fmb-1831-08-27-01
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Luzern, 27. August 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Textverluste durch Siegelabriss.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Sey für Deinen Brief aus Herzensgrunde bedankt, denn es ist ein wahrer und rechter Familienbrief, und wie ich ihn durchgelesen, da war mir zu Muthe, als sey ich eben Abends bei Euch gewesen; drum kann ich auch nicht müde werden, ihn wieder und wieder zu lesen, weil aus jedem Wort Euer glückliches, frohes Leben und Euer Bewußtsein davon ausgesprochen ist und daß Ihr meiner freundlich denkt. Könnte ich Euch doch sagen, wie mich solch ein Brief erfrischt, dann brauchte ich Euch auch weiter gar nicht zu danken. Es ist aber hübsch von Euch, daß Ihr so froh lebt und die Welt wüthen laßt und ruhig weiter fortschreitet und nur etwa die Fensterladen zuschließt vor dem Sturm und Hagel draußen – Alles andre ist vom Übel. Ihnen aber, liebe
Sie sagen, ich solle nur bald zurückkommen und Du meinst,
liefern. Finde das nicht unbescheiden, ich bitte Dich, sondern glaube mir daß ich es nur sage, weil ich weiß, was sein
sollteund was nicht
ist. Wo ich aber dazu Gelegenheit finden soll, wo es nur anfangen kann, das ist mir bis heut ganz unbegreiflich; wenn es meine Aufgabe aber ist, so werde ich die Gelegenheit finden, das glaube ich fest, und finde ich sie nicht, so wird es ein Andrer sein müssen. Dann wüßte ich aber nicht, warum mich es so dazu hintriebe – kurz ich muß Musik machen, das ist der langen Rede kurzer Sinn. Du siehst also, daß wir ganz einig sind im Grunde und ich wollte nur „meine Bequemlichkeit im Wiederknurren brauchen“, wie Du es im Knurren willst. Und somit erlaube mir, sofort weiterzuknurren und zu murren und zu brummen, drüber, daß Du mir schreibst, Du machest dem
wirklichbei Dir sein und Dir meine
Luzern d. 27 August 1831. Du sehr liebe Familie Sey für Deinen Brief aus Herzensgrunde bedankt, denn es ist ein wahrer und rechter Familienbrief, und wie ich ihn durchgelesen, da war mir zu Muthe, als sey ich eben Abends bei Euch gewesen; drum kann ich auch nicht müde werden, ihn wieder und wieder zu lesen, weil aus jedem Wort Euer glückliches, frohes Leben und Euer Bewußtsein davon ausgesprochen ist und daß Ihr meiner freundlich denkt. Könnte ich Euch doch sagen, wie mich solch ein Brief erfrischt, dann brauchte ich Euch auch weiter gar nicht zu danken. Es ist aber hübsch von Euch, daß Ihr so froh lebt und die Welt wüthen laßt und ruhig weiter fortschreitet und nur etwa die Fensterladen zuschließt vor dem Sturm und Hagel draußen – Alles andre ist vom Übel. Ihnen aber, liebe Mde Devrient, muß ich nun ganz besonders danken für Ihre freundlichen Zeilen und Erinnerung; Sie glauben gar nicht, wie sehr freundlich von Ihnen es ist, daß Sie mir selbst Ihren Gruß geschrieben haben und zwar in Worten, die gerade so sind, wie Sie sie gesprochen hätten; wie gesagt, ich bin Abends bei Ihnen gewesen und das war dann wol immer vergnügte glückliche Zeit. Sie sagen, ich solle nur bald zurückkommen und Du meinst, Eduard, meine Mutter schöbe das noch lange hinaus, es weiß wohl keiner jetzt so recht genau, wie es in der nächsten Zeit kommen wird und es ist schwer namentlich mit dem Reisen jetzt sich einen bestimmten Plan zu machen. Indessen möchte ich freilich erst noch was Tüchtiges zusammengearbeitet haben, ehe ich wieder nach Berlin käme; so, wie ich jetzt stehe, finde ich dort schwerlich was zu thun, ein Paar Concerte machen den Kohl noch nicht fett, und zu etwas Anderem würde ich in Berlin wohl nicht gelangen können. Drum will ich sehen so bald, als möglich mich wieder recht ins Musikmachen zu werfen; die ganze Zeit in Italien, die mir gewiß sehr förderlich war, habe ich in der Meinung der Leute keinen Fortschritt, also einen Rückschritt gemacht, und so möchte ich denn gern auch bald was Aeußerliches wieder vornehmen. Diese Kriegs und Pestzeit ist dazu freilich schlecht geeignet, aber es muß doch sein und so habe ich keine Furcht. Das einzige, was mir nun Alles dies vereinigen könnte, wäre eine Oper, denn ich gestehe Dir, daß ich solch eine unglaubliche Lust schon seit einem halben Jahre nach einer Oper habe, daß ich sogar an die Instrumentalmusik in diesem Augenblick nicht denken kann, weil ich Stimmen und Chöre und allen Teufel vor mir brummen habe und mich nicht recht beruhigen werde, bis ich es hinstellen kann. Zu dem fühle ich noch gar daß eine Oper, die ich jetzt schriebe, lange nicht so gut werden würde, als eine zweite, die ich nachher schriebe, und daß ich doch den neuen Weg, den ich mir denke, erst antreten muß und ein Stück drin laufen, um zu wissen ob es hinführen wird oder wie bald, während ich in der Instrumentalmusik schon anfange zu wissen, was ich eigentlich wollen soll und mir selbst viel klarer und ruhiger drüber bin, weil ich mehr darin gearbeitet habe – kurz, es treibt mich. Dazu kommt nun noch, daß ich dieser Tage höllisch demüthig geworden bin, durch einen Zufall, der mir aber noch immer im Sinne liegt. Im Engelberger Thal fand ich Wilhelm Tell von Schiller und wie ich ihn hier wieder las, wurde ich von neuem ganz entzückt und glücklich über solch ein himmlisches Kunstwerk, und über all die Glut und Begeisterung und das Feuer darin. Da fiel mir plötzlich ein Wort von Goethe wieder ein, der mir in einem langen Gespräch über Schiller einmal sagte: Schiller hätte jährlich zwei große Trauerspiele liefern können, andre Gedichte abgerechnet. Dieser handwerkmäßige Ausdruck, das Liefern, frappirt mich auf einmal sehr, als ich das frische, warme Stück las, und mir kam diese Thätigkeit so ungeheuer großartig vor, daß mir vorkam, als hätte ich eigentlich in meinem Leben noch gar nichts Rechtes hervorgebracht. Es steht mir Alles so sehr vereinzelt noch da, es ist mir als müßte ich auch einmal was liefern. Finde das nicht unbescheiden, ich bitte Dich, sondern glaube mir daß ich es nur sage, weil ich weiß, was sein sollte und was nicht ist. Wo ich aber dazu Gelegenheit finden soll, wo es nur anfangen kann, das ist mir bis heut ganz unbegreiflich; wenn es meine Aufgabe aber ist, so werde ich die Gelegenheit finden, das glaube ich fest, und finde ich sie nicht, so wird es ein Andrer sein müssen. Dann wüßte ich aber nicht, warum mich es so dazu hintriebe – kurz ich muß Musik machen, das ist der langen Rede kurzer Sinn. Du siehst also, daß wir ganz einig sind im Grunde und ich wollte nur „meine Bequemlichkeit im Wiederknurren brauchen“, wie Du es im Knurren willst. Und somit erlaube mir, sofort weiterzuknurren und zu murren und zu brummen, drüber, daß Du mir schreibst, Du machest dem Taubert eine komische Oper, und daß Du weiter kein Wort zusetzest, über Plan, Süjet, Ausführung u. dgl. Warum sagst Du nicht ein bischen davon, damit ich doch auch wisse, woran Ihr arbeitet, und wie heißt der Titel und die Personen und kommen im Orchester auch Trompeten und Pauken vor? Daß Marschner den Heiling componirt freut mich ungemein, und zwar deswegen, weil ich glaube, daß kein Mensch jetzt ihn so gut hätte componiren können, wie der, und weil ich fest überzeugt bin, daß die Oper einen großen Effect machen wird mit seiner Musik. Denn grade, was Du mit Recht an ihm tadelst, seine Abhängigkeit von Weber, die möchte ich Dir bei dem Gedicht etwas Schuld geben und wenn ihn das äußerlich abhalten wird, so viel an Weber zu streifen, wie bisher, so wird es ihm innerlich desto mehr zusagen, und er wird gewiß seine beste Oper draus machen. Übrigens ist sein Templer so sehr viel besser, als seine vorigen Sachen, daß gewiß vom Templer zum Heiling wieder ein Fortschritt sein wird, und so hast Du große Freude an Deinem Gedicht zu erwarten. Was mich besonders aber freut, ist daß Du sagst, Du fühlest Dich dem Texte jetzt entwachsen und es würde sich das in Deiner Oper für Taubert aussprechen; ich bin sehr neugierig darauf, denn was Du von Deinem Streben in dieser Hinsicht sagst, das finde ich sehr richtig, abgerechnet mehrere Bescheidenheiten, z. B. wenn Du sagst, es fehle Dir „weitaussehendes Studium“ u. s. f. Das einzige, was mir bei dem Gedichte, das ich von Dir kenne, zu fehlen schien, das war eine gewisse Natürlichkeit aus der Sache, aus den Characteren, es kam mir vor, als dichtest Du noch zu viel auf das Theater; und wenn Du es erreichst nicht Sänger und Decorationen und Situationen, sondern Menschen und Natur und das Leben Dir zu denken und hinzustellen, so bin ich überzeugt, daß Du die besten Opern schreiben wirst, die wir haben werden, denn wenn einer die Bühne so kennt wie Du, so kann er schon nichts Undramatisches schreiben wollen, und könnte nur zu sehr dahin neigen; wenn das nicht der Fall ist, so wüßte ich auch gar nicht, was Du von Deinen Versen anderes wolltest, und warum Du nicht begreifst, daß die glatten, schönen Verse Deines Bekannten nicht zur Oper passen: ist es von innen heraus für die Natur und die Musik gefühlt, so sind die Verse schön und musikalisch, und wenn sie sich im Textbuch noch so hinkend ausnähmen, schreib’ dann meinethalben Prosa – wir wollen es schon componiren, wenn es so sein muß, da wird es nicht schwer fallen; aber wenn Form in Form gegossen werden soll, wenn die Verse musikalisch gemacht und nicht musikalisch gedacht sind, wenn es äußerlich in schönen Worten eingebracht werden soll, wo es innerlich am schönen Leben fehlt – da hast Du Recht, da ist eine Klemme, aus der kein Mensch herauskommen kann. O Gott, ich bin in einen Lehrton verfallen, der sich gar nicht für mich schickt; aber verzeih ihn, und mach es, wie Du es von mir verlangst, nimm Dir den Sinn heraus und laß die unpassende Einkleidung laufen. Weß das Herz voll ist, geht der Mund über und so gewiß reines Metrum, gute Gedanken, schöne Sprache, noch immer kein gutes Gedicht machen, ohne einen gewissen Blitz der Poesie, der durchs ganze geht, so gewiß kann nur durch das Gefühl des Lebens in allen Personen eine Oper vollkommen musikalisch und am Ende auch vollkommen dramatisch werden. Es steht eine Stelle drüber im Beaumarchais, den man anklagt seine Personen sagten zu wenig eigentlich schöne Gedanken und er lege ihnen zu wenig Poetisches in den Mund; er antwortet, das sey nicht seine Schuld, er müsse bekennen, daß er während des Schreibens immer über seinen Schreibtisch weg im lebhaftesten Gespräch mit seinen Personen sey; daß er rufe: Figaro, prends garde, le comte sait tout – Ah Comtesse, quelle imprudence! – Vite, sauve toi, petit page – und was sie ihm dann etwa antworteten das schreibe er hin, nichts Anderes. Mir kommt das sehr nett und wahr vor. – Aber ich spreche wie ein Buch von Hotho, weg mit dem; Du mußt mir aber drauf antworten, damit wir uns wieder anknurren können, denn es ist eigentlich ganz ersprieslich, wenn man sich so auf einige Entfernung hin über manches verständigen kann; man hat dann später desto mehr Zeit zum Reisessen, obwohl ich eigentlich auch lieber meinen Brief hätte damit anfangen sollen; denn alle Abend, wo ich durchnäßt und vom Sturm verdrossen in ein reinliches, nett gezimmertes braunes Schweizerbauernhaus komme, (die Wände bestehn aus bunten Fenstern, die Möbel aus dicken Öfen und hohen Betten und Blumentöpfen) und sobald ich durch jedes Fenster gekuckt habe, um die Aussicht auf andre solche Häuser und auf die Berge dahinter zu genießen – da wird sogleich ein Schwyzerrys bestellt, und das ist dann meine große Erquickung; ich muß ihn aber leider ganz allein aufessen; (das „leider“ geht nicht aufs Essen sondern aufs „allein“. ) Und hätte ich damit meinen Brief angefangen, so wäre ich von der Schweiz nicht wieder fortgekommen, denn es ist kein Land, wie dieses. Alle Träume und Bilder können Dir nicht eine Ahndung von dem geben, was dies für eine Schönheit ist. Es ist auch so verschieden von allen Ländern, alles so anders, von den Bergformen bis zu den Häusern, daß man es gesehn haben muß, um sichs zu denken. Wie jeder Berg seinen eignen Character hat und seine eigne Physiognomie, finster oder freundlich, alt oder jung, wie man der ganzen Natur gegenüber steht, und alle Jahreszeiten mit einem Blick sieht, aus dem sommerlichen Thal zu den nackten Felsen, und endlich zum Schnee und Eis mit allen Winternebeln und Stürmen, und dann wieder wenn man auf diesem Eise steht tief herunter ins grüne Thal mit allen Bäumen und Kräutern – ist denn nicht eine Möglichkeit, daß Ihr die Schweiz einmal sehen könnt? Denn es giebt einem eine andre Idee vom lieben Herr Gott und seiner Natur und ihrer unermeßlichen Schönheit; jeder Mensch, der es könnte, müßte einmal in seinem Leben die Schweiz gesehn haben. Wo will da das dürre Italien hin gegen diese Lebensfrische, und die Kerngesundheit? Was Grün heißt, und Wiesen und Wasser und Quellen und Felsen das weiß nur einer, der hier gewesen ist. Aber was soll ichs beschreiben? Mir ist nirgends so ganz frey, so ganz der Natur gegenüber zu Muthe gewesen, als in diesen unvergeßlichen Wochen, und ich habe mirs vorgenommen, wenn ich in meinem Leben einmal wieder einen Sommer herumschweifen kann, es nur hier in den Bergen zu thun. – Neues componirt hab ich aber seitdem nichts, ein Paar Lieder ausgenommen; ich wollte, ich könnte einmal einen Abend wirklich bei Dir sein und Dir meine Walpurgisnacht vorspielen, oder vielmehr Du könntest, sie mir vorsingen; das Ding liegt gut für Dich, doch schreibe mir einmal, ob Du das hohe f nehmen kannst, nicht ausgehalten, sondern nur ein Viertel lang; es kommt am Ende drin vor. Deinen Opernplan mit dem Italiänischen Carnaval und dem Schweizeracte kannte ich schon, wußte aber nicht, daß er von Dir sey, Du wirst Dir wohl denken können, wer mir davon erzählte; sei aber so gut, und mache die Schweiz ganz gewaltig, und über die Maßen frisch; wenn Du an solche zarte Schweiz denkst, mit Jodeln und Sehnsucht, wie ich sie gestern hier auf dem Theater in der Schweizerfamilie mit ansehen mußte, und wenn die Berge und die Alphörner sentimental werden, so bringe ichs übers Herz und rezensire Dich sehr schlecht in der Spenerschen. Aber nein! Ich bitte Dich, mach sie lustig, und laß mich mehr davon hören. Vor allen Dingen schick mir auch die versprochne Musik von Taubert, wo möglich etwas aus Deiner Oper. Ich schreibe noch heut an ihn und danke für seine Zeilen; haltet aber Euer Wort mit dem Münchener Brief, Ihr lieben, und erquickt mich wieder sehr dadurch. Jetzt aber muß ich fort, denn heut ist ein schöner Tag und morgen geht es wahrscheinlich auf den Rigi; so lebt mir denn alle wohl, und bleibt so. Deiner Schwägerinn bitte ich meinen herzlichen Gruß zu sagen, und ihr zu ihrer Besserung Glück und die beste Fortdauer zu wünschen. Die Bauern sagen hier: Grüß nu Gott, und so sey es und lebt wohl und bleibt mir gut Felix MB.
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Könnte ich Euch doch sagen, wie mich solch ein Brief erfrischt, dann brauchte ich Euch auch weiter gar nicht zu danken. Es ist aber hübsch von Euch, daß Ihr so froh lebt und die Welt wüthen laßt und ruhig weiter fortschreitet und nur etwa die Fensterladen zuschließt vor dem Sturm und Hagel draußen – Alles andre ist vom Übel. 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Das einzige, was mir nun Alles dies vereinigen könnte, wäre eine Oper, denn ich gestehe Dir, daß ich solch eine unglaubliche Lust schon seit einem halben Jahre nach einer Oper habe, daß ich sogar an die Instrumentalmusik in diesem Augenblick nicht denken kann, weil ich Stimmen und Chöre und allen Teufel vor mir brummen habe und mich nicht recht beruhigen werde, bis ich es hinstellen kann. Zu dem fühle ich noch gar daß eine Oper, die ich jetzt schriebe, lange nicht so gut werden würde, als eine zweite, die ich nachher schriebe, und daß ich doch den neuen Weg, den ich mir denke, erst antreten muß und ein Stück drin laufen, um zu wissen ob es hinführen wird oder wie bald, während ich in der Instrumentalmusik schon anfange zu wissen, was ich eigentlich wollen soll und mir selbst viel klarer und ruhiger drüber bin, weil ich mehr darin gearbeitet habe – kurz, es treibt mich. Dazu kommt nun noch, daß ich dieser Tage höllisch demüthig geworden bin, durch einen Zufall, der mir aber noch immer im Sinne liegt. Im Engelberger Thal fand ich <title xml:id="title_284c5baa-ecb7-4061-ac04-662655985d94">Wilhelm Tell<name key="PSN0114545" style="hidden" type="author">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name><name key="CRT0110678" style="hidden" type="dramatic_work">Wilhelm Tell</name></title> von Schiller und wie ich ihn hier wieder las, wurde ich von neuem ganz entzückt und glücklich über solch ein himmlisches Kunstwerk, und über all die Glut und Begeisterung und das Feuer darin. Da fiel mir plötzlich ein Wort von <persName xml:id="persName_5c47e059-add3-4546-a9d2-2c73bf337e57">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> wieder ein, der mir in einem langen Gespräch über <persName xml:id="persName_79af8411-cef0-4a86-8298-3cbd7b03c76c">Schiller<name key="PSN0114545" style="hidden">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name></persName> einmal sagte: <persName xml:id="persName_7f93b8e9-ce37-409f-9da5-01b67da3fcee">Schiller<name key="PSN0114545" style="hidden">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name></persName> hätte jährlich zwei große Trauerspiele liefern können, andre Gedichte abgerechnet. Dieser handwerkmäßige Ausdruck, das Liefern, frappirt mich auf einmal sehr, als ich das frische, warme Stück las, und mir kam diese Thätigkeit so ungeheuer großartig vor, daß mir vorkam, als hätte ich eigentlich in meinem Leben noch gar nichts Rechtes hervorgebracht. Es steht mir Alles so sehr vereinzelt noch da, es ist mir als müßte ich auch einmal was <hi rend="underline">liefern</hi>. Finde das nicht unbescheiden, ich bitte Dich, sondern glaube mir daß ich es nur sage, weil ich weiß, was sein <hi rend="underline">sollte</hi> und was nicht <hi rend="underline">ist</hi>. Wo ich aber dazu Gelegenheit finden soll, wo es nur anfangen kann, das ist mir bis heut ganz unbegreiflich; wenn es meine Aufgabe aber ist, so werde ich die Gelegenheit finden, das glaube ich fest, und finde ich sie nicht, so wird es ein Andrer sein müssen. Dann wüßte ich aber nicht, warum mich es so dazu hintriebe – kurz ich muß Musik machen, das ist der langen Rede kurzer Sinn. Du siehst also, daß wir ganz einig sind im Grunde und ich wollte nur „meine Bequemlichkeit im Wiederknurren brauchen“, wie Du es im Knurren willst. Und somit erlaube mir, sofort weiterzuknurren und zu murren und zu brummen, drüber, daß Du mir schreibst, Du machest dem <title xml:id="title_21e8184e-5f8d-443d-a819-d49bf4a72fa8">Taubert eine komische Oper<name key="PSN0115254" style="hidden" type="author">Taubert, Carl Gottfried Wilhelm (1811-1891)</name><name key="CRT0111017" style="hidden" type="music">Die Kirmes op. 7</name></title>, und daß Du weiter kein Wort zusetzest, über Plan, Süjet, Ausführung u. dgl. Warum sagst Du nicht ein bischen davon, damit ich doch auch wisse, woran Ihr arbeitet, und wie heißt der Titel und die Personen und kommen im Orchester auch Trompeten und Pauken vor? Daß <title xml:id="title_010e512d-8aa4-4d91-a3dc-fa333c581763">Marschner<name key="PSN0113090" style="hidden" type="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</name><name key="CRT0109891" style="hidden" type="music">Hans Heiling op. 80</name></title> <title xml:id="title_66f5650e-6b61-460f-9a9e-3cf746f9f115">den Heiling<name key="PSN0110637" style="hidden" type="author">Devrient, Philipp Eduard (1801-1877)</name><name key="CRT0108544" style="hidden" type="dramatic_work">Hans Heiling (Libretto)</name></title> componirt freut mich ungemein, und zwar deswegen, weil ich glaube, daß kein Mensch jetzt ihn so gut hätte componiren können, wie der, und weil ich fest überzeugt bin, daß die Oper einen großen Effect machen wird mit seiner Musik. Denn grade, was Du mit Recht an ihm tadelst, seine Abhängigkeit von <persName xml:id="persName_8920c285-d816-4672-9d26-d4d5c6517606">Weber<name key="PSN0115645" style="hidden">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name></persName>, die möchte ich Dir bei dem Gedicht etwas Schuld geben und wenn ihn das äußerlich abhalten wird, so viel an Weber zu streifen, wie bisher, so wird es ihm innerlich desto mehr zusagen, und er wird gewiß seine beste Oper draus machen. Übrigens ist <title xml:id="title_6d77143c-c217-47b4-862d-8b224f73120f">sein Templer<name key="PSN0113090" style="hidden" type="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</name><name key="CRT0109894" style="hidden" type="music">Der Templer und die Jüdin op. 60</name></title> so sehr viel besser, als seine vorigen Sachen, daß gewiß <title xml:id="title_ea1b91e4-01ab-47b3-9133-dd2426e17a7f">vom Templer zum Heiling<name key="PSN0113090" style="hidden" type="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</name><name key="CRT0109891" style="hidden" type="music">Hans Heiling op. 80</name></title> wieder ein Fortschritt sein wird, und so hast Du große Freude an <title xml:id="title_1a2ce5e8-8bfd-49c9-ab0e-8f09e84a49f1">Deinem Gedicht<name key="PSN0110637" style="hidden" type="author">Devrient, Philipp Eduard (1801-1877)</name><name key="CRT0108548" style="hidden" type="dramatic_work">Der Templer und die Jüdin (Libretto)</name></title> zu erwarten. Was mich besonders aber freut, ist daß Du sagst, Du fühlest Dich dem Texte jetzt entwachsen und es würde sich das in Deiner Oper für <persName xml:id="persName_bda1035b-afc2-4939-9fb9-0a50079c79f9">Taubert<name key="PSN0115254" style="hidden">Taubert, Carl Gottfried Wilhelm (1811-1891)</name></persName> aussprechen; ich bin sehr neugierig darauf, denn was Du von Deinem Streben in dieser Hinsicht sagst, das finde ich sehr richtig, abgerechnet mehrere Bescheidenheiten, z. B. wenn Du sagst, es fehle Dir „weitaussehendes Studium“ u. s. f. Das einzige, was mir bei dem Gedichte, das ich von Dir kenne, zu fehlen schien, das war eine gewisse Natürlichkeit aus der Sache, aus den Characteren, es kam mir vor, als dichtest Du noch zu viel auf das Theater; und wenn Du es erreichst nicht Sänger und Decorationen und Situationen, sondern Menschen und Natur und das Leben Dir zu denken und hinzustellen, so bin ich überzeugt, daß Du die besten Opern schreiben wirst, die wir haben werden, denn wenn einer die Bühne so kennt wie Du, so kann er schon nichts Undramatisches schreiben wollen, und könnte nur zu sehr dahin neigen; wenn das nicht der Fall ist, so wüßte ich auch gar nicht, was Du von Deinen Versen anderes wolltest, und warum Du nicht begreifst, daß die glatten, schönen Verse Deines Bekannten nicht zur Oper passen: ist es von innen heraus für die Natur und die Musik gefühlt, so sind die Verse schön und musikalisch, und wenn sie sich im Textbuch noch so hinkend ausnähmen, schreib’ dann meinethalben Prosa – wir wollen es schon componiren, wenn es so sein muß, da wird es nicht schwer fallen; aber wenn Form in Form gegossen werden soll, wenn die Verse musikalisch gemacht und nicht musikalisch gedacht sind, wenn es äußerlich in schönen Worten eingebracht werden soll, wo es innerlich am schönen Leben fehlt – da hast Du Recht, da ist eine Klemme, aus der kein Mensch herauskommen kann. O Gott, ich bin in einen Lehrton verfallen, der sich gar nicht für mich schickt; aber verzeih ihn, und mach es, wie Du es von mir verlangst, nimm Dir den Sinn heraus und laß die unpassende Einkleidung laufen. Weß das Herz voll ist, geht der Mund über und so gewiß reines Metrum, gute Gedanken, schöne Sprache, noch immer kein gutes Gedicht machen, ohne einen gewissen Blitz der Poesie, der durchs ganze geht, so gewiß kann nur durch das Gefühl des Lebens in allen Personen eine Oper vollkommen musikalisch und am Ende auch vollkommen dramatisch werden. Es steht eine Stelle drüber im <title xml:id="title_fdf405ff-8f48-44d1-ab76-ee3133eac170">Beaumarchais<name key="PSN0109734" style="hidden" type="author">Beaumarchais, Pierre Augustin Caron de (1732-1799)</name><name key="CRT0107979" style="hidden" type="science">Aux abonnés de l’Opéra qui voudraient aimer l’opéra</name></title>, den man anklagt seine Personen sagten zu wenig eigentlich schöne Gedanken und er lege ihnen zu wenig Poetisches in den Mund; er antwortet, das sey nicht seine Schuld, er müsse bekennen, daß er während des Schreibens immer über seinen Schreibtisch weg im lebhaftesten Gespräch mit seinen Personen sey; daß er rufe: <title xml:id="title_e8f58ae8-7f54-4def-8174-8b4bcf1f3062">Figaro<name key="PSN0109734" style="hidden" type="author">Beaumarchais, Pierre Augustin Caron de (1732-1799)</name><name key="CRT0107981" style="hidden" type="science">Préface du Mariage de Figaro</name></title>, prends garde, le comte sait tout – Ah Comtesse, quelle imprudence! – Vite, sauve toi, petit page – und was sie ihm dann etwa antworteten das schreibe er hin, nichts Anderes. Mir kommt das sehr nett und wahr vor. – Aber ich spreche wie ein Buch von <persName xml:id="persName_11f25927-ee6d-4c49-86c7-421c27d543d6">Hotho<name key="PSN0112111" style="hidden">Hotho, Heinrich Gustav (1802-1873)</name></persName>, weg mit dem; Du mußt mir aber drauf antworten, damit wir uns wieder anknurren können, denn es ist eigentlich ganz ersprieslich, wenn man sich so auf einige Entfernung hin über manches verständigen kann; man hat dann später desto mehr Zeit zum Reisessen, obwohl ich eigentlich auch lieber meinen Brief hätte damit anfangen sollen; denn alle Abend, wo ich durchnäßt und vom Sturm verdrossen in ein reinliches, nett gezimmertes braunes Schweizerbauernhaus komme, (die Wände bestehn aus bunten Fenstern, die Möbel aus dicken Öfen und hohen Betten und Blumentöpfen) und sobald ich durch jedes Fenster gekuckt habe, um die Aussicht auf andre solche Häuser und auf die Berge dahinter zu genießen – da wird sogleich ein Schwyzerrys bestellt, und das ist dann meine große Erquickung; ich muß ihn aber leider ganz allein aufessen; (das „leider“ geht nicht aufs Essen sondern aufs „allein“.) Und hätte ich damit meinen Brief angefangen, so wäre ich von der Schweiz nicht wieder fortgekommen, denn es ist kein Land, wie dieses. Alle Träume und Bilder können Dir nicht eine Ahndung von dem geben, was dies für eine Schönheit ist. Es ist auch so verschieden von allen Ländern, alles so anders, von den Bergformen bis zu den Häusern, daß man es gesehn haben muß, um sichs zu denken. Wie jeder Berg seinen eignen Character hat und seine eigne Physiognomie, finster oder freundlich, alt oder jung, wie man der ganzen Natur gegenüber steht, und alle Jahreszeiten mit einem Blick sieht, aus dem sommerlichen Thal zu den nackten Felsen, und endlich zum Schnee und Eis mit allen Winternebeln und Stürmen, und dann wieder wenn man auf diesem Eise steht tief herunter ins grüne Thal mit allen Bäumen und Kräutern – ist denn nicht eine Möglichkeit, daß Ihr die Schweiz einmal sehen könnt? Denn es giebt einem eine andre Idee vom lieben Herr Gott und seiner Natur und ihrer unermeßlichen Schönheit; jeder Mensch, der es könnte, müßte einmal in seinem Leben die Schweiz gesehn haben. Wo will da das dürre Italien hin gegen diese Lebensfrische, und die Kerngesundheit? Was Grün heißt, und Wiesen und Wasser und Quellen und Felsen das weiß nur einer, der hier gewesen ist. Aber was soll ichs beschreiben? Mir ist nirgends so ganz frey, so ganz der Natur gegenüber zu Muthe gewesen, als in diesen unvergeßlichen Wochen, und ich habe mirs vorgenommen, wenn ich in meinem Leben einmal wieder einen Sommer herumschweifen kann, es nur hier in den Bergen zu thun. – Neues componirt hab ich aber seitdem nichts, <title xml:id="title_ffa7cce8-da02-4617-9b83-30e205bbbdcf">ein Paar Lieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_c6yj2qds-2wfp-9vwc-arkc-bgebfu7mkgt7"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100265" style="hidden">Reiselied (In die Ferne) »Bringet des treusten Herzens Grüße«, 16. Oktober 1830<idno type="MWV">K 65</idno><idno type="op">19a/6</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_04gd0zbl-ybmm-d0qd-hj8m-9ulbg2skbycs"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100266" style="hidden">Die Liebende schreibt »Ein Blick von deinen Augen«, 10. August 1831<idno type="MWV">K 66</idno><idno type="op">86/3</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_z51hcsfd-hhwl-vjmn-smpj-rklnrd2lpgfc"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100267" style="hidden">Reiselied »Ich reit ins finstre Land hinein«, Fragment, [11. August 1831]<idno type="MWV">K 67</idno><idno type="op"></idno></name></title> ausgenommen; ich wollte, ich könnte einmal einen Abend <hi rend="underline">wirklich</hi> bei Dir sein und Dir meine <title xml:id="title_a6159c7f-cdfa-44ef-859c-99c53fab3132">Walpurgisnacht<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_my3vvata-7avt-lnby-rwnf-up8updhrw3gt"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_secular_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100172" style="hidden">Die erste Walpurgisnacht, Ballade für Solostimmen, gemischten Chor und Orchester, [1830] bis 13. Februar 1832; Herbst 1840 bis Dezember 1842; 15. Juli 1843<idno type="MWV">D 3</idno><idno type="op">60</idno></name></title> vorspielen, oder vielmehr Du könntest, sie mir vorsingen; das Ding liegt gut für Dich, doch schreibe mir einmal, ob Du das hohe f nehmen kannst, nicht ausgehalten, sondern nur ein Viertel lang; es kommt am Ende drin vor. Deinen Opernplan mit dem Italiänischen Carnaval und dem Schweizer[acte] kannte ich schon, wußte aber nicht, daß er von Dir sey, Du wirst Dir wohl denken können, wer mir davon erzählte[; sei] aber so gut, und mache die Schweiz ganz gewaltig, und über die Maßen frisch; wenn Du an solche zarte Schweiz denkst, mit Jodeln und Sehnsucht, wie ich sie gestern hier auf dem Theater in der <title xml:id="title_c5631428-fd3a-4f55-b404-356eafb4f9c0">Schweizerfamilie<name key="PSN0115674" style="hidden" type="author">Weigl, Joseph (1766-1846)</name><name key="CRT0111272" style="hidden" type="music">Die Schweizerfamilie</name></title> mit ansehen mußte, und wenn die Berge und die Alphörner sentimental werden, so bringe ichs übers Herz und rezensire Dich sehr schlecht in der Spenerschen. Aber nein! Ich bitte Dich, mach sie lustig, und laß mich mehr davon hören. Vor allen Dingen schick mir auch die versprochne Musik von <persName xml:id="persName_d2428cb0-50a2-4918-86ba-8c15b97fd6da">Taubert<name key="PSN0115254" style="hidden">Taubert, Carl Gottfried Wilhelm (1811-1891)</name></persName>, wo möglich etwas aus Deiner Oper. Ich schreibe noch heut an ihn und danke für seine Zeilen; haltet aber Euer Wort mit dem Münchener Brief, Ihr lieben, und erquickt mich wieder sehr dadurch. Jetzt aber muß ich fort, denn heut ist ein schöner Tag und morgen geht es wahrscheinlich auf den Rigi; so lebt mir denn alle wohl, und bleibt so. <persName xml:id="persName_4c795105-427e-45cc-a98e-e139eb550d04">Deiner Schwägerinn<name key="PSN0114707" style="hidden">Schröder-Devrient, Wilhelmine (1804-1860)</name></persName> bitte ich meinen herzlichen Gruß zu sagen, und ihr zu ihrer Besserung Glück und die beste Fortdauer zu wünschen. <seg type="closer" xml:id="seg_9b8b3726-343a-465e-913b-1e8f144fbebe">Die Bauern sagen hier: Grüß nu Gott, und so sey es und lebt wohl und bleibt mir gut</seg></p><signed rend="right">Felix MB.</signed></div></body> </text></TEI>