fmb-1831-09-09-01
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München, 9. September 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
3 beschr. S.; Adresse, 1 Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
-
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Berlin.
Wäre ich doch bei Euch! – Aber seit ich gestern
Aber gestern war es ein schlimmer Tag. In Augsburg kam ich müde und gleichgültig an, nehme die Zeitung in die Hand, und sehe wieviel Personen in Berlin erkrankt seien. Ich werde die schwarzen, kleinen Buchstaben ewig vor mir sehen, so faßte michs obgleich ich mir immer schon die Möglichkeit und mein Benehmen dabei gedacht hatte. Mein Wunsch oder vielmehr was mir meine Pflicht schien war sogleich nach Berlin zu reisen, um Euch durch meine Gegenwart doch ein wenig heitre Zeit zu machen oder Euch zu zerstreuen. So fuhr ich Post hieher und wollte Abends schon weiter, wenn ich Eure Briefe hätte. Die konnte ich nun nicht gleich bekommen, traf aber wollest nicht, daß ich käme. Mich hat Dein Befehl entschieden, und seitdem bin ich auch weniger confus. Denn ängstigen thue ich mich nicht Euretwegen, und will es nicht; ich habe in Italien wol jeden Brief mit Herzklopfen aufgemacht, weil Wochen dazwischen lagen, und werde es jetzt vielleicht noch mehr haben, aber die Krankheit und die ganze Welt steht in Gottes Hand, heut nur wie immer, und somit bin ich heiter.
Aber noch einmal bitte ich Dich, lieber
Wie danke ich Euch für die lieben, lieben Sendungen! Für die
Ich wollte Euch heute nur sagen, und namentlich Dir, liebe
München d. 9 Sept. 1831. Wäre ich doch bei Euch! – Aber seit ich gestern Vaters Verbot empfing, darf ich nicht mehr daran denken; und so will ich Euch auch nicht weiter mit meinen Gedanken plagen; sie wären unerfreulich. Auch bin ich seit gestern ruhiger, denn ich weiß nun was ich zu thun habe, und soll nicht zu Euch hin. Aber gestern war es ein schlimmer Tag. In Augsburg kam ich müde und gleichgültig an, nehme die Zeitung in die Hand, und sehe wieviel Personen in Berlin erkrankt seien. Ich werde die schwarzen, kleinen Buchstaben ewig vor mir sehen, so faßte michs obgleich ich mir immer schon die Möglichkeit und mein Benehmen dabei gedacht hatte. Mein Wunsch oder vielmehr was mir meine Pflicht schien war sogleich nach Berlin zu reisen, um Euch durch meine Gegenwart doch ein wenig heitre Zeit zu machen oder Euch zu zerstreuen. So fuhr ich Post hieher und wollte Abends schon weiter, wenn ich Eure Briefe hätte. Die konnte ich nun nicht gleich bekommen, traf aber den alten Pappenheimer, der mir so entschieden und tüchtig dagegen sprach und abrieth, daß er nur meine Verwirrung und Confusion noch peinlicher machte. Ich fühlte, der Schritt sey wichtig, denn Frankreich war aufgegeben; wenn ich nach Berlin ging, und doch zieht es mich gar so sehr hin. Pappenheimer sagte mir nun, er wolle mir wörtlich vorhersagen, was Du, lieber Vater, schreiben würdest, ich bekam endlich Deinen Brief und wirklich traf es ein mit allen Gründen. Du schreibst, Du wollest nicht, daß ich käme. Mich hat Dein Befehl entschieden, und seitdem bin ich auch weniger confus. Denn ängstigen thue ich mich nicht Euretwegen, und will es nicht; ich habe in Italien wol jeden Brief mit Herzklopfen aufgemacht, weil Wochen dazwischen lagen, und werde es jetzt vielleicht noch mehr haben, aber die Krankheit und die ganze Welt steht in Gottes Hand, heut nur wie immer, und somit bin ich heiter. Aber noch einmal bitte ich Dich, lieber Vater, schreibe mir entschieden, (denn nun gehn die Briefe schnell) ob ich nicht kommen soll? Sieh, wenn ich auch ein halbes Jahr verliere, (in meiner äußerlichen Stellung) so kann ich das ja wieder einbringen nachher, und es würde Euch ja doch gerade jetzt vielleicht angenehm sein, einen bekannten Menschen mehr um Euch zu haben; ich würde ja auch in Berlin ein Paar Concerte geben können oder sonst was – aber ich kann Dir jetzt nicht weiter vernünftige Gründe angeben. Schreibe mir, nun die Sache entschieden da ist, Deinen Willen darüber, ich bitte Dich. – Aber bis dahin, thue ich nach Deinem letzten Befehl, und folge hier meinem vorigen Plane, als sey nichts geschehen. Das Theater ist nicht gefallen, die Leute nicht politisch, ich werde sehen, den Opernauftrag zu erhalten; wenn die Cholera hier ins Land kommen sollte und sich auf irgend eine Art hieher wendet, so eile ich natürlich sogleich nach Frankreich, und so habe ich keine Zeit zu verlieren, obwohl bisjetzt in Bayern noch keine Spur davon ist. Heut hoffe ich wieder auf Nachrichten von Euch. Wie danke ich Euch für die lieben, lieben Sendungen! Für die Musik von Fanny und Beckchens Arbeit und Hensels Zeichnung. Aber ich habe es noch alles nicht recht genießen können; morgen schreibe ich Euch ruhiger und besser und gesetzter; ich wollte nur gleich Nachricht von meiner Ankunft geben, daher die Zeilen. Ich will auch noch ein Stück Tagebuch aus der Schweiz einlegen, obwohl mir es jetzt fast bitter erscheint, oder wie längste Vergangenheit, aber Ihr schreibt, es mache Euch Vergnügen, und so schicke ich es. Das Nächstemal kommt dann das Ende der Reise. Ich wollte Euch heute nur sagen, und namentlich Dir, liebe Mutter, auf Deine Fragen, wegen der Ueberschwemmungen und Erkältungen antworten, daß ich mich nie so körperlich wohl gefühlt habe, wie jetzt, und daß alle Leute, die mich hier schon gesehen, mich viel gesünder und stärker als voriges Jahr finden. Es ist wohl lächerlich, daß ich Euch Nachrichten von meiner Gesundheit geben soll, während es nur die von der Eurigen sind, auf die ich denke und hoffe. Lebt mir wohl. Verzeiht mir diesen Brief; ich versichre Euch, daß ich mit allen Leuten hier so unbefangen und heiter bin wie sonst und als wäre alles ruhig, aber nur indem ich denke, daß der Brief zu Euch geht, und da sein wird, wo ich doch eigentlich sein sollte (denn ich muß es doch für meine Pflicht halten) da wird mir wieder unruhig und sonderbar zu Muthe. Verzeiht mir ihn; im nächsten soll es besser sein, so Gott will und ihm befohlen lebt mir wohl. F.
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-09-09" xml:id="date_bd4f93b8-e711-45c4-835b-ffdd7abe83f7">9. 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