fmb-1831-08-27-02
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Luzern, 27. August 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse.
Felix Mendelssohn Bartholdy
-
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Wenn ich Ihnen nun meinen Dank sagen will, so weiß ich nicht wofür erst? ob für die Freude, die Sie mir in Mailand durch
Das ist nun aber einmal eben eine tolle, wilde, durch und durch erregte Zeit und wer fühlt, die Kunst sei aus, der lasse sie doch um Gotteswillen ruhen. Aber wenn all’ das Unwetter sich von draußen auch noch so wild ausnimmt, so reißt es doch einmal die Häuser nicht gleich um, und wenn man drinnen ruhig weiter fortarbeitet und nur an seine Kräfte und seinen Zweck, nicht an die der anderen denkt, so geht er auch wohl oft vorüber und man kann sichs nachher gar nicht so toll wieder vorstellen, wie es einem damals erschien. Ich habe mir vorgenommen, so lange ich kann, es so zu machen und ruhig meines Weges zu gehen, denn daß es Musik giebt wird mir am Ende keiner abstreiten und das ist die Hauptsache. Wie erfreuend es da nun ist, jemand zu finden der denselben Zweck und dieselben Mittel sich wählt, und wie erquicklich da jede neue Bestätigung dazu ist, das möchte ich nun eben sagen und weiß es nicht recht zu machen. Sie werden sich es denken, wie Sie sich denn überhaupt das Beste an diesem Briefe hinzudenken müssen, und somit leben Sie mir wohl, und lassen Sie bald und viel von sich hören. Bitte, sagen Sie
Luzern d. 27 Aug. 1831. Wenn ich Ihnen nun meinen Dank sagen will, so weiß ich nicht wofür erst? ob für die Freude, die Sie mir in Mailand durch Ihre Lieder gemacht haben, oder für Ihre lieben Zeilen, die ich gestern in Eduards Brief erhielt; es gehört aber beides eben zusammen und so denke ich, wir haben Bekanntschaft angeknüpft. Es ist doch wohl eben so gut wenn man einander durch Notenblätter vorgestellt wird, wie wenn es in einer Gesellschaft durch den dritten Mann geschieht, und man kommt gleich näher und vertraulicher an einander. Dazu sprechen noch die Leute, die einen vorstellen gewöhnlich den Namen so undeutlich aus, daß man selten weiß, wen man vor sich hat, und ob der Mann gar freundlich oder lustig oder betrübt und finster sei, das sagen sie niemals. Da haben wir es denn noch besser, Ihre Lieder haben Ihren Namen ganz deutlich und klar ausgesprochen, es steht auch darin, wie Sie denken und sind und daß Sie die Musik lieb haben und daß Sie weiter wollen, und so kenne ich Sie vielleicht schon besser, als hätten wir uns öfters gesehen. Was das nun für eine Freude, wie wohlthuend es ist, einen Musiker mehr in der Welt zu wissen, der dasselbe vorhat und ersehnt und dieselbe Straße geht, das können Sie sich vielleicht gar nicht so denken, wie ich es jetzt empfinde, der ich aus dem Lande komme, wo die Musik unter den Leuten nicht mehr lebt. Ich hatte mir das bisjetzt von keinem Lande denken können, am wenigsten von Italien, in der blühenden reichen Natur und der anfeuernden Vorzeit; aber die letzten Ereignisse, die ich leider dort erlebt, haben mir wohl gezeigt, daß noch mehr ausgestorben ist, als nur die Musik; es wäre ja ein Wunder wenn es irgendwo eine Musik geben könnte, wo keine Gesinnung ist. Da wurde ich denn am Ende ganz irre an mir selbst, und dachte ich sey ein Hypochonder geworden, denn mir gefiel doch all das Possenwerk gar zu wenig, und ich sah doch eine Menge ernsthafter Leute und gesetzter Bürger mit einstimmen; wenn sie mir etwas vom Ihrigen vorspielten und meine Sachen nachher lobten und erhoben, war mir es mehr zuwider, als ich sagen kann – kurz ich wollte eigentlich ein Einsiedler werden, mit Bart und Kutte und die Welt war mir nicht recht. Da lernt man es eigentlich erst schätzen, wie viel ein Musiker werth ist d. h. einer der an Musik denkt und nicht an das Geld oder die Orden oder die Damen oder den Ruhm, da freut es einen erst doppelt wenn man sieht daß auch anderswo, ohne daß man es dachte, dieselben Ideen leben und sich entwickeln, da haben mich denn eben Ihre Lieder sehr erfreut, weil ich herauslesen konnte, daß Sie ein Musiker sein müßten, und derer giebt es gar nicht so viel. So wollen wir uns denn über die Berge hinüber die Hand geben und ich will mich freuen, daß Mde. Schmidt sich den klaren Bach aus e dur und die Neugierige und den Mondschein mußte abgeschrieben haben. Aber nun bitte ich Sie auch gleich, mich ebenfalls als einen näheren Bekannten zu betrachten und nicht so höflich zu schreiben von meinem „Rathgeben“ und „Lehren“, es macht mich das fast ängstlich in diesem Briefe und ich weiß nicht recht was ich darauf sagen kann. Das Beste ist aber, daß Sie versprochen haben mir etwas nach München zu schicken und mir wieder zu schreiben, da werde ich Ihnen so recht vom Herzen weg sagen, wie mir es dabey zu Muthe war und Sie werden mir von meinen neueren Sachen dasselbe sagen, und da denke ich geben wir uns gegenseitig Rath. Auf diese versprochnen neuern Compositionen von Ihnen bin ich nun gar sehr begierig; denn gewiß werd’ ich eine große Freude dadurch haben, und so manches, was sich in den älteren Liedern überall ahnden läßt, wird da gewiß recht klar und deutlich hervortreten. Drum kann ich Ihnen auch kein Wort heut über den Eindruck sagen, den Ihre Lieder auf mich gemacht haben, weil es leicht sein könnte, daß irgend ein Einwurf oder eine Frage die ich machte, schon im Voraus durch Ihre Sendung beantwortet wäre. Nur möchte ich Sie bitten, mir recht viel und ausführlich über sich zu schreiben, damit wir einander immer näher bekannt werden, ich schreibe Ihnen dann auch was ich vorhabe und wo ich hinausdenke und da bleiben wir in Verbindung. Lassen Sie mich wissen, was Sie neues componirt haben und componiren, wie Sie in Berlin leben, welche Pläne Sie für später haben, kurz Alles was Ihr musikalisches Leben angeht – es wird für mich vom größten Interesse sein. Freilich wird auch das schon in den Noten stehn, die Sie mir so freundlich versprochen haben, aber zum Glück geht es ja beides zusammen. Haben Sie denn bisjetzt nichts Größeres componirt? eine recht tolle Sinfonie? oder Oper? oder dergleichen. Ich meinestheils habe jetzt eine unbezwingliche Lust zu einer Oper, und sogar kaum Ruhe, irgend etwas anders kleineres anzufangen; ich glaube wenn ich heut den Text hätte, wäre morgen die Oper fertig, denn es treibt mich gar zu sehr dahin. Sonst war mir der bloße Gedanken an eine Sinfonie etwas so hinreißendes, daß ich an gar nichts anders denken konnte, wenn mir eine im Kopfe lag, der Instrumentenklang hat doch auch gar so was Feierliches, Himmlisches in sich; und doch habe ich jetzt schon seit mehrerer Zeit eine angefangne Sinfonie liegen lassen, um eine Cantate von Goethe zu componiren, blos weil ich da noch Stimmen und Chöre dazu hatte. Die Sinfonie will ich freilich nun auch beendigen, aber ich wünsche mir doch nichts mehr, als eine rechte Oper. Wo aber der Text herkommen soll, weiß ich noch weniger seit gestern Abend, wo ich zum Erstenmal seit mehr als einem Jahre ein deutsches Aesthetik-Blatt wieder in die Hände bekam. Es sieht wahrhaftig auf dem deutschen Parnaß eben so toll aus, als in der Europäischen Politik; Gott sei bei uns; ich mußte den gespreizten Menzel verdauen, der damit auftrat bescheidentlich Goethe schlecht zu machen, und den gespreizten Grabbe, der bescheidentlich Shakespeare schlecht machte, und die Philosophen, die Schiller doch zu trivial finden – da möchte ich gar zu gern gleich darunter schlagen. Ist Ihnen denn dies neure hochfahrende, unerfreuliche Wesen, dieser widerwärtige Cynismus auch so fatal, wie mir sobald ich davon hören muß? Und sind Sie mit mir einer Meinung, daß es die erste Bedingung zu einem Künstler sei, daß er Respect vor dem Großen habe? und sich davor beuge und es anerkenne; und nicht die großen Flammen auszupusten versuche, damit das kleine Talglicht ein wenig heller leuchte. Wenn einer das Große nicht fühlt, so möchte ich wissen, wie er es mich will fühlen lassen, und wenn all die Leute mit ihrer vornehmen Verachtung endlich selbst nur Nachahmungen dieser oder jener Aeußerlichkeit hervorzubringen wissen, ohne Ahndung von jenem freien, frischen Schaffen, unbesorgt um die Leute, und die Aesthetik und die Urtheile und die ganze andre Welt, soll man da nicht schimpfen? Ich schimpfe. Aber nehmen Sie mir es nicht übel, es schickt sich wohl eigentlich nicht, ich hatte nur lange dergleichen nicht gelesen, und da machte es mich grimmig, daß das Unwesen immer noch fortgeht, und daß der Philosoph, der behauptet die Kunst sei nun aus, immer noch fortbehauptet, die Kunst sei aus, als ob die überhaupt aufhören könnte. Das ist nun aber einmal eben eine tolle, wilde, durch und durch erregte Zeit und wer fühlt, die Kunst sei aus, der lasse sie doch um Gotteswillen ruhen. Aber wenn all’ das Unwetter sich von draußen auch noch so wild ausnimmt, so reißt es doch einmal die Häuser nicht gleich um, und wenn man drinnen ruhig weiter fortarbeitet und nur an seine Kräfte und seinen Zweck, nicht an die der anderen denkt, so geht er auch wohl oft vorüber und man kann sichs nachher gar nicht so toll wieder vorstellen, wie es einem damals erschien. Ich habe mir vorgenommen, so lange ich kann, es so zu machen und ruhig meines Weges zu gehen, denn daß es Musik giebt wird mir am Ende keiner abstreiten und das ist die Hauptsache. Wie erfreuend es da nun ist, jemand zu finden der denselben Zweck und dieselben Mittel sich wählt, und wie erquicklich da jede neue Bestätigung dazu ist, das möchte ich nun eben sagen und weiß es nicht recht zu machen. Sie werden sich es denken, wie Sie sich denn überhaupt das Beste an diesem Briefe hinzudenken müssen, und somit leben Sie mir wohl, und lassen Sie bald und viel von sich hören. Bitte, sagen Sie unserm lieben Berger meine besten Grüße; ich wollte ihm immer schreiben und bin nicht dazu gekommen, doch soll es in diesen Tagen geschehen. Entschuldigen Sie den langen, trocknen Brief; es soll ein Nächstesmal schon besser werden und nochmals leben Sie wohl. Ihr Felix Mendelssohn Bartholdy.
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-08-27" xml:id="date_b29e9ecb-ab7c-43e0-998e-008617952e6d">27. 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Da haben wir es denn noch besser, Ihre Lieder haben Ihren Namen ganz deutlich und klar ausgesprochen, es steht auch darin, wie Sie denken und sind und daß Sie die Musik lieb haben und daß Sie weiter wollen, und so kenne ich Sie vielleicht schon besser, als hätten wir uns öfters gesehen. Was das nun für eine Freude, wie wohlthuend es ist, einen Musiker mehr in der Welt zu wissen, der dasselbe vorhat und ersehnt und dieselbe Straße geht, das können Sie sich vielleicht gar nicht so denken, wie ich es jetzt empfinde, der ich aus dem Lande komme, wo die Musik unter den Leuten nicht mehr lebt. Ich hatte mir das bisjetzt von keinem Lande denken können, am wenigsten von Italien, in der blühenden reichen Natur und der anfeuernden Vorzeit; aber die letzten Ereignisse, die ich leider dort erlebt, haben mir wohl gezeigt, daß noch mehr ausgestorben ist, als nur die Musik; es wäre ja ein Wunder wenn es irgendwo eine Musik geben könnte, wo keine Gesinnung ist. Da wurde ich denn am Ende ganz irre an mir selbst, und dachte ich sey ein Hypochonder geworden, denn mir gefiel doch all das Possenwerk gar zu wenig, und ich sah doch eine Menge ernsthafter Leute und gesetzter Bürger mit einstimmen; wenn sie mir etwas vom Ihrigen vorspielten und meine Sachen nachher lobten und erhoben, war mir es mehr zuwider, als ich sagen kann – kurz ich wollte eigentlich ein Einsiedler werden, mit Bart und Kutte und die Welt war mir nicht recht. Da lernt man es eigentlich erst schätzen, wie viel ein Musiker werth ist d. h. einer der an Musik denkt und nicht an das Geld oder die Orden oder die Damen oder den Ruhm, da freut es einen erst doppelt wenn man sieht daß auch anderswo, ohne daß man es dachte, dieselben Ideen leben und sich entwickeln, da haben mich denn eben Ihre Lieder sehr erfreut, weil ich herauslesen konnte, daß Sie ein Musiker sein müßten, und derer giebt es gar nicht so viel. So wollen wir uns denn über die Berge hinüber die Hand geben und ich will mich freuen, daß <persName xml:id="persName_d1e8cd51-44d0-4b57-aa15-09cf5636bd79">Mde. Schmidt<name key="PSN0114602" style="hidden">Schmidt, Madame</name></persName> sich <title xml:id="title_3512f609-40d4-4e46-825b-da4b4c1343ad">den klaren Bach aus e dur<name key="PSN0115254" style="hidden" type="author">Taubert, Carl Gottfried Wilhelm (1811-1891)</name><name key="CRT0111023" style="hidden" type="music">An die Geliebte. Acht Minne-Lieder für das Piano-Forte op. 16</name><name key="PSN0115254" style="hidden" type="author">Taubert, Carl Gottfried Wilhelm (1811-1891)</name><name key="CRT0111503" style="hidden" type="music">Wohin? 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Das Beste ist aber, daß Sie versprochen haben mir etwas nach München zu schicken und mir wieder zu schreiben, da werde ich Ihnen so recht vom Herzen weg sagen, wie mir es dabey zu Muthe war und Sie werden mir von meinen neueren Sachen dasselbe sagen, und da denke ich geben wir uns gegenseitig Rath. Auf diese versprochnen neuern Compositionen von Ihnen bin ich nun gar sehr begierig; denn gewiß werd’ ich eine große Freude dadurch haben, und so manches, was sich in den älteren Liedern überall ahnden läßt, wird da gewiß recht klar und deutlich hervortreten. Drum kann ich Ihnen auch kein Wort heut über den Eindruck sagen, den Ihre Lieder auf mich gemacht haben, weil es leicht sein könnte, daß irgend ein Einwurf oder eine Frage die ich machte, schon im Voraus durch Ihre Sendung beantwortet wäre. Nur möchte ich Sie bitten, mir recht viel und ausführlich über sich zu schreiben, damit wir einander immer näher bekannt werden, ich schreibe Ihnen dann auch was ich vorhabe und wo ich hinausdenke und da bleiben wir in Verbindung. Lassen Sie mich wissen, was Sie neues componirt haben und componiren, wie Sie in Berlin leben, welche Pläne Sie für später haben, kurz Alles was Ihr musikalisches Leben angeht – es wird für mich vom größten Interesse sein. Freilich wird auch das schon in den Noten stehn, die Sie mir so freundlich versprochen haben, aber zum Glück geht es ja beides zusammen. Haben Sie denn bisjetzt nichts Größeres componirt? eine recht tolle Sinfonie? oder Oper? oder dergleichen. Ich meinestheils habe jetzt eine unbezwingliche Lust zu einer Oper, und sogar kaum Ruhe, irgend etwas anders kleineres anzufangen; ich glaube wenn ich heut den Text hätte, wäre morgen die Oper fertig, denn es treibt mich gar zu sehr dahin. Sonst war mir der bloße Gedanken an eine Sinfonie etwas so hinreißendes, daß ich an gar nichts anders denken konnte, wenn mir eine im Kopfe lag, der Instrumentenklang hat doch auch gar so was Feierliches, Himmlisches in sich; und doch habe ich jetzt schon seit mehrerer Zeit eine <title xml:id="title_95b260bb-bd67-4fb7-8e48-b29cfc86ef40">angefangne Sinfonie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ufei2px2-05ne-le95-rxty-uzx3fxuhu2aj"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100344" style="hidden">Sinfonie Nr. 3 a-Moll (»Schottische«) für Orchester, 30. Juli 1829; [ca. 1841] bis 20. Januar 1842<idno type="MWV">N 18</idno><idno type="op">56</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_dxm6nn3w-hxkq-7mia-i3ue-qgutilm8cmpz"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100342" style="hidden">Sinfonie A-Dur (»Italienische«) für Orchester, [Ende 1830] bis 13. März 1833; [Juni 1834 bis Anfang 1835]<idno type="MWV">N 16</idno><idno type="op">90</idno></name></title> liegen lassen, um eine <title xml:id="title_84d12b22-4155-4510-8422-1ad005039d62">Cantate<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_3icuo32d-zjo5-lm5t-lzq3-sq1b4iz4k2wb"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_secular_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100172" style="hidden">Die erste Walpurgisnacht, Ballade für Solostimmen, gemischten Chor und Orchester, [1830] bis 13. Februar 1832; Herbst 1840 bis Dezember 1842; 15. Juli 1843<idno type="MWV">D 3</idno><idno type="op">60</idno></name></title> <title xml:id="title_ddafd982-9c79-453a-999d-41ddd628a1be">von Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108812" style="hidden" type="literature">Die erste Walpurgisnacht</name></title> zu componiren, blos weil ich da noch Stimmen und Chöre dazu hatte. Die Sinfonie will ich freilich nun auch beendigen, aber ich wünsche mir doch nichts mehr, als eine rechte Oper. Wo aber der Text herkommen soll, weiß ich noch weniger seit gestern Abend, wo ich zum Erstenmal seit mehr als einem Jahre ein deutsches Aesthetik-Blatt wieder in die Hände bekam. Es sieht wahrhaftig auf dem deutschen Parnaß eben so toll aus, als in der Europäischen Politik; Gott sei bei uns; ich mußte den <persName xml:id="persName_c563705b-9e1c-4097-81ee-7c07f822a61e">gespreizten Menzel<name key="PSN0113272" style="hidden">Menzel, Wolfgang (1798-1873)</name></persName> verdauen, <persName xml:id="persName_26e6bdc1-2601-46b0-b5a9-7f5b72ba7f39">der<name key="PSN0113272" style="hidden">Menzel, Wolfgang (1798-1873)</name></persName> damit auftrat bescheidentlich <persName xml:id="persName_3337748c-77af-4222-a06f-a9671b50af67">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> schlecht zu machen, und <title xml:id="title_1c4c1aff-ffb7-4eb4-9845-d5afc790897f">den gespreizten Grabbe<name key="PSN0111501" style="hidden" type="author">Grabbe, Christian Dietrich (1801-1836)</name><name key="CRT0108890" style="hidden" type="literature">Über die Shakspearo-Manie</name></title>, der bescheidentlich <persName xml:id="persName_9577b717-8be7-4535-9168-a18bee6388f1">Shakespeare<name key="PSN0114889" style="hidden">Shakespeare, William (1564-1616)</name></persName> schlecht machte, und die Philosophen, die <persName xml:id="persName_ed64a2cb-7db6-4a44-9d8a-ecbd786bcf00">Schiller<name key="PSN0114545" style="hidden">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name></persName> doch zu trivial finden – da möchte ich gar zu gern gleich darunter schlagen. Ist Ihnen denn dies neure hochfahrende, unerfreuliche Wesen, dieser widerwärtige Cynismus auch so fatal, wie mir sobald ich davon hören muß? Und sind Sie mit mir einer Meinung, daß es die erste Bedingung zu einem Künstler sei, daß er Respect vor dem Großen habe? und sich davor beuge und es anerkenne; und nicht die großen Flammen auszupusten versuche, damit das kleine Talglicht ein wenig heller leuchte. Wenn einer das Große nicht fühlt, so möchte ich wissen, wie er es mich will fühlen lassen, und wenn all die Leute mit ihrer vornehmen Verachtung endlich selbst nur Nachahmungen dieser oder jener Aeußerlichkeit hervorzubringen wissen, ohne Ahndung von jenem freien, frischen Schaffen, unbesorgt um die Leute, und die Aesthetik und die Urtheile und die ganze andre Welt, soll man da nicht schimpfen? Ich schimpfe. Aber nehmen Sie mir es nicht übel, es schickt sich wohl eigentlich nicht, ich hatte nur lange dergleichen nicht gelesen, und da machte es mich grimmig, daß das Unwesen immer noch fortgeht, und daß <title xml:id="title_b4ad56e4-0e86-4be2-9b02-3daaa221170c">der Philosoph, der behauptet die Kunst sei nun aus<name key="PSN0111804" style="hidden" type="author">Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831)</name><name key="CRT0109110" style="hidden" type="science">Vorlesungen über die Ästhetik</name></title>, immer noch fortbehauptet, die Kunst sei aus, als ob die überhaupt aufhören könnte.</p><p>Das ist nun aber einmal eben eine tolle, wilde, durch und durch erregte Zeit und wer fühlt, die Kunst sei aus, der lasse sie doch um Gotteswillen ruhen. Aber wenn all’ das Unwetter sich von draußen auch noch so wild ausnimmt, so reißt es doch einmal die Häuser nicht gleich um, und wenn man drinnen ruhig weiter fortarbeitet und nur an seine Kräfte und seinen Zweck, nicht an die der anderen denkt, so geht er auch wohl oft vorüber und man kann sichs nachher gar nicht so toll wieder vorstellen, wie es einem damals erschien. Ich habe mir vorgenommen, so lange ich kann, es so zu machen und ruhig meines Weges zu gehen, denn daß es Musik giebt wird mir am Ende keiner abstreiten und das ist die Hauptsache. Wie erfreuend es da nun ist, jemand zu finden der denselben Zweck und dieselben Mittel sich wählt, und wie erquicklich da jede neue Bestätigung dazu ist, das möchte ich nun eben sagen und weiß es nicht recht zu machen. Sie werden sich es denken, wie Sie sich denn überhaupt das Beste an diesem Briefe hinzudenken müssen, und somit leben Sie mir wohl, und lassen Sie bald und viel von sich hören. Bitte, sagen Sie <persName xml:id="persName_34ff4911-2f43-4aef-ac95-42571b64374d">unserm lieben Berger<name key="PSN0109868" style="hidden">Berger, Carl Ludwig Heinrich (1777-1839)</name></persName> meine besten Grüße; ich wollte ihm immer schreiben und bin nicht dazu gekommen, doch soll es in diesen Tagen geschehen. <seg type="closer" xml:id="seg_6cdfd9f4-a019-4475-8e21-c48ad8b3ddc4">Entschuldigen Sie den langen, trocknen Brief; es soll ein Nächstesmal schon besser werden und nochmals leben Sie wohl. Ihr</seg></p><signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy.</signed></div></body> </text></TEI>