fmb-1831-11-07-01
Hilfe zum Zitier-Tool
Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.
Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.
Stuttgart, 7. November 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, 1 Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
-
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Nun geht es mit starken Schritten auf den Westen los, in einigen Tagen denke ich Euch aus Frankfurt zu schreiben, dann aus Düsseldorf, us.w. Es ist mir so schwer geworden, aus München wegzugehen, wie es einem immer wird, wenn man einen Ort verläßt, wo einen die Leute lieb haben und wenn man doch nicht weiß, ob es im nächsten wieder der Fall sein wird. Indessen hat mir auch manches das Fortgehen wieder erleichtert, namentlich, daß
Nun habe ich Euch Alle herzlich um Verzeihung zu bitten, wegen meiner Vernachläßigung der regelmäßigen Correspondenz; die Gründe wißt Ihr. Das Leben ging dort so schnell und eilig von Tag zu Tage, daß ich zum Denken und Schreiben drüber wenig Zeit behielt; jetzt bessere ich mich wieder und hole auch die versäumten Antworten nach. Aber die letzten Tage in München waren noch das maximum der Verwirrung; vier Tage lang wollte ich abreisen und kam durchaus nicht dazu meinen Koffer zu packen; noch ganz zuletzt gab mir
Stuttgart den 7 Nov. 1831. Nun geht es mit starken Schritten auf den Westen los, in einigen Tagen denke ich Euch aus Frankfurt zu schreiben, dann aus Düsseldorf, us. w. Es ist mir so schwer geworden, aus München wegzugehen, wie es einem immer wird, wenn man einen Ort verläßt, wo einen die Leute lieb haben und wenn man doch nicht weiß, ob es im nächsten wieder der Fall sein wird. Indessen hat mir auch manches das Fortgehen wieder erleichtert, namentlich, daß Hauser mit mir hiehergereis’t ist, dessen innre gründliche Seelengüte und Freundlichkeit ich sehr lieb gewonnen habe, und an dessen wohlwollenden, ernsthaften Wesen ich mich mehr freue, je näher ich ihn kennen lerne. Ich erinnre mich, daß er früher launisch und verdrießlich war, und muß bewundern, wie er jetzt ganz das Gegentheil davon ist, einer der heitersten, freundlichsten, zufriedensten Menschen die ich kenne. Wir wohnen hier wieder zusammen, disputieren fortwährend über Politik, Theologie und Musik, sind immer ganz verschiedner Meinung und vertragen uns prächtig. Auch ist mir lieb, daß Kerstorf mit seiner Tochter in der nächsten Woche nach Paris geht, um dort den Winter zu bleiben, so daß ich dort eine freundliche Aufnahme und einen Deiner Freunde mehr finde, lieber Vater. Hier denke ich noch etwa 3 oder 4 Tage zu bleiben, um Uhland und Gustav Schwab auf den Opernbackzahn fühlen, obwohl ich kaum auf eine Einwilligung hoffe; indessen will ich nichts unversucht gelassen haben, und auch mit Lindpaintner und Leitrum die Bekanntschaft wieder anknüpfen, für vorkommende Fälle. Nun habe ich Euch Alle herzlich um Verzeihung zu bitten, wegen meiner Vernachläßigung der regelmäßigen Correspondenz; die Gründe wißt Ihr. Das Leben ging dort so schnell und eilig von Tag zu Tage, daß ich zum Denken und Schreiben drüber wenig Zeit behielt; jetzt bessere ich mich wieder und hole auch die versäumten Antworten nach. Aber die letzten Tage in München waren noch das maximum der Verwirrung; vier Tage lang wollte ich abreisen und kam durchaus nicht dazu meinen Koffer zu packen; noch ganz zuletzt gab mir Poissl den mir angenehmen Auftrag ihm über alle neue Sachen, die ich sähe und die mir gefielen, gleich zu schreiben und sie dann für München zu acquiriren, davon bitte ich Euch aber vor der Hand gegen Niemand zu sprechen. Dann kam Kerstorfs Tochter, die Frau v: Könitz von Augsburg herüber, um noch etwas Musik von mir zu hören, da hatten wir einen sehr angenehmen Abend mit Boisserée’s, Klenze’s, Raimund aus Wien, Eichthal, der kleinen Lang – Habe ich Euch denn schon je von der kleinen Lang geschrieben? Ich glaube kaum und doch ist sie eine der liebsten Erscheinungen, die ich je gesehen. Denkt Euch ein zartes, kleines, blasses Mädchen, mit edeln, aber nicht schönen Zügen, so interessant und seltsam, daß schwer von ihr wegzusehen ist und all’ ihre Bewegungen und jedes Wort voll Genialität. Die hat denn nun die Gabe Lieder zu componiren und sie zu singen, wie ich nie etwas gehört habe; es ist die vollkommenste musikalische Freude, die mir bis jetzt wohl zu Theil geworden ist. Denn da fehlt nichts, wenn sie sich an das Clavier setzt und solch ein Lied anfängt, klingen die Töne anders, die ganze Musik ist so sonderbar hin und her bewegt, und in jeder Note das tiefste, feinste Gefühl; wenn sie dann mit ihrer zarten Stimme den ersten Ton singt, da wird es jedem Menschen still zu Muthe und nachdenklich und wird jeder durch und durch ergriffen auf seine Weise, aber könntet ihr auch nur die Stimme hören! So unschuldig, und bewußtlos schön, und so aus der innersten Seele herauf und doch so sehr ruhig! – Voriges Jahr waren wohl alle die Anlagen schon da, sie hatte kein Lied geschrieben, worin nicht irgend ein sonnenklarer Zug von Talent war, und da trommelten Marx und ich zuerst Lärm in der Stadt unter den Musikern, es wollte uns aber keiner so recht glauben. Seitdem aber hat sie den merkwürdigsten Fortschritt gemacht, wen die jetzigen Lieder nicht packen, der fühlt überhaupt gar nichts, und so ist es nun gar leider Mode geworden, das kleine Mädchen um Lieder zu bitten, ihr die Lichter vom Clavier wegzunehmen, und sich an ihrer Melancholie in Gesellschaft zu erfreuen. Das bildet einen bösen Contrast, und mehreremal wenn ich nach ihr auch etwas spielen sollte, war ich es nicht im Stande und sagte den Leuten Grobheiten. Denn es ist möglich, daß sie von alle dem Gerede noch verdorben werden kann, weil niemand neben ihr steht, der sie verstehen oder leiten könnte, und weil sie selbst sonderbarer Weise noch ganz ohne musikalische Bildung ist, weniges kennt, kaum gute Musik von schlechter unterscheiden kann und eigentlich außer ihren eignen Sachen alles wunderbar schön findet. Käme sie zu einer Art Zufriedenheit mit sich selbst so wäre es gleich vorbei; ich habe nun das Meinige gethan und die Eltern und sie selbst aufs Eindringlichste gebeten die Gesellschaften zu vermeiden und so etwas Göttliches nicht vergehn zu lassen, der Himmel gebe nur, daß es helfen möge. Vielleicht schicke ich Euch, Ihr Schwestern, bald einige ihrer Lieder, die sie mir abgeschrieben hat aus Dankbarkeit, weil ich ihr täglich eine Stunde gegeben habe und mich quälte, sie zu lehren was sie eigentlich schon von Natur wußte und weil ich sie ein bischen zur guten und ernsthaften Musik angehalten habe; auch eine Brieftasche hat sie mir gearbeitet mit einem Blumenkranz und einer Leier darauf, wenn ich mich darüber und über ihre Lieder aber freute, so begriff sie es nie, machte einen höflichen Knix und nahm es für eine Redensart. Ich wollte, Ihr könntet sie einmal sehen; sie allein könnte mir das Andenken an München schon lieb machen. – Denkt Euch der gegenüber nun ein mal die Fürstinn Wallerstein, das gerade Gegentheil von alle dem und doch so unglaublich liebenswürdig; bildschön, groß und schlank, ein Gesicht, das Licht verbreitet, wo sie hineintritt, mit der graziösesten Entschiedenheit, ganz ihrer Vorzüge sich bewußt, aber deswegen nur froh, gar nicht stolz und eitel; das nenne ich noch einmal eine Fürstinn. Sie kam mir immer vor, wie eine Sultaninn oder Circassierinn mit ihren schwarzen glänzenden Augen und den kohlschwarzen glatten Scheiteln, und wenn die mit der Delphine vierhändig spielte, so klang es zweitens sehr gut, aber erstens sah es gar zu lieblich aus. (O Gott, nehmt mir nur nicht übel, daß ich Euch das Alles schreibe, es kann wohl keinen andern interessiren, aber es gehört zu einem Stück Lebenslauf, darum müßt Ihr es einmal hingehen lassen. ) Ich habe ihr auch ein Lied aus a dur in ihr Stammbuch componirt und bin oft des Morgens hingegangen, um mit ihr zu spielen und ihr vorzuphantasiren, weshalb mich sämmtliche Münchener Musiker und die übrigen jungen Leute beneideten. Im Phantasiren glaube ich einen Fortschritt gemacht zu haben; ich mußte es sehr oft thun, und es sind mir bessere Sachen eingefallen, als je sonst wenn ich vor Leuten spielte. Aber eben dadurch habe ich gesehen, daß man es öffentlich nicht thun muß, denn zuweilen war es mir so natürlich, daß ich zwei oder dreimal nach einander phantasirte und am liebsten gar nicht aufgehört hätte, und oft den Abend drauf, wenn ich mich recht zusammennehmen wollte, hakte sich es an allen Ecken an und wollte zu nichts rechtem kommen. Es ist mir übrigens lieb, jetzt einmal wieder eine kleine Pause zu machen, denn mir sind am Ende wirklich die Hände ein bischen müde geworden von dem vielen Spielen, mir war zuweilen Abends zu Muthe wie einem Miethspferde; bis Paris habe ich genug Zeit zum Ausruhen. – Noch einen der letzten Tage kam der Baron von Tann, ein Freund und Rathgeber des Königs und mein großer Gönner, zu mir und brachte mir einen eigenhändigen Brief des Großvaters, den Phädon betreffend zum Geschenk. Er hat aber selbst eine Manuscriptensammlung und weil das der einzige Brief seiner Hand war, den er besaß, so mußte ich ihm eine Urkunde unterschreiben und besiegeln, daß nach meinem Ableben der Brief wieder an seine Sammlung verfallen solle, wenn ich ihm bis dahin nicht ein andres Manuscript von ihm verschafft hätte. Sollte Euch also irgendwo einmal ein Originalbrief oder sonst etwas von ihm vorkommen, so würdet Ihr mich sehr verbinden, wenn Ihr es mich wissen lassen wolltet, damit ich Euch seine Adresse zuschicken kann. Wer kam neulich sehr früh auf meine Stube, als ich noch in Hemdsärmeln war? Wer war die Dame? Ihr erstes Wort war: „Felix, kennen Sie mich nicht mehr? O Sie vergessen also Ihre Freunde“? Wer spricht viel, und wäscht sich wenig? Wer zog gleich aus der Manteltasche ein Opernsüjet? Wer wohnt in einem „wein- und aprikosumrankten Hause und hat mir einen Brief an eine hiesige Dichterinn mitgegeben auf dessen Adresse steht „durch holde Gefälligkeit“? Nu, die Chezy! – Sie ist allerdings sehr toll, aber ihre Söhne sind so elende Bälger, und sie leidet so von ihnen, daß ich sie wieder habe bedauern müssen. Mäxchen ist der gräßlichste Sudler auf Gottes Leinwand und Wilhelmchen ein dünner Dichter und grober Journalist geworden. Die Mutter weint immerfort über sie, und wenn es auch ihre Schuld ist, so ist es doch immer sehr traurig. – Morgen suche ich Benedicts wieder auf und spiele auf der alten Stiftsorgel, deren sich Vater wohl noch erinnern wird. Bis dahin lebt mir wohl, die Grüße von allen Münchnern an Euch kann ich kaum bestellen: Kerstorffs, der alte Pappenheimer, Rast, Bärmann, Chelard u. v. a. trugen mir es jedesmal auf, Dir o Fanny will Delphine unbekannterweise sehr empfohlen sein, und Hauser läßt Dich fragen, ob er sich die Lieder von Dir nach Schottland abschreiben dürfe, er geht vielleicht bis Frankfurt mit, da könnte ihn die Antwort noch treffen? Auch läßt er Dich bitten, um schöne neue Lieder von Dir, die er singen könne u. s. f. An Euch Alle trägt er mir tausend Grüße auf und so sage ich Euch heut guten Abend und lebtwohl und bleibe Euer F.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1831-11-07-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1831-11-07-01" xml:id="title_1e039ea6-3e53-4feb-b3cc-d0989e407628">Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy <lb></lb>Stuttgart, 7. November 1831</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_f057b4e0-8a02-4c20-bd84-daf0759910de">Nun geht es mit starken Schritten auf den Westen los, in einigen Tagen denke ich Euch aus Frankfurt zu schreiben, dann aus Düsseldorf, us.w. Es ist mir so schwer geworden, aus München wegzugehen, wie es</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_d6eaa2eb-4462-4a84-bc66-be21064412de">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 2, 470</idno></publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_2528ea40-7c13-42c3-809a-2efaf74da0a4"> <msDesc> <msIdentifier> <country>USA</country> <settlement>New York, NY</settlement> <institution key="RISM">US-NYp</institution> <repository>New York, NY, The New York Public Library for the Performing Arts, Astor, Lenox and Tilden Foundations, Music Division</repository> <collection>*MNY++ Mendelssohn Letters</collection> <idno type="signatur">Vol. IIIa/139.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1831-11-07-01" type="letter" xml:id="title_b790bdca-6d5e-4b82-b9f4-5dc7f3d34e59">Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy; Stuttgart, 7. November 1831</title> <incipit>Nun geht es mit starken Schritten auf den Westen los, in einigen Tagen denke ich Euch aus Frankfurt zu schreiben, dann aus Düsseldorf, us.w. Es ist mir so schwer geworden, aus München wegzugehen, wie es</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>4 beschr. S.; Adresse, 1 Poststempel.</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Jacques Hartog, Felix Mendelssohn Bartholdy en zijne Werken, Leiden 1909, S. 127 f. (Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-11-07" xml:id="date_9ecb1ba3-aaad-4305-a744-f0533f7a5add">7. November 1831</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_615396d8-9772-4234-81dd-8cf451316b76">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_9a013f0a-0aa5-4641-a292-05945b276d05"> <settlement key="STM0100140">Stuttgart</settlement> <country>Deutschland</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113247" resp="receiver" xml:id="persName_938c3a0e-9ac4-4d4a-822c-286c2ccb83c1">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <persName key="PSN0113241" resp="receiver" xml:id="persName_476c0d76-eabb-4718-a86b-30ceb8c7fe94">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_f7a75503-a744-47a8-83a7-1f68e950d38f"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_10567b6f-181d-4e54-9c30-d4b8d2306e7f"> <head> <address> <addrLine>Herrn</addrLine> <addrLine>Herrn StadtRath A. Mendelssohn Bartholdy</addrLine> <addrLine>Berlin«</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_3669af3c-f329-4c3f-9be6-94556838e218"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Stuttgart den <date cert="high" when="1831-11-07" xml:id="date_2bab48dc-eb2e-4f7f-9ba4-106a5ae37de9">7 Nov. 1831</date>.</dateline><p style="paragraph_without_indent">Nun geht es mit starken Schritten auf den Westen los, in einigen Tagen denke ich Euch aus Frankfurt zu schreiben, dann aus Düsseldorf, us.w. Es ist mir so schwer geworden, aus München wegzugehen, wie es einem immer wird, wenn man einen Ort verläßt, wo einen die Leute lieb haben und wenn man doch nicht weiß, ob es im nächsten wieder der Fall sein wird. Indessen hat mir auch manches das Fortgehen wieder erleichtert, namentlich, daß <persName xml:id="persName_bb1197d9-393f-46c1-bdbf-5c18efb1b670">Hauser<name key="PSN0111775" style="hidden">Hauser, Franz (František) (1794-1870)</name></persName> mit mir hiehergereis’t ist, dessen innre gründliche Seelengüte und Freundlichkeit ich sehr lieb gewonnen habe, und an dessen wohlwollenden, ernsthaften Wesen ich mich mehr freue, je näher ich ihn kennen lerne. Ich erinnre mich, daß er früher launisch und verdrießlich war, und muß bewundern, wie er jetzt ganz das Gegentheil davon ist, einer der heitersten, freundlichsten, zufriedensten Menschen die ich kenne. Wir wohnen hier wieder zusammen, disputieren fortwährend über Politik, Theologie und Musik, sind immer ganz verschiedner Meinung und vertragen uns prächtig. Auch ist mir lieb, daß <persName xml:id="persName_9ae956c9-6eba-45de-b26d-2de6dee4c279">Kerstorf<name key="PSN0112360" style="hidden">Kerstorf, Heinrich Sigmund Friedrich (bis 1816 Heymann Salomon Pappenheimer) Edler von (1769-1832)</name></persName> mit <persName xml:id="persName_8ac67725-b6c1-4021-845f-e0ba9ca3337c">seiner Tochter<name key="PSN0112486" style="hidden">Könitz, Henriette Freifrau von (seit 1817) Edle von Kerstorf (1807-1854)</name></persName> in der nächsten Woche nach Paris geht, um dort den Winter zu bleiben, so daß ich dort eine freundliche Aufnahme und einen Deiner Freunde mehr finde, lieber <persName xml:id="persName_1eafa801-5237-4d7e-8f51-691b224788cc">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName>. Hier denke ich noch etwa 3 oder 4 Tage zu bleiben, um <persName xml:id="persName_103bfb6e-6846-4153-92e2-55f68f27bd22">Uhland<name key="PSN0115418" style="hidden">Uhland, Johann Ludwig (1787-1862)</name></persName> und <persName xml:id="persName_53bb039d-cd0d-40a2-8caf-39c667947c5b">Gustav Schwab<name key="PSN0114793" style="hidden">Schwab, Gustav Benjamin (1792-1850)</name></persName> auf den Opernbackzahn fühlen, obwohl ich kaum auf eine Einwilligung hoffe; indessen will ich nichts unversucht gelassen haben, und auch mit <persName xml:id="persName_e189224c-4515-434c-a0cb-00e9c7d06ccc">Lindpaintner<name key="PSN0112873" style="hidden">Lindpaintner, Peter Joseph (seit 1844) von (1791-1856)</name></persName> und <persName xml:id="persName_38f2643c-46b0-4057-9db2-a96b1510974e">Leitrum<name key="PSN0112808" style="hidden">Leutrum von Ertingen, Carl Emanuel Victor Philipp Graf (1782-1842)</name></persName> die Bekanntschaft wieder anknüpfen, für vorkommende Fälle.</p><p>Nun habe ich Euch Alle herzlich um Verzeihung zu bitten, wegen meiner Vernachläßigung der regelmäßigen Correspondenz; die Gründe wißt Ihr. Das Leben ging dort so schnell und eilig von Tag zu Tage, daß ich zum Denken und Schreiben drüber wenig Zeit behielt; jetzt bessere ich mich wieder und hole auch die versäumten Antworten nach. Aber die letzten Tage in München waren noch das maximum der Verwirrung; vier Tage lang wollte ich abreisen und kam durchaus nicht dazu meinen Koffer zu packen; noch ganz zuletzt gab mir <persName xml:id="persName_667726eb-2e98-49f2-a0b2-3a46326f3f50">Poissl<name key="PSN0113936" style="hidden">Poißl, Johann Nepomuk Freiherr von (1783-1865)</name></persName> den mir angenehmen Auftrag ihm über alle neue Sachen, die ich sähe und die mir gefielen, gleich zu schreiben und sie dann für München zu acquiriren, davon bitte ich Euch aber vor der Hand gegen Niemand zu sprechen. Dann kam <persName xml:id="persName_e9386fce-8b45-49c5-a6d4-db4a306527dd">Kerstorfs Tochter<name key="PSN0112486" style="hidden">Könitz, Henriette Freifrau von (seit 1817) Edle von Kerstorf (1807-1854)</name></persName>, die Frau v: Könitz von Augsburg herüber, um noch etwas Musik von mir zu hören, da hatten wir einen sehr angenehmen Abend mit <persName xml:id="persName_6ea75f46-7ebf-43a1-9da6-708e2263cba9">Boisserée’s<name key="PSN0110016" style="hidden">Boisserée, Johann Sulpiz Melchior Dominikus (1783-1854)</name><name key="PSN0110017" style="hidden">Boisserée, Melchior Hermann Joseph Georg (1786-1851)</name></persName>, <persName xml:id="persName_17d2ca28-62a8-40e3-bfde-be928ae155d6">Klenze’s<name key="PSN0112429" style="hidden">Klenze, Franz Leopold (Leo) Karl (1784-1864)</name></persName>, <persName xml:id="persName_d9c5ee4e-4e1f-4078-8732-af4677f281fa">Raimund<name key="PSN0114066" style="hidden">Raimund (eigtl. Raimann), Ferdinand Jakob (1790-1836)</name></persName> aus Wien, <persName xml:id="persName_019e5245-256b-4722-bab9-13d6b63e464f">Eichthal<name key="PSN0110863" style="hidden">Eichthal (vorh. Seeligmann), Gustave (seit 1814) Baron d’ (1804-1886)</name></persName>, <persName xml:id="persName_cc670d9f-5e8a-4054-b30d-0987dd4c4af0">der kleinen Lang<name key="PSN0112672" style="hidden">Lang, Josephine Caroline (1815-1880)</name></persName> – Habe ich Euch denn schon je von <persName xml:id="persName_13dfaca4-67b8-4a15-b798-c647dd8d7bc4">der kleinen Lang<name key="PSN0112672" style="hidden">Lang, Josephine Caroline (1815-1880)</name></persName> geschrieben? Ich glaube kaum und doch ist sie eine der liebsten Erscheinungen, die ich je gesehen. Denkt Euch ein zartes, kleines, blasses Mädchen, mit edeln, aber nicht schönen Zügen, so interessant und seltsam, daß schwer von ihr wegzusehen ist und all’ ihre Bewegungen und jedes Wort voll Genialität. Die hat denn nun die Gabe <title xml:id="title_c8503753-386d-428c-aa61-72fbccc5fd9d">Lieder<name key="PSN0112672" style="hidden" type="author">Lang, Josephine Caroline (1815-1880)</name><name key="CRT0109638" style="hidden" type="music">Lieder</name><name key="PSN0112672" style="hidden" type="author">Lang, Josephine Caroline (1815-1880)</name><name key="CRT0109652" style="hidden" type="music">Sehnsucht op. 4/4</name></title> zu componiren und sie zu singen, wie ich nie etwas gehört habe; es ist die vollkommenste musikalische Freude, die mir bis jetzt wohl zu Theil geworden ist. Denn da fehlt nichts, wenn sie sich an das Clavier setzt und solch ein Lied anfängt, klingen die Töne anders, die ganze Musik ist so sonderbar hin und her bewegt, und in jeder Note das tiefste, feinste Gefühl; wenn sie dann mit ihrer zarten Stimme den ersten Ton singt, da wird es jedem Menschen still zu Muthe und nachdenklich und wird jeder durch und durch ergriffen auf seine Weise, aber könntet ihr auch nur die Stimme hören! So unschuldig, und bewußtlos schön, und so aus der innersten Seele herauf und doch so sehr ruhig! – Voriges Jahr waren wohl alle die Anlagen schon da, sie hatte kein Lied geschrieben, worin nicht irgend ein sonnenklarer Zug von Talent war, und da trommelten <persName xml:id="persName_88a1deb8-71f9-4ffe-9ce9-c30fbceaf3f4">Marx<name key="PSN0113108" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</name></persName> und ich zuerst Lärm in der Stadt unter den Musikern, es wollte uns aber keiner so recht glauben. Seitdem aber hat sie den merkwürdigsten Fortschritt gemacht, wen die jetzigen Lieder nicht packen, der fühlt überhaupt gar nichts, und so ist es nun gar leider Mode geworden, das kleine Mädchen um Lieder zu bitten, ihr die Lichter vom Clavier wegzunehmen, und sich an ihrer Melancholie in Gesellschaft zu erfreuen. Das bildet einen bösen Contrast, und mehreremal wenn ich nach ihr auch etwas spielen sollte, war ich es nicht im Stande und sagte den Leuten Grobheiten. Denn es ist möglich, daß sie von alle dem Gerede noch verdorben werden kann, weil niemand neben ihr steht, der sie verstehen oder leiten könnte, und weil sie selbst sonderbarer Weise noch ganz ohne musikalische Bildung ist, weniges kennt, kaum gute Musik von schlechter unterscheiden kann und eigentlich außer ihren eignen Sachen alles wunderbar schön findet. Käme sie zu einer Art Zufriedenheit mit sich selbst so wäre es gleich vorbei; ich habe nun das Meinige gethan und die <persName xml:id="persName_449c1e81-0efc-4a6c-a7cc-e7eace74cbd4">Eltern<name key="PSN0112675" style="hidden">Lang, verw. Seligmann, Theresia (Theresa)</name><name key="PSN0112674" style="hidden">Lang, Theobald (1783-?)</name></persName> und sie selbst aufs Eindringlichste gebeten die Gesellschaften zu vermeiden und so etwas Göttliches nicht vergehn zu lassen, der Himmel gebe nur, daß es helfen möge. Vielleicht schicke ich Euch, Ihr Schwestern, bald <title xml:id="title_0595e64b-10a9-4ee5-bcda-38701074b36a">einige ihrer Lieder<name key="PSN0112672" style="hidden" type="author">Lang, Josephine Caroline (1815-1880)</name><name key="CRT0109638" style="hidden" type="music">Lieder</name></title>, die sie mir abgeschrieben hat aus Dankbarkeit, weil ich ihr täglich eine Stunde gegeben habe und mich quälte, sie zu lehren was sie eigentlich schon von Natur wußte und weil ich sie ein bischen zur guten und ernsthaften Musik angehalten habe; auch eine Brieftasche hat sie mir gearbeitet mit einem Blumenkranz und einer Leier darauf, wenn ich mich darüber und über ihre Lieder aber freute, so begriff sie es nie, machte einen höflichen Knix und nahm es für eine Redensart. Ich wollte, Ihr könntet sie einmal sehen; sie allein könnte mir das Andenken an München schon lieb machen. – Denkt Euch der gegenüber nun ein mal die <persName xml:id="persName_49137040-0e3d-48a7-ad9a-84641adffbbd">Fürstinn Wallerstein<name key="PSN0113646" style="hidden">Oettingen-Wallerstein, Julia (Julie) Francesca Prinzessin zu (1807-1883)</name></persName>, das gerade Gegentheil von alle dem und doch so unglaublich liebenswürdig; bildschön, groß und schlank, ein Gesicht, das Licht verbreitet, wo sie hineintritt, mit der graziösesten Entschiedenheit, ganz ihrer Vorzüge sich bewußt, aber deswegen nur froh, gar nicht stolz und eitel; das nenne ich noch einmal eine Fürstinn. Sie kam mir immer vor, wie eine Sultaninn oder Circassierinn mit ihren schwarzen glänzenden Augen und den kohlschwarzen glatten Scheiteln, und wenn die mit der <persName xml:id="persName_06835f94-2a95-4205-9665-cfb801557d14">Delphine<name key="PSN0114515" style="hidden">Schauroth, Delphine (Adolphine) von (1814-1887)</name></persName> vierhändig spielte, so klang es zweitens sehr gut, aber erstens sah es gar zu lieblich aus. (O Gott, nehmt mir nur nicht übel, daß ich Euch das Alles schreibe, es kann wohl keinen andern interessiren, aber es gehört zu einem Stück Lebenslauf, darum müßt Ihr es einmal hingehen lassen.) Ich habe ihr auch ein <title xml:id="title_76d6a64a-e39e-4007-8d71-f4d573a9ab05">Lied aus a dur<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_8rdiwn2p-py26-yy5t-r0u7-632ddlkbq2qs"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100436" style="hidden">Con moto A-Dur, 3. November 1831<idno type="MWV">U 88</idno><idno type="op"></idno></name></title> in ihr Stammbuch componirt und bin oft des Morgens hingegangen, um mit ihr zu spielen und ihr vorzuphantasiren, weshalb mich sämmtliche Münchener Musiker und die übrigen jungen Leute beneideten. Im Phantasiren glaube ich einen Fortschritt gemacht zu haben; ich mußte es sehr oft thun, und es sind mir bessere Sachen eingefallen, als je sonst wenn ich vor Leuten spielte. Aber eben dadurch habe ich gesehen, daß man es öffentlich nicht thun muß, denn zuweilen war es mir so natürlich, daß ich zwei oder dreimal nach einander phantasirte und am liebsten gar nicht aufgehört hätte, und oft den Abend drauf, wenn ich mich recht zusammennehmen wollte, hakte sich es an allen Ecken an und wollte zu nichts rechtem kommen. Es ist mir übrigens lieb, jetzt einmal wieder eine kleine Pause zu machen, denn mir sind am Ende wirklich die Hände ein bischen müde geworden von dem vielen Spielen, mir war zuweilen Abends zu Muthe wie einem Miethspferde; bis Paris habe ich genug Zeit zum Ausruhen. – Noch einen der letzten Tage kam der <persName xml:id="persName_33534f35-149e-4ad9-b921-fd1b4e3d9a73">Baron von Tann<name key="PSN0115242" style="hidden">Tann, Heinrich Freiherr von der (1784-1848)</name></persName>, ein Freund und Rathgeber des <persName xml:id="persName_cceffee6-906c-4918-8634-57f382c54f12">Königs<name key="PSN0109721" style="hidden">Bayern, Ludwig I. Karl August von (1786-1868)</name></persName> und mein großer Gönner, zu mir und brachte mir einen eigenhändigen Brief des <persName xml:id="persName_e9193d7b-8633-4ca1-8552-26b8891d42eb">Großvaters<name key="PSN0113232" style="hidden">Mendelssohn (vorh. Dessau), Moses (1729-1786)</name></persName>, den <title xml:id="title_e9c98c5c-5031-4639-b2a2-22d9d3cb2495">Phädon<name key="PSN0113232" style="hidden" type="author">Mendelssohn (vorh. Dessau), Moses (1729-1786)</name><name key="CRT0109941" style="hidden" type="science">Phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele</name></title> betreffend zum Geschenk. Er hat aber selbst eine Manuscriptensammlung und weil das <persName xml:id="persName_bfe43c55-73c3-473f-b359-0d3a8fcfa1f3">der einzige Brief seiner Hand<name key="PSN0113232" style="hidden">Mendelssohn (vorh. Dessau), Moses (1729-1786)</name></persName> war, den er besaß, so mußte ich ihm eine Urkunde unterschreiben und besiegeln, daß nach meinem Ableben der Brief wieder an seine Sammlung verfallen solle, wenn ich ihm bis dahin nicht ein andres Manuscript von <persName xml:id="persName_b983a591-a526-4fc6-b5a8-18c5f7e4028c">ihm<name key="PSN0113232" style="hidden">Mendelssohn (vorh. Dessau), Moses (1729-1786)</name></persName> verschafft hätte. Sollte Euch also irgendwo einmal ein Originalbrief oder sonst etwas von <persName xml:id="persName_4d67d0ba-2875-4e3a-ae22-aab304741e35">ihm<name key="PSN0113232" style="hidden">Mendelssohn (vorh. Dessau), Moses (1729-1786)</name></persName> vorkommen, so würdet Ihr mich sehr verbinden, wenn Ihr es mich wissen lassen wolltet, damit ich Euch <persName xml:id="persName_3a98c8a2-1121-4df0-9050-a82366e2e691">seine Adresse<name key="PSN0115242" style="hidden">Tann, Heinrich Freiherr von der (1784-1848)</name></persName> zuschicken kann. Wer kam neulich sehr früh auf meine Stube, als ich noch in Hemdsärmeln war? Wer war die Dame? Ihr erstes Wort war: „Felix, kennen Sie mich nicht mehr? O Sie vergessen also Ihre Freunde“? Wer spricht viel, und wäscht sich wenig? Wer zog gleich aus der Manteltasche ein Opernsüjet? Wer wohnt in einem „wein- und aprikosumrankten Hause und hat mir einen Brief an eine <persName xml:id="persName_8bcbde4e-8d3b-431b-90d6-ea5d23de5003">hiesige Dichterinn<name key="PSN0114233" style="hidden">Robert, Friederike (1795-1832)</name></persName> mitgegeben auf dessen Adresse steht „durch holde Gefälligkeit“? Nu, die <persName xml:id="persName_7768956d-985d-451d-924c-77d59a685041">Chezy<name key="PSN0110367" style="hidden">Chézy, Wilhelmine (Helmina) Christiane von (1783-1856)</name></persName>! – Sie ist allerdings sehr toll, aber <persName xml:id="persName_73b555ef-912e-4557-a8fa-b543db9c4c8f">ihre Söhne<name key="PSN0110365" style="hidden">Chézy, Max von (1808-1846)</name><name key="PSN0110366" style="hidden">Chézy, Wilhelm Theodor von (1806-1865)</name></persName> sind so elende Bälger, und sie leidet so von ihnen, daß ich sie wieder habe bedauern müssen. <persName xml:id="persName_957a8fde-c1e1-4153-842e-8c522f867adf">Mäxchen<name key="PSN0110365" style="hidden">Chézy, Max von (1808-1846)</name></persName> ist der gräßlichste Sudler auf Gottes Leinwand und <persName xml:id="persName_a0d77b20-9629-4025-9f46-dfbae8bc0222">Wilhelmchen<name key="PSN0110366" style="hidden">Chézy, Wilhelm Theodor von (1806-1865)</name></persName> ein dünner Dichter und grober Journalist geworden. Die Mutter weint immerfort über sie, und wenn es auch ihre Schuld ist, so ist es doch immer sehr traurig. – Morgen suche ich <persName xml:id="persName_a6c5284b-6ea7-4f0a-adab-d3e509f5fc75">Benedicts<name key="PSN0109854" style="hidden">Benedict, Moses (1772-1852)</name></persName> wieder auf und spiele auf der alten <placeName xml:id="placeName_446d4724-14ca-4c75-b18e-780cefb3daf3">Stiftsorgel<name key="SGH0100396" style="hidden" subtype="" type="sight">Stiftskirche</name><settlement key="STM0100140" style="hidden" type="">Stuttgart</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, deren sich <persName xml:id="persName_89e681ab-523c-4667-8e8c-fcb678f1541d">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> wohl noch erinnern wird. Bis dahin lebt mir wohl, die Grüße von allen Münchnern an Euch kann ich kaum bestellen: <persName xml:id="persName_77c0f496-5990-4478-b46e-e2908a623433">Kerstorffs<name key="PSN0112357" style="hidden">Kerstorf, Familie von → Heinrich Sigmund Friedrich von K.</name></persName>, <persName xml:id="persName_19d35ac7-42a4-45a4-b5b8-ae4848f71ca5">der alte Pappenheimer<name key="PSN0113748" style="hidden">Pappenheimer, Seligmann (1767-1844)</name></persName>, <persName xml:id="persName_1bc94f1d-1cc6-4113-9a65-f6362ccf6d67">Rast<name key="PSN0114075" style="hidden">Rast (bis 1829: Liebmann), Ferdinand Martin Freiherr von (1781-1863)</name></persName>, <persName xml:id="persName_86bef2d9-d38f-4dbe-892f-ddcff161bb5c">Bärmann<name key="PSN0109633" style="hidden">Baermann, Heinrich Joseph (1784-1847)</name></persName>, <persName xml:id="persName_1eafd001-f717-42a4-94be-d261aed75214">Chelard<name key="PSN0110359" style="hidden">Chelard, André Hippolyte Jean Baptiste (1789-1861)</name></persName> u. v. a. trugen mir es jedesmal auf, Dir o <persName xml:id="persName_4cbb5cde-5a23-4a80-86c4-68a428470ff3">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> will <persName xml:id="persName_ed0fd034-9319-46e8-b63b-10e17c4fff98">Delphine<name key="PSN0114515" style="hidden">Schauroth, Delphine (Adolphine) von (1814-1887)</name></persName> unbekannterweise sehr empfohlen sein, und <persName xml:id="persName_8e87cc8a-cee7-4fd7-8584-1a96e68ae19b">Hauser<name key="PSN0111775" style="hidden">Hauser, Franz (František) (1794-1870)</name></persName> läßt Dich fragen, ob er sich die <title xml:id="title_99bfa817-fbf4-4496-bdf1-33525242bab8">Lieder von Dir<name key="PSN0111893" style="hidden" type="author">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="CRT0111450" style="hidden" type="music">»Sehnsucht VIII« für eine Singstimme und Klavier HU 219 (24. Juni 1828)</name></title> nach Schottland abschreiben dürfe, er geht vielleicht bis Frankfurt mit, da könnte ihn die Antwort noch treffen? Auch läßt er Dich bitten, um schöne neue Lieder von Dir, die er singen könne u. s. f. An Euch Alle trägt er mir tausend Grüße auf <seg type="closer" xml:id="seg_ce384e0e-77bb-48ca-9f29-6b1c9a78080c">und so sage ich Euch heut guten Abend und lebtwohl und bleibe Euer</seg></p><signed rend="right">F.</signed></div></body> </text></TEI>