; auch wäre es dann sehr gut, dächt’ ich, wenn Du einen Deiner Schüler, z. B. Deinen Sohn CarlBaermann, Carl (II) (1782-1842) mitbrächtest, denn ich wäre überzeugt, daß er hier leicht eine gute und ehrenvolle Existenz finden könnte. Dies ist natürlich nur ein Vorschlag aber ich wollte Du überlegtest ihn; da Du ohnehin mir auftrugst mich umzusehen und Dir zu schreiben, wenn ich etwas für den CarlBaermann, Carl (II) (1782-1842) fände, so thue ich es hiemit, dies scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein. Bei LeitrumLeutrum von Ertingen, Carl Emanuel Victor Philipp Graf (1782-1842) habe ich vorigen Herbst auch darauf angetippt, und gesagt es würde Dir eine Anstellung für Deinen Sohn erwünscht sein, er schien auch sehr eingenommen von seinem Spiel und lobte ihn sehr, ich weiß aber nicht, ob was darauf erfolgt ist; es schien im Orchester schon besetzt zu sein. LindpaintnerLindpaintner, Peter Joseph (seit 1844) von (1791-1856) hab’ ich in den Paar Tagen viel gesehn, und liebgewonnen; Du hast Recht was Du von ihm sagtest, er ist Dir aber auch gar sehr zugethan, und wenn Du mit hingereis’t wärest, so wär’ es gar prächtig geworden. Ich denke aber auf jeden Fall noch einmal hinzukommen, und dort nach Kräften Musik, Cour und dumme Streiche zu machen, dann müssen wir zusammen hin. Und nun will ich meinen Brief anfangen.

Carl August Dohrn Paris d. 16ten April 1832.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Lieber alter Baermann und Freund!

Obiges ist die Fortsetzung der angefangenen Geschichte aus Rom, und DohrnDohrn, Carl August (1806-1892), der dazu kam, wollte auch das Seinige thun und schrieb die Nachschrift. Wie lange hab’ ich nichts von Dir gehört! Vor allen Dingen muß ich mich nun entschuldigen, Dir so lange nicht geschrieben zu haben. Nimm mirs nicht übel, lieber Kerl, aber es war unmöglich. Ich war so verdrießlich, wie ein Meerschweinchen, und fühlte mich so unwohl, wie ein Fisch im Sande, den ganzen Winter hindurch. Immer fehlte mir etwas, und so bin ich endlich in der letzten Zeit ordentlich krank geworden, mußte im Bett liegen, meinen Bauch von einer alten Frau reiben lassen, warme Tücher tragen, viel schwitzen, nichts essen, viele Besuche und Mitleid annehmen, Alles zum Teufel wünschen, Münzpillen nehmen, mich langweilen, und somit meinen Ärger, mein Bauchweh und die anziehende Cholera, die ich bekommen sollte, ausschwitzen. Nun hab’ ich ausgeschwitzt, fühle mich zum erstenmale seit mehreren Monaten frey und munter, und da schreib ich Dir denn gleich, Du prächtiger Clarinettenbär und Mann. Ich gäbe zu Zeiten (z. B. jetzt) ganz Paris drum, nur einen Augenblick jene süße Welt bezaubernder Töne, Tönchen und Tönchenchenchen hören zu können, die Deinem hölzernen Instrumente so luftig, duftig, weise, leise, friedlich, niedlich, lebend, bebend, fließend, sprießend, grüßend, umschließend, entströmen und sehr gut klingen. Aber keine Complimente die Wahrheit ist, daß ich mich, wie ein Spitz darauf freue, Dich einmal wieder zu sehen. Ich habe den Winter sehr dumm zugebracht, zwischen Kränklichkeit und der langen Weile der hiesigen Cirkel. Die hole der Teufel. Ich bin niemals recht zu mir selbst gekommen, und zu andern auch nicht. Dennoch ist manches neue componirt worden, ich gebe jetzt in Leipzig einen ganzen Stoß neuer Sachen heraus, die mich zu einem sehr berühmten Manne machen sollen. Wahrscheinlich wirst Du nichts davon zu hören bekommen, und der Ruhm wird incognito bleiben. Ich habe hier auch Einiges öffentlich aufführen lassen und einigemal gespielt. Die Pariser klatschten und erhoben mich, und einige Musiker schnitten mir grimmige Gesichter hinterher; ich habe also Effect gemacht. Jetzt ist aber seit einigen Wochen Alles vorbei, die Cholera hat entsetzlich hier geras’t, und die Leute denken nicht mehr an Musik, nur an Kolik. Wer reisen konnte, ist gereis’t, die andern gehn Abends nicht aus, und hätte ich mir nicht meinen Bauch von einer alten Frau reiben lassen müssen, so wäre ich längst fort. Hoffentlich reise ich aber nun in den nächsten Tagen nach London. Dort ist die Cholera ganz vorbei; übrigens stimmen auch hier alle überein, daß sie zu heilen sei, wenn man, sobald man sich unwohl fühlt, zu Hause bleibt, sich warm hält und in Acht nimmt. Merke Dir es, im Falle sie (was ich nun nicht glaube) zu Euch käme, halt Dich warm, und behandle jede Diarrhoe mit Respect; dann hat sie Dir nichts an. DohrnDohrn, Carl August (1806-1892) ist durch mancherlei Hin- und Herwege mit seiner Familie versöhnt, lebt lustig, wird ein Kaufmann und geht im Frühjahr nach England, um das Geschäft zu studiren. Er grüßt alle Deinigen. SchätzlerSchätzler, Herr und RastRast (bis 1829: Liebmann), Ferdinand Martin Freiherr von (1781-1863) (Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.) waren hier, auch KerstorfsKerstorf, Familie von → Heinrich Sigmund Friedrich von K.; ist es aber wahr, daß Fritz KerstorfKerstorf, Friedrich Ferdinand Edler von (1803-1880) einen im Duell erstochen hat, und fliehen mußte? Man sagte es hier.

Nun muß ich Dich noch um einen Gefallen bitten, besorge ihn gleich und pünctlich, wenn Du mich lieb hast, mir liegt sehr viel daran. Geh doch gleich zum PoisslPoißl, Johann Nepomuk Freiherr von (1783-1865) und bitte ihn, auf den Brief, den ich ihm vor einigen Monaten geschrieben hatte, mir doch sogleich eine Antwort nach London wissen zu lassen. Will oder kann er nicht selbst schreiben, so frag ihn darum und schreib mir Bescheid umgehend. Meine Adresse ist London, per adr: Mess. Doxat & CoDoxat, EugenDoxat & Co., Bankhaus in London. Ich frug ihnPoißl, Johann Nepomuk Freiherr von (1783-1865) wegen meines Textes<name key="PSN0112169" style="hidden" type="author">Immermann, Karl Leberecht (1796-1840)</name><name key="CRT0109449" style="hidden" type="dramatic_work">Der Sturm (Libretto)</name>, und habe keine Zeile Antwort erhalten. Bitte thus und antworte umgehend. Wenn Du Dich auch in meinem ehemaligen Hause erkundigen könntest, was meine hübsche ThereseHirschböck, Therese macht, und ob sie nach meiner Abreise von SchaurothsSchauroth, Familie von → Augustine Luise Friederike Ernestine von S. die zurückgelaßnen Sachen bekommen hätte, und wenn Du mir von ihr etwas schriebst, das wäre prächtig. Thu so, schreib, sey gut, ich warte sehnlich drauf; und nun grüß mir herzlich FrauBaermann, Marie (Maria) (1785-1851) und KinderBaermann, Carl (II) (1782-1842) und wer sich meiner gern erinnern mag.

Dein Felix Mendelssohn Bartholdy
Dohrn, Carl August (1806–1892) Dohrn, Carl August (1806–1892)

derbar, wie auf einem Blättchen mehrere lustige spanische Fliegen klecksen, von denen eine Halsweh hat. Aber der Bärvater, nachdem er sich von dem ersten Erstaunen erholt und den Mund wieder zugemacht hat, ruft seine Familie zusammen und öffnet seinen lieblichen Gänseschnabel zu dem Ausrufe: Kinder, der Felix hat endlich was von sich hören lassen. Im ersten Schreck verbläst der wackre StammhalterBaermann, Carl (II) (1782-1842) das Bassetgeweih, die HausehreBaermann, Marie (Maria) (1785-1851) läßt Schillers Gedichte<name key="PSN0114545" style="hidden" type="author">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name><name key="CRT0110659" style="hidden" type="literature">Gedichte</name> und die geschäftige TochterBaermann, Tochter von → Heinrich Joseph B. und → Maria B. einen zahmen Fingerhut (digitalis purpurea Linn.) fallen. Nichts ist natürlicher, als daß alle Leute in dreimal Mitternacht viermal einschlafen, selbst wenn der Text nicht unter dem Hasen wäre, und wer bei ReibelReibel, Herr Programme schreibt muß entweder auf der Welt nichts zu thun haben oder Königl. Bayrischer Kammermusikus mit einem y sein, mit dem ich derselbe bin der ich sein werde ……

K. Dohrn.
            -chene Geschichte vollends auserzählen. Die Clarinettisten sind hier nämlich in einem schlechten Zustande, so daß im Orchester des Conservatoire, das sonst in den meisten Beziehungen sehr vortrefflich ist, zwei Clarinettspieler sitzen, die Dir nicht den Rock ausklopfen dürften, wenn es in der Welt nach Ton, Vortrag, Ansatz und Billigkeit ginge. Nun setzt der erste davon neulich im Menuett der Pastoralsinfonie einen Tact zu früh mit seinem Solo ein, tutet auch munter immer weiter und merkt gar nicht, daß es infam klingt, daß mehrere im Publikum, unter andern Dein unterschriebner, schlimme Gesichter schneiden, daß der Director Leibschmerzen bekommt, drauf soll das Horn kommen, es erschrickt aber und kommt nicht, drauf erschrecken die Geigen auch und spielen immer sachter, drauf wird es einer Katzenmusik immer ähnlicher, alle sind heraus und nur ein naher 2 4 Tact rettet sie von der Schande ganz aufzuhören und noch einmal anzufangen. Als ich da nach Hause ging war es sehr natürlich, daß ich mir die Geschichte überdachte und für mich ausrief: es ist zum Hinwerden, und mich gleich entschloß an Dich zu schreiben, Dir alles mitzutheilen und Dich zu fragen, ob Du damit zufrieden wärst, daß es in der Pariser Clarinettenwelt so schabig aussieht. Denn der Kerl ist Professor am Conservatoire und soll der beste hier sein und heißt glaub’ ich Dacosta. Im Ernst aber hättest Du gar keine Lust, hier eine Clarinettenpflanzschule anzulegen? Ich dächte, es wäre sehr gescheut, und müßte gut gehen; Du hattest ohnehin das Project einmal nach Paris wieder zu gehen, da fordere ich Dich denn aus allen Kräften auf, das ja zu thun, denn es fehlt ihnen an jeder guten Idee von Deinem Instrumente und so würden sie es doppelt zu schätzen wissen; auch wäre es dann sehr gut, dächt’ ich, wenn Du einen Deiner Schüler, z. B. Deinen Sohn Carl mitbrächtest, denn ich wäre überzeugt, daß er hier leicht eine gute und ehrenvolle Existenz finden könnte. Dies ist natürlich nur ein Vorschlag aber ich wollte Du überlegtest ihn; da Du ohnehin mir auftrugst mich umzusehen und Dir zu schreiben, wenn ich etwas für den Carl fände, so thue ich es hiemit, dies scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein. Bei Leitrum habe ich vorigen Herbst auch darauf angetippt, und gesagt es würde Dir eine Anstellung für Deinen Sohn erwünscht sein, er schien auch sehr eingenommen von seinem Spiel und lobte ihn sehr, ich weiß aber nicht, ob was darauf erfolgt ist; es schien im Orchester schon besetzt zu sein. Lindpaintner hab’ ich in den Paar Tagen viel gesehn, und liebgewonnen; Du hast Recht was Du von ihm sagtest, er ist Dir aber auch gar sehr zugethan, und wenn Du mit hingereis’t wärest, so wär’ es gar prächtig geworden. Ich denke aber auf jeden Fall noch einmal hinzukommen, und dort nach Kräften Musik, Cour und dumme Streiche zu machen, dann müssen wir zusammen hin. Und nun will ich meinen Brief anfangen.
Carl August Dohrn
Paris d. 16ten April 1832.
Lieber alter Baermann und Freund!
Obiges ist die Fortsetzung der angefangenen Geschichte aus Rom, und Dohrn, der dazu kam, wollte auch das Seinige thun und schrieb die Nachschrift. Wie lange hab’ ich nichts von Dir gehört! Vor allen Dingen muß ich mich nun entschuldigen, Dir so lange nicht geschrieben zu haben. Nimm mirs nicht übel, lieber Kerl, aber es war unmöglich. Ich war so verdrießlich, wie ein Meerschweinchen, und fühlte mich so unwohl, wie ein Fisch im Sande, den ganzen Winter hindurch. Immer fehlte mir etwas, und so bin ich endlich in der letzten Zeit ordentlich krank geworden, mußte im Bett liegen, meinen Bauch von einer alten Frau reiben lassen, warme Tücher tragen, viel schwitzen, nichts essen, viele Besuche und Mitleid annehmen, Alles zum Teufel wünschen, Münzpillen nehmen, mich langweilen, und somit meinen Ärger, mein Bauchweh und die anziehende Cholera, die ich bekommen sollte, ausschwitzen. Nun hab’ ich ausgeschwitzt, fühle mich zum erstenmale seit mehreren Monaten frey und munter, und da schreib ich Dir denn gleich, Du prächtiger Clarinettenbär und Mann. Ich gäbe zu Zeiten (z. B. jetzt) ganz Paris drum, nur einen Augenblick jene süße Welt bezaubernder Töne, Tönchen und Tönchenchenchen hören zu können, die Deinem hölzernen Instrumente so luftig, duftig, weise, leise, friedlich, niedlich, lebend, bebend, fließend, sprießend, grüßend, umschließend, entströmen und sehr gut klingen. Aber keine Complimente die Wahrheit ist, daß ich mich, wie ein Spitz darauf freue, Dich einmal wieder zu sehen. Ich habe den Winter sehr dumm zugebracht, zwischen Kränklichkeit und der langen Weile der hiesigen Cirkel. Die hole der Teufel. Ich bin niemals recht zu mir selbst gekommen, und zu andern auch nicht. Dennoch ist manches neue componirt worden, ich gebe jetzt in Leipzig einen ganzen Stoß neuer Sachen heraus, die mich zu einem sehr berühmten Manne machen sollen. Wahrscheinlich wirst Du nichts davon zu hören bekommen, und der Ruhm wird incognito bleiben. Ich habe hier auch Einiges öffentlich aufführen lassen und einigemal gespielt. Die Pariser klatschten und erhoben mich, und einige Musiker schnitten mir grimmige Gesichter hinterher; ich habe also Effect gemacht. Jetzt ist aber seit einigen Wochen Alles vorbei, die Cholera hat entsetzlich hier geras’t, und die Leute denken nicht mehr an Musik, nur an Kolik. Wer reisen konnte, ist gereis’t, die andern gehn Abends nicht aus, und hätte ich mir nicht meinen Bauch von einer alten Frau reiben lassen müssen, so wäre ich längst fort. Hoffentlich reise ich aber nun in den nächsten Tagen nach London. Dort ist die Cholera ganz vorbei; übrigens stimmen auch hier alle überein, daß sie zu heilen sei, wenn man, sobald man sich unwohl fühlt, zu Hause bleibt, sich warm hält und in Acht nimmt. Merke Dir es, im Falle sie (was ich nun nicht glaube) zu Euch käme, halt Dich warm, und behandle jede Diarrhoe mit Respect; dann hat sie Dir nichts an. Dohrn ist durch mancherlei Hin- und Herwege mit seiner Familie versöhnt, lebt lustig, wird ein Kaufmann und geht im Frühjahr nach England, um das Geschäft zu studiren. Er grüßt alle Deinigen. Schätzler und Rast () waren hier, auch Kerstorfs; ist es aber wahr, daß Fritz Kerstorf einen im Duell erstochen hat, und fliehen mußte? Man sagte es hier.
Nun muß ich Dich noch um einen Gefallen bitten, besorge ihn gleich und pünctlich, wenn Du mich lieb hast, mir liegt sehr viel daran. Geh doch gleich zum Poissl und bitte ihn, auf den Brief, den ich ihm vor einigen Monaten geschrieben hatte, mir doch sogleich eine Antwort nach London wissen zu lassen. Will oder kann er nicht selbst schreiben, so frag ihn darum und schreib mir Bescheid umgehend. Meine Adresse ist London, per adr: Mess. Doxat & Co. Ich frug ihn wegen meines Textes, und habe keine Zeile Antwort erhalten. Bitte thus und antworte umgehend. Wenn Du Dich auch in meinem ehemaligen Hause erkundigen könntest, was meine hübsche Therese macht, und ob sie nach meiner Abreise von Schauroths die zurückgelaßnen Sachen bekommen hätte, und wenn Du mir von ihr etwas schriebst, das wäre prächtig. Thu so, schreib, sey gut, ich warte sehnlich drauf; und nun grüß mir herzlich Frau und Kinder und wer sich meiner gern erinnern mag.
Dein
Felix Mendelssohn Bartholdy
derbar, wie auf einem Blättchen mehrere lustige spanische Fliegen klecksen, von denen eine Halsweh hat. Aber der Bärvater, nachdem er sich von dem ersten Erstaunen erholt und den Mund wieder zugemacht hat, ruft seine Familie zusammen und öffnet seinen lieblichen Gänseschnabel zu dem Ausrufe: Kinder, der Felix hat endlich was von sich hören lassen. Im ersten Schreck verbläst der wackre Stammhalter das Bassetgeweih, die Hausehre läßt Schillers Gedichte und die geschäftige Tochter einen zahmen Fingerhut (digitalis purpurea Linn. ) fallen. Nichts ist natürlicher, als daß alle Leute in dreimal Mitternacht viermal einschlafen, selbst wenn der Text nicht unter dem Hasen wäre, und wer bei Reibel Programme schreibt muß entweder auf der Welt nichts zu thun haben oder Königl. Bayrischer Kammermusikus mit einem y sein, mit dem ich derselbe bin der ich sein werde ……
K. Dohrn.          
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März 1832 begonnen haben.</p> <handDesc hands="2"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="copy_from_foreign_hand">Abschrift, D-B, Musikabteilung, MA Nachl. 7,79/1,2.</bibl> <bibl type="printed_letter">Nohl, Musiker-Briefe, S. 309-312.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1832-04-16" xml:id="date_f8f0d33d-f106-4194-be2b-692224556afa">16. April 1832</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_f59d7762-f998-4b5d-b922-86a8b3bdcc4d">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <persName key="PSN0110691" resp="author" xml:id="persName_950f2468-bdf3-427f-8823-268bb4c9901e">Dohrn, Carl August (1806-1892)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><persName key="PSN0110691" resp="writer">Dohrn, Carl August (1806-1892)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_abbe9165-96b6-4c38-b9e2-f3b58440f17c"> <settlement key="STM0100105">Paris</settlement> <country>Frankreich</country></placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0109633" resp="receiver" xml:id="persName_90acc8ce-2c10-4e20-9a6a-75ea576a4b9b">Baermann, Heinrich Joseph (1784-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_8224b1c9-b41b-422a-977c-eef3636fbe21"> <settlement key="STM0100169">München</settlement> <country>Deutschland</country></placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_2d7a3538-6bd6-40ef-b6ba-db943a178d55"> <head> <address> <addrLine>Mr.</addrLine> <addrLine>Mr. H. Baermann</addrLine> <addrLine>membre de la chapelle de S. M. le roi de Bavière</addrLine> <addrLine>Munich</addrLine> <addrLine>(Carlsstrasse)</addrLine> <addrLine>franco</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_50d9fbc6-b4bb-47d8-b48b-cf4953ea8397"> <docAuthor key="PSN0110691" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_cc19027f-5bf5-4698-9e73-5ba7b0876616">Dohrn, Carl August (1806–1892)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0110691" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_4c4d19c1-cb4b-4e2a-a496-9f23b9728908">Dohrn, Carl August (1806–1892)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">-chene Geschichte vollends auserzählen. Die Clarinettisten sind hier nämlich in einem schlechten Zustande, so daß im Orchester des <placeName xml:id="placeName_45cd4ae3-9057-49da-b645-72aaee518511">Conservatoire<name key="NST0100349" style="hidden" subtype="" type="institution">Conservatoire de Musique</name><settlement key="STM0100105" style="hidden" type="">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName>, das sonst in den meisten Beziehungen sehr vortrefflich ist, zwei Clarinettspieler sitzen, die Dir nicht den Rock ausklopfen dürften, wenn es in der Welt nach Ton, Vortrag, Ansatz und Billigkeit ginge. Nun setzt der erste davon neulich <title xml:id="title_7afa3f54-5d14-4c02-9738-f9332e4d1b3f">im Menuett der Pastoralsinfonie<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108067" style="hidden" type="music">6. Sinfonie F-Dur, op. 68 (»Pastorale«)</name></title> einen Tact zu früh mit seinem Solo ein, tutet auch munter immer weiter und merkt gar nicht, daß es infam klingt, daß mehrere im Publikum, unter andern Dein unterschriebner, schlimme Gesichter schneiden, daß der <persName xml:id="persName_a466cadb-f52e-409c-af81-98bdc738eb04">Director<name key="PSN0111647" style="hidden">Habeneck, François-Antoine (1781-1849)</name></persName> Leibschmerzen bekommt, drauf soll das Horn kommen, es erschrickt aber und kommt nicht, drauf erschrecken die Geigen auch und spielen immer sachter, drauf wird es einer Katzenmusik immer ähnlicher, alle sind heraus und nur ein naher <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">2</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">4</hi> </formula> Tact rettet sie von der Schande ganz aufzuhören und noch einmal anzufangen. Als ich da nach Hause ging war es sehr natürlich, daß ich mir die Geschichte überdachte und für mich ausrief: es ist zum Hinwerden, und mich gleich entschloß an Dich zu schreiben, Dir alles mitzutheilen und Dich zu fragen, ob Du damit zufrieden wärst, daß es in der Pariser Clarinettenwelt so schabig aussieht. Denn der Kerl ist Professor am <placeName xml:id="placeName_a9a16aed-4de7-4800-8490-9de15722f1da">Conservatoire<name key="NST0100349" style="hidden" subtype="" type="institution">Conservatoire de Musique</name><settlement key="STM0100105" style="hidden" type="">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> und soll der beste hier sein und heißt glaub’ ich <persName xml:id="persName_c40b245e-61eb-4808-98c8-bb5d6dfb7777">Dacosta<name key="PSN0110531" style="hidden">Dacosta, Isaac François (eigtl. Franco) (1778-1866)</name></persName>. Im Ernst aber hättest Du gar keine Lust, hier eine Clarinettenpflanzschule anzulegen? Ich dächte, es wäre sehr gescheut, und müßte gut gehen; Du hattest ohnehin das Project einmal nach Paris wieder zu gehen, da fordere ich Dich denn aus allen Kräften auf, das ja zu thun, denn es fehlt ihnen an jeder guten Idee von Deinem Instrumente und so würden sie es doppelt zu schätzen wissen; auch wäre es dann sehr gut, dächt’ ich, wenn Du einen Deiner Schüler, z. B. <persName xml:id="persName_7f8e34f8-5385-499d-924a-f77b56d1bbdc">Deinen Sohn Carl<name key="PSN0109631" style="hidden">Baermann, Carl (II) (1782-1842)</name></persName> mitbrächtest, denn ich wäre überzeugt, daß er hier leicht eine gute und ehrenvolle Existenz finden könnte. Dies ist natürlich nur ein Vorschlag aber ich wollte Du überlegtest ihn; da Du ohnehin mir auftrugst mich umzusehen und Dir zu schreiben, wenn ich etwas für den <persName xml:id="persName_a2bebdda-c7b9-4793-9316-45bb2664888e">Carl<name key="PSN0109631" style="hidden">Baermann, Carl (II) (1782-1842)</name></persName> fände, so thue ich es hiemit, dies scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein. Bei <persName xml:id="persName_4d611807-2882-41f5-abd1-b310697b5fc2">Leitrum<name key="PSN0112808" style="hidden">Leutrum von Ertingen, Carl Emanuel Victor Philipp Graf (1782-1842)</name></persName> habe ich vorigen Herbst auch darauf angetippt, und gesagt es würde Dir eine Anstellung für Deinen Sohn erwünscht sein, er schien auch sehr eingenommen von seinem Spiel und lobte ihn sehr, ich weiß aber nicht, ob was darauf erfolgt ist; es schien im Orchester schon besetzt zu sein. <persName xml:id="persName_f88d7bf7-a98c-4645-9141-3377c92347ec">Lindpaintner<name key="PSN0112873" style="hidden">Lindpaintner, Peter Joseph (seit 1844) von (1791-1856)</name></persName> hab’ ich in den Paar Tagen viel gesehn, und liebgewonnen; Du hast Recht was Du von ihm sagtest, er ist Dir aber auch gar sehr zugethan, und wenn Du mit hingereis’t wärest, so wär’ es gar prächtig geworden. Ich denke aber auf jeden Fall noch einmal hinzukommen, und dort nach Kräften Musik, Cour und dumme Streiche zu machen, dann müssen wir zusammen hin. Und nun will ich meinen Brief anfangen. </p> <signed rend="right"><add resp="UT" type="editors_addition">Carl August Dohrn</add></signed> <dateline rend="right">Paris d. <date cert="high" when="1832-04-16" xml:id="date_e304fe30-9f6e-4076-9e29-7508d11ee64d">16<hi rend="superscript">ten</hi> April 1832</date>.</dateline> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_9e585122-f685-43f7-b1bb-233583ce8646"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <salute rend="left">Lieber alter Baermann und Freund!</salute> <p style="paragraph_without_indent">Obiges ist die Fortsetzung der angefangenen Geschichte aus Rom, und <persName xml:id="persName_ebc7daa6-d2d6-4f71-bd8e-819ef07c508c">Dohrn<name key="PSN0110691" style="hidden">Dohrn, Carl August (1806-1892)</name></persName>, der dazu kam, wollte auch das Seinige thun und schrieb die Nachschrift. Wie lange hab’ ich nichts von Dir gehört! Vor allen Dingen muß ich mich nun entschuldigen, Dir so lange nicht geschrieben zu haben. Nimm mirs nicht übel, lieber Kerl, aber es war unmöglich. Ich war so verdrießlich, wie ein Meerschweinchen, und fühlte mich so unwohl, wie ein Fisch im Sande, den ganzen Winter hindurch. Immer fehlte mir etwas, und so bin ich endlich in der letzten Zeit ordentlich krank geworden, mußte im Bett liegen, meinen Bauch von einer alten Frau reiben lassen, warme Tücher tragen, viel schwitzen, nichts essen, viele Besuche und Mitleid annehmen, Alles zum Teufel wünschen, Münzpillen nehmen, mich langweilen, und somit meinen Ärger, mein Bauchweh und die anziehende Cholera, die ich bekommen sollte, ausschwitzen. Nun hab’ ich ausgeschwitzt, fühle mich zum erstenmale seit mehreren Monaten frey und munter, und da schreib ich Dir denn gleich, Du prächtiger Clarinettenbär und Mann. Ich gäbe zu Zeiten (z. B. jetzt) ganz Paris drum, nur einen Augenblick jene süße Welt bezaubernder Töne, Tönchen und Tönchenchenchen hören zu können, die Deinem hölzernen Instrumente so luftig, duftig, weise, leise, friedlich, niedlich, lebend, bebend, fließend, sprießend, grüßend, umschließend, entströmen und sehr gut klingen. Aber keine Complimente die Wahrheit ist, daß ich mich, wie ein Spitz darauf freue, Dich einmal wieder zu sehen. Ich habe den Winter sehr dumm zugebracht, zwischen Kränklichkeit und der langen Weile der hiesigen Cirkel. Die hole der Teufel. Ich bin niemals recht zu mir selbst gekommen, und zu andern auch nicht. Dennoch ist manches neue componirt worden, ich gebe jetzt in Leipzig einen ganzen Stoß neuer Sachen heraus, die mich zu einem sehr berühmten Manne machen sollen. Wahrscheinlich wirst Du nichts davon zu hören bekommen, und der Ruhm wird incognito bleiben. Ich habe hier auch Einiges öffentlich aufführen lassen und einigemal gespielt. Die Pariser klatschten und erhoben mich, und einige Musiker schnitten mir grimmige Gesichter hinterher; ich habe also Effect gemacht. Jetzt ist aber seit einigen Wochen Alles vorbei, die Cholera hat entsetzlich hier geras’t, und die Leute denken nicht mehr an Musik, nur an Kolik. Wer reisen konnte, ist gereis’t, die andern gehn Abends nicht aus, und hätte ich mir nicht meinen Bauch von einer alten Frau reiben lassen müssen, so wäre ich längst fort. Hoffentlich reise ich aber nun in den nächsten Tagen nach London. Dort ist die Cholera ganz vorbei; übrigens stimmen auch hier alle überein, daß sie zu heilen sei, wenn man, sobald man sich unwohl fühlt, zu Hause bleibt, sich warm hält und in Acht nimmt. Merke Dir es, im Falle sie (was ich nun nicht glaube) zu Euch käme, halt Dich warm, und behandle jede Diarrhoe mit Respect; dann hat sie Dir nichts an. <persName xml:id="persName_35c464b7-aff9-4440-aa32-c9562cd545e0">Dohrn<name key="PSN0110691" style="hidden">Dohrn, Carl August (1806-1892)</name></persName> ist durch mancherlei Hin- und Herwege mit seiner Familie versöhnt, lebt lustig, wird ein Kaufmann und geht im Frühjahr nach England, um das Geschäft zu studiren. Er grüßt alle Deinigen. <persName xml:id="persName_ce151318-8b64-497a-bb85-a4c7080d7f10">Schätzler<name key="PSN0114508" style="hidden">Schätzler, Herr</name></persName> und <persName xml:id="persName_d659d667-fdf6-410d-9c59-a1f9dbd4667a">Rast<name key="PSN0114075" style="hidden">Rast (bis 1829: Liebmann), Ferdinand Martin Freiherr von (1781-1863)</name></persName> (<note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_45e2a9d9-0d1e-0c138-290ce-3e452e3348aa" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note>) waren hier, auch <persName xml:id="persName_b2b01f3a-cfb9-4df3-9f61-9378fcd01c9e">Kerstorfs<name key="PSN0112357" style="hidden">Kerstorf, Familie von → Heinrich Sigmund Friedrich von K.</name></persName>; ist es aber wahr, daß <persName xml:id="persName_cc1e38b9-3f5a-40d2-af32-584846601bb7">Fritz Kerstorf<name key="PSN0112359" style="hidden">Kerstorf, Friedrich Ferdinand Edler von (1803-1880)</name></persName> einen im Duell erstochen hat, und fliehen mußte? Man sagte es hier.</p> <p>Nun muß ich Dich noch um einen Gefallen bitten, besorge ihn gleich und pünctlich, wenn Du mich lieb hast, mir liegt <hi rend="underline">sehr</hi> viel daran. Geh doch gleich zum <persName xml:id="persName_d5cc0dcb-1d67-4047-9da9-79041b8277ef">Poissl<name key="PSN0113936" style="hidden">Poißl, Johann Nepomuk Freiherr von (1783-1865)</name></persName> und bitte ihn, auf den Brief, den ich ihm vor einigen Monaten geschrieben hatte, mir doch sogleich eine Antwort nach London wissen zu lassen. Will oder kann er nicht selbst schreiben, so frag ihn darum und schreib mir Bescheid <hi rend="underline">umgehend</hi>. Meine Adresse ist London, per adr: <persName xml:id="persName_e4741e54-5ccd-438b-ae37-55a63cbd8d09">Mess. Doxat &amp; Co<name key="PSN0110727" style="hidden">Doxat, Eugen</name><name key="PSN0110729" style="hidden">Doxat &amp; Co., Bankhaus in London</name></persName>. Ich frug <persName xml:id="persName_17da1f71-3148-49c3-853f-3e736861c80e">ihn<name key="PSN0113936" style="hidden">Poißl, Johann Nepomuk Freiherr von (1783-1865)</name></persName> wegen <title xml:id="title_72b70544-5b1b-4eea-b591-419ce7aaf8c8">meines Textes<name key="PSN0112169" style="hidden" type="author">Immermann, Karl Leberecht (1796-1840)</name><name key="CRT0109449" style="hidden" type="dramatic_work">Der Sturm (Libretto)</name></title>, und habe keine Zeile Antwort erhalten. Bitte thus und antworte <hi rend="underline">umgehend</hi>. Wenn Du Dich auch in meinem ehemaligen Hause erkundigen könntest, was <persName xml:id="persName_535f7d0f-0236-4b0d-8a9e-6af1bfe29b79">meine hübsche Therese<name key="PSN0112018" style="hidden">Hirschböck, Therese</name></persName> macht, und ob sie nach meiner Abreise von <persName xml:id="persName_b873a1cc-2762-44d3-8961-4a95c4c5b455">Schauroths<name key="PSN0114512" style="hidden">Schauroth, Familie von → Augustine Luise Friederike Ernestine von S.</name></persName> die zurückgelaßnen Sachen bekommen hätte, und wenn Du mir von ihr etwas schriebst, das wäre prächtig. Thu so, schreib, sey gut, ich warte sehnlich drauf; <seg type="closer" xml:id="seg_0359b204-a373-4f52-8367-eea2d9538986">und nun grüß mir herzlich </seg><persName xml:id="persName_2e81567d-a598-455a-ba0d-88118d795b6f">Frau<name key="PSN0109635" style="hidden">Baermann, Marie (Maria) (1785-1851)</name></persName><seg type="closer" xml:id="seg_665f7e8b-e57e-4691-8654-882351c3dbf2"> und </seg><persName xml:id="persName_c99224ef-9e4c-4c10-b7ba-e6baa1fe2445">Kinder<name key="PSN0109631" style="hidden">Baermann, Carl (II) (1782-1842)</name></persName><seg type="closer" xml:id="seg_34304271-472e-45b3-9ee4-4475d5e33398"> und wer sich meiner gern erinnern mag.</seg></p> <signed rend="right">Dein</signed> <signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy</signed> </div> <div n="3" type="act_of_writing" xml:id="div_1fc33128-6272-4ddd-b6ba-5522b6a2f86e"> <docAuthor key="PSN0110691" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_b20a2a43-2812-4765-9edb-258a909df9e2">Dohrn, Carl August (1806–1892)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0110691" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_31103622-8cf9-4325-865d-e8584d2ffc14">Dohrn, Carl August (1806–1892)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">derbar, wie auf einem Blättchen mehrere lustige spanische Fliegen klecksen, von denen eine Halsweh hat. Aber der Bärvater, nachdem er sich von dem ersten Erstaunen erholt und den Mund wieder zugemacht hat, ruft seine Familie zusammen und öffnet seinen lieblichen Gänseschnabel zu dem Ausrufe: Kinder, der Felix hat endlich was von sich hören lassen. Im ersten Schreck verbläst <persName xml:id="persName_9730dd0f-17b3-46b7-993e-9c84c9e257af">der wackre Stammhalter<name key="PSN0109631" style="hidden">Baermann, Carl (II) (1782-1842)</name></persName> das Bassetgeweih, die <persName xml:id="persName_10c207a6-13fc-49e2-b8fb-ca5eb3bf92dc">Hausehre<name key="PSN0109635" style="hidden">Baermann, Marie (Maria) (1785-1851)</name></persName> läßt <title xml:id="title_ff33acd9-2e08-4dc2-86e5-94366dde5607">Schillers Gedichte<name key="PSN0114545" style="hidden" type="author">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name><name key="CRT0110659" style="hidden" type="literature">Gedichte</name></title> und <persName xml:id="persName_d14089b8-5813-47aa-8b89-99f508a0607d">die geschäftige Tochter<name key="PSN0109630" style="hidden">Baermann, Tochter von → Heinrich Joseph B. und → Maria B.</name></persName> einen zahmen Fingerhut (digitalis purpurea Linn.) fallen. Nichts ist natürlicher, als daß alle Leute in dreimal Mitternacht viermal einschlafen, selbst wenn der Text nicht unter dem Hasen wäre, und wer bei <persName xml:id="persName_1378d623-122d-487e-bf8b-2594e10089b7">Reibel<name key="PSN0114102" style="hidden">Reibel, Herr</name></persName> Programme schreibt muß entweder auf der Welt nichts zu thun haben oder Königl. Bayrischer Kammermusikus mit einem y sein, mit dem ich derselbe bin der ich sein werde ……</p> <signed rend="right">K. Dohrn.</signed> </div> </body></text></TEI>