fmb-1832-01-05-01
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Paris, 5. Januar 1832
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel, Zusätze von fremder Hand: »verte / Markgrafen / St 43. / […]«.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
tenJan. 1832
So schuldig, wie gegen Dich, bin ich wohl noch nie gegen einen Freund geworden. Willst Du mich denn überhaupt noch kennen? Oder willst Du von mir nichts mehr wissen, seit ich das Schreiben verlernt? Entschuldigung habe ich nicht Dir zu sagen, denn die einzige wäre, daß ich Deinen Brief mit dem lieben Geschenke gar nicht erhalten; und lügen darf ich doch nicht; ich habe ihn wirklich erhalten in München, Du hast mir durch
Wenn ich Dir nun sage, wie es gekommen, so ist es möglich, daß Du es mir erst gar übel nimmst, und es ist vielleicht nicht Recht, daß ich Dir es so gerade heraus sage; verschweigen habe ich es gewollt, aber halb sagen geht nicht und so muß es denn heraus. Mir hat nämlich
Das ist nun eigentlich sehr dumm, daß ich Dir das so geradehin schreibe, und zwar jetzt wo Du ohnehin verstimmt auf mich sein magst. Aber darüber waren wir ja immer einig, daß man nun vor allen Dingen aufrichtig gegen einander sey, das Übrige werde sich dann schon leicht finden. Ich bin es nun gewesen, sey Du es ebenso sehr, und sage mir gerade heraus, wenn Du mir böse darüber bist, laß aber nichts zurück, damit Du mir nicht brummst, und schreibe mir vor allen Dingen gleich, wenn auch nur zwei Worte. Das muß ich aber noch hinzusetzen, daß Alles vorige nur von den Briefen und dem Geschriebnen gilt; wenn
Über die Sache selbst schreibe mir gar nicht, das führt nicht weiter, sondern schreibe mir nur, ob Du es machen willst und kannst, wie ich, sie von jetzt an ganz vergessen und liegen lassen, und weiter schreiben und leben, als wäre sie nicht vorgefallen.
N. S. An
Paris d. 5ten Jan. 1832. Lieber Eduard So schuldig, wie gegen Dich, bin ich wohl noch nie gegen einen Freund geworden. Willst Du mich denn überhaupt noch kennen? Oder willst Du von mir nichts mehr wissen, seit ich das Schreiben verlernt? Entschuldigung habe ich nicht Dir zu sagen, denn die einzige wäre, daß ich Deinen Brief mit dem lieben Geschenke gar nicht erhalten; und lügen darf ich doch nicht; ich habe ihn wirklich erhalten in München, Du hast mir durch Deinen Text die allergrößte Freude gemacht, ich habe ihn immer wieder gelesen, weil ich mich an den unverkennbaren Fortschritten freute, die Du darin zeigst, und warum ich Dir nicht geantwortet, davon nachher, denn es ist ein andres Capitel. Nur jetzt noch nachträglich meinen herzlichen Dank, daß das bei mir größre Freude macht, als bei jedem andern, hast Du gewußt und ich brauchte es nicht zu sagen, aber wieviel besser mir dieser Text scheint, als Deine früheren, wieviel inniger und wahrer das muß ich Dir doch heut noch schreiben. Denn worüber wir sonst hin und her correspondirt und gekannegießert, darüber sind wir nun schon einig, wie man sich denn überhaupt wohl so am besten verständigt, und daß Du den Beruf hast uns die rechten Operntexte zu schaffen, das scheint mir ganz deutlich. Jetzt sehen wir uns bald wieder und besprechen es, dann mußt Du Dich an Dein altes Versprechen erinnern, mir auch einmal was für meinen Magen zu schreiben, und dann schreibe ich wieder für den Deinigen, und dann fressen wir jeder für den unsrigen, dann singe ich sehr schlecht, Du etwas besser, dafür spielst Du etwas schlechter, und malen kann ich immer noch nicht – kurz dann sind wir wieder ganz die Alten. Das sind wir aber fortwährend geblieben, und Du bist mir auch wohl nicht böse; Nicht wahr, Du schreibst mir hierauf gleich nur zwei Zeilen und sagst mir, ob Du noch von mir wissen willst, damit ich dann wieder recht ausholen und schwatzen kann; denn ich habe freilich sehr Unrecht gegen Dich. Wenn ich Dir nun sage, wie es gekommen, so ist es möglich, daß Du es mir erst gar übel nimmst, und es ist vielleicht nicht Recht, daß ich Dir es so gerade heraus sage; verschweigen habe ich es gewollt, aber halb sagen geht nicht und so muß es denn heraus. Mir hat nämlich Tauberts mitgeschickte Musik zu Deinen Worten sämmtlich nicht gefallen, und das wäre noch nichts sehr schlimmes, aber der Brief, den er dazu schrieb an Deine Zeilen heran, war so, daß er mich der ich für ihn gewiß eingenommen war, mit kaltem Wasser übergoß und es mir unmöglich machte, ihm ein Wort drauf zu antworten. Der Brief war affectirt und so berechnet und spiesbürgerlich zugleich, daß ich eine lange Zeit ordentlich betrübt darüber wurde, und dann war auch die Musik dabei, die mir sagte, daß ich mich darin nicht irrte. Denn eine Arie wie die aus g dur „von allen guten Gottesgaben“ etc. oder das Lied „s ist wenigstens so Brauch“ oder das Terzett aus d dur in dem gar keine eigentliche Musik steckt, in dem die Stimmen nicht einmal recht zusammen gehen, die müßten heut von einem ordentlichen Musiker gar nicht mehr gemacht werden. Ich hatte mir aus den schönen Zügen in den Liedern einen Künstler gedacht, einen Mann, mit dem man offen sprechen könnte, der die Musik liebte, wie sich selbst, oder eigentlich viel mehr, und nun steht so viel Selbstzufriedenheit in dem Briefe, daß ich mich geirrt haben muß. Siehst Du, darauf konnte ich nicht antworten, und sagen wollte ich es Dir nicht, weil es Dich am Ende nur ärgern muß, und zwar über mich; es kam noch dazu daß dieser Zug der Zufriedenheit mit sich selbst ein Punct war über den ich Dir längst einmal schreiben wollte, weil es mir zuweilen vorkam als seyst selbst Du nicht immer ganz frei davon; natürlich nicht, als ob Du mit dem was Du gethan oder erreicht hast oder kannst zufrieden wärest, aber zuweilen schien mir, als wärest Du mit Deinem Streben und Deiner Richtung ganz zufrieden und behaglich, und auch das soll wohl nicht sein. Wir werden das aber einmal mündlich breit und lang besprechen, oder nicht, denn wenn wir wieder zusammen sind, wird es sich Alles von selbst verstehen. Was ich in Dir bemerkte, war nur ein Anflug davon und Du bist ein Mann, und stehst da, und darfst und sollst am Ende auch einmal Dich innerlich loben und mit Dir zufrieden sein: ist das aber bei einem jungen Mann der Fall, der erst anfängt und sich doch schon beschaut, mit seinem Innern sehr gut Bescheid weiß, und seine ganze Entwickelung so übersieht und zu lenken weiß, dann hole es der Teufel. Ich habe den Brief seitdem nicht wieder gelesen, aber der eine Satz wo es heißt: „in Liedern ist mein musikalisches Leben aufgegangen; in Lied auf Lied lös’te sich das Chaos widersprechender Gefühle die meine jugendliche Brust umfangen hielten“ der ist genug, um mich furchtsam und kalt zu machen. Du kennst mich und mußt wissen, wie mir dies Beleuchten seines Innern widerstrebend ist. Das ist nun eigentlich sehr dumm, daß ich Dir das so geradehin schreibe, und zwar jetzt wo Du ohnehin verstimmt auf mich sein magst. Aber darüber waren wir ja immer einig, daß man nun vor allen Dingen aufrichtig gegen einander sey, das Übrige werde sich dann schon leicht finden. Ich bin es nun gewesen, sey Du es ebenso sehr, und sage mir gerade heraus, wenn Du mir böse darüber bist, laß aber nichts zurück, damit Du mir nicht brummst, und schreibe mir vor allen Dingen gleich, wenn auch nur zwei Worte. Das muß ich aber noch hinzusetzen, daß Alles vorige nur von den Briefen und dem Geschriebnen gilt; wenn T. und ich uns einmal kennen lernen, dann werde ich so unbefangen mit ihm sein, als wäre das alles nicht geschehen, und werde mich doppelt freuen, wenn ich ihm Unrecht gethan. Bis dahin nur weiß ich ihm nichts zu sagen, denn predigen darf ich nicht, kann es auch nicht, und die Wahrheit nicht sagen; geht noch weniger. So sage mir also nicht, daß ich ein Vorurtheil habe, denn ich habe es wirklich nicht, sage mir nur ob Du mir trotz alle dem noch gut und mein alter Freund bist. Das ist die Hauptsache. – Ich hätte Dir das Alles nicht geschrieben, und hätte vielleicht lieber still geschwiegen bis auf mündlich Wiedersehen, da bekam ich aus Rom einen Brief geschickt, den Du an mich im Mai geschrieben hattest, und den Dr. Röstel erstlich mit nach Italien nahm, als ich schon fort, und dann nach Paris schickte, als ich noch nicht da war. Wie ich auf dem Brief den Mai las, und wie Du so freundlich besorgt für mich warst und dem Grafen Redern mich und meine Compositionen lobtest, der darauf meinte, ich werde ja seinen Bruder in Neapel sprechen, und wie Du von Garten und Wärme und Früchten und Cholera schreibst, die nun alle vorüber sind, und wie ich den Brief hier im tollen Treiben, in der Mode, im December bekam da war es mir sonderbar, ich dachte, der wird es Dir nicht übel nehmen, daß Du bist, wie Du bist, und so faßte ich ein Herz und schrieb, wie Alles ist. Kommt aber Dein Brief hierauf, dann will ich etwas pünctlich antworten. Denn ich habe Dir sehr, sehr viel zu sagen, und wir müssen viel zusammen überlegen, noch ehe ich nach Berlin komme, damit wir dann nicht mehr zu überlegen, sondern nur zu thun brauchen. Heut aber davon nichts weiter, denn vor allen Dingen erwarte ich Deine Antwort. Über die Sache selbst schreibe mir gar nicht, das führt nicht weiter, sondern schreibe mir nur, ob Du es machen willst und kannst, wie ich, sie von jetzt an ganz vergessen und liegen lassen, und weiter schreiben und leben, als wäre sie nicht vorgefallen. Taubert selbst sage auf keinen Fall hiervon, ich bitte ausdrücklich darum, es möchte unsre Bekanntschaft ganz verderben; ob Du ihm diesen Brief verschweigen willst, oder sagen ich ließe ihm für die Sendung vielmal danken, überlasse ich Dir. Somit bleibe mir gut und lebewohl, und Dir und Deiner Frau und den Kindern gehe es wie ich mir und Euch es wünsche. Es bleibt doch dabei? Und wir mit einander F. N. S. An Marie und habe ich nicht geantwortet; da muß ich Dich also bitten, inliegende Briefe zu übergeben, die mich rechtfertigen sollen.
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Entschuldigung</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_a31229a4-34f7-4379-be77-06e2a38b7397">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). 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Larry Todd, Cambridge 1992, S. 210-213 (Teildruck mit Faksimile der zweiten Seite).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1832-01-05" xml:id="date_1f7cb81f-f16a-4627-956a-ea177c73a000">5. 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Jetzt sehen wir uns bald wieder und besprechen es, dann mußt Du Dich an Dein altes Versprechen erinnern, mir auch einmal was für meinen Magen zu schreiben, und dann schreibe ich wieder für den Deinigen, und dann fressen wir jeder für den unsrigen, dann singe ich sehr schlecht, Du etwas besser, dafür spielst Du etwas schlechter, und malen kann ich immer noch nicht – kurz dann sind wir wieder ganz die Alten. Das sind wir aber fortwährend geblieben, und Du bist mir auch wohl nicht böse; Nicht wahr, Du schreibst mir hierauf gleich nur zwei Zeilen und sagst mir, ob Du noch von mir wissen willst, damit ich dann wieder recht ausholen und schwatzen kann; denn ich habe freilich sehr Unrecht gegen Dich. </p> <p>Wenn ich Dir nun sage, wie es gekommen, so ist es möglich, daß Du es mir erst gar übel nimmst, und es ist vielleicht nicht Recht, daß ich Dir es so gerade heraus sage; verschweigen habe ich es gewollt, aber halb sagen geht nicht und so muß es denn heraus. 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Siehst Du, darauf konnte ich nicht antworten, und sagen wollte ich es Dir nicht, weil es Dich am Ende nur ärgern muß, und zwar über mich; es kam noch dazu daß dieser Zug der Zufriedenheit mit sich selbst ein Punct war über den ich Dir längst einmal schreiben wollte, weil es mir zuweilen vorkam als seyst selbst Du nicht immer ganz frei davon; natürlich nicht, als ob Du mit dem was Du gethan oder erreicht hast oder kannst zufrieden wärest, aber zuweilen schien mir, als wärest Du mit Deinem Streben und Deiner Richtung ganz zufrieden und behaglich, und auch das soll wohl nicht sein. Wir werden das aber einmal mündlich breit und lang besprechen, oder nicht, denn wenn wir wieder zusammen sind, wird es sich Alles von selbst verstehen. Was ich in Dir bemerkte, war nur ein Anflug davon und Du bist ein Mann, und stehst da, und darfst und sollst am Ende auch einmal Dich innerlich loben und mit Dir zufrieden sein: ist das aber bei einem jungen Mann der Fall, der erst anfängt und sich doch schon beschaut, mit seinem Innern sehr gut Bescheid weiß, und seine ganze Entwickelung so übersieht und zu lenken weiß, dann hole es der Teufel. Ich habe den Brief seitdem nicht wieder gelesen, aber der eine Satz wo es heißt: „in Liedern ist mein musikalisches Leben aufgegangen; in Lied auf Lied lös’te sich das Chaos widersprechender Gefühle die meine jugendliche Brust umfangen hielten“ der ist genug, um mich furchtsam und kalt zu machen. Du kennst mich und mußt wissen, wie mir dies Beleuchten seines Innern widerstrebend ist.</p> <p>Das ist nun eigentlich sehr dumm, daß ich Dir das so geradehin schreibe, und zwar jetzt wo Du ohnehin verstimmt auf mich sein magst. Aber darüber waren wir ja immer einig, daß man nun vor allen Dingen aufrichtig gegen einander sey, das Übrige werde sich dann schon leicht finden. Ich bin es nun gewesen, sey Du es ebenso sehr, und sage mir gerade heraus, wenn Du mir böse darüber bist, laß aber nichts zurück, damit Du mir nicht brummst, und schreibe mir vor allen Dingen gleich, wenn auch nur zwei Worte. Das muß ich aber noch hinzusetzen, daß Alles vorige nur von den Briefen und dem Geschriebnen gilt; wenn <persName xml:id="persName_fddbf20a-26c8-4102-8c42-1f4a64eca849">T.<name key="PSN0115254" style="hidden">Taubert, Carl Gottfried Wilhelm (1811-1891)</name></persName> und ich uns einmal kennen lernen, dann werde ich so unbefangen mit ihm sein, als wäre das alles nicht geschehen, und werde mich doppelt freuen, wenn ich ihm Unrecht gethan. Bis dahin nur weiß ich ihm nichts zu sagen, denn predigen darf ich nicht, kann es auch nicht, und die Wahrheit nicht sagen; geht noch weniger. So sage mir also nicht, daß ich ein Vorurtheil habe, denn ich habe es wirklich nicht, sage mir nur ob Du mir trotz alle dem noch gut und mein alter Freund bist. Das ist die Hauptsache. – Ich hätte Dir das Alles nicht geschrieben, und hätte vielleicht lieber still geschwiegen bis auf mündlich Wiedersehen, da bekam ich aus Rom einen Brief geschickt, den Du an mich im Mai geschrieben hattest, und den <persName xml:id="persName_6025b852-c4c0-42e8-9d16-75e34238f5ec">Dr. Röstel<name key="PSN0114301" style="hidden">Röstell, Friedrich Wilhelm (1799-1886)</name></persName> erstlich mit nach Italien nahm, als ich schon fort, und dann nach Paris schickte, als ich noch nicht da war. Wie ich auf dem Brief den Mai las, und wie Du so freundlich besorgt für mich warst und dem <persName xml:id="persName_e321637f-b0ef-47d8-a3f0-fdc4619fcbc4">Grafen Redern<name key="PSN0114098" style="hidden">Redern, Wilhelm Friedrich Graf von (1802-1883)</name></persName> mich und meine Compositionen lobtest, der darauf meinte, ich werde ja <persName xml:id="persName_6304be7a-8acd-49f4-b15b-5f08a7b049be">seinen Bruder<name key="PSN0114097" style="hidden">Redern, Heinrich Alexander Graf von (1804-1888)</name></persName> in Neapel sprechen, und wie Du von Garten und Wärme und Früchten und Cholera schreibst, die nun alle vorüber sind, und wie ich den Brief hier im tollen Treiben, in der Mode, im December bekam da war es mir sonderbar, ich dachte, der wird es Dir nicht übel nehmen, daß Du bist, wie Du bist, und so faßte ich ein Herz und schrieb, wie Alles ist. Kommt aber Dein Brief hierauf, dann will ich etwas pünctlich antworten. Denn ich habe Dir sehr, sehr viel zu sagen, und wir müssen viel zusammen überlegen, noch ehe ich nach Berlin komme, damit wir dann nicht mehr zu überlegen, sondern nur zu thun brauchen. Heut aber davon nichts weiter, denn vor allen Dingen erwarte ich Deine Antwort. </p> <p>Über die Sache selbst schreibe mir gar nicht, das führt nicht weiter, sondern schreibe mir nur, ob Du es machen willst und kannst, wie ich, sie von jetzt an ganz vergessen und liegen lassen, und weiter schreiben und leben, als wäre sie nicht vorgefallen. <persName xml:id="persName_38a8ad39-3f06-47da-9946-e581b42be06a">Taubert<name key="PSN0115254" style="hidden">Taubert, Carl Gottfried Wilhelm (1811-1891)</name></persName> selbst sage auf keinen Fall hiervon, ich bitte ausdrücklich darum, es möchte unsre Bekanntschaft ganz verderben; ob Du ihm diesen Brief verschweigen willst, oder sagen ich ließe ihm für die Sendung vielmal danken, überlasse ich Dir.</p> <closer rend="left" xml:id="closer_4e49d8ee-5050-48ac-9c2f-d6d186b7e386">Somit bleibe mir gut und lebewohl, und Dir und <persName xml:id="persName_d78fab24-3fe0-488d-9abe-2f914dd6da31">Deiner Frau<name key="PSN0110639" style="hidden">Devrient, Therese (1803-1882)</name></persName> und den <persName xml:id="persName_30a66e9f-c168-47f5-8e98-0716b72399fb">Kindern<name key="PSN0110635" style="hidden">Devrient, Marie (1825-1873)</name></persName> gehe es wie ich mir und Euch es wünsche. Es bleibt doch dabei? Und wir mit einander</closer> <signed rend="right">F.</signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_417ea465-e4b6-4078-bed3-75f9de42ae22"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">N. S. An <persName xml:id="persName_3db5cea5-bfbf-40a5-963b-c7357b1a93f1">Marie<name key="PSN0110635" style="hidden">Devrient, Marie (1825-1873)</name></persName> und habe ich nicht geantwortet; da muß ich Dich also bitten, inliegende Briefe zu übergeben, die mich rechtfertigen sollen.</p> </div> </body> </text></TEI>