fmb-1831-09-05-01
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Rigikulm, 30. August, bis Lindau, 5. September 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
8 beschr. S.; Adresse, 1 Poststempel. – Den vorliegenden tagebuchartigen Brief hat FMB in den Brief Nr. 460 an die Familie vom 16. September 1831 eingelegt, da er die Zeichnung Z. 401 noch fertigstellen musste (vgl. Brief Nr. 460, Z. 97).
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Berlin
Ich bin auf dem Rigi. Weiter braucht ich nichts zu sagen, Ihr wißt das Uebrige, denn Ihr kennt den Berg. Wenn es nur nicht Alles so unbegreiflich schön wäre!
Heut früh ging ich von Luzern weg; alle Bergen waren verhängt, die Wetterkundigen prophezeiten schlecht Wetter. Da ich aber bisjetzt immer gefunden habe, daß das Gegentheil von dem eintraf, was die Kundigen sagten, so habe ich mir meine eignen Symptome ausgesucht, und bisher damit ebenso falsch prophezeit, wie die Anderen. Heut früh aber gefiel mir das Wetter nicht übel, und da ich doch nicht gerade hinaufgehen wollte, während Alles verhängt war (denn durch Faulhorn wird man klug) so schlich ich mich den ganzen Morgen am Fuß des Rigi umher und guckte hinauf, ob es nicht klar werden wollte. Endlich um 12 Uhr in Küßnacht stand ich auf dem Scheidewege, rechts nach dem Rigi, links nach Immensee, entschloß mich den Rigi diesmal nicht zu sehen, nahm gerührt Abschied, ging durch die hohle Gasse nach dem Zuger See, am Wasser hin auf einem scharmanten Weg nach Art, schielte aber immer noch gegen den Rigikulm hin, ob er nicht klar werden wollte. Und während ich in Art zu Mittag aß, wurde er klar, der Wind war sehr gut, die Wolken hoben sich von allen Seiten, ich entschloß mich und ging hinauf. Aber es war keine Zeit zu verlieren wenn ich den Sonnenuntergang sehen wollte, ich ging also tüchtigen Bergschritt, und war in 2 3 4
Am lächerlichen, das Du, liebe
Liebe
ten
fürirgend etwas, und sey es selbst für Begeisterung gemacht ist.
Über so etwas wurde ich sonst sehr grimmig, aber das thue ich jetzt nicht mehr, überzeugt, wie ich bin, daß es Philister geben werde und geben müsse, bis an der Welt Ende. Der liebe Gott hat sie geschaffen, wie die Flöhe gleichfalls; sie beißen auch zuweilen, und wenn man sich juckt, thut es noch mehr weh; den andern Morgen ist es aber vorbei, und sie müssen in die Waschschüssel. Dies Gleichniß ist aus dem Leben gegriffen; aber ernsthaft zu reden, wie wollt Ihr
ten
Abends. Gestern um diese Zeit hatte ich noch Fußreiseprojecte, wollte wenigstens noch über den Kamm und aufs Wildkirchlein, und durch das ganze Appenzell, da war es mir sonderbar, als ich eben erfuhr, daß es mit dem Bergreisen für dies Jahr wahrscheinlich vorbey wäre. Alle Höhen sind dick beschneit, denn wie es hier im Thale seit 36 Stunden regnet, so schneit es oben; die Heerden müssen von den Alpen herunter, wo sie noch einen Monat hätten bleiben sollen, so daß an Fußwege natürlich nicht mehr zu denken ist. Gestern also war ich noch darin und heut ist es für das nächste halbe Jahr unmöglich. Die Fußreise ist vollendet, und war wunderschön; ich werde sie nie vergessen. Nun wollen wir einmal wieder tüchtig Musik machen. Zeit ists dazu. – Ich sollte nun auch mein Tagebuch an die
ten
Denn so behaglich fühle ich mich jetzt hier nach überstandnem Sturm und Unwetter. Die vier Stunden über die Berge von Altstetten hieher, waren ein förmlicher Kampf gegen das Wetter. Wenn ich sage, daß ich was Ähnliches weder erlebt, noch für möglich gedacht hatte, so will es noch nichts sagen; aber den ältesten Leuten des Cantons gehts ebenso. Eine große Fabrik ist zertrümmert und mehrere Leute umgekommen. Wie ich heut nun noch einmal zu Fuß gehn mußte, und wie ich quer durch Appenzell hieher gelangt bin, aussehend wie Aegypten nach den sieben Plagen, das erzähle ich Euch morgen, aus dem letzten Schweizerort, denn jetzt läutet es zum Essen, und da will ich äbtlich tafeln, auch sind mir die Hände noch steif vor Kälte (Ihr seht es an der Kalligraphie) und der Kopf brummt mir noch sehr vom Regensturm. Anjetzt wird vertilgt, was eßbar ist; die ganze Carte wenigstens; auch französ. Journale giebt es und eine geheizte Stube – man ist behaglich.
tenunaufhörlich, nur mehr oder weniger heftig geregnet. Es war als ob der liebe Gott verdrießlich sey. Ich kam heut durch weite Obstgärten, die nicht unter Wasser, sondern unter Schlamm und Lehm standen, alles sieht kläglich und niederschlagend aus. Verzeiht mir darum auch den litanischen Ton der vorigen Seite; ich habe nie in der Landschaft etwas traurigeres gesehen, als die grünen, bewachs’nen Hügel voller Schnee, während unten die Fruchtbäume mit den reifen Früchten im Wasser standen und sich abspiegelten. Dieser schmutzige, dünne Schnee, wie er sich auf die Tannenwälder und die Wiesen gelagert hatte, sah aus wie die leibhaftige Verwüstung, und da mir ein Sarganser Bürger erzählte, daß 1811 das ganze Städtchen abgebrannt und jetzt mit Mühe wieder erneuert sey, daß sie hauptsächlich vom Weinbau lebten der dies Jahr durchaus verhagelt sei, und daß nun sogar die Alpen nicht mehr zu brauchen seyen, für diesmal, da muß man wohl ernsthaft werden und über dies Jahr nachdenken. Nun ists aber sonderbar: muß ich in solchem Wetter zu Fuß gehn, und recht ordentlich daran ausstehen, so macht es mich nicht verstimmt, sondern im Gegentheil, ich freue mich immer daß es mir doch nichts anhaben kann. Als ich gestern mit der Post in einer Decemberkälte in Altstetten ankam, fand es sich daß keine Fahrstraße nach Trogen war, wohin ich am letzten schönen Tage unglücklicherweise meinen Mantel und Bündel geschickt hatte. Haben mußte ich es den Abend, denn die Kälte war grimmig, also besann ich mich nicht lange, stieg noch einmal, zum letztenmale, über die Berge und kam in den Canton Appenzell. Wie da, in den Wäldern und Hügeln und Wiesen die Wege aussahen ist unbeschreiblich; einen Führer hatte ich nicht finden können, weil grade Sonntag und Kirche war, auf dem ganzen Wege begegnete mir kein Mensch, sie waren alle in die Häuser gekrochen, und so trabte ich dann ganz allein auf Trogen los. Wenn man da etwa durch einen Wald kommt, in solchem Wetter und bei solchen Wegen, da glaubt Ihr gar nicht welch wunderliches Gefühl von Unabhängigkeit man hat. Man könnte kreuz und quer gehen, oder hinpurzeln, oder ein Bein brechen, es krähte kein Hahn danach, aber man hat eben so das lustige Gefühl, daß Alles das nicht geschehen wird, und trabt auf Trogen los. Noch dazu kann ich jetzt das Schweizer Krähen und Jodeln perfect; so schrie ich denn frisch, und sang mir mehrere Jodelcompositionen vor, und kam sehr übermüthig nach Trogen. Da waren die Leute grob und ungezogen im Wirthshaus, und so sagte ich höflich: laßt Euch hängen, ich geh’ weiter, und nahm die Carte raus und fand daß St. Gallen der nächste ordentliche Ort war und noch dazu der einzige praktikable Weg. Nun wollte aber kein Mensch mitgehen, in dem furchtbaren Wetter, da wollte ich es selbst tragen, und schimpfte auf alle […]ederkeit, gleich kam aber das Gegenstück, wie es denn oft zu gehn pflegt. Den Boten nämlich, von dem ich meine Sachen abholen mußte, traf ich in seinem wundernetten, neugezimmerten Hause, und da war die wirkliche rechte Schweizerwirthschaft, wie man sie sich denken soll. Er saß mit seiner ganzen Familie um den Tisch, das ganze Haus so reinlich und warm, die Stube geheizt, der alte Bote (er heißt
Rigikulm den 30 Aug. 1831. Abends. Ich bin auf dem Rigi. Weiter braucht ich nichts zu sagen, Ihr wißt das Uebrige, denn Ihr kennt den Berg. Wenn es nur nicht Alles so unbegreiflich schön wäre! Heut früh ging ich von Luzern weg; alle Bergen waren verhängt, die Wetterkundigen prophezeiten schlecht Wetter. Da ich aber bisjetzt immer gefunden habe, daß das Gegentheil von dem eintraf, was die Kundigen sagten, so habe ich mir meine eignen Symptome ausgesucht, und bisher damit ebenso falsch prophezeit, wie die Anderen. Heut früh aber gefiel mir das Wetter nicht übel, und da ich doch nicht gerade hinaufgehen wollte, während Alles verhängt war (denn durch Faulhorn wird man klug) so schlich ich mich den ganzen Morgen am Fuß des Rigi umher und guckte hinauf, ob es nicht klar werden wollte. Endlich um 12 Uhr in Küßnacht stand ich auf dem Scheidewege, rechts nach dem Rigi, links nach Immensee, entschloß mich den Rigi diesmal nicht zu sehen, nahm gerührt Abschied, ging durch die hohle Gasse nach dem Zuger See, am Wasser hin auf einem scharmanten Weg nach Art, schielte aber immer noch gegen den Rigikulm hin, ob er nicht klar werden wollte. Und während ich in Art zu Mittag aß, wurde er klar, der Wind war sehr gut, die Wolken hoben sich von allen Seiten, ich entschloß mich und ging hinauf. Aber es war keine Zeit zu verlieren wenn ich den Sonnenuntergang sehen wollte, ich ging also tüchtigen Bergschritt, und war in 2 3 4 Stunden auf dem Culm am wohlbekannten Hause. Da sah ich oben gegen 40 Menschen stehn, mit aufgehobnen Händen, bewundernd, zeigend, in der lebhaftesten Bewegung; ich lief hinauf, es gab da wieder ein neues wunderbares Schauspiel, in den Thälern war Alles voll Nebel und Wolken und drüber sahen hohe Schneegebirge und die Gletscher mit den schwarzen Felsen rein und klar hervor. Die Nebel zogen weiter, verdeckten einen Theil, da kamen die Berner Gebirge Jungfrau, Mönch, Finsteraarhorn heraus, dann der Titlis und die Unterwaldner, zuletzt stand die ganze Kette klar neben einander; nun fingen auch in den Thälern die Wolken an zu zerreißen, man sah die Seen, Luzern, Zug, und gegen Sonnenuntergang lagen nur noch dünne, helle Nebelstreifen auf der Landschaft. Wenn man so aus den Bergen kommt und dann noch den Rigi sieht, das ist als käme am Ende der Oper die Ouvertüre und andre Stücke wieder; alle die Stätten, wo man so Himmlisches sah, die Wengern Alp, die Wetterhörner, das Engelberger Thal, sieht man hier noch einmal neben einander liegen und kann Abschied nehmen. Ich dachte es könne nur das erstemal durch die Ueberraschung wenn man die Gletscher noch nicht kenne, so große Wirkung machen, aber sie ist fast noch größer am Ende. – Den Martin Bürgi mit seinen Hunde traf ich im Klösterli, er erinnerte sich unsrer noch vollkommen, gab mir seinen Jungen als Wegweiser, und sagte mir ich würde schöne Aussicht haben, da ließ ich Staffel liegen und ging den graden, steilen Weg hinauf; ich habe aber doch heut gesehen, daß ich ein bischen stärker bin, als damals, ich war durchaus nicht ermüdet, als ich ankam, konnte umherlaufen nach Herzenslust, und kam doch von Luzern her, während ich damals nur mit unendlicher Anstrengung heraufkam, ich weiß aber nicht mehr, ob ich 12 oder 14 Jahre alt war, im ersten Falle wärs natürlich. Ich möchte wirklich wissen welches Jahr wir hier waren; ich kanns nicht mehr herauskriegen, und in keinem Buche hab ich unsre Namen finden können. Am lächerlichen, das Du, liebe Mutter, gern hast, fehlte es auch nicht oben. Als die Sonne über eine Viertelstunde unter war, und die Berge ganz finster wurden, frug ein gräflicher JunkerStudent seinen Führer, ob nun das Glühen bald kommen würde? Und da der ihn bedeutete, daß das nicht immer zu sehn wäre, so wurde er sehr böse, und sagte wenn so schön Wetter sei, wie heute, so müßten die Berge eigentlich glühen, und er sey nur deswegen hinaufgekommen, und warum sie es also heut nicht thäten? Der Führer half sich und sagte, es sei ein Zeichen von schlechtem Wetter, da wurde er wieder gut. Ein andrer stellte sich so nah er konnte an den Abgrund hin, und rief immerfort, von da habe sich ein Mensch hinuntergestürzt und sey auf der Stelle todt gewesen; er wollte gern die Aufmerksamkeit von den Bergen auf sich ziehn, aber er nahm sich zu sehr in Acht und stand ganz sicher. Und so rütteln alle Wunder Gottes die Philister nicht aus ihrer Philisterhaftigkeit auf, sie stehen auf dem Rigi und sind eigentlich im Bierhaus. – Es waren aber keine Philister, sondern lauter Studenten. Ach Gott, Ach Herre Gott! – Was wissen die Berge davon? Hättet Ihr sie heut gesehn in Ihrer Klarheit! Schwyz den 31 Aug. Denn Ihr wißt so etwas zu schätzen, und versteht, was solch’ eine Bergkette sagen will. Ich habe heut und gestern dankbar anerkannt, unter wie glücklichen Umgebungen ich diesen Theil der Welt habe kennen lernen und wie es so viel dazu beigetragen hat mir den Sinn dafür zu öffnen oder zu schärfen, daß ich Euch damals in der höchsten Bewunderung sah und Alles Übrige, Alltägliche vergessend über diese Wunder. Ich erinnerte mich heut oft an Euere Freude und wie sie einen tiefen Eindruck damals auf mich machte. Dafür ist der Rigi aber auch ganz offenbar unsrer Familie zugethan, und hat mir aus Anhänglichkeit heut wieder einen so herrlichen, reinen Sonnenaufgang beschert, wie damals. Der abnehmende Mond, das lustige Alphorn, die lange dauernde Morgenröthe die sich erst um die kalten schattigen Schneeberge legte, die weißen Wölkchen über dem Zugersee, die Klarheit und Schärfe der Zacken, die sich in allen Richtungen gegen einander neigen, das Licht, das sich nach und nach auf allen Höhen zeigte, die trippelnden frierenden Leute in ihren Bettdecken, die Mönche aus Maria zum Schnee – nichts hat gefehlt. Ich konnte mich nicht von dem Anblick trennen, und blieb noch 6 Stunden fortwährend auf der Spitze und sah den Bergen zu; ich dachte mir, wenn wir uns einmal wiedersähen, so müßte doch manches anders geworden sein und wollte mir gern den Anblick so recht fest einprägen. Auch kamen ab und zu Leute, und man plauderte von den schweren, ängstlichen Zeiten, von Politik und von den hellen Bergen drüben. So verstrich der Morgen; endlich um halb 11, mußte ich fort, es war die höchste Zeit, weil ich heut noch nach Einsiedlen wollte, über den Haken. Unterwegs aber auf dem steilen Wege nach Lowerz brach mir mein treuer Regenschirm; der mir zugleich als Bergstock diente in viele Stücken entzwei, das hielt mich auf, so daß ich lieber hier geblieben bin und morgen ganz früh hinübergehe. In vier Tagen liegt ja ohnedies die Schweiz hinter mir und es kommt wieder ein Buchdruckerstock, aus Römischen Säulen, Orangenzweigen, einer Papstmütze, ein Paar Seemöwen, einem langen Bergstock, dem heutigen Alpenhorn u. dgl. bunt zusammengesetzt. Liebe Mutter, Dir habe ich heut eine heimliche Freude gemacht; mein schöner Backenbart ist dahin. Als ich in Luzern aus dem Thore gehen wollte, traf ich einen Mann, der mich freundlich anredete, (er kannte mich aus München her) mich bis Mörlischachen begleitete, sich als großen Verehrer meiner Musik zu erkennen gab, aber endlich mich inständig bat, den Bart abzuschneiden, wenn ich wieder nach München ginge, ich sähe wirklich zu schlecht darin aus, und besonders „so verständig und amtsmäßig. “ Das bestimmte mich, und ich versprach ihm dem nächsten Barbier die Haare zu lassen. Heut kam nun der nächste Barbier, ich gab meine Ordre, der Barbier meinte, es sey Schade um den schwarzen, dicken Bart, er machte Einwendungen, ich blieb standhaft wie Rinald am Zauberbrunn und endlich „tronca la barba, è barba e mirto parve“. Ich führe nämlich meinen kleinen Tasso immer im Bündel mit, und studire Abends vor dem Zubettgehen dran. Jetzt wird er vorgeholt; gute Nacht! 1 Sept. Rapperschwyl au paon, Pfauen. Ich kann aber vor Wuth kaum zu Worte kommen, die Einsiedler sind ausgebälgte Spitzbuben, haben mich betrogen, irre geführt, alles Mögliche Unangenehme. Natürlich meine ich nicht die Einsiedler hermites, obwohl ich die auch nicht ausstehen kann, sondern die Einsiedler, Einsiedelois. Die ehrlichste Person in der Schweiz ist Kellers Reisecarte, wär’ ich ihr nur gefolgt! Die Betrugsgeschichte ist zu lang, um sie hier zu erzählen, kurz sie versicherten mich von hier nach Wasen sey 3 Stunden, und als ich hier ankomme findet sichs, daß es mehr als 6 sind, und daß ich den Weg hieher umsonst gemacht habe. Das ganze Nest, wie sichs um das aufgeblasene Kloster hergelagert hat, und die betenden Menschen auf der Landstraße, und die stolzen Pfaffen, und die geschmacklos verzierte Kirche, mit zwei falschen Orgeln (d. h. die nur aussehn, wie Orgeln und gar nicht zum Spielen sind) das alles hat mich schon ennüjirt, aber gar noch so angeführt zu werden von einem Einsiedler. Nun muß ich morgen hin und her laufen, wie ein Irrwisch. – Gerechtigkeit muß sein, der Weg über den Haken ist prächtig. Daß man selten davon erzählen hört, begreif’ ich, denn er ist ziemlich steil und beschwerlich von Schwyz her, dafür entschädigt einen die Aussicht auf den Vierwaldstätter und Lowerzer See, die Schneeberge drüber, der frische Wind und die lustigen Quellen, die Wiesen und Waldungen auf der andern Seite, die Spitzen die hier und dort überall über den Wald hineinsehen, und besonders die süperben Mythen, die man dicht neben sich hat. Ihr erinnert Euch ihrer doch noch? Auch die Aussicht vom Ezel ist lustig, wie die Schweizer sagen. Man sieht den ganzen Zürchersee mit den vielen Häusern und Dörfern, aber man merkt es schon sehr, daß es gegen die Grenzen der Schweiz hingeht; ein wohlbekannter Berg nach dem andern nimmt Abschied, nachdem man sie so oft wiedergefunden hatte wo man es nicht dachte, und es bleiben nur noch angenehme, sanfte Hügel. Doch müssen am Wallenstatter See noch tüchtige Felsen sein, auf deren Bekanntschaft ich mich freue. Was mich noch in Einsiedeln ärgerte, war daß ich auf einer Wiese eine Proclamation an das Volk fand, die offenbar absichtlich dahin gelegt war, und daß mein Führer ein ganzes Packet andrer Proclamationen im entgegengesetzten Sinne bei sich trug um sie zu vertheilen. Wenn Kinder gern die Großen spielen, ists lächerlich; aber ein Volk! Und dabei das vornehme Wohlleben im Kloster, und das wunderthätige Bild, von geheilten Armen und Beinen umgeben! Wenn da einmal eine wirkliche Revolution käme, so würde sie fürchterlich ernsthaft werden, drum sollten sie doch lieber nicht damit spaßen. Aber ich werde politisch, und Vater bemerkte schon früh bei mir Anlagen zum schlechtesten Kannegießer. Das Volk hat mich heut angeführt, drum schimpfe ich heut aufs Volk, so machen es alle Politiker; ich hab es ihnen abgesehen. Heut muß ich viel schlafen, denn morgen muß ich in den Beinen haben, was ich heut im Kopf nicht hatte: Die 6 Stunden statt drei! Never mind. Wallenstatt den 2ten Sept. 1831. (Regen und Sturmjahr) . Motto „von dem ersoffnen Kupferschmied. Und wer das neue Lied nicht kann, der fängt das alte von vorne an. “ Da sitze ich wieder mitten in den Dünsten und Wolken, kann nicht vorwärts noch rückwärts, und wenns Glück gut ist, kann es wieder eine kleine Überschwemmung geben. Als ich über den See fuhr prophezeiten die Schiffer vortreffliches Wetter, folglich fing es eine halbe Stunde drauf zu regnen an, und hört wol so bald nicht auf, denn die Wolken hängen wieder so traurig schwer, wie man es nur im Gebirge kennt. Würd’ es in drei Tagen noch so arg, ich machte mir nichts draus; aber wie kommt der Mensch morgen über die Churfürsten? Die lange Brücke würde nöthig sein, den Umweg über Sargans machte ich sehr ungern, die Kleider reißen, die Tage werden kürzer, ich muß nun nach München, die Schweiz geht zu Ende, und es wär zu Schade, wenn sie mir zum Abschied solch ein böses Gesicht nachschnitte. Eben komme ich aus der Kirche, wo ich drei Stunden lang, bis in die tiefe Dämmrung Orgel gespielt habe; ein alter lahmer Mann trat die Bälgen, sonst war kein Mensch in der Kirche, das einzige Register das brauchbar war, war eine sehr weiche, dumpfe Flöte im Manual, und ein unbestimmter Subbaß 16 Fuß im Pedal, damit hab’ ich dann die ganze Zeit phantasirt, und kam am Ende in eine Choralmelodie in emoll ohne daß ich mich besinnen konnte, wo sie her sei; ich konnte sie nicht los werden, und auf einmal fiel mir ein, daß es die Litaney war, deren Musik mir im Kopf lag, weil mir die Worte im Herzen liegen; nun hatte ich ein weites Feld, und viel zu phantasiren. Zuletzt kam der schwindsüchtige Subbaß ganz allein in e moll tief unten und dann kam die Flöte ganz oben wieder mit dem Choral in e moll, und so brummte die Orgel nach und nach aus, und ich mußte aufhören, weil es dunkel in der Kirche geworden war. Draußen regnete und stürmte es indessen ganz entsetzlich, von den prächtigen, hohen Felsenmauern war keine Spur zu sehen, als ich heraustrat; das trübste Wetter, dann las ich noch trübe Zeitungen, das ist Alles grau. – Sag mal, Fanny, kennst Du Aubers Composition der Parisienne? Das halte ich für das Schlechteste, Schamloseste was er gemacht hat, vielleicht weil der Gegenstand ein wirklich hoher war, aber auch sonst. Für ein großes Volk in der gewaltigsten Aufregung ein kleines, ganz kaltes Stückchen zu machen, gemein und läppisch, das war nur Auber im Stande, der Refrain empört mich so oft ich dran denke, es ist als ob Kinder mit einer Trommel spielen, und dazu singen, nur etwas liederlicher. Die Worte taugen auch nichts, kleine Gegensätzchen und Pointen sind bei so etwas nicht angebracht, aber die Musik mit ihrer Leere, eine Marschmusik für Springer, und am Ende eine bloße, elende Copie der marseillaise! Das ist es nicht, was für die Zeit gehört, oder weh uns, wenn es das ist, das für die Zeit gehört, wenn es eine bloße Copie der Marseiller Hymne sein mußte; was in dieser frey, muthig, voll Schwung ist, das ist hier prahlerisch, kalt berechnet, künstlich gemacht; die marseillaise steht so weit über der parisienne, wie Alles, was aus der wahren Begeisterung hervorgegangen ist, über dem steht, was für irgend etwas, und sey es selbst für Begeisterung gemacht ist. Die wird nie Herz zu Herzen schaffen, weil es ihr nicht von Herzen geht. – Überhaupt aber finde ich nirgends zwischen Musikern und Dichtern solche frappante Aehnlichkeit, wie zwischen Auber und Clauren. Auber übersetzt treu und Note für Note was der andre Wort für Wort sagt: Die Großthuerei, die infame Sinnlichkeit, die Leckerbißchen, die Gelehrsamkeit, das Coquettiren mit fremder Volksthümlichkeit. Einen Zweifel hatte ich noch, ich hielt Clauren für allgemeiner verachtet, da traf ich neulich im Berner Oberland oft mit Preußen zusammen, sogenannten gebildeten Leuten, einem Officier u. dgl. und eines Abends frug mich der Officier, ob mir nicht hier auf jedem Schritt Mimili einfalle; er könne nichts hier sehen, ohne an das Buch zu denken, es sey gar so reizend und treu geschildert. Ich wollte ablenken, aber da fielen alle Andern ein, und sprachen nun weiter voll Begeisterung über alle seine Werke, über Milibu, die Amerikanerinn, u. s. w. ; als ich es am Ende nicht mehr aushalten konnte, meinte ich, er sey doch zuweilen etwas unsittlich, da sagten sie mir aber, ich möchte doch einmal was von Goethe lesen, den doch viele Leute so lobten, ob der nicht noch viel unsittlicher sei? Es waren gebildete Leute, aus der guten Gesellschaft; sie sahen die Jungfrau und dachten an Milibu, sie nannten Goethe und Clauren in einem Athem. Über so etwas wurde ich sonst sehr grimmig, aber das thue ich jetzt nicht mehr, überzeugt, wie ich bin, daß es Philister geben werde und geben müsse, bis an der Welt Ende. Der liebe Gott hat sie geschaffen, wie die Flöhe gleichfalls; sie beißen auch zuweilen, und wenn man sich juckt, thut es noch mehr weh; den andern Morgen ist es aber vorbei, und sie müssen in die Waschschüssel. Dies Gleichniß ist aus dem Leben gegriffen; aber ernsthaft zu reden, wie wollt Ihr Clauren aus der Litteraturgeschichte streichen? Und thut es irgend einen Schaden, daß er darin steht? Und les’t Ihr drum was Gutes weniger gern? Ein junger Dichter müßte nicht weit her sein, wenn er den Quark nicht von Herzen verachtete und haßte; aber daß die Leute ihn gerne mögen, ist doch einmal wahr, also wird es auch schon recht sein; es ist nur ein Verlust für die Leute. – Schreib mir doch Deine Meinung über die parisienne; ich singe sie mir im Gehen zuweilen aus Spas vor, man marschirt dann gleich, wie ein Chorist im Zuge. Heut bin ich wenig gegangen und doch müde; es ist sonderbar, daß es mich weniger anstrengt auf dem schlechtesten, steilsten Wege zu gehn, als auf der breiten harten Chaussee. Erstlich macht es an den Füßen Schmerz, weil die Bewegung und die Stöße immer gleich sind; aber besonders sieht man den Weg immer so lange schon vor sich liegen, und möchte ein Pferd sein oder haben. Bei der Gelegenheit muß ich aber meinen Füßen ein Loblied singen, ich betrachte sie jetzt oft mit Achtung, und bedenke daß sie zugleich Wagen und Pferd und Postillion sind. Und dazu sind sie so willig, und sind immer pünctlich und nehmen kein Trinkgeld; die einzige Erfrischung die ich ihnen Abends gewöhnlich reiche, ist etwas Seifenspiritus und Talg. Da kann man Mäßigkeit lernen. Sargans d. 3ten Sept. Mittags. Trostloses Wetter, es hat wieder die ganze Nacht durch und den Morgen geregnet, ist dabey schneidend kalt wie im Winter, auf den nächsten Hügeln liegt schon tiefer Schnee. In Appenzell ist wieder eine furchtbare Ueberschwemmung gewesen, die den größten Schaden angerichtet und alle Straßen verwüstet hat, am Zürchersee sind Wallfahrten und Prozessionen in Menge wegen des Wetters. Ich habe heut früh herfahren müssen, weil die Wege ganz voll Schlamm und Wasser stehen, und werde nun bis morgen hier bleiben, da in aller Frühe die Diligence hier durch kommt, mit der ich dann das Rheinthal herauf bis Altstetten zu fahren denke. Wahrscheinlich bin ich morgen Abend schon an oder über der Gränze der Schweiz; denn die Lustreise ist nun beendigt, der Herbst ist da, und ich brauche auch nicht zu klagen, wenn ich ein Paar langweilige Tage habe nach so viel unvergeßlich schönen; im Gegentheil ist mir es fast lieb, zu thun giebt es doch immer genug, selbst in Sargans, einem Nest, und selbst an einem Sündfluthtage, wie heut. Denn zum Glück fehlt hier nirgends eine Orgel; sie sind zwar klein, die untre Octave in Manual und Pedal gebrochen, oder wie ich es nenne verkrüppelt, aber es sind doch Orgeln, das ist mir schon genug. Heut habe ich den ganzen Morgen gespielt, und angefangen zu studiren, weil es eigentlich eine Schande ist, daß ich die Hauptsachen von Sebastian Bach nicht spielen kann. In München will ich wenn es angeht, jeden Tag eine Stunde üben, denn ich habe heut nach ein Paar Stunden schon Fortschritte mit den Füßen gemacht (nota bene im Sitzen. ) Ritz hatte mir nämlich erzählt, daß ihm Schneider in Dresden die d dur Fuge aus dem wohltemperirten Clavier auf der Orgel mit dem Pedal die Bässe, vorgespielt habe, das war mir bisher so fabelhaft vorgekommen, daß ich es nie recht begriffen hatte. Heut morgen fiel es mir auf der Orgel wieder ein, da machte ich mich ungesäumt dran, und bin wenigstens so weit gekommen zu sehn, daß es gar nicht unmöglich ist und daß ichs lernen werde. Das Thema ging schon ziemlich gut, und so habe ich auch die Stellen aus der d dur Fuge für Orgel, aus der f dur Toccata, und der g moll Fuge, die ich auswendig wußte, geübt; wenn ich in München eine ordentliche, nicht gebrochne Orgel finde, werde ich es lernen, und freue mich kindisch darauf die Sachen herunterzuorgeln, die f dur Toccata mit der Modulation am Schluß klingt als sollte die Kirche zusammenstürzen. Das war ein furchtbarer Cantor. – Außer dem Orgelspielen habe ich auch noch manches in meinem neuen Zeichenbuch auszuführen, (eines ist in Engelberg wieder fertig vollgezeichnet worden), dann muß ich essen, wie 600 Streiter, nach dem Essen wieder Orgel üben, und so vergeht der Sarganser Regentag. Es scheint schön zu liegen, mit dem Schloß auf dem Hügel; aber man darf keinen Fuß aus der Thüre setzen. Auch giebt es zur Unterhaltung hier die Schweizer Zeitungen, sie sind eigentlich widrig und man hat wenig Freude daran; der Styl erinnert an einen Schweizer Knüppeldamm, so löcherig, holprig, und lose zusammengesetzt, und gar der Ton der da herrscht, erinnert an Butter, Käse, und Kühe, pour ne pas dire Ochsen; von solchen Grobheiten hat man anderswo gar keine Idee; hätten die Zeitungen Ehre im Leibe, so müßten sie sich mit einander schießen, denn eine droht der andern mit Prügeln, nennt sie lügenhaft niederträchtig und sagt ihr alle möglichen Süßigkeiten der Art; der andre antwortet auf demselben Ton, eine Dritte druckt den Streit ab und begleitet ihn mit noch gröberen Noten, es fällt mir wirklich zuweilen Mimili dabei ein. Abends. Gestern um diese Zeit hatte ich noch Fußreiseprojecte, wollte wenigstens noch über den Kamm und aufs Wildkirchlein, und durch das ganze Appenzell, da war es mir sonderbar, als ich eben erfuhr, daß es mit dem Bergreisen für dies Jahr wahrscheinlich vorbey wäre. Alle Höhen sind dick beschneit, denn wie es hier im Thale seit 36 Stunden regnet, so schneit es oben; die Heerden müssen von den Alpen herunter, wo sie noch einen Monat hätten bleiben sollen, so daß an Fußwege natürlich nicht mehr zu denken ist. Gestern also war ich noch darin und heut ist es für das nächste halbe Jahr unmöglich. Die Fußreise ist vollendet, und war wunderschön; ich werde sie nie vergessen. Nun wollen wir einmal wieder tüchtig Musik machen. Zeit ists dazu. – Ich sollte nun auch mein Tagebuch an die Schwestern schließen, aber bis an die Grenze der Schweiz schreibe ich noch daran. Wenn ich nach der Reise Abends mich hinsetze es zu schreiben, das soll ein Surrogat sein, für das Behagen, wenn ich nach der Arbeit Abends zum Thee herunterkam; aber nein, wir hatten es da halter besser. Ich habe eben noch bis zur Dämmrung Orgel geübt, und trampelte wüthend auf dem Pedal herum, als wir auf einmal bemerkten, daß das tiefe cis auf dem Subbaß ganz sanft, aber unaufhörlich mitsaus’te, alles Drücken, Rütteln, Stoßen der Taste half nichts, wir mußten in die Orgel hineinklettern, unter den dicken Pfeifen herum, das cis saus’te immer sanft fort, der Fehler lag in der Windlade, der Organist war in großer Verlegenheit weil morgen ein Festtag ist, da mußte ich am Ende mein Schnupftuch in die Pfeife stopfen, und da gab es kein Sausen aber auch kein cis mehr. Einerlei, ich spielte doch fortwährend es geht schon ziemlich. Nun zeichne ich noch den Rhonegletscher fertig, und dann gehört der Tag mir, d. h. ich gehe schlafen. Auf die nächste Zeile werd’ ich nun hinschreiben, wo ich morgen Abend sein werde, heut weiß ich es aber noch nicht. Gute Nacht, es schlägt achte in f moll und regnet und stürmt in fis moll oder gis moll in allen möglichen Kreuztonarten. St Gallen d. 4ten. Motto: Vous pensez que je suis l’abbé de St Gall. (Citoyen) . Denn so behaglich fühle ich mich jetzt hier nach überstandnem Sturm und Unwetter. Die vier Stunden über die Berge von Altstetten hieher, waren ein förmlicher Kampf gegen das Wetter. Wenn ich sage, daß ich was Ähnliches weder erlebt, noch für möglich gedacht hatte, so will es noch nichts sagen; aber den ältesten Leuten des Cantons gehts ebenso. Eine große Fabrik ist zertrümmert und mehrere Leute umgekommen. Wie ich heut nun noch einmal zu Fuß gehn mußte, und wie ich quer durch Appenzell hieher gelangt bin, aussehend wie Aegypten nach den sieben Plagen, das erzähle ich Euch morgen, aus dem letzten Schweizerort, denn jetzt läutet es zum Essen, und da will ich äbtlich tafeln, auch sind mir die Hände noch steif vor Kälte (Ihr seht es an der Kalligraphie) und der Kopf brummt mir noch sehr vom Regensturm. Anjetzt wird vertilgt, was eßbar ist; die ganze Carte wenigstens; auch französ. Journale giebt es und eine geheizte Stube – man ist behaglich. Lindau d. 5ten Sept. Mir gegenüber liegt die Schweiz mit ihren dunkelblauen Bergen, mit der Fußreise, den Stürmen, den geliebten Höhen und Thälern, hier ist wieder das Ende eines großen Theils der Reise, und des Tagebuchs ohnehin. Heut Mittag fuhr ich in einer Fähre über den wilden grauen Rhein oberhalb Rheineck, und nun bin ich schon in Bayern. Die projectirte Fußreise durchs Bayrische Gebirge ist natürlich aufgegeben, es wäre Tollheit dies Jahr noch etwas der Art zu unternehmen: vier Tage lang hat es unaufhörlich, nur mehr oder weniger heftig geregnet. Es war als ob der liebe Gott verdrießlich sey. Ich kam heut durch weite Obstgärten, die nicht unter Wasser, sondern unter Schlamm und Lehm standen, alles sieht kläglich und niederschlagend aus. Verzeiht mir darum auch den litanischen Ton der vorigen Seite; ich habe nie in der Landschaft etwas traurigeres gesehen, als die grünen, bewachs’nen Hügel voller Schnee, während unten die Fruchtbäume mit den reifen Früchten im Wasser standen und sich abspiegelten. Dieser schmutzige, dünne Schnee, wie er sich auf die Tannenwälder und die Wiesen gelagert hatte, sah aus wie die leibhaftige Verwüstung, und da mir ein Sarganser Bürger erzählte, daß 1811 das ganze Städtchen abgebrannt und jetzt mit Mühe wieder erneuert sey, daß sie hauptsächlich vom Weinbau lebten der dies Jahr durchaus verhagelt sei, und daß nun sogar die Alpen nicht mehr zu brauchen seyen, für diesmal, da muß man wohl ernsthaft werden und über dies Jahr nachdenken. Nun ists aber sonderbar: muß ich in solchem Wetter zu Fuß gehn, und recht ordentlich daran ausstehen, so macht es mich nicht verstimmt, sondern im Gegentheil, ich freue mich immer daß es mir doch nichts anhaben kann. Als ich gestern mit der Post in einer Decemberkälte in Altstetten ankam, fand es sich daß keine Fahrstraße nach Trogen war, wohin ich am letzten schönen Tage unglücklicherweise meinen Mantel und Bündel geschickt hatte. Haben mußte ich es den Abend, denn die Kälte war grimmig, also besann ich mich nicht lange, stieg noch einmal, zum letztenmale, über die Berge und kam in den Canton Appenzell. Wie da, in den Wäldern und Hügeln und Wiesen die Wege aussahen ist unbeschreiblich; einen Führer hatte ich nicht finden können, weil grade Sonntag und Kirche war, auf dem ganzen Wege begegnete mir kein Mensch, sie waren alle in die Häuser gekrochen, und so trabte ich dann ganz allein auf Trogen los. Wenn man da etwa durch einen Wald kommt, in solchem Wetter und bei solchen Wegen, da glaubt Ihr gar nicht welch wunderliches Gefühl von Unabhängigkeit man hat. Man könnte kreuz und quer gehen, oder hinpurzeln, oder ein Bein brechen, es krähte kein Hahn danach, aber man hat eben so das lustige Gefühl, daß Alles das nicht geschehen wird, und trabt auf Trogen los. Noch dazu kann ich jetzt das Schweizer Krähen und Jodeln perfect; so schrie ich denn frisch, und sang mir mehrere Jodelcompositionen vor, und kam sehr übermüthig nach Trogen. Da waren die Leute grob und ungezogen im Wirthshaus, und so sagte ich höflich: laßt Euch hängen, ich geh’ weiter, und nahm die Carte raus und fand daß St. Gallen der nächste ordentliche Ort war und noch dazu der einzige praktikable Weg. Nun wollte aber kein Mensch mitgehen, in dem furchtbaren Wetter, da wollte ich es selbst tragen, und schimpfte auf alle …ederkeit, gleich kam aber das Gegenstück, wie es denn oft zu gehn pflegt. Den Boten nämlich, von dem ich meine Sachen abholen mußte, traf ich in seinem wundernetten, neugezimmerten Hause, und da war die wirkliche rechte Schweizerwirthschaft, wie man sie sich denken soll. Er saß mit seiner ganzen Familie um den Tisch, das ganze Haus so reinlich und warm, die Stube geheizt, der alte Bote (er heißt Daniel Dobler) kam mir entgegen und gab mir die Hand, nöthigte mich zum Sitzen, schickte im ganzen Ort nach einem Träger oder Wagen für mich herum, und da keiner fahren und gehen wollte, gab er mir endlich seinen Sohn mit, um mein Bündel 2 Stunden weit zu tragen, ließ er sich zwei Batzen bezahlen, ein wunderschönes blondes Töchterlein saß am Tisch und arbeitete, die alte Mutter las in einem dicken Buch, der Bote selbst in den neusten Zeitungen – es war prächtig. Als ich fortging war es als wollte das Wetter sagen „wenn Du trotzen willst, kann ichs auch“ denn es fing mit verdoppeltem Grimm zu wüthen an; es war zuweilen als packe eine Faust den Regenschirm, und schüttle ihn und drücke ihn zusammen, mit den steifen Fingern konnte ich ihn kaum festhalten, die Wege waren entsetzlich glatt so daß mein Führer vor mir der Länge nach in den Schlamm fiel – das that alles nichts; wir fluchten und jodelten von Herzen, kamen endlich beim Nonnenkloster vorbei, sangen ihnen ein Ständchen und gelangten nach St. Gallen. Da war es dann überstanden, und gestern fuhr ich von dort hieher, mußte einen Gesundheitsschein nehmen, und meine schwarze Wäsche visitiren lassen, fand Abends eine wundervolle Orgel, wo ich „Schmücke Dich, o liebe Seele“ spielen konnte nach Herzenslust, heut geht es auf Memmingen, morgen nach Augsburg, übermorgen so Gott will nach München, und so bin ich in der Schweiz gewesen. – Es hat Euch vielleicht gelangweilt, wenn ich Euch alle unbedeutenden Kleinigkeiten und schlechte Witze schrieb; aber die Zeit ist so böse, da brauchen wir es nicht zu sein, und wenn ich Euch mein Tagebuch schickte, so war es blos um Euch zu sagen, wie ich überall wo es mir wohl ist, wo ich Freude habe, Eurer gedenken muß und bei Euch bin. Der schmutzige, nasse Fußreisende mit dem Bündel nimmt Abschied, und will als Städter mit Visitencarten reiner Wäsche und einem Frack wieder schreiben. Lebt wohl.
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Brief Nr. 460, Z. 97).</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Mendelssohn, Reisebriefe, S. 259-271.</bibl> <bibl type="printed_letter">Sutermeister, Briefe einer Reise, S. 232-249.</bibl> <bibl type="printed_letter">Mendelssohn, Schweizer Reise 1831, S. 55-73.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-08-30" xml:id="date_ebf08581-861d-4d32-908c-1dd1befa5abe">30</date>. und <date cert="high" when="1831-08-31" xml:id="date_22c8fabd-8964-4144-b88c-317f4001e871">31. August 1831</date>, <date cert="high" when="1831-09-01" xml:id="date_1b923149-c453-47b5-ab0b-64785b83d38d">1</date>., <date cert="high" when="1831-09-02" xml:id="date_aee96043-94c8-4e74-bc67-f969ab47b0f4">2.</date>, <date cert="high" when="1831-09-03" xml:id="date_01553111-0d28-42c5-810b-0a6d2c2fcf4b">3.</date>, <date cert="high" when="1831-09-04" xml:id="date_fabeb2ee-2418-4c86-8296-58a2ec702b47">4.</date> und <date cert="high" when="1831-09-05" xml:id="date_2c75890a-900f-4c80-90fe-81ebbb4c71ec">5. September 1831</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_40428fcd-419b-436d-a63c-14a072efb1ae">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_38141249-aaef-4e44-b448-463873fa5f73"> <settlement key="STM0100653">Rigi</settlement> <country>Schweiz</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113247" resp="receiver" xml:id="persName_4198d6fb-3d1d-4dd3-b5ba-e42aa9330f33">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <persName key="PSN0113241" resp="receiver" xml:id="persName_529c06fc-bc9c-43b0-962a-8885b739b12b">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_f8d7bf30-1e72-4637-bd10-91ca9f0c7256"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_278083bc-fa18-4800-960d-10c442a96733"> <head> <address> <addrLine>Herrn</addrLine> <addrLine>Herrn A. Mendelssohn Bartholdy.</addrLine> <addrLine>Wohlgeb.</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline">Berlin</hi></addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_a4cec607-f126-404b-9b84-2fcfdb86c7e9"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Rigikulm den <date cert="high" when="1831-08-30" xml:id="date_20293c92-4bd5-4ab1-aaed-4eeea1062b4e">30 Aug. 1831</date>. Abends.</dateline><p style="paragraph_without_indent">Ich bin auf dem Rigi. Weiter braucht ich nichts zu sagen, Ihr wißt das Uebrige, denn Ihr kennt den Berg. Wenn es nur nicht Alles so unbegreiflich schön wäre!</p><p>Heut früh ging ich von Luzern weg; alle Bergen waren verhängt, die Wetterkundigen prophezeiten schlecht Wetter. Da ich aber bisjetzt immer gefunden habe, daß das Gegentheil von dem eintraf, was die Kundigen sagten, so habe ich mir meine eignen Symptome ausgesucht, und bisher damit ebenso falsch prophezeit, wie die Anderen. Heut früh aber gefiel mir das Wetter nicht übel, und da ich doch nicht gerade hinaufgehen wollte, während Alles verhängt war (denn durch Faulhorn wird man klug) so schlich ich mich den ganzen Morgen am Fuß des Rigi umher und guckte hinauf, ob es nicht klar werden wollte. Endlich um 12 Uhr in Küßnacht stand ich auf dem Scheidewege, rechts nach dem Rigi, links nach Immensee, entschloß mich den Rigi diesmal <hi rend="underline">nicht</hi> zu sehen, nahm gerührt Abschied, ging durch die hohle Gasse nach dem Zuger See, am Wasser hin auf einem scharmanten Weg nach Art, schielte aber immer noch gegen den Rigikulm hin, ob er nicht klar werden wollte. Und während ich in Art zu Mittag aß, wurde er klar, der Wind war sehr gut, die Wolken hoben sich von allen Seiten, ich entschloß mich und ging hinauf. Aber es war keine Zeit zu verlieren wenn ich den Sonnenuntergang sehen wollte, ich ging also tüchtigen Bergschritt, und war in 2 <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">3</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">4</hi></formula> Stunden auf dem Culm am wohlbekannten Hause. Da sah ich oben gegen 40 Menschen stehn, mit aufgehobnen Händen, bewundernd, zeigend, in der lebhaftesten Bewegung; ich lief hinauf, es gab da wieder ein neues wunderbares Schauspiel, in den Thälern war Alles voll Nebel und Wolken und drüber sahen hohe Schneegebirge und die Gletscher mit den schwarzen Felsen rein und klar hervor. Die Nebel zogen weiter, verdeckten einen Theil, da kamen die Berner Gebirge Jungfrau, Mönch, Finsteraarhorn heraus, dann der Titlis und die Unterwaldner, zuletzt stand die ganze Kette klar neben einander; nun fingen auch in den Thälern die Wolken an zu zerreißen, man sah die Seen, Luzern, Zug, und gegen Sonnenuntergang lagen nur noch dünne, helle Nebelstreifen auf der Landschaft. Wenn man so aus den Bergen kommt und dann noch den Rigi sieht, das ist als käme am Ende der Oper die Ouvertüre und andre Stücke wieder; alle die Stätten, wo man so Himmlisches sah, die Wengern Alp, die Wetterhörner, das Engelberger Thal, sieht man hier noch einmal neben einander liegen und kann Abschied nehmen. Ich dachte es könne nur das erstemal durch die Ueberraschung wenn man die Gletscher noch nicht kenne, so große Wirkung machen, aber sie ist fast noch größer am Ende. – Den <persName xml:id="persName_b39a6b78-a778-41b6-b9a1-c9acc89591cd">Martin Bürgi<name key="PSN0110209" style="hidden">Bürgi, Joseph Martin (1778-1833)</name></persName> mit seinen Hunde traf ich im Klösterli, er erinnerte sich unsrer noch vollkommen, gab mir <persName xml:id="persName_e7b0f38b-723f-44c5-b7c2-23d87ac365ac">seinen Jungen<name key="PSN0110208" style="hidden">Bürgi, Caspar</name></persName> als Wegweiser, und sagte mir ich würde schöne Aussicht haben, da ließ ich Staffel liegen und ging den graden, steilen Weg hinauf; ich habe aber doch heut gesehen, daß ich ein bischen stärker bin, als damals, ich war durchaus nicht ermüdet, als ich ankam, konnte umherlaufen nach Herzenslust, und kam doch von Luzern her, während ich damals nur mit unendlicher Anstrengung heraufkam, ich weiß aber nicht mehr, ob ich 12 oder 14 Jahre alt war, im ersten Falle wärs natürlich. Ich möchte wirklich wissen welches Jahr wir hier waren; ich kanns nicht mehr herauskriegen, und in keinem Buche hab ich unsre Namen finden können. </p><p>Am lächerlichen, das Du, liebe <persName xml:id="persName_1e2c0094-8fa4-4f47-93b5-efd6fa526df0">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, gern hast, fehlte es auch nicht oben. Als die Sonne über eine Viertelstunde unter war, und die Berge ganz finster wurden, frug ein gräflicher JunkerStudent seinen Führer, ob nun das Glühen bald kommen würde? Und da der ihn bedeutete, daß das nicht immer zu sehn wäre, so wurde er sehr böse, und sagte wenn so schön Wetter sei, wie heute, so müßten die Berge eigentlich glühen, und er sey nur deswegen hinaufgekommen, und warum sie es also heut nicht thäten? Der Führer half sich und sagte, es sei ein Zeichen von schlechtem Wetter, da wurde er wieder gut. Ein andrer stellte sich so nah er konnte an den Abgrund hin, und rief immerfort, von da habe sich ein Mensch hinuntergestürzt und sey auf der Stelle todt gewesen; er wollte gern die Aufmerksamkeit von den Bergen auf sich ziehn, aber er nahm sich zu sehr in Acht und stand ganz sicher. Und so rütteln alle Wunder Gottes die Philister nicht aus ihrer Philisterhaftigkeit auf, sie stehen auf dem Rigi und sind eigentlich im Bierhaus. – Es waren aber keine Philister, sondern lauter Studenten. Ach Gott, Ach Herre Gott! – Was wissen die Berge davon? Hättet Ihr sie heut gesehn in Ihrer Klarheit!</p></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_5ede7ed5-8768-4b15-b2f9-393badd60bb0"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline">Schwyz den <date cert="high" when="1831-08-31" xml:id="date_65808385-00a8-44dd-b59b-cb37b21538f2">31 Aug.</date></seg> Denn Ihr wißt so etwas zu schätzen, und versteht, was solch’ eine Bergkette sagen will. Ich habe heut und gestern dankbar anerkannt, unter wie glücklichen Umgebungen ich diesen Theil der Welt habe kennen lernen und wie es so viel dazu beigetragen hat mir den Sinn dafür zu öffnen oder zu schärfen, daß ich Euch damals in der höchsten Bewunderung sah und Alles Übrige, Alltägliche vergessend über diese Wunder. Ich erinnerte mich heut oft an Euere Freude und wie sie einen tiefen Eindruck damals auf mich machte. Dafür ist der Rigi aber auch ganz offenbar <persName xml:id="persName_2bdecaec-3263-40a3-af37-f66ef0b3d615">unsrer Familie<name key="PSN0113241" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</name></persName> zugethan, und hat mir aus Anhänglichkeit heut wieder einen so herrlichen, reinen Sonnenaufgang beschert, wie damals. Der abnehmende Mond, das lustige Alphorn, die lange dauernde Morgenröthe die sich erst um die kalten schattigen Schneeberge legte, die weißen Wölkchen über dem Zugersee, die Klarheit und Schärfe der Zacken, die sich in allen Richtungen gegen einander neigen, das Licht, das sich nach und nach auf allen Höhen zeigte, die trippelnden frierenden Leute in ihren Bettdecken, die Mönche aus Maria zum Schnee – nichts hat gefehlt. Ich konnte mich nicht von dem Anblick trennen, und blieb noch 6 Stunden fortwährend auf der Spitze und sah den Bergen zu; ich dachte mir, wenn wir uns einmal wiedersähen, so müßte doch manches anders geworden sein und wollte mir gern den Anblick so recht fest einprägen. Auch kamen ab und zu Leute, und man plauderte von den schweren, ängstlichen Zeiten, von Politik und von den hellen Bergen drüben. So verstrich der Morgen; endlich um halb 11, mußte ich fort, es war die höchste Zeit, weil ich heut noch nach Einsiedlen wollte, über den Haken. Unterwegs aber auf dem steilen Wege nach Lowerz brach mir mein treuer Regenschirm; der mir zugleich als Bergstock diente in viele Stücken entzwei, das hielt mich auf, so daß ich lieber hier geblieben bin und morgen ganz früh hinübergehe. In vier Tagen liegt ja ohnedies die Schweiz hinter mir und es kommt wieder ein Buchdruckerstock, aus Römischen Säulen, Orangenzweigen, einer Papstmütze, ein Paar Seemöwen, einem langen Bergstock, dem heutigen Alpenhorn u. dgl. bunt zusammengesetzt.</p><p>Liebe <persName xml:id="persName_6413c81e-a84d-4ce7-a602-6ee38f7d70d1">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, Dir habe ich heut eine heimliche Freude gemacht; mein schöner Backenbart ist dahin. Als ich in Luzern aus dem Thore gehen wollte, traf ich einen Mann, der mich freundlich anredete, (er kannte mich aus München her) mich bis Mörlischachen begleitete, sich als großen Verehrer meiner Musik zu erkennen gab, aber endlich mich inständig bat, den Bart abzuschneiden, wenn ich wieder nach München ginge, ich sähe wirklich zu schlecht darin aus, und besonders „so verständig und amtsmäßig.“ Das bestimmte mich, und ich versprach ihm dem nächsten Barbier die Haare zu lassen. Heut kam nun der nächste Barbier, ich gab meine Ordre, der Barbier meinte, es sey Schade um den schwarzen, dicken Bart, er machte Einwendungen, ich blieb standhaft wie <title xml:id="title_dbf09237-9f9e-4f56-b4d7-549c77577011">Rinald am Zauberbrunn<name key="PSN0115248" style="hidden" type="author">Tasso, Torquato (1544-1595)</name><name key="CRT0111010" style="hidden" type="literature">La Gerusalemme liberata</name></title> und endlich <title xml:id="title_a781727f-3b63-4d85-9133-d8d3e459b1ca">„tronca la barba, è barba e mirto parve“<name key="PSN0115248" style="hidden" type="author">Tasso, Torquato (1544-1595)</name><name key="CRT0111010" style="hidden" type="literature">La Gerusalemme liberata</name></title>. Ich führe nämlich meinen kleinen Tasso immer im Bündel mit, und studire Abends vor dem Zubettgehen dran. Jetzt wird er vorgeholt; gute Nacht!</p></div><div n="3" type="act_of_writing" xml:id="div_ed643b13-6806-419c-88be-347dc1146b71"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline"><date cert="high" when="1831-09-01" xml:id="date_d2e86d48-faeb-4b9e-87f4-c8a1588fad78">1 Sept.</date> Rapperschwyl au paon, Pfauen.</seg> Ich kann aber vor Wuth kaum zu Worte kommen, die Einsiedler sind ausgebälgte Spitzbuben, haben mich betrogen, irre geführt, alles Mögliche Unangenehme. Natürlich meine ich nicht die Einsiedler hermites, obwohl ich die auch nicht ausstehen kann, sondern die Einsiedler, Einsiedelois. Die ehrlichste Person in der Schweiz ist <title xml:id="title_d762179b-4148-49a3-85eb-92420b5c0182">Kellers Reisecarte<name key="PSN0112344" style="hidden" type="author">Keller, Heinrich (1778-1862)</name><name key="CRT0109481" style="hidden" type="literature">Carte routière de la Suisse</name></title>, wär’ ich ihr nur gefolgt! Die Betrugsgeschichte ist zu lang, um sie hier zu erzählen, kurz sie versicherten mich von hier nach Wasen sey 3 Stunden, und als ich hier ankomme findet sichs, daß es mehr als 6 sind, und daß ich den Weg hieher umsonst gemacht habe. Das ganze Nest, wie sichs um das aufgeblasene Kloster hergelagert hat, und die betenden Menschen auf der Landstraße, und die stolzen Pfaffen, und die geschmacklos verzierte Kirche, <placeName xml:id="placeName_10b7c763-3153-4f50-8b4d-065fa74a3e8e">mit zwei falschen Orgeln<name key="SGH0100380" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Johann</name><settlement key="STM0100379" style="hidden" type="">Rapperswil</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName> (d. h. die nur aussehn, wie Orgeln und gar nicht zum Spielen sind) das alles hat mich schon ennüjirt, aber gar noch so angeführt zu werden von einem Einsiedler. Nun muß ich morgen hin und her laufen, wie ein Irrwisch. – Gerechtigkeit muß sein, der Weg über den Haken ist prächtig. Daß man selten davon erzählen hört, begreif’ ich, denn er ist ziemlich steil und beschwerlich von Schwyz her, dafür entschädigt einen die Aussicht auf den Vierwaldstätter und Lowerzer See, die Schneeberge drüber, der frische Wind und die lustigen Quellen, die Wiesen und Waldungen auf der andern Seite, die Spitzen die hier und dort überall über den Wald hineinsehen, und besonders die süperben Mythen, die man dicht neben sich hat. Ihr erinnert Euch ihrer doch noch? <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_d9760300-a080-a4710-d03f7-667ac8dd09f3" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note>Auch die Aussicht vom Ezel ist lustig, wie die Schweizer sagen. Man sieht den ganzen Zürchersee mit den vielen Häusern und Dörfern, aber man merkt es schon sehr, daß es gegen die Grenzen der Schweiz hingeht; ein wohlbekannter Berg nach dem andern nimmt Abschied, nachdem man sie so oft wiedergefunden hatte wo man es nicht dachte, und es bleiben nur noch angenehme, sanfte Hügel. Doch müssen am Wallenstatter See noch tüchtige Felsen sein, auf deren Bekanntschaft ich mich freue. Was mich noch in Einsiedeln ärgerte, war daß ich auf einer Wiese eine Proclamation an das Volk fand, die offenbar absichtlich dahin gelegt war, und daß <persName xml:id="persName_cb6a32fa-ee80-4b4c-a2d8-e3ad7316b3cf">mein Führer<name key="PSN0113330" style="hidden">Michel, Christian (1808-1871)</name></persName> ein ganzes Packet andrer Proclamationen im entgegengesetzten Sinne bei sich trug um sie zu vertheilen. Wenn Kinder gern die Großen spielen, ists lächerlich; aber ein Volk! Und dabei das vornehme Wohlleben im Kloster, und das wunderthätige Bild, von geheilten Armen und Beinen umgeben! Wenn da einmal eine wirkliche Revolution käme, so würde sie fürchterlich ernsthaft werden, drum sollten sie doch lieber nicht damit spaßen. Aber ich werde politisch, und <persName xml:id="persName_28cbd9da-0678-4891-8064-87c1c08c1a34">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> bemerkte schon früh bei mir Anlagen zum schlechtesten Kannegießer. Das Volk hat mich heut angeführt, drum schimpfe ich heut aufs Volk, so machen es alle Politiker; ich hab es ihnen abgesehen. Heut muß ich viel schlafen, denn morgen muß ich in den Beinen haben, was ich heut im Kopf nicht hatte: Die 6 Stunden statt drei! Never mind.</p></div><div n="4" type="act_of_writing" xml:id="div_3a13d661-e51c-4dc7-ac9a-43a48fdb5f67"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline">Wallenstatt den <date cert="high" when="1831-09-02" xml:id="date_cdc85696-7d9c-4f85-a9e7-2ac4671d8634">2</date></seg><date cert="high" when="1831-09-02" xml:id="date_cec63fac-7378-440e-b93f-4a8b963a57fd"><hi rend="superscript">ten</hi></date><seg type="inline"><date cert="high" when="1831-09-02" xml:id="date_8a0056b6-6a67-4c25-a238-7a506d15a585"> Sept. 1831</date>. (Regen und Sturmjahr).</seg> Motto „von dem ersoffnen Kupferschmied. Und wer das neue Lied nicht kann, der fängt das alte von vorne an.“ Da sitze ich wieder mitten in den Dünsten und Wolken, kann nicht vorwärts noch rückwärts, und wenns Glück gut ist, kann es wieder eine kleine Überschwemmung geben. Als ich über den See fuhr prophezeiten die Schiffer vortreffliches Wetter, folglich fing es eine halbe Stunde drauf zu regnen an, und hört wol so bald nicht auf, denn die Wolken hängen wieder so traurig schwer, wie man es nur im Gebirge kennt. Würd’ es in drei Tagen noch so arg, ich machte mir nichts draus; aber wie kommt der Mensch morgen über die Churfürsten? Die lange Brücke würde nöthig sein, den Umweg über Sargans machte ich sehr ungern, die Kleider reißen, die Tage werden kürzer, ich muß nun nach München, die Schweiz geht zu Ende, und es wär zu Schade, wenn sie mir zum Abschied solch ein böses Gesicht nachschnitte. Eben komme ich aus der Kirche, wo ich drei Stunden lang, bis in die tiefe Dämmrung <placeName xml:id="placeName_e4b9c976-5a8a-470c-85a8-317d6809a73d">Orgel<name key="SGH0100382" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Luzius und Florin (Pfarrkirche)</name><settlement key="STM0100381" style="hidden" type="">Walenstadt</settlement><country style="hidden">Schweiz</country><name key="SGH0100383" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Wolfgang (Kapelle)</name><settlement key="STM0100381" style="hidden" type="">Walenstadt</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName> gespielt habe; ein alter lahmer Mann trat die Bälgen, sonst war kein Mensch in der Kirche, das einzige Register das brauchbar war, war eine sehr weiche, dumpfe Flöte im Manual, und ein unbestimmter Subbaß 16 Fuß im Pedal, damit hab’ ich dann die ganze Zeit phantasirt, und kam am Ende in eine <title xml:id="title_49c93dc3-005e-40cf-ac7e-4771f4807eeb">Choralmelodie in emoll<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_enp3bn46-amxy-fwin-anyn-pusgitpjcfpp"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100112" style="hidden">Choral »Wir glauben all an einen Gott« für gemischten Chor und Orchester, [Dezember 1830] bis 1. März 1831<idno type="MWV">A 12</idno><idno type="op"></idno></name></title> ohne daß ich mich besinnen konnte, wo sie her sei; ich konnte sie nicht los werden, und auf einmal fiel mir ein, daß es die <title xml:id="title_dd64b954-12e8-48a5-aa7b-31a4e136c2ce">Litaney<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107804" style="hidden" type="music">Nimm von uns, Herr, du treuer Gott BWV 101</name></title> war, deren Musik mir im Kopf lag, weil mir die Worte im Herzen liegen; nun hatte ich ein weites Feld, und viel zu phantasiren. Zuletzt kam <title xml:id="title_d4dbeb94-8ab2-4fb7-9c84-b5dcbfde3997">der schwindsüchtige Subbaß ganz allein in e moll tief<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_mkfwtpwe-ijf6-8q3c-f8an-rajlulpipt17"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100112" style="hidden">Choral »Wir glauben all an einen Gott« für gemischten Chor und Orchester, [Dezember 1830] bis 1. März 1831<idno type="MWV">A 12</idno><idno type="op"></idno></name></title> unten <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_0e36f1b7-38ca-11da1-33a56-f19e78decac7" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note>und dann kam die Flöte ganz oben wieder mit dem Choral in e moll, und so brummte die Orgel nach und nach aus, und ich mußte aufhören, weil es dunkel in der <placeName xml:id="placeName_0ba6f208-11e4-467f-b7c1-cc2de833f54f">Kirche<name key="SGH0100382" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Luzius und Florin (Pfarrkirche)</name><settlement key="STM0100381" style="hidden" type="">Walenstadt</settlement><country style="hidden">Schweiz</country><name key="SGH0100383" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Wolfgang (Kapelle)</name><settlement key="STM0100381" style="hidden" type="">Walenstadt</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName> geworden war. Draußen regnete und stürmte es indessen ganz entsetzlich, von den prächtigen, hohen Felsenmauern war keine Spur zu sehen, als ich heraustrat; das trübste Wetter, dann las ich noch trübe Zeitungen, das ist Alles grau. – Sag mal, <persName xml:id="persName_aea0b4da-dee2-436f-be0d-9e3fc7d33a59">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName>, kennst Du <persName xml:id="persName_1f0846e9-f952-46db-afe3-a59e635e637f">Aubers<name key="PSN0109578" style="hidden">Auber, Daniel-François-Esprit (1782-1871)</name></persName> <title xml:id="title_ee48bb5e-8693-4712-ac79-4229a336f725">Composition der Parisienne<name key="PSN0109578" style="hidden" type="author">Auber, Daniel-François-Esprit (1782-1871)</name><name key="CRT0107682" style="hidden" type="music">La Parisienne</name></title>? Das halte ich für das Schlechteste, Schamloseste was er gemacht hat, vielleicht weil der Gegenstand ein wirklich hoher war, aber auch sonst. Für ein großes Volk in der gewaltigsten Aufregung ein kleines, ganz kaltes Stückchen zu machen, gemein und läppisch, das war nur <persName xml:id="persName_b86d3952-7df7-43a3-b771-263394b8e574">Auber<name key="PSN0109579" style="hidden">Aubert, Jean Louis (1731-1814)</name></persName> im Stande, der Refrain empört mich so oft ich dran denke, es ist als ob Kinder mit einer Trommel spielen, und dazu singen, nur etwas liederlicher. Die Worte taugen auch nichts, kleine Gegensätzchen und Pointen sind bei so etwas nicht angebracht, aber die Musik mit ihrer Leere, eine Marschmusik für Springer, und am Ende eine bloße, <title xml:id="title_433b867b-a8a4-4be5-bb92-304822e45400">elende Copie der marseillaise<name key="PSN0114330" style="hidden" type="author">Rouget de Lisle, Claude Joseph (1760-1836)</name><name key="CRT0110597" style="hidden" type="music">La Marseillaise</name></title>! Das ist es nicht, was für die Zeit gehört, oder weh uns, wenn es das ist, das für die Zeit gehört, wenn es eine bloße <title xml:id="title_47ee7770-b15f-46de-b59c-7417be9c9d73">Copie der Marseiller<name key="PSN0114330" style="hidden" type="author">Rouget de Lisle, Claude Joseph (1760-1836)</name><name key="CRT0110597" style="hidden" type="music">La Marseillaise</name></title> Hymne sein mußte; was in dieser frey, muthig, voll Schwung ist, das ist hier prahlerisch, kalt berechnet, künstlich gemacht; die marseillaise steht so weit über der parisienne, wie Alles, was aus der wahren Begeisterung hervorgegangen ist, über dem steht, was <hi rend="underline">für</hi> irgend etwas, und sey es selbst für Begeisterung gemacht ist. <title xml:id="title_6b106903-cde1-4f28-85a2-822e526c4b80">Die wird nie Herz<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108814" style="hidden" type="dramatic_work">Faust. Der Tragödie erster Theil</name></title> zu Herzen schaffen, weil es ihr nicht von Herzen geht. – Überhaupt aber finde ich nirgends zwischen Musikern und Dichtern solche frappante Aehnlichkeit, wie zwischen <persName xml:id="persName_a6db6a73-6f7e-4f55-b42f-1e57200464d3">Auber<name key="PSN0109578" style="hidden">Auber, Daniel-François-Esprit (1782-1871)</name></persName> und <persName xml:id="persName_1d2e0f2f-f8a5-43d4-a108-7b16f132dfe9">Clauren<name key="PSN0110412" style="hidden">Clauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854)</name></persName>. <persName xml:id="persName_3dd1638c-8026-4708-9c5d-3584567e392c">Auber<name key="PSN0109578" style="hidden">Auber, Daniel-François-Esprit (1782-1871)</name></persName> übersetzt treu und Note für Note was der andre Wort für Wort sagt: Die Großthuerei, die infame Sinnlichkeit, die Leckerbißchen, die Gelehrsamkeit, das Coquettiren mit fremder Volksthümlichkeit. Einen Zweifel hatte ich noch, ich hielt <persName xml:id="persName_218fe8af-2b34-44f1-bde9-07055e36176a">Clauren<name key="PSN0110412" style="hidden">Clauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854)</name></persName> für allgemeiner verachtet, da traf ich neulich im Berner Oberland oft mit Preußen zusammen, sogenannten gebildeten Leuten, einem Officier u. dgl. und eines Abends frug mich der Officier, ob mir nicht hier auf jedem Schritt <title xml:id="title_34e0e2bf-2e04-408f-8688-0813926156c2">Mimili<name key="PSN0110412" style="hidden" type="author">Clauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854)</name><name key="CRT0108452" style="hidden" type="literature">Mimili</name></title> einfalle; er könne nichts hier sehen, ohne an das Buch zu denken, es sey gar so reizend und treu geschildert. Ich wollte ablenken, aber da fielen alle Andern ein, und sprachen nun weiter voll Begeisterung über <title xml:id="title_68fbe161-7bf2-41cb-84a9-f7f2ef85b134">alle seine Werke, über Milibu<name key="PSN0110412" style="hidden" type="author">Clauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854)</name><name key="CRT0108451" style="hidden" type="literature">Milibu</name></title>, die Amerikanerinn, u. s. w.; als ich es am Ende nicht mehr aushalten konnte, meinte ich, er sey doch zuweilen etwas unsittlich, da sagten sie mir aber, ich möchte doch einmal was von <persName xml:id="persName_bca6f6f2-2b14-4a74-aef6-e68137f93a46">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> lesen, den doch viele Leute so lobten, ob der nicht noch viel unsittlicher sei? Es waren gebildete Leute, aus der guten Gesellschaft; sie sahen die Jungfrau und dachten an <title xml:id="title_20e77ba1-dc86-43fc-9451-16f5ff38bd42">Milibu<name key="PSN0110412" style="hidden" type="author">Clauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854)</name><name key="CRT0108451" style="hidden" type="literature">Milibu</name></title>, sie nannten <persName xml:id="persName_e4ffbab4-edd7-4e88-96ec-3af88b4fdcf5">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> und <persName xml:id="persName_d88ef9c6-4c5f-4f57-9ceb-f5e7e7885c60">Clauren<name key="PSN0110412" style="hidden">Clauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854)</name></persName> in einem Athem.</p><p>Über so etwas wurde ich sonst sehr grimmig, aber das thue ich jetzt nicht mehr, überzeugt, wie ich bin, daß es Philister geben werde und geben müsse, bis an der Welt Ende. Der liebe Gott hat sie geschaffen, wie die Flöhe gleichfalls; sie beißen auch zuweilen, und wenn man sich juckt, thut es noch mehr weh; den andern Morgen ist es aber vorbei, und sie müssen in die Waschschüssel. Dies Gleichniß ist aus dem Leben gegriffen; aber ernsthaft zu reden, wie wollt Ihr <persName xml:id="persName_50b1cc8c-3ba7-4da7-89da-4c94c50513db">Clauren<name key="PSN0110412" style="hidden">Clauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854)</name></persName> aus der Litteraturgeschichte streichen? Und thut es irgend einen Schaden, daß er darin steht? Und les’t Ihr drum was Gutes weniger gern? Ein junger Dichter müßte nicht weit her sein, wenn er den Quark nicht von Herzen verachtete und haßte; aber daß die Leute ihn gerne mögen, ist doch einmal wahr, also wird es auch schon recht sein; es ist nur ein Verlust für die Leute. – Schreib mir doch Deine Meinung über die parisienne; ich singe sie mir im Gehen zuweilen aus Spas vor, man marschirt dann gleich, wie ein Chorist im Zuge. Heut bin ich wenig gegangen und doch müde; es ist sonderbar, daß es mich weniger anstrengt auf dem schlechtesten, steilsten Wege zu gehn, als auf der breiten harten Chaussee. Erstlich macht es an den Füßen Schmerz, weil die Bewegung und die Stöße immer gleich sind; aber besonders sieht man den Weg immer so lange schon vor sich liegen, und möchte ein Pferd sein oder haben. Bei der Gelegenheit muß ich aber meinen Füßen ein Loblied singen, ich betrachte sie jetzt oft mit Achtung, und bedenke daß sie zugleich Wagen und Pferd und Postillion sind. Und dazu sind sie so willig, und sind immer pünctlich und nehmen kein Trinkgeld; die einzige Erfrischung die ich ihnen Abends gewöhnlich reiche, ist etwas Seifenspiritus und Talg. Da kann man Mäßigkeit lernen. </p></div><div n="5" type="act_of_writing" xml:id="div_8ff39c2d-01c9-4be4-a4e2-db3a3298fc79"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p><seg type="inline">Sargans d. <date cert="high" when="1831-09-03" xml:id="date_f3809741-854f-4083-a7ca-918dd15d70aa">3</date></seg><date cert="high" when="1831-09-03" xml:id="date_c0186eb8-e30c-4c7d-89f5-2af924e7adc7"><hi rend="superscript">ten</hi></date><seg type="inline"><date cert="high" when="1831-09-03" xml:id="date_615105cb-350a-4acf-9a1a-7e299e15e8cd"> Sept.</date> Mittags.</seg> Trostloses Wetter, es hat wieder die ganze Nacht durch und den Morgen geregnet, ist dabey schneidend kalt wie im Winter, auf den nächsten Hügeln liegt schon tiefer Schnee. In Appenzell ist wieder eine furchtbare Ueberschwemmung gewesen, die den größten Schaden angerichtet und alle Straßen verwüstet hat, am Zürchersee sind Wallfahrten und Prozessionen in Menge wegen des Wetters. Ich habe heut früh herfahren müssen, weil die Wege ganz voll Schlamm und Wasser stehen, und werde nun bis morgen hier bleiben, da in aller Frühe die Diligence hier durch kommt, mit der ich dann das Rheinthal herauf bis Altstetten zu fahren denke. Wahrscheinlich bin ich morgen Abend schon an oder über der Gränze der Schweiz; denn die Lustreise ist nun beendigt, der Herbst ist da, und ich brauche auch nicht zu klagen, wenn ich ein Paar langweilige Tage habe nach so viel unvergeßlich schönen; im Gegentheil ist mir es fast lieb, zu thun giebt es doch immer genug, selbst in <placeName xml:id="placeName_5eefd640-3ab7-48b9-b14e-43fee040c8c0">Sargans<name key="SGH0100385" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Oswald und Cassian</name><settlement key="STM0100384" style="hidden" type="">Sargans</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName>, einem Nest, und selbst an einem Sündfluthtage, wie heut. Denn zum Glück fehlt hier nirgends eine Orgel; sie sind zwar klein, die untre Octave in Manual und Pedal gebrochen, oder wie ich es nenne verkrüppelt, aber es sind doch Orgeln, das ist mir schon genug. Heut habe ich den ganzen Morgen gespielt, und angefangen zu studiren, weil es eigentlich eine Schande ist, daß ich die Hauptsachen von <persName xml:id="persName_bf82e81a-2cd4-4fa4-9756-77125780ed0d">Sebastian Bach<name key="PSN0109617" style="hidden">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name></persName> nicht spielen kann. In München will ich wenn es angeht, jeden Tag eine Stunde üben, denn ich habe heut nach ein Paar Stunden schon Fortschritte mit den Füßen gemacht (nota bene im Sitzen.) <persName xml:id="persName_fe8a3dbf-a539-4809-af55-5a8ded2cd0d9">Ritz<name key="PSN0114202" style="hidden">Rietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832)</name></persName> hatte mir nämlich erzählt, daß ihm <persName xml:id="persName_a15ea135-0284-4e9a-a515-f65d39aaaab2">Schneider<name key="PSN0114647" style="hidden">Schneider, Johann Gottlob (1789-1864)</name></persName> in Dresden die <title xml:id="title_3c5a622c-5277-481d-b7fd-96e381622d98">d dur Fuge<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107919" style="hidden" type="music">Fuge D-Dur, BWV 850/2</name></title> aus dem wohltemperirten Clavier <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_9558a8b0-b3a4-f4bab-6ad39-6ec112989d01" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note>auf der Orgel mit dem Pedal die Bässe, vorgespielt habe, das war mir bisher so fabelhaft vorgekommen, daß ich es nie recht begriffen hatte. Heut morgen fiel es mir auf der <placeName xml:id="placeName_76d49eb0-bc87-4dda-919f-748c240ce768">Orgel<name key="SGH0100385" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Oswald und Cassian</name><settlement key="STM0100384" style="hidden" type="">Sargans</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName> wieder ein, da machte ich mich ungesäumt dran, und bin wenigstens so weit gekommen zu sehn, daß es gar nicht unmöglich ist und daß ichs lernen werde. Das Thema ging schon ziemlich gut, und so habe ich auch die Stellen aus der <title xml:id="title_06ade795-a1b2-4e77-b4e1-eecd6bfdde6f">d dur Fuge für Orgel<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107867" style="hidden" type="music">Fuge D-Dur, BWV 532/2</name></title>, aus der <title xml:id="title_e1b22a2c-da1d-4789-8afc-df1521343218">f dur Toccata<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107906" style="hidden" type="music">Toccata (Präludium) F-Dur, BWV 540/1</name></title>, und der <title xml:id="title_bf33ac6e-79f5-48c3-a95a-f77036916830">g moll Fuge<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107877" style="hidden" type="music">Fuge g-Moll, BWV 542/2</name><name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107872" style="hidden" type="music">Fuge g-Moll, BWV 535/2</name></title>, die ich auswendig wußte, geübt; wenn ich in München eine ordentliche, nicht gebrochne Orgel finde, werde ich es lernen, und freue mich kindisch darauf die Sachen herunterzuorgeln, die <title xml:id="title_29a62391-9516-42fe-b823-db124256d03f">f dur Toccata<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107906" style="hidden" type="music">Toccata (Präludium) F-Dur, BWV 540/1</name></title> mit der Modulation am Schluß klingt als sollte die Kirche zusammenstürzen. Das war ein furchtbarer Cantor. – Außer dem Orgelspielen habe ich auch noch <title xml:id="title_89ee9c23-e589-4202-bd45-fa33b354f76a">manches in meinem neuen Zeichenbuch<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_jvgto0ww-jdtg-0rlv-yny1-8vnauw9zn3ls"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100824" style="hidden">Zeichenalbum Deutschland, Schweiz 1830-1831, mit Nachtrag 1841: GB-Ob, M.D.M. d. 15<idno type="MWV">ZB 7</idno><idno type="op"></idno></name></title> auszuführen, (eines ist <title xml:id="title_59a62551-c760-4bf4-be80-95221933ce13">in Engelberg wieder fertig vollgezeichnet<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_fgf40o7g-rvty-nr9c-lq0r-vlqnknowsf4z"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100857" style="hidden">Zeichenalbum Italien, Schweiz 1831: GB-Ob, M.D.M. d. 3<idno type="MWV">ZB 10</idno><idno type="op"></idno></name></title> worden), dann muß ich essen, wie 600 Streiter, nach dem Essen wieder <placeName xml:id="placeName_57ff9785-3ec1-4043-8219-09456ec23362">Orgel<name key="SGH0100385" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Oswald und Cassian</name><settlement key="STM0100384" style="hidden" type="">Sargans</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName> üben, und so vergeht der Sarganser Regentag. Es scheint schön zu liegen, mit dem Schloß auf dem Hügel; aber man darf keinen Fuß aus der Thüre setzen. Auch giebt es zur Unterhaltung hier die Schweizer Zeitungen, sie sind eigentlich widrig und man hat wenig Freude daran; der Styl erinnert an einen Schweizer Knüppeldamm, so löcherig, holprig, und lose zusammengesetzt, und gar der Ton der da herrscht, erinnert an Butter, Käse, und Kühe, pour ne pas dire Ochsen; von solchen Grobheiten hat man anderswo gar keine Idee; hätten die Zeitungen Ehre im Leibe, so müßten sie sich mit einander schießen, denn eine droht der andern mit Prügeln, nennt sie lügenhaft niederträchtig und sagt ihr alle möglichen Süßigkeiten der Art; der andre antwortet auf demselben Ton, eine Dritte druckt den Streit ab und begleitet ihn mit noch gröberen Noten, es fällt mir wirklich zuweilen <title xml:id="title_87781a28-fb85-4ab8-a1ef-a6979b8122d3">Mimili<name key="PSN0110412" style="hidden" type="author">Clauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854)</name><name key="CRT0108452" style="hidden" type="literature">Mimili</name></title> dabei ein. <hi rend="underline">Abends</hi>. Gestern um diese Zeit hatte ich noch Fußreiseprojecte, wollte wenigstens noch über den Kamm und aufs Wildkirchlein, und durch das ganze Appenzell, da war es mir sonderbar, als ich eben erfuhr, daß es mit dem Bergreisen für dies Jahr wahrscheinlich vorbey wäre. Alle Höhen sind dick beschneit, denn wie es hier im Thale seit 36 Stunden regnet, so schneit es oben; die Heerden müssen von den Alpen herunter, wo sie noch einen Monat hätten bleiben sollen, so daß an Fußwege natürlich nicht mehr zu denken ist. Gestern also war ich noch darin und heut ist es für das nächste halbe Jahr unmöglich. Die Fußreise ist vollendet, und war wunderschön; ich werde sie nie vergessen. Nun wollen wir einmal wieder tüchtig Musik machen. Zeit ists dazu. – Ich sollte nun auch mein Tagebuch an die <persName xml:id="persName_8bcdc813-a751-4b4c-898f-7a718fdadb9c">Schwestern<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> schließen, aber bis an die Grenze der Schweiz schreibe ich noch daran. Wenn ich nach der Reise Abends mich hinsetze es zu schreiben, das soll ein Surrogat sein, für das Behagen, wenn ich nach der Arbeit Abends zum Thee herunterkam; aber nein, wir hatten es da halter besser. Ich habe eben noch bis zur Dämmrung <placeName xml:id="placeName_a5a93a5c-604b-4e46-a4a5-5cc5bc42d53b">Orgel<name key="SGH0100385" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Oswald und Cassian</name><settlement key="STM0100384" style="hidden" type="">Sargans</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName> geübt, und trampelte wüthend auf dem Pedal herum, als wir auf einmal bemerkten, daß das tiefe cis auf dem Subbaß ganz sanft, aber unaufhörlich mitsaus’te, alles Drücken, Rütteln, Stoßen der Taste half nichts, wir mußten in die <placeName xml:id="placeName_282bd95b-6be9-4e95-91e3-731d90f57354">Orgel<name key="SGH0100385" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Oswald und Cassian</name><settlement key="STM0100384" style="hidden" type="">Sargans</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName> hineinklettern, unter den dicken Pfeifen herum, das cis saus’te immer sanft fort, der Fehler lag in der Windlade, der Organist war in großer Verlegenheit weil morgen ein Festtag ist, da mußte ich am Ende mein Schnupftuch in die Pfeife stopfen, und da gab es kein Sausen aber auch kein cis mehr. Einerlei, <title xml:id="title_1640479b-cdc2-4486-8e8f-d2cbe80909bf">ich spielte doch</title> fortwährend <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_fd62be2a-29e5-22e73-61c9e-ffcdcf8935b0" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note>es geht schon ziemlich. Nun zeichne ich noch den <title xml:id="title_b7a18456-1b2e-4aed-b75c-276ffe3f3c98">Rhonegletscher<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_c1oe7rda-lhzr-fsk4-sdnt-kqagozm8pjkw"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100829" style="hidden">Rhonegletscher, 18. August 1831; fol. 7r<idno type="MWV">ZB 7/7</idno><idno type="op"></idno></name></title> fertig, und dann gehört der Tag mir, d. h. ich gehe schlafen. Auf die nächste Zeile werd’ ich nun hinschreiben, wo ich morgen Abend sein werde, heut weiß ich es aber noch nicht. Gute Nacht, es schlägt achte in f moll und regnet und stürmt in fis moll oder gis moll <title xml:id="title_0b386f99-46aa-4466-a43a-2c530020cb5a">in allen möglichen Kreuztonarten<name key="PSN0112987" style="hidden" type="author">Luther, Martin (1483-1546)</name><name key="CRT0109826" style="hidden" type="literature / music">Vater unser im Himmelreich</name></title>. <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_8f9d95ad-5409-f5426-e15a9-7a0063755096" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note></p> </div><div n="6" type="act_of_writing" xml:id="div_ca9d546b-de22-4344-a81c-3da1c3147832"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline">St Gallen d. <date cert="high" when="1831-09-04" xml:id="date_49121c19-2562-4ec8-b405-28e0abb22834">4</date></seg><date cert="high" when="1831-09-04" xml:id="date_7a67f9c2-ee65-48d7-9ccb-d200b483505f"><hi rend="superscript">ten</hi><seg type="inline">.</seg></date> Motto: <title xml:id="title_d8b54a8c-3c53-439b-ade5-15e348d9e8cc">Vous pensez que je suis l’abbé de St Gall.<name key="PSN0110204" style="hidden" type="author">Bürger, Gottfried August (1747-1794)</name><name key="CRT0108311" style="hidden" type="literature">Der Kaiser und der Abt</name></title> (Citoyen).</p><p>Denn so behaglich fühle ich mich jetzt hier nach überstandnem Sturm und Unwetter. Die vier Stunden über die Berge von Altstetten hieher, waren ein förmlicher Kampf gegen das Wetter. Wenn ich sage, daß ich was Ähnliches weder erlebt, noch für möglich gedacht hatte, so will es noch nichts sagen; aber den ältesten Leuten des Cantons gehts ebenso. Eine große Fabrik ist zertrümmert und mehrere Leute umgekommen. Wie ich heut nun noch einmal zu Fuß gehn mußte, und wie ich quer durch Appenzell hieher gelangt bin, aussehend wie Aegypten nach den sieben Plagen, das erzähle ich Euch morgen, aus dem letzten Schweizerort, denn jetzt läutet es zum Essen, und da will ich äbtlich tafeln, auch sind mir die Hände noch steif vor Kälte (Ihr seht es an der Kalligraphie) und der Kopf brummt mir noch sehr vom Regensturm. Anjetzt wird vertilgt, was eßbar ist; die ganze Carte wenigstens; auch französ. Journale giebt es und eine geheizte Stube – man ist behaglich.</p></div><div n="7" type="act_of_writing" xml:id="div_39a9081a-8398-4c67-9941-4bbee64d2c8a"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline">Lindau d. <date cert="high" when="1831-09-05" xml:id="date_c33d169a-9433-47ad-a7f9-818a974328e9">5</date></seg><date cert="high" when="1831-09-05" xml:id="date_9d573a21-7ade-4660-a9a2-c17fca327f7c"><hi rend="superscript">ten</hi><seg type="inline"> Sept.</seg></date> Mir gegenüber liegt die Schweiz mit ihren dunkelblauen Bergen, mit der Fußreise, den Stürmen, den geliebten Höhen und Thälern, hier ist wieder das Ende eines großen Theils der Reise, und des Tagebuchs ohnehin. Heut Mittag fuhr ich in einer Fähre über den wilden grauen Rhein oberhalb Rheineck, und nun bin ich schon in Bayern. Die projectirte Fußreise durchs Bayrische Gebirge ist natürlich aufgegeben, es wäre Tollheit dies Jahr noch etwas der Art zu unternehmen: vier Tage lang hat es <hi rend="underline">unaufhörlich</hi>, nur mehr oder weniger heftig geregnet. Es war als ob der liebe Gott verdrießlich sey. Ich kam heut durch weite Obstgärten, die nicht unter Wasser, sondern unter Schlamm und Lehm standen, alles sieht kläglich und niederschlagend aus. Verzeiht mir darum auch den litanischen Ton der vorigen Seite; ich habe nie in der Landschaft etwas traurigeres gesehen, als die grünen, bewachs’nen Hügel voller Schnee, während unten die Fruchtbäume mit den reifen Früchten im Wasser standen und sich abspiegelten. Dieser schmutzige, dünne Schnee, wie er sich auf die Tannenwälder und die Wiesen gelagert hatte, sah aus wie die leibhaftige Verwüstung, und da mir ein Sarganser Bürger erzählte, daß 1811 das ganze Städtchen abgebrannt und jetzt mit Mühe wieder erneuert sey, daß sie hauptsächlich vom Weinbau lebten der dies Jahr durchaus verhagelt sei, und daß nun sogar die Alpen nicht mehr zu brauchen seyen, für diesmal, da muß man wohl ernsthaft werden und über dies Jahr nachdenken. Nun ists aber sonderbar: muß ich in solchem Wetter zu Fuß gehn, und recht ordentlich daran ausstehen, so macht es mich nicht verstimmt, sondern im Gegentheil, ich freue mich immer daß es mir doch nichts anhaben kann. Als ich gestern mit der Post in einer Decemberkälte in Altstetten ankam, fand es sich daß keine Fahrstraße nach Trogen war, wohin ich am letzten schönen Tage unglücklicherweise meinen Mantel und Bündel geschickt hatte. Haben mußte ich es den Abend, denn die Kälte war grimmig, also besann ich mich nicht lange, stieg noch einmal, zum letztenmale, über die Berge und kam in den Canton Appenzell. Wie da, in den Wäldern und Hügeln und Wiesen die Wege aussahen ist unbeschreiblich; einen Führer hatte ich nicht finden können, weil grade Sonntag und Kirche war, auf dem ganzen Wege begegnete mir kein Mensch, sie waren alle in die Häuser gekrochen, und so trabte ich dann ganz allein auf Trogen los. Wenn man da etwa durch einen Wald kommt, in solchem Wetter und bei solchen Wegen, da glaubt Ihr gar nicht welch wunderliches Gefühl von Unabhängigkeit man hat. Man könnte kreuz und quer gehen, oder hinpurzeln, oder ein Bein brechen, es krähte kein Hahn danach, aber man hat eben so das lustige Gefühl, daß Alles das <hi rend="underline">nicht </hi>geschehen wird, und trabt auf Trogen los. Noch dazu kann ich jetzt das Schweizer Krähen und Jodeln perfect; so schrie ich denn frisch, und sang mir mehrere Jodelcompositionen vor, und kam sehr übermüthig nach Trogen. Da waren die Leute grob und ungezogen im Wirthshaus, und so sagte ich höflich: laßt Euch hängen, ich geh’ weiter, und nahm die Carte raus und fand daß St. Gallen der nächste ordentliche Ort war und noch dazu der einzige praktikable Weg. Nun wollte aber kein Mensch mitgehen, in dem furchtbaren Wetter, da wollte ich es selbst tragen, und schimpfte auf alle […]ederkeit, gleich kam aber das Gegenstück, wie es denn oft zu gehn pflegt. Den Boten nämlich, von dem ich meine Sachen abholen mußte, traf ich in seinem wundernetten, neugezimmerten Hause, und da war die wirkliche rechte Schweizerwirthschaft, wie man sie sich denken soll. Er saß mit seiner ganzen Familie um den Tisch, das ganze Haus so reinlich und warm, die Stube geheizt, der alte Bote (er heißt <persName xml:id="persName_8f1365be-5351-4feb-844b-1b6778327b7a">Daniel Dobler<name key="PSN0110681" style="hidden">Dobler, Daniel</name></persName>) kam mir entgegen und gab mir die Hand, nöthigte mich zum Sitzen, schickte im ganzen Ort nach einem Träger oder Wagen für mich herum, und da keiner fahren und gehen wollte, gab er mir endlich seinen Sohn mit, um mein Bündel 2 Stunden weit zu tragen, ließ er sich zwei Batzen bezahlen, ein wunderschönes blondes Töchterlein saß am Tisch und arbeitete, die alte Mutter las in einem dicken Buch, der Bote selbst in den neusten Zeitungen – es war prächtig. Als ich fortging war es als wollte das Wetter sagen „wenn Du trotzen willst, kann ichs auch“ denn es fing mit verdoppeltem Grimm zu wüthen an; es war zuweilen als packe eine Faust den Regenschirm, und schüttle ihn und drücke ihn zusammen, mit den steifen Fingern konnte ich ihn kaum festhalten, die Wege waren entsetzlich glatt so daß <persName xml:id="persName_d0dcd12d-d7a7-4700-97a2-8447072db6f5">mein Führer<name key="PSN0113330" style="hidden">Michel, Christian (1808-1871)</name></persName> vor mir der Länge nach in den Schlamm fiel – das that alles nichts; wir fluchten und jodelten von Herzen, kamen endlich beim Nonnenkloster vorbei, sangen ihnen ein Ständchen und gelangten nach St. Gallen. Da war es dann überstanden, und gestern fuhr ich von dort hieher, mußte einen Gesundheitsschein nehmen, und meine schwarze Wäsche visitiren lassen, fand Abends eine <placeName xml:id="placeName_081d92f9-0242-4d25-83c7-ac1f754468c7">wundervolle Orgel<name key="SGH0100387" style="hidden" subtype="" type="sight">Kirche</name><settlement key="STM0100386" style="hidden" type="">Lindau</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, wo ich <title xml:id="title_33a1e359-f2c4-4aff-ba0c-112a00cbfe20">„Schmücke Dich, o liebe Seele“<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107702" style="hidden" type="music">Schmücke dich, o liebe Seele BWV 654</name></title> spielen konnte nach Herzenslust, heut geht es auf Memmingen, morgen nach Augsburg, übermorgen so Gott will nach München, und so bin ich in der Schweiz gewesen. – Es hat Euch vielleicht gelangweilt, wenn ich Euch alle unbedeutenden Kleinigkeiten und schlechte Witze schrieb; aber die Zeit ist so böse, da brauchen wir es nicht zu sein, und wenn ich Euch mein Tagebuch schickte, so war es blos um Euch zu sagen, wie ich überall wo es mir wohl ist, wo ich Freude habe, Eurer gedenken muß und bei Euch bin. Der schmutzige, nasse Fußreisende mit dem Bündel nimmt Abschied, und will als Städter mit Visitencarten reiner Wäsche und einem Frack wieder schreiben. <seg type="closer" xml:id="seg_084437fd-13ea-427a-99ac-e4261e7aae2a">Lebt wohl.</seg> </p><note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_8f3f3064-735e-d20d0-9b8ff-5c601deb5847" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note></div></body> </text></TEI>