fmb-1831-08-11-01
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Charney, 6. bis Unterseen, 11. August 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
14 beschr. S.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Ihr habt zwar
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Nach dem Frühstück.Gott, denkt Euch das malheur! Eben sagt mir die Wirthinn mit dem betrübtesten Gesicht, es sey kein andrer Mensch im Dorf um mir den Weg über die dent zu zeigen und mein Bündel zu tragen, als ein
Ich zeichnete es dort gleich mit der Feder für Euch hin, also spottet nicht über das geniale Wasser. In Boltigen war ich die Nacht sehr schlecht, im Wirthshaus war kein Platz, wegen Kirmes, ich mußte also in ein Nachbarhaus, da gab’s Flöhe, wie in Italien, man konnte sie mit dem Spaten todtmachen, eine knarrige Wanduhr, die alle Stunden mit großem Lärm schlug, und ein kleines Kind das die ganze Nacht durch schrie – ihr werdet Euch leicht denken, daß ich bei solchem Lärm vortrefflich geschlafen habe. Aber das Kind mußte ich wirklich ein Weilchen beobachten; es schrie alle Töne durch, alle Affecte kamen drin vor, es war grimmig, dann wüthend, dann weinerlich, und wenn es nicht mehr schreien konnte, grunzte es ganz tief. Jetzt sage mir einer, man
Die Suppe kommt.
solle die Kinderjahre zurückwünschen, weil die Kinder glücklich seien, ich bin überzeugt solch ein kleiner Balg ärgert sich ganz eben so gut, wie unser eins, hat auch seine schlaflosen Nächte, seine Leidenschaften und so fort. Diese philosophische Betrachtung fiel mir heut morgen ein, während ich Weißenbach zeichnete, und ich wollte sie Euch brühwarm mittheilen, aber da lag ein Constitutionnel, und da mußte ich gleich drüber herfallen, las, daß
Das habe ich heut den ganzen Tag gesungen auf der Straße; das Siebethal hat sich aber für das Compliment nicht bedankt, sondern hat fortgeregnet. Nach Thun gehe ich nicht, denn was sollte ich in Thun thun? Thun thun wir also diesmal bei Seite. Pfui, schlechte Witze; Ihr kennt ja die Art Lustigkeit, wenn man naß geworden ist; wie kann man vernünftig schreiben, wenn man ein Paar Bauernschuhe anhat, während meine am Feuer trocknen? Welch ein Stil, sagt Wyler Abends. In Spiez wurden wir nicht angenommen, es ist da gar kein Wirthshaus zum Übernachte, obwohl ein breites Weinglas auf der Carte steht; ich mußte also hieher zurück, wo ein Wirthshaus ist, obwohl weder Glas noch Namen auf der Carte steht. An der Lage von Spiez hatte ich meine Freude, ganz in den See hineingebaut auf einem Felsen, mit vielen Thürmchen, Giebelchen und Spitzchen, ein Schloßhof mit Orangerie, ein mürrischer Edelmann mit zwei Jagdhunden hinter sich, ein kleines Kirchlein, Terrassen mit Beeten und Blumen, es macht sich allerliebst. Morgen sehe ich es noch von der andern Seite, wenn das Wetter das Sehen gar erlaubt. Es hat heut 8 Stunden nach einander gegossen; ich bin noch tüchtig naß geworden auf dem Weg hieher. Prächtig sind die Waldströme bei solchem Wetter; sie rasen und wüthen. Ich kam über solch einen Teufel, die Kander, die war ganz außer sich, sprang, und tobte und schäumte, dazu sahe sie ganz braun aus und der Schaum gelblich und sprützte weit umher. Von den Bergen kam nur hie und da ein schwarzer Zacken aus den hellen Regenwolken, sie hingen heut so tief in den Thälern, wie ich es nie gesehen hatte. Der Tag war doch schön. Wenn morgen also so Gott will nach Interlaken.
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Abends in Unterseen. Aus dem Spas ist bittrer Ernst geworden, wie denn das in heutiger Zeit leicht kommen mag, das Wetter hat furchtbar geras’t, großen Schaden gethan, Verwüstungen angerichtet, die Leute wissen sich keines ärgern Sturms und Regens seit vielen Jahren zu entsinnen. Und das Alles geht mit so unbegreiflicher Schnelligkeit: heut früh war noch blos unangenehm schlechtes Wetter, und heut Nachmittag sind alle Brücken fort, die Passagen augenblicklich gehemmt, am Brienzer See giebt es Erdfälle, alles ist in Aufruhr. Eben erfahre ich auch noch unten, daß der Krieg in Europa erklärt ist: so sieht es freilich wild und wüst in der Welt aus, und man muß sich freuen, wenn man nur für den nächsten Moment eine warme Stube und ein behagliches Obdach hat, wie ich hier. Es hielt heut früh einen Augenblick mit Regen inne, und ich dachte die Wolken hätten sich erschöpft. So ging ich von Wyler weg und fand schon die Wege sehr verdorben, aber es sollte anders kommen. Der Regen fing leise wieder an, und platzte auf einmal gegen 9 mit solcher Heftigkeit los und so im Moment, daß man gleich merkte es müsse was besonders im Werke sein. Ich kroch unter in eine angefangne Hütte, in der ein großer Heuhaufen lag, und bettete mich ganz bequem im wohlriechenden Heu, ein Soldat vom Canton, der nach Thun wollte, kroch auch von der andern Seite hinein, und nach einer Stunde, da es nicht besser wurde gingen wir nach beiden Seiten weiter; ich mußte in Leusingen noch einmal unter Dach treten, wartete lange, aber da meine Sachen in Interlaken waren, wohin nur noch zwei Stunden sind, so dachte ich es zu zwingen und ging gegen 1 fort auf Interlaken zu. Es war durchaus nichts zu sehen, als der graue Seespiegel, kein Berg, selten die Linie des gegenüberstehenden Ufers, die Quellen, die wie Ihr Euch erinnert oft in den Fußwegen laufen, waren zu Strömen geworden, in denen man fortwaten mußte, plötzlich, wenn der Weg sich hinauf schwang, stand das Wasser still und bildete einen See, dann mußte ich über die nassen Hecken springen in die sumpfigen Wiesen hinein, die kleinen Baumstämme, auf denen man über die Bäche geht, lagen unter dem Wasser, einmal kam ich zwischen zwei solche Bäche, die sich in einander ergossen und mußte nun eine ganze Weile bis ans Schienbein gegen den Strom angehen, dazu ist alles Wasser schwarz oder chokoladenbraun, es sieht aus als fließe lauter Erde da, und springe über einander, von oben regnete es in Strömen, der Wind schüttelte zuweilen von den nassen Nußbäumen das Wasser herab, die Wasserfälle die in den See gingen donnerten ganz entsetzlich von beiden Ufern her, man konnte weithin die braunen Streife verfolgen, die sich weithinein in das helle Seewasser zogen, und zu alle dem war der See ganz still und kaum bewegt und empfing ruhig all das tolle Brausen, das auf ihn hinein fuhr. Nun kam mir ein Mann entgegen, der hatte Schuh und Strümpfe ausgezogen und die Hosen hinaufgestreift, da wurde mir etwas bange; drauf begegneten mir ein Paar Weiber und sagten, ich könne nicht durchs Dorf, die Brücken seien alle fort; ich frug, wie weit ich noch nach Interlaken hätte? Eine Stunde spitz, antworteten sie. Umkehren ging gar nicht, ich ging also vorwärts ins Dorf, da schrieen mich gleich aus allen Fenstern die Leute an: ich könne nicht weiter, das Wasser komme zu stark von den Bergen herunter, und wirklich war in der Mitte des Dorfs schon eine wilde Wirthschaft; der schmutzige Strom hatte alles mit fortgenommen, lief um die Häuser herum, in die Wiesen hinein, die Fußsteige hinauf und donnerte unten in den See. Zum Glück war ein Kähnchen da, in dem ließ ich mich nach Neuhaus übersetzen, obwohl die Fahrt auf dem offnen Kahn im schärfsten Regen auch nicht süß war. Mein Zustand in Neuhaus war ziemlich elend; ich sah aus, als trüge ich Stulpstiefeln auf meinen hellen Beinkleidern: Schuh, Strümpfe und Alles bis an die Knie war dunkelbraun, dann kam die wirkliche weiße Farbe, dann ein weicher blauer Überrock, sogar das
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Hu, die Berge sind total misrathen, aber ich mußte sie halb errathen, weil sie fast ganz mit Wolken bedeckt sind; Ihr müßt Euch erinnern, daß a der große Eiger ist, b der kleine Abendberg, c die Jungfrau d die Silberhörner e der große Abendberg und f. der Anfang des Schwalmern; an der Ecke f steht das kleine Clavier und wenn ich links umgucke, so habe ich die ganze Herrlichkeit. Eine Stunde später Der Plan ist geändert, und ich bleibe noch bis übermorgen, die Leute meinen die Wege würden dann merklich besser sein und zu sehen und zu zeichnen giebt es hier noch genug. Seit 70 Jahren hat die Aar nicht so hoch gestanden; heut warteten sie mit Stangen auf der Brücke und mit Haken um die einzelnen Stücke der abgerißnen Brücke aufzufangen. Das sah nun ganz sonderbar aus, wenn so von fern aus den Bergen ein schwarzes Ding geschwommen kam, das man endlich für ein Stück Geländer, oder einen Querbalken oder dgl. erkannte; wie sie dann alle zusammenliefen, und darauf los hakten und endlich das Ungethüm aus dem Wasser holten. Aber genug Wasser d. h. genug Tagebuch. Die Post geht morgen also muß ich doch heut schließen; das Nächstemal will ich sehen einen größern Bogen ins Zeichenbuch zu practiciren. Von München aus wandern
Charney d. 6 Aug 31. Ihr lieben Schwestern! Ihr habt zwar Ritters Afrika ganz gelesen, aber wo Charney liegt wißt Ihr doch nicht. Also holt einmal die alte Reisecarte von Keller heraus, die Ihr noch haben müßt, oder leiht sie Euch von Hrn. Heyse, denn Ihr müßt mich nun auf meiner Wanderung begleiten können. Geht mit dem Finger von Vevay nach Clarens, und dann gegen die dent de Jaman zu auf einem Strich. Der Strich bedeutet einen Fußweg, und wo Ihr mit dem Finger geht bin ich heut Morgen mit den Beinen gegangen, (denn es ist jetzt erst 1 2 8) und ich bin noch nüchtern. Hier will ich frühstücken und schreibe in einer netten hölzernen Stube bis die Milch warm ist. Draußen guckt der helle blaue See herein, ich fange hiemit mein Tagebuch an die Geren jetzt an und will es auf der Fußreise so gut es geht fortsetzen. Aber nun ist es aus, denn die Milch kommt. Nach dem Frühstück. Gott, denkt Euch das malheur! Eben sagt mir die Wirthinn mit dem betrübtesten Gesicht, es sey kein andrer Mensch im Dorf um mir den Weg über die dent zu zeigen und mein Bündel zu tragen, als ein junges Mädchen! Die Männer hätten alle zu thun. Ich gehe nämlich morgens früh immer allein aus, mit Sack und Mantel auf dem Rücken, weil mir die Führer aus den Wirthshäusern zu theuer und zu langweilig sind. Der erste Junge, der ehrlich aussieht, wird nach ein Paar Stunden gemiethet, und dabey fahre ich viel besser zu Fuß. Wie reizend der See und der Weg hieher war sage ich nicht; denkt Euch alle Schönheit, die Ihr damals genoßt. Der Fußweg ist immer schattig, unter Nußbäumen, die Hügel herauf, bei Landhäusern und Schlössern vorbei, am See hin, der durchs Laub glänzt, überall Dörfer, in den Dörfern rauscht es stark von Brunnen und Quellen an allen Ecken, dann die zierlichen Häuser – es ist doch gar zu schön und es wird einem gar zu frey und wohl. Eben kommt das Mädchen mit ihrem Flaschenhut, sie ist noch dazu wunderhübsch, sieht geschworen aus, wie Constanze Medem, und heißt Pauline. Jetzt nimmt sie meine Sachen in ihre Weinkiepe und so wollen wir auf den Berg fort. Adies. Abends in Chateau d’Oex bei Licht. Ich habe die reizendste Reise gehabt. Könnt ich Euch solch einen Tag verschaffen, was wollte ich nicht darum geben! Aber Ihr müßtet dazu erst zwei Jungen werden, statt Geren, tüchtig klettern können, Milch trinken nach der Gelegenheit, Euch aus vieler Hitze, vielen Steinen, vielen Löchern im Wege, noch mehr Löchern im Stiefel, gar nichts machen, dazu seid Ihr viel zu zierlich, glaub’ ich. Aber schön war es. Meine Reise mit Pauline soll niemals vergessen werden; die war eins der nettesten Mädchen, die ich in meinem Leben getroffen habe, so hübsch und gesund und natürlich klug. Sie erzählte mir Geschichten aus ihrem Dorfe, und ich ihr welche aus Italien, aber ich weiß, wer den andern mehr amüsirt hat. Vorigen Sonntag waren alle jungen Leute von Distinction aus ihrem Dorfe nach einem Ort weit über die Berge gezogen, um da Nachmittags zu tanzen; sie gingen kurz nach Mitternacht fort, kamen auf die Berge, als es noch finster war, machten sich ein großes Feuer und kochten Caffee, gegen Morgen sprangen die Männer um die Wette vor den Damen (wir kamen beim zerbrochnen Zaun vorbey, der es bezeugte) dann tanzten sie, und waren Sonntag Abend wieder alle zu Hause. Montag früh ging die Arbeit in den Weinbergen wieder an. Bei Gott, ich bekam viel Lust ein Waadter Bauer zu werden, als ich ihr so zuhörte und als sie mir von oben die Dörfer zeigte, wo man tanzt wenn die Kirschen reif sind; andre, wo man tanzt wenn die Kühe auf die Berge gehen und es Milch giebt; morgen tanzt man gar in St. Gingoulph und sie fahren zu Wasser über den See und wer Musik kann, nimmt sein Instrument mit; aber sie fährt nicht mit hinüber, weil ihre Mutter es nicht erlaubt aus Furcht vor dem breiten See, und darum gehen auch viel andre Mädchen nicht hin, weil sie zusammenhalten. Dann bat sie mich um Erlaubniß ihrer Cousine guten Tag zu sagen, und stieg hinunter ins zierliche Haus auf der Wiese, bald kamen die beiden Mädchen heraus setzten sich auf die Bank und plauderten. Oben auf dem col de Jaman sah sie gar in der Entfernung ihre Verwandten, die mähten und Kühe weideten, das war ein Zurufen, und Schreien, darauf dudelten die drüben, dann lachten sie alle, ich verstand kein Wort vom patois außer den Anfang, der hieß: Adieu Pierrot! Zu alle dem gab es das lustiges, tolles Echo, das schrie und lachte und dudelte mit, und so kamen wir gegen Mittag in Allière an. Als ich mich ausgeruht hatte, nahm ich mein Bündel wieder selbst auf den Rücken, denn mich ärgerte ein dicker alter Knecht, der es mir tragen wollte, wir gaben uns die Hand, und nahmen Abschied, ich stieg die Wiesen hinunter, und wenn Euch Pauline nicht gefällt oder gar gelangweilt hat, so kann ich nicht dafür, sondern die Beschreibung; in der Wirklichkeit war es nett. Und so auch die weitre Reise. Ich kam an einen Kirschbaum, wo die Leute Obst lasen, legte mich zu ihnen ins Gras und aß ein Weilchen mit; dann hielt ich Mittagsruhe in Latine in einem hölzernen, reinlichen Haus, der Tischler, der es gemacht hatte leistete mir Gesellschaft bei meinem Lammbraten, und zeigte mit Stolz auf jeden Tisch, den Schrank, und die Stühle. Endlich heut Abend bin ich hier angekommen, durch die blendend grünen Wiesen, auf denen die Häuser herum stehen, zwischen Tannen und Quellen; die Kirche hier liegt auf einem kleinen samtgrünen Hügel, ganz weit hin noch Häuser, und weiter Hütten, und Felsen und in einer Schlucht noch ein wenig Schnee über den Wiesen: es ist einer der idyllischen Orte, wie wir zusammen etwa in Watteryl einen gesehn haben, aber das Dorf kleiner und die Berge breiter und grüner. Den heutigen Tag aber muß ich mit einer Lobrede auf den Canton Waadt schließen. Von allen Ländern die ich kenne, ist dies das schönste und das, wo ich am liebsten leben möchte, wenn ich recht alt würde. Die Leute sind so zufrieden und sehn so wohl aus, das Land ebenso, kommt man aus Italien so wird einem hier oft ganz weinerlich zu Muthe über die Ehrlichkeit, die doch noch in der Welt ist, über frohe Gesichter, über den Mangel an Bettlern, an mürrischen Beamten, über dies völlige Gegentheil unter den Menschen. Ich möchte Gott danken, daß er manches gar so schön gemacht hat, und wolle er uns Allen, in Berlin, England und Chateau d’Oex einen frohen Abend schenken, und gute Nacht. Boltigen d. 7 Aug. Abends. Draußen donnert und blitzt es ganz entsetzlich, und regnet dazu mit Macht, in den Bergen lernt man erst vor dem Wetter Respect haben; und ich bin nicht weiter gekommen, weil es zu Schade gewesen wäre das schöne Simmenthal unter dem Regenschirm zu durchwandern. Es war ein grauer Tag, aber der Vormittag zum Gehen sehr schön kühl; das Thal bei Saanen und der ganze Weg ist unbeschreiblich frisch und erfreulich, am Grün kann ich mich gar nicht satt sehen, ich glaube wenn ich mein Lebelang so eine hügelige Wiese mit ein Paar rothbraunen Häusern darauf anguckte würde ich immer noch dieselbe Freude daran haben. Und zwischen solchen Wiesen windet sich der ganze Weg hin, an den Bächen hinauf und herunter; zu Mittag in Zweisimmen war ich in einem von den ungeheuern Berner Häusern, wo alles glänzt, voll Nettigkeit, Reinlichkeit und bis ins Kleinste genau und zierlich. Dort gab ich mein Bündel auf die Post nach Interlaken, gehe nun förmlich spazieren durchs Land, mein Nachthemde in der Tasche samt Bürste, Kamm und Zeichenbuch . Mehr brauche ich nicht. Aber ich bin sehr müde; wenn nur morgen hübsch Wetter wird! Wimmis d. 8. Prost Mahlzeit! Es ist dreimal so toll. Meinen Plan heut nach Interlaken zu kommen, muß ich aufgeben, denn es ist nicht durchzukommen. Seit 4 Stunden fällt das Wasser so gerade herunter, als würden die Wolken oben ausgequetscht, die Wege sind so weich wie Federbetten, lauter Wasser und reine Erde, wie jene schöne Verlobte sagt, von den Bergen sieht man nur einzelne Fetzen und auch die selten, es kam mir zuweilen vor, als sey ich in der Mark Brandenburg, das Simmenthal sahe ganz flach aus. Mein Zeichenbuch mußte ich unter die Weste knöpfen, denn der Regenschirm half bald nichts mehr, und so bin ich gegen 1 zum Mittagbrod hier angelangt. Mein Frühstück nahm ich in folgendem Ort: Weissenburg 8 Aug. beim Frühstück. Ich zeichnete es dort gleich mit der Feder für Euch hin, also spottet nicht über das geniale Wasser. In Boltigen war ich die Nacht sehr schlecht, im Wirthshaus war kein Platz, wegen Kirmes, ich mußte also in ein Nachbarhaus, da gab’s Flöhe, wie in Italien, man konnte sie mit dem Spaten todtmachen, eine knarrige Wanduhr, die alle Stunden mit großem Lärm schlug, und ein kleines Kind das die ganze Nacht durch schrie – ihr werdet Euch leicht denken, daß ich bei solchem Lärm vortrefflich geschlafen habe. Aber das Kind mußte ich wirklich ein Weilchen beobachten; es schrie alle Töne durch, alle Affecte kamen drin vor, es war grimmig, dann wüthend, dann weinerlich, und wenn es nicht mehr schreien konnte, grunzte es ganz tief. Jetzt sage mir einer, man Die Suppe kommt. solle die Kinderjahre zurückwünschen, weil die Kinder glücklich seien, ich bin überzeugt solch ein kleiner Balg ärgert sich ganz eben so gut, wie unser eins, hat auch seine schlaflosen Nächte, seine Leidenschaften und so fort. Diese philosophische Betrachtung fiel mir heut morgen ein, während ich Weißenbach zeichnete, und ich wollte sie Euch brühwarm mittheilen, aber da lag ein Constitutionnel, und da mußte ich gleich drüber herfallen, las, daß Casimir Perier seine Entlassung haben will, und manches andre, was zu denken giebt. Unter andern einen merkwürdigen Artikel über die Cholera, den man sich abschreiben sollte, so toll ist er. Sie wird darin ganz und gar geläugnet, in Danzig habe sie nur ein Jude gehabt, der sey aber auch genesen. Gleich darauf eine Menge Hegeleien auf Französisch, dann die Wahlen der Deputirten – o Welt. Sobald ich ausgelesen hatte mußte ich wieder in den Regen, und durch die Wiesen fort. Es ist wirklich in keinem Traum solch reizendes Land zu sehen, wie dies; selbst im tollsten Wetter machen sich die Kirchlein, die Menge Häuser und Büsche und Quellen gar zu schön. Und nun gar das Grün; das war heut recht in seinem Element. Es ist aber kein Wunder, daß es so schön ist; wenn ich mich ein Paar Tage lang beregnen ließe, würde ich auch bald grün aussehen. Jetzt gießt es draußen und ist doch schon lange nach Tisch. Heut Abend komme ich nicht weiter, als Spiez; es thut mir leid darum, daß ich weder dies hier, was wunderschön zu liegen scheint, noch Spiez, das ich aus Röselschen Zeichnungen kenne, werde sehen können, hier ist eigentlich die pointe vom ganzen Simmenthal, und daher heißt es auch in dem alten Liede: Das habe ich heut den ganzen Tag gesungen auf der Straße; das Siebethal hat sich aber für das Compliment nicht bedankt, sondern hat fortgeregnet. Nach Thun gehe ich nicht, denn was sollte ich in Thun thun? Thun thun wir also diesmal bei Seite. Pfui, schlechte Witze; Ihr kennt ja die Art Lustigkeit, wenn man naß geworden ist; wie kann man vernünftig schreiben, wenn man ein Paar Bauernschuhe anhat, während meine am Feuer trocknen? Welch ein Stil, sagt Fanny hier. Wyler Abends. In Spiez wurden wir nicht angenommen, es ist da gar kein Wirthshaus zum Übernachte, obwohl ein breites Weinglas auf der Carte steht; ich mußte also hieher zurück, wo ein Wirthshaus ist, obwohl weder Glas noch Namen auf der Carte steht. An der Lage von Spiez hatte ich meine Freude, ganz in den See hineingebaut auf einem Felsen, mit vielen Thürmchen, Giebelchen und Spitzchen, ein Schloßhof mit Orangerie, ein mürrischer Edelmann mit zwei Jagdhunden hinter sich, ein kleines Kirchlein, Terrassen mit Beeten und Blumen, es macht sich allerliebst. Morgen sehe ich es noch von der andern Seite, wenn das Wetter das Sehen gar erlaubt. Es hat heut 8 Stunden nach einander gegossen; ich bin noch tüchtig naß geworden auf dem Weg hieher. Prächtig sind die Waldströme bei solchem Wetter; sie rasen und wüthen. Ich kam über solch einen Teufel, die Kander, die war ganz außer sich, sprang, und tobte und schäumte, dazu sahe sie ganz braun aus und der Schaum gelblich und sprützte weit umher. Von den Bergen kam nur hie und da ein schwarzer Zacken aus den hellen Regenwolken, sie hingen heut so tief in den Thälern, wie ich es nie gesehen hatte. Der Tag war doch schön. Wenn morgen also so Gott will nach Interlaken. Vom alten Attwood habe ich in Genf einen sehr freundlichen Brief erhalten mit Nachschrift von Klingem. ; Cramers lassen mir Vorwürfe machen, daß ich die Deutschen Lieder nicht auch bei ihnen verlegt hätte. Hätt’ ich das gewußt! Und Attw. fordert mich zu noch mehreren Shaksp. Ouvertüren noch einmal auf. Am Ende begeh ich eine Thorheit, und nehm den Sturm. Aber das ist sehr im weiten Felde. Wyler d. 9ten Morgens. Papapapapai! Elelelelelend! Heut ists noch toller. Hat die ganze Nacht durch gegossen, und gießt schon den ganzen Morgen. Ich habe aber hinsagen lassen in solchem Wetter ginge ich gar nicht fort, und wenn sie nicht aufhörten, schriebe ich heut Abend noch aus Wyler. Einstweilen habe ich Gelegenheit mit meinen Schweizer Wirthen Bekanntschaft zu machen. Naiv sind sie; ich konnte meine Schuh nicht anziehen, weil sie vom Regen eingelaufen waren, die Wirthinn fragte, ob ich einen Schuhanzieher haben wollte, und da ich ja sagte, brachte sie mir einen Eßlöffel. Es geht aber auch damit; und dann sind sie starke Politiker, über meinem Bette hängt eine scheusliche Fratze, unter der steht: Brinz Baniadofsgi, wenn er nicht eine Art polnisches Costüm hätte, wärs schwer rauszukriegen, ob es ein Mann oder eine Frau sein soll, weder aus dem Bilde, noch aus der Unterschrift wird es ganz klar. Abends in Unterseen. Aus dem Spas ist bittrer Ernst geworden, wie denn das in heutiger Zeit leicht kommen mag, das Wetter hat furchtbar geras’t, großen Schaden gethan, Verwüstungen angerichtet, die Leute wissen sich keines ärgern Sturms und Regens seit vielen Jahren zu entsinnen. Und das Alles geht mit so unbegreiflicher Schnelligkeit: heut früh war noch blos unangenehm schlechtes Wetter, und heut Nachmittag sind alle Brücken fort, die Passagen augenblicklich gehemmt, am Brienzer See giebt es Erdfälle, alles ist in Aufruhr. Eben erfahre ich auch noch unten, daß der Krieg in Europa erklärt ist: so sieht es freilich wild und wüst in der Welt aus, und man muß sich freuen, wenn man nur für den nächsten Moment eine warme Stube und ein behagliches Obdach hat, wie ich hier. Es hielt heut früh einen Augenblick mit Regen inne, und ich dachte die Wolken hätten sich erschöpft. So ging ich von Wyler weg und fand schon die Wege sehr verdorben, aber es sollte anders kommen. Der Regen fing leise wieder an, und platzte auf einmal gegen 9 mit solcher Heftigkeit los und so im Moment, daß man gleich merkte es müsse was besonders im Werke sein. Ich kroch unter in eine angefangne Hütte, in der ein großer Heuhaufen lag, und bettete mich ganz bequem im wohlriechenden Heu, ein Soldat vom Canton, der nach Thun wollte, kroch auch von der andern Seite hinein, und nach einer Stunde, da es nicht besser wurde gingen wir nach beiden Seiten weiter; ich mußte in Leusingen noch einmal unter Dach treten, wartete lange, aber da meine Sachen in Interlaken waren, wohin nur noch zwei Stunden sind, so dachte ich es zu zwingen und ging gegen 1 fort auf Interlaken zu. Es war durchaus nichts zu sehen, als der graue Seespiegel, kein Berg, selten die Linie des gegenüberstehenden Ufers, die Quellen, die wie Ihr Euch erinnert oft in den Fußwegen laufen, waren zu Strömen geworden, in denen man fortwaten mußte, plötzlich, wenn der Weg sich hinauf schwang, stand das Wasser still und bildete einen See, dann mußte ich über die nassen Hecken springen in die sumpfigen Wiesen hinein, die kleinen Baumstämme, auf denen man über die Bäche geht, lagen unter dem Wasser, einmal kam ich zwischen zwei solche Bäche, die sich in einander ergossen und mußte nun eine ganze Weile bis ans Schienbein gegen den Strom angehen, dazu ist alles Wasser schwarz oder chokoladenbraun, es sieht aus als fließe lauter Erde da, und springe über einander, von oben regnete es in Strömen, der Wind schüttelte zuweilen von den nassen Nußbäumen das Wasser herab, die Wasserfälle die in den See gingen donnerten ganz entsetzlich von beiden Ufern her, man konnte weithin die braunen Streife verfolgen, die sich weithinein in das helle Seewasser zogen, und zu alle dem war der See ganz still und kaum bewegt und empfing ruhig all das tolle Brausen, das auf ihn hinein fuhr. Nun kam mir ein Mann entgegen, der hatte Schuh und Strümpfe ausgezogen und die Hosen hinaufgestreift, da wurde mir etwas bange; drauf begegneten mir ein Paar Weiber und sagten, ich könne nicht durchs Dorf, die Brücken seien alle fort; ich frug, wie weit ich noch nach Interlaken hätte? Eine Stunde spitz, antworteten sie. Umkehren ging gar nicht, ich ging also vorwärts ins Dorf, da schrieen mich gleich aus allen Fenstern die Leute an: ich könne nicht weiter, das Wasser komme zu stark von den Bergen herunter, und wirklich war in der Mitte des Dorfs schon eine wilde Wirthschaft; der schmutzige Strom hatte alles mit fortgenommen, lief um die Häuser herum, in die Wiesen hinein, die Fußsteige hinauf und donnerte unten in den See. Zum Glück war ein Kähnchen da, in dem ließ ich mich nach Neuhaus übersetzen, obwohl die Fahrt auf dem offnen Kahn im schärfsten Regen auch nicht süß war. Mein Zustand in Neuhaus war ziemlich elend; ich sah aus, als trüge ich Stulpstiefeln auf meinen hellen Beinkleidern: Schuh, Strümpfe und Alles bis an die Knie war dunkelbraun, dann kam die wirkliche weiße Farbe, dann ein weicher blauer Überrock, sogar das Zeichenbuch, das ich unter die Weste geknöpft hatte, war naß. Solchergestalt kam ich nach Interlaken, wurde unfreundlich empfangen, die Leute konnten oder wollten mir keinen Platz geben und so mußte ich zurück nach Unterseen, wo ich ganz vortrefflich wohne und mich befinde. Es ist aber sonderbar: ich hatte mich die ganze Zeit darauf gefreut, wieder ins Wirthshaus zu Interlaken zu kommen, wo ich viel Erinnerungen haben konnte, und wirklich fuhr ich auch mit meinem Neuhauser Wägelchen auf dem Nußbaumplatz vor, sah die wohlbekannte Glasgallerie, die schöne Wirthinn, freilich verändert und gealtert, trat in die Thüre – da hat mich das ganze Unwetter und alle Unbequemlichkeit nicht so verdrossen, wie daß ich dort nicht bleiben konnte, seit Vevay war ich dadurch zum erstenmal auf eine halbe Stunde verstimmt, und mußte Beethovens as dur Adagio ein Stücke drei oder viermal singen, ehe ich wieder zurecht kam. Hier erfuhr ich nun erst, welchen Schaden das Wetter gethan hat, und noch thun kann, denn es gießt fortwährend ( 1 2 10 Uhr Abends) die Brücke bei Zweilütschenen ist heruntergerissen, die Fuhrleute aus Brienz und Grindelwald wollen nicht zu Hause fahren aus Furcht ein Paar Felsen auf den Kopf zu bekommen, das Wasser hier steht anderthalb Fuß unter der Aarbrücke, wie traurig der Himmel aussieht, ist gar nicht zu beschreiben. Hier kann ich es nun abwarten, ich brauche ja ohnehin keine Umgebungen um Erinnerung hervorzurufen, wir stehen uns näher, als alles das. Sie haben mich hier sogar in ein Zimmer gewiesen, wo ein Clavier steht, und zwar ist es vom Jahre 1794, wie darauf steht, hat im Klange viel Ähnlichkeit mit dem alten kleinen Silbermann auf meiner Stube, und so habe ich es beim ersten Akkorde gleich liebgewonnen, und kann dabey auch wohl an Euch denken. Es hat manches erlebt, das Clavier, und sich es wohl nicht träumen lassen, daß ich noch einmal darauf componiren sollte, da ich erst 1809 geboren bin; es sind aber auch schon starke 22 Jahre her, indessen ist das Clavier schon 37 alt, und noch lange frisch. – Es sind wieder neue Lieder unterwegs, liebe Geren. Mein Hauptlied aus e dur „auf der Reise“ kennt ihr auch noch nicht, es ist sehr sentimental. Jetzt mache ich eins, das nicht gut wird, fürchte ich; aber für uns drei muß es schon angehen, denn es ist sehr gut gemeint, der Text ist von Goethe, aber ich sage nicht, was; es ist zu toll gerade das zu componiren, es paßt auch gar nicht zur Musik, aber ich fand es so himmlisch schön, daß ich es mir singen mußte. Das ist eigentlich gegen mein Prinzip, also bleibt es unter uns. Für heut ist’s aus; gute Nacht, ihr Lieben. d. 10ten Es war das klarste Wetter und aller Sturm ist vorüber; wollte daß es mit allen Stürmen so schnell endigte und sich aufklärte. Ich habe einen herrlichen Tag zugebracht, gezeichnet, componirt und Luft getrunken. Nachmittags war ich zu Pferd in Interlaken, zu Fuß kann jetzt kein Mensch dahin, der ganze Weg steht unter Wasser, und zwar unter reißendem, tobenden, strudelnden Wasser, so daß man selbst zu Pferd ganz naß wird. Auch hier im Ort sind die Straßen überschwemmt und gesperrt; in Interlaken ist es aber doch zu schön. Es wird einem gar so winzig zu Muth, wenn man sieht, wie herrlich der liebe Herrgott die Welt gemacht hat, und herrlicher kann man sie nicht sehen, als da. Mir wurde aber sonderbar, als ich an den großen Nußbaum kam, an den Grasfleck wo mein Zeichentisch stand als Vater mich tröstete, daß Papier nicht schmelzen könne; die Thür der Wiese war halb offen genau, wie damals, und nichts hatte sich verändert, außer daß ich heut allein war und damals mit Euch. Ich zeichnete für Vater einen der Nußbäume, die er so liebt, so wie ich auch ein ordentliches Berner Haus einmal treu nachzeichnen will für ihn; eine Menge Gesellschaften Herrn und Damen und Kinder zogen vorbey und guckten mich an, und ich dachte die hätten es jetzt so gut, wie ich einstmals und würde ihnen gern zugerufen haben, sie möchten es doch nicht vergessen. Abends glühten die Schneeberge heut in den klarsten Formen und in den schönsten Farben. Als ich zurückkam wollte ich Notenpapier haben, man wies mich an den Pfarrer, der an den Forstmeister, und von dessen Tochter habe ich dann zwei sehr feine zierliche Bogen bekommen. Das Lied von dem ich gestern schrieb, ist schon fertig; es drückt mir doch das Herz ab, es Euch zu sagen, was es ist, also verschweige ich Euch nicht, daß es ist – aber lacht mich nicht zu sehr aus – nichts anders als – aber haltet mich nicht für wasserscheu – „Die Liebende schreibt“ das Sonett. Ich fürchte übrigens, es ist nicht gut, und taugt nichts; es ist glaub ich mehr hineingefühlt, als herausgekommen, indessen ein Paar gute Stellen sind doch darin, und morgen mach’ ich noch ein kleines von Uhland. Auch ein Paar Claviersachen rücken wieder an. Ich habe leider durchaus kein Urtheil über meine neuen Sachen, weiß nicht, ob sie gut oder schlecht sind, und das kommt davon her, weil seit einem Jahre alle Leute, denen ich was von mir vorspiele, es glattweg wunderschön gefunden haben, und das thut es halt nimmer mehr. Ich wollte, daß mich einer mal wieder vernünftig runtermachen könnte, oder, was noch hübscher wäre, vernünftig loben, da würde ich selbst es nicht immer thun wollen und mistrauisch gegen mich sein. Indessen da hilft nun weiter kein Ergründen, sobald der Schnee schmilzt u. s. w. Einstweilen muß man doch immer fort schreiben. – Beim Förster habe ich erst erfahren, daß das ganze Land verwüstet ist, von allen Seiten kommen traurige Nachrichten. Die Brücken sind überall im Hasli Thal fort auch Häuser und Hütten, ein Mann von Lauterbrunnen ist heut hergekommen, der hat bis an die Brust im Wasser gehen müssen, die Fahrstraße ist ruinirt, und was mir ganz unheimlich war, es ist Nachricht da, daß die Kander eine Menge Hausgeräth und Möbel herbey getragen hat, man weiß noch nicht, woher. Zum Glück fällt das Wasser schon wieder, aber der Schaden wird nicht so schnell wieder hergestellt sein. Mein Reiseplan ist dadurch nun auch unsicher geworden; denn wenn irgend Gefahr ist, gehe ich nicht in die Berge. d. 11ten. Und somit schließe ich mein erstes Stück Tagebuch an Euch und schicke es ab. Morgen fange ich wieder ein neues an, denn morgen denke ich nach Lauterbrunnen zu gehen; für Fußgänger ist der Weg practikabel, von Gefahr keine Rede, es sind Reisende heut schon von dort gekommen; für Wagen aber wird die Straße in diesem ganzen Jahre nicht wieder zu passiren sein. Dann will ich über die kleine Scheideck nach Grindelwald, über die große nach Meiringen, über Furka und Grimsel nach Altorfe und so nach Lucern, wenn Sturm und Regen und alles andre, d. h. wenn Gott will. Heut früh war ich auf dem Harder und sah die Berge in der schönsten Pracht, so klar glühend wie gestern Abend und heut früh habe ich die Jungfrau noch nie gesehen. Dann ritt ich wieder nach Interlaken, wo ich meinen Nußbaum fertig zeichnete, dann habe ich ein wenig componirt; dann wurden der Tochter des Försters auf das übrige Notenpapier drei Walzer geschrieben und höflich überbracht, (sie ist leider durchaus unhübsch) und eben komme ich von einer Wasserexpedition her, die ich nach einem überschwemmten Lesecabinet gemacht, um zu sehen, wie es den Polen geht. Leider steht aber durchaus nichts davon in den Zeitungen. Nun will ich packen bis Abend, aber es wird mir ordentlich schwer, dies Zimmer hier zu verlassen, es ist so wohnlich und mein liebes Clavierchen werde ich gar zu sehr vermissen. Die Aussicht aus dem Fenster will ich Euch noch auf die Rückseite malen mit der Feder und mein zweites Lied aufschreiben, dann geht auch Unterseen zur Erinnerung. Ach wie schnell . Ich citire mich selbst, das ist nicht sehr bescheiden, aber es fällt einem nur gar zu oft ein, wenn die Tage abnehmen, wenn man die Reisecarte von einem Blatt aufs andre schlägt, wenn erst Weimar, dann München, dann Wien ein Jahr her ist, kurz wenn man das erste Reisetagebuch an seine sehr lieben Schwestern abschicken will. Es geht aber zu Euch, und Ihr wißt, wie mir zu Muthe ist, wenn irgend was zu Euch geht, das nicht Ich ist; etwas wehmüthig. Na, hier ist mein Fenster: Hu, die Berge sind total misrathen, aber ich mußte sie halb errathen, weil sie fast ganz mit Wolken bedeckt sind; Ihr müßt Euch erinnern, daß a der große Eiger ist, b der kleine Abendberg, c die Jungfrau d die Silberhörner e der große Abendberg und f. der Anfang des Schwalmern; an der Ecke f steht das kleine Clavier und wenn ich links umgucke, so habe ich die ganze Herrlichkeit. Eine Stunde später Der Plan ist geändert, und ich bleibe noch bis übermorgen, die Leute meinen die Wege würden dann merklich besser sein und zu sehen und zu zeichnen giebt es hier noch genug. Seit 70 Jahren hat die Aar nicht so hoch gestanden; heut warteten sie mit Stangen auf der Brücke und mit Haken um die einzelnen Stücke der abgerißnen Brücke aufzufangen. Das sah nun ganz sonderbar aus, wenn so von fern aus den Bergen ein schwarzes Ding geschwommen kam, das man endlich für ein Stück Geländer, oder einen Querbalken oder dgl. erkannte; wie sie dann alle zusammenliefen, und darauf los hakten und endlich das Ungethüm aus dem Wasser holten. Aber genug Wasser d. h. genug Tagebuch. Die Post geht morgen also muß ich doch heut schließen; das Nächstemal will ich sehen einen größern Bogen ins Zeichenbuch zu practiciren. Von München aus wandern wieder zwei vollgezeichnete zu Euch. So ist es nun Abend und dunkel geworden, ich schreibe bei Licht, und bei Euch werden jetzt die Lampen gebracht, oder Ihr les’t die Staatszeitung, oder weil ich gerade so sehr zu Euch denke, denkt Ihr wohl auch zu mir her; jetzt möchte ich eigentlich gerne an die Thür klopfen, um am runden Tisch mit Euch einigen Thee zu trinken. Es ist wieder die alte Geschichte: wo es am schönsten ist, am heitersten, und wo ich mich so recht wohl und behaglich fühle, da fehlt Ihr mir erst recht und da möchte ich am liebsten mit Euch zusammen sein. Noch dazu war ich es hier. Wer weiß denn aber, ob wir nicht ebenso noch einmal in Jahren hier zusammenkommen und dann an heut denken, wie jetzt an damals, und weil das eben niemand weiß, so will ich auch nicht weiter drüber nachdenken, sondern mein Lied aufschreiben, nach den Bergen noch ein wenig gucken, Euch Allen Alles Glück und frohe Leben wünschen und mein Tagebuch zumachen. Lebt wohl. F.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1831-08-11-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1831-08-11-01" xml:id="title_5efb7f2c-bb89-4a9c-a02a-1e0b5f8dad63">Felix Mendelssohn Bartholdy an Fanny Hensel und Rebecka Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb>Charney, 6. bis Unterseen, 11. August 1831</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_5b4f5154-0c2e-4dde-be14-95babf655742">Ihr habt zwar Ritters Afrika ganz gelesen, aber wo Charney liegt wißt Ihr doch nicht. 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Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. 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August 1831</title> <incipit>Ihr habt zwar Ritters Afrika ganz gelesen, aber wo Charney liegt wißt Ihr doch nicht. Also holt einmal die alte Reisecarte von Keller heraus, die Ihr noch haben müßt, oder leiht sie Euch von Hrn.</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>14 beschr. 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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-08-06" xml:id="date_56f16c72-199d-4cf7-8656-9becd99b9d6a">6.</date>, <date cert="high" when="1831-08-07" xml:id="date_ca2bca72-54d2-44f2-9f1c-40ed2df69a88">7.</date>, <date cert="high" when="1831-08-08" xml:id="date_0dc2f332-7fbb-4be6-bbc5-d5423953a90e">8.</date>, <date cert="high" when="1831-08-09" xml:id="date_70ff7a23-f07e-4951-b367-365820b52170">9.</date>, <date cert="high" when="1831-08-10" xml:id="date_04d4859e-13f1-430e-b816-7fb7da484ca4">10.</date> und <date cert="high" when="1831-08-11" xml:id="date_fd2c46e1-8548-4e62-9596-797fb37a100d">11. 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Also holt einmal <title xml:id="title_8c56f9e7-ea4e-4328-9c6d-8f3702e5d047">die alte Reisecarte von Keller<name key="PSN0112344" style="hidden" type="author">Keller, Heinrich (1778-1862)</name><name key="CRT0109481" style="hidden" type="literature">Carte routière de la Suisse</name></title> heraus, die Ihr noch haben müßt, oder leiht sie Euch von <persName xml:id="persName_9086c521-0c10-4aae-8141-ab45e252da18">Hrn. Heyse<name key="PSN0111970" style="hidden">Heyse, Carl Wilhelm Ludwig (1797-1855)</name></persName>, denn Ihr müßt mich nun auf meiner Wanderung begleiten können. Geht mit dem Finger von <placeName xml:id="placeName_b73786c7-34a7-41b2-9984-c8bebfe21d3a">Vevay<settlement key="STM0100660" style="hidden" type="locality">Vevey</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName> nach <placeName xml:id="placeName_cd1457a1-1eca-457d-8a0c-da6c359abb7a">Clarens<settlement key="STM0105458" style="hidden" type="locality">Clarens</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName>, und dann gegen die dent de Jaman zu auf einem Strich. Der Strich bedeutet einen Fußweg, und wo Ihr mit dem Finger geht bin ich heut Morgen mit den Beinen gegangen, (denn es ist jetzt erst <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi></formula> 8) und ich bin noch nüchtern. Hier will ich frühstücken und schreibe in einer netten hölzernen Stube bis die Milch warm ist. Draußen guckt der helle blaue See herein, ich fange hiemit mein Tagebuch an die <persName xml:id="persName_a5513d6b-e250-4286-9475-c38dc5797622">Geren<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> jetzt an und will es auf der Fußreise so gut es geht fortsetzen. Aber nun ist es aus, denn die Milch kommt. <hi rend="underline">Nach dem Frühstück.</hi> Gott, denkt Euch das malheur! Eben sagt mir die Wirthinn mit dem betrübtesten Gesicht, es sey kein andrer Mensch im Dorf um mir den Weg über die dent zu zeigen und mein Bündel zu tragen, als ein <persName xml:id="persName_fb8e1c5d-0118-4c68-916f-208e5f87a3a9">junges Mädchen<name key="PSN0113772" style="hidden">Pauline</name></persName>! Die Männer hätten alle zu thun. Ich gehe nämlich morgens früh immer allein aus, mit Sack und Mantel auf dem Rücken, weil mir die Führer aus den Wirthshäusern zu theuer und zu langweilig sind. Der erste Junge, der ehrlich aussieht, wird nach ein Paar Stunden gemiethet, und dabey fahre ich viel besser zu Fuß. Wie reizend der See und der Weg hieher war sage ich nicht; denkt Euch alle Schönheit, die Ihr damals genoßt. Der Fußweg ist immer schattig, unter Nußbäumen, die Hügel herauf, bei Landhäusern und Schlössern vorbei, am See hin, der durchs Laub glänzt, überall Dörfer, in den Dörfern rauscht es stark von Brunnen und Quellen an allen Ecken, dann die zierlichen Häuser – es ist doch gar zu schön und es wird einem gar zu frey und wohl. Eben kommt das Mädchen mit ihrem Flaschenhut, sie ist noch dazu wunderhübsch, sieht geschworen aus, wie <persName xml:id="persName_00fed303-7c32-402d-9372-0c480b3ee57c">Constanze Medem<name key="PSN0114260" style="hidden">Roeder, Constance Charlotte von (1808-1883)</name></persName>, und heißt <persName xml:id="persName_c4cb3175-b5f2-46d0-8678-0268c972300f">Pauline<name key="PSN0113772" style="hidden">Pauline</name></persName>. Jetzt nimmt sie meine Sachen in ihre Weinkiepe und so wollen wir auf den Berg fort. <seg type="closer" xml:id="seg_d031c948-6a62-423d-bcd4-58276057cec3">Adies.</seg> </p></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_d53fa2e6-759f-45b8-8c8d-f34830c65541"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline">Abends in Chateau d’Oex bei Licht.</seg> Ich habe die reizendste Reise gehabt. Könnt ich Euch solch einen Tag verschaffen, was wollte ich nicht darum geben! Aber Ihr müßtet dazu erst zwei Jungen werden, statt <persName xml:id="persName_68cdadac-4399-471a-bab3-319dffa75521">Geren<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName>, tüchtig klettern können, Milch trinken nach der Gelegenheit, Euch aus vieler Hitze, vielen Steinen, vielen Löchern im Wege, noch mehr Löchern im Stiefel, gar nichts machen, dazu seid Ihr viel zu zierlich, glaub’ ich. Aber schön war es. Meine Reise mit <persName xml:id="persName_0c337453-5fe0-41ff-ab57-f22da20e320a">Pauline<name key="PSN0113772" style="hidden">Pauline</name></persName> soll niemals vergessen werden; die war eins der nettesten Mädchen, die ich in meinem Leben getroffen habe, so hübsch und gesund und natürlich klug. Sie erzählte mir Geschichten aus ihrem Dorfe, und ich ihr welche aus Italien, aber ich weiß, wer den andern mehr amüsirt hat. Vorigen Sonntag waren alle jungen Leute von Distinction aus ihrem Dorfe nach einem Ort weit über die Berge gezogen, um da Nachmittags zu tanzen; sie gingen kurz nach Mitternacht fort, kamen auf die Berge, als es noch finster war, machten sich ein großes Feuer und kochten Caffee, gegen Morgen sprangen die Männer um die Wette vor den Damen (wir kamen beim zerbrochnen Zaun vorbey, der es bezeugte) dann tanzten sie, und waren Sonntag Abend wieder alle zu Hause. Montag früh ging die Arbeit in den Weinbergen wieder an. Bei Gott, ich bekam viel Lust ein Waadter Bauer zu werden, als ich ihr so zuhörte und als sie mir von oben die Dörfer zeigte, wo man tanzt wenn die Kirschen reif sind; andre, wo man tanzt wenn die Kühe auf die Berge gehen und es Milch giebt; morgen tanzt man gar in St. Gingoulph und sie fahren zu Wasser über den See und wer Musik kann, nimmt sein Instrument mit; aber sie fährt nicht mit hinüber, weil ihre Mutter es nicht erlaubt aus Furcht vor dem breiten See, und darum gehen auch viel andre Mädchen nicht hin, weil sie zusammenhalten. Dann bat sie mich um Erlaubniß ihrer Cousine guten Tag zu sagen, und stieg hinunter ins zierliche Haus auf der Wiese, bald kamen die beiden Mädchen heraus setzten sich auf die Bank und plauderten. Oben auf dem col de Jaman sah sie gar in der Entfernung ihre Verwandten, die mähten und Kühe weideten, das war ein Zurufen, und Schreien, darauf dudelten die drüben, dann lachten sie alle, ich verstand kein Wort vom patois außer den Anfang, der hieß: Adieu Pierrot! Zu alle dem gab es das lustiges, tolles Echo, das schrie und lachte und dudelte mit, und so kamen wir gegen Mittag in Allière an. Als ich mich ausgeruht hatte, nahm ich mein Bündel wieder selbst auf den Rücken, denn mich ärgerte ein dicker alter Knecht, der es mir tragen wollte, wir gaben uns die Hand, und nahmen Abschied, ich stieg die Wiesen hinunter, und wenn Euch <persName xml:id="persName_3b26a32e-5005-4e86-8eca-68e0af3d8563">Pauline<name key="PSN0113772" style="hidden">Pauline</name></persName> nicht gefällt oder gar gelangweilt hat, so kann ich nicht dafür, sondern die Beschreibung; in der Wirklichkeit war es nett. Und so auch die weitre Reise. Ich kam an einen Kirschbaum, wo die Leute Obst lasen, legte mich zu ihnen ins Gras und aß ein Weilchen mit; dann hielt ich Mittagsruhe in Latine in einem hölzernen, reinlichen Haus, der Tischler, der es gemacht hatte leistete mir Gesellschaft bei meinem Lammbraten, und zeigte mit Stolz auf jeden Tisch, den Schrank, und die Stühle. Endlich heut Abend bin ich hier angekommen, durch die blendend grünen Wiesen, auf denen die Häuser herum stehen, zwischen Tannen und Quellen; die Kirche hier liegt auf einem kleinen samtgrünen Hügel, ganz weit hin noch Häuser, und weiter Hütten, und Felsen und in einer Schlucht noch ein wenig Schnee über den Wiesen: es ist einer der idyllischen Orte, wie wir zusammen etwa in Watteryl einen gesehn haben, aber das Dorf kleiner und die Berge breiter und grüner. Den heutigen Tag aber muß ich mit einer Lobrede auf den Canton Waadt schließen. Von allen Ländern die ich kenne, ist dies das schönste und das, wo ich am liebsten leben möchte, wenn ich recht alt würde. Die Leute sind so zufrieden und sehn so wohl aus, das Land ebenso, kommt man aus Italien so wird einem hier oft ganz weinerlich zu Muthe über die Ehrlichkeit, die doch noch in der Welt ist, über frohe Gesichter, über den Mangel an Bettlern, an mürrischen Beamten, über dies völlige Gegentheil unter den Menschen. <seg type="closer" xml:id="seg_a2bb06b4-2eea-466c-ba33-b45a454d8f3a">Ich möchte Gott danken, daß er manches gar so schön gemacht hat, und wolle er uns Allen, in Berlin, England und Chateau d’Oex einen frohen Abend schenken, und gute Nacht.</seg></p></div><div n="3" type="act_of_writing" xml:id="div_f0c6a307-3654-463a-a598-94041f481a16"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><date cert="high" when="1831-08-07" xml:id="date_0c4fe528-d022-4b8b-8f8a-1205014e5e05"><seg type="inline">Boltigen d. 7 Aug. Abends.</seg> </date>Draußen donnert und blitzt es ganz entsetzlich, und regnet dazu mit Macht, in den Bergen lernt man erst vor dem Wetter Respect haben; und ich bin nicht weiter gekommen, weil es zu Schade gewesen wäre das schöne Simmenthal unter dem Regenschirm zu durchwandern. Es war ein grauer Tag, aber der Vormittag zum Gehen sehr schön kühl; das Thal bei Saanen und der ganze Weg ist unbeschreiblich frisch und erfreulich, am Grün kann ich mich gar nicht satt sehen, ich glaube wenn ich mein Lebelang so eine hügelige Wiese mit ein Paar rothbraunen Häusern darauf anguckte würde ich immer noch dieselbe Freude daran haben. Und zwischen solchen Wiesen windet sich der ganze Weg hin, an den Bächen hinauf und herunter; zu Mittag in Zweisimmen war ich in einem von den ungeheuern Berner Häusern, wo alles glänzt, voll Nettigkeit, Reinlichkeit und bis ins Kleinste genau und zierlich. Dort gab ich mein Bündel auf die Post nach Interlaken, gehe nun förmlich spazieren durchs Land, mein Nachthemde in der Tasche samt Bürste, Kamm und <title xml:id="title_391f6a3f-3a5d-459c-83ed-5a2ce8dc9c16">Zeichenbuch<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ig12siuo-l8dx-qrnu-2lmn-bbisek67feue"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100824" style="hidden">Zeichenalbum Deutschland, Schweiz 1830-1831, mit Nachtrag 1841: GB-Ob, M.D.M. d. 15<idno type="MWV">ZB 7</idno><idno type="op"></idno></name></title>. Mehr brauche ich nicht. Aber ich bin sehr müde; wenn nur morgen hübsch Wetter wird!</p></div><div n="4" type="act_of_writing" xml:id="div_a6f94e70-42d3-4332-853b-19793f0de664"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><date cert="high" when="1831-08-08" xml:id="date_eb2fe142-4bbf-4bcf-8c52-87f9e8a96590"><seg type="inline">Wimmis d. 8.</seg></date> Prost Mahlzeit! Es ist dreimal so toll. Meinen Plan heut nach Interlaken zu kommen, muß ich aufgeben, denn es ist nicht durchzukommen. Seit 4 Stunden fällt das Wasser so gerade herunter, als würden die Wolken oben ausgequetscht, die Wege sind so weich wie Federbetten, lauter Wasser und reine Erde, wie jene schöne Verlobte sagt, von den Bergen sieht man nur einzelne Fetzen und auch die selten, es kam mir zuweilen vor, als sey ich in der Mark Brandenburg, das Simmenthal sahe ganz flach aus. <title xml:id="title_7b5be347-142c-4819-a165-8675a05713cf">Mein Zeichenbuch<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_dtaydjsx-thi1-geyi-wkah-bh7oplxbfsfg"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100824" style="hidden">Zeichenalbum Deutschland, Schweiz 1830-1831, mit Nachtrag 1841: GB-Ob, M.D.M. d. 15<idno type="MWV">ZB 7</idno><idno type="op"></idno></name></title> mußte ich unter die Weste knöpfen, denn der Regenschirm half bald nichts mehr, und so bin ich gegen 1 zum Mittagbrod hier angelangt. Mein Frühstück nahm ich in folgendem Ort:</p><note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_5213fec1-79b9-4eff0-795c5-0f841014e4f6" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note></div><div n="5" type="act_of_writing" xml:id="div_71a5af7d-40ca-4593-9a7c-2aff4609a603"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="left">Weissenburg <date cert="high" when="1831-08-08" xml:id="date_297e9b3f-93c7-4d28-802f-ea9f6a2980d4">8 Aug.</date> beim Frühstück.</dateline><p style="paragraph_without_indent">Ich zeichnete es dort gleich mit der Feder für Euch hin, also spottet nicht über das geniale Wasser. In Boltigen war ich die Nacht sehr schlecht, im Wirthshaus war kein Platz, wegen Kirmes, ich mußte also in ein Nachbarhaus, da gab’s Flöhe, wie in Italien, man konnte sie mit dem Spaten todtmachen, eine knarrige Wanduhr, die alle Stunden mit großem Lärm schlug, und ein kleines Kind das die ganze Nacht durch schrie – ihr werdet Euch leicht denken, daß ich bei solchem Lärm vortrefflich geschlafen habe. Aber das Kind mußte ich wirklich ein Weilchen beobachten; es schrie alle Töne durch, alle Affecte kamen drin vor, es war grimmig, dann wüthend, dann weinerlich, und wenn es nicht mehr schreien konnte, grunzte es ganz tief. Jetzt sage mir einer, man</p><p>Die Suppe kommt.</p><p style="paragraph_without_indent">solle die Kinderjahre zurückwünschen, weil die Kinder glücklich seien, ich bin überzeugt solch ein kleiner Balg ärgert sich ganz eben so gut, wie unser eins, hat auch seine schlaflosen Nächte, seine Leidenschaften und so fort. Diese philosophische Betrachtung fiel mir heut morgen ein, während ich Weißenbach zeichnete, und ich wollte sie Euch brühwarm mittheilen, aber da lag ein Constitutionnel, und da mußte ich gleich drüber herfallen, las, daß <persName xml:id="persName_e0727967-4d31-432f-8a32-c7d30d6ff271">Casimir Perier<name key="PSN0113810" style="hidden">Périer, Casimir Pierre (1777-1832)</name></persName> seine Entlassung haben will, und manches andre, was zu denken giebt. Unter andern einen merkwürdigen Artikel über die Cholera, den man sich abschreiben sollte, so toll ist er. Sie wird darin ganz und gar geläugnet, in Danzig habe sie nur ein Jude gehabt, der sey aber auch genesen. Gleich darauf eine Menge <persName xml:id="persName_98389071-79de-421b-872f-1bf6b5c68f45">Hegeleien<name key="PSN0111804" style="hidden">Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831)</name></persName> auf Französisch, dann die Wahlen der Deputirten – o Welt. Sobald ich ausgelesen hatte mußte ich wieder in den Regen, und durch die Wiesen fort. Es ist wirklich in keinem Traum solch reizendes Land zu sehen, wie dies; selbst im tollsten Wetter machen sich die Kirchlein, die Menge Häuser und Büsche und Quellen gar zu schön. Und nun gar das Grün; das war heut recht in seinem Element. Es ist aber kein Wunder, daß es so schön ist; wenn ich mich ein Paar Tage lang beregnen ließe, würde ich auch bald grün aussehen. Jetzt gießt es draußen und ist doch schon lange nach Tisch. Heut Abend komme ich nicht weiter, als Spiez; es thut mir leid darum, daß ich weder dies hier, was wunderschön zu liegen scheint, noch Spiez, das ich aus <title xml:id="title_cddc380a-c76e-4e46-887e-234e1542f28b">Röselschen Zeichnungen<name key="PSN0114280" style="hidden" type="author">Rösel, Gottlob Samuel (1769-1843)</name><name key="CRT0110557" style="hidden" type="art">Schweizer Zeichnungen</name></title> kenne, werde sehen können, hier ist eigentlich die pointe vom ganzen Simmenthal, und daher heißt es auch in dem alten Liede:</p><p style="paragraph_without_indent"> <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_e12be4f0-d727-8dffa-df92f-8a1cc10670b3" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe. </note></p><p style="paragraph_without_indent">Das habe ich heut den ganzen Tag gesungen auf der Straße; das Siebethal hat sich aber für das Compliment nicht bedankt, sondern hat fortgeregnet. Nach Thun gehe ich nicht, denn was sollte ich in Thun thun? Thun thun wir also diesmal bei Seite. Pfui, schlechte Witze; Ihr kennt ja die Art Lustigkeit, wenn man naß geworden ist; wie kann man vernünftig schreiben, wenn man ein Paar Bauernschuhe anhat, während meine am Feuer trocknen? Welch ein Stil, sagt <persName xml:id="persName_1e1a67c1-a346-41c4-8934-bd7f73a83b0c">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> hier. <hi rend="underline">Wyler Abends</hi>. In Spiez wurden wir nicht angenommen, es ist da gar kein Wirthshaus zum Übernachte, obwohl ein breites Weinglas auf der Carte steht; ich mußte also hieher zurück, wo ein Wirthshaus ist, obwohl weder Glas noch Namen auf der Carte steht. An der Lage von Spiez hatte ich meine Freude, ganz in den See hineingebaut auf einem Felsen, mit vielen Thürmchen, Giebelchen und Spitzchen, ein Schloßhof mit Orangerie, ein mürrischer Edelmann mit zwei Jagdhunden hinter sich, ein kleines Kirchlein, Terrassen mit Beeten und Blumen, es macht sich allerliebst. Morgen sehe ich es noch von der andern Seite, wenn das Wetter das Sehen gar erlaubt. Es hat heut 8 Stunden nach einander gegossen; ich bin noch tüchtig naß geworden auf dem Weg hieher. Prächtig sind die Waldströme bei solchem Wetter; sie rasen und wüthen. Ich kam über solch einen Teufel, die Kander, die war ganz außer sich, sprang, und tobte und schäumte, dazu sahe sie ganz braun aus und der Schaum gelblich und sprützte weit umher. Von den Bergen kam nur hie und da ein schwarzer Zacken aus den hellen Regenwolken, sie hingen heut so tief in den Thälern, wie ich es nie gesehen hatte. Der Tag war doch schön. Wenn morgen also so Gott will nach Interlaken.</p><p>Vom <persName xml:id="persName_8eb99f21-0ce8-4be0-9d7d-39f9ec0f00ee">alten Attwood<name key="PSN0109576" style="hidden">Attwood, Thomas (1765-1838)</name></persName> habe ich in Genf einen sehr freundlichen Brief erhalten mit Nachschrift von <persName xml:id="persName_23fbe631-827d-4fe1-a8f8-3414548c5c54">Klingem.<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName>; Cramers lassen mir Vorwürfe machen, daß ich die <title xml:id="title_037ba73e-5dfb-4572-a24c-98e32c32f20a">Deutschen Lieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_1t28febe-upjg-qjta-xxge-qjbyww1jgedg"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100619" style="hidden">Zwölf Lieder für eine Singstimme und Klavier, 1830, 1. Heft (Der Jüngling); enthält MWV K 39, K 41, K 42, K 52, K 38 und K 50, 2. Heft (Das Mädchen); enthält Sehnsucht »Fern und ferner schallt der Reigen«, komponiert von Fanny Hensel, MWV K 51, K 53, Verlust »Und wüssten’s die Blumen, die kleinen«, komponiert von Fanny Hensel, MWV K 54 und Die Nonne »Im stillen Klostergarten«, komponiert von Fanny Hensel<idno type="MWV">SD 3</idno><idno type="op">9</idno></name></title> nicht auch bei ihnen verlegt hätte. Hätt’ ich das gewußt! Und <persName xml:id="persName_39172ebb-d9c4-4e8a-b176-67a3e3bbe36f">Attw.<name key="PSN0109576" style="hidden">Attwood, Thomas (1765-1838)</name></persName> fordert mich zu noch mehreren <persName xml:id="persName_ad0b4bed-6047-4951-853c-7d01bf2541a9">Shaksp.<name key="PSN0114889" style="hidden">Shakespeare, William (1564-1616)</name></persName> Ouvertüren noch einmal auf. Am Ende begeh ich eine Thorheit, und nehm <title xml:id="title_c7c76923-dd52-4b38-af29-6bbc38e1cead">den Sturm<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564-1616)</name><name key="CRT0110871" style="hidden" type="dramatic_work">Der Sturm (The Tempest)</name></title>. Aber das ist sehr im weiten Felde.</p></div><div n="6" type="act_of_writing" xml:id="div_6fe17dc8-379b-4714-97af-06f0c16c3c77"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline">Wyler d. <date cert="high" when="1831-08-09" xml:id="date_37ffa5e3-8200-48cb-a640-d4286ded9d4c">9ten Morgens.</date></seg> Papapapapai! Elelelelelend! Heut ists noch toller. Hat die ganze Nacht durch gegossen, und gießt schon den ganzen Morgen. Ich habe aber hinsagen lassen in solchem Wetter ginge ich gar nicht fort, und wenn sie nicht aufhörten, schriebe ich heut Abend noch aus Wyler. Einstweilen habe ich Gelegenheit mit meinen Schweizer Wirthen Bekanntschaft zu machen. Naiv sind sie; ich konnte meine Schuh nicht anziehen, weil sie vom Regen eingelaufen waren, die Wirthinn fragte, ob ich einen Schuhanzieher haben wollte, und da ich ja sagte, brachte sie mir einen Eßlöffel. Es geht aber auch damit; und dann sind sie starke Politiker, über meinem Bette hängt eine scheusliche Fratze, unter der steht: <persName xml:id="persName_f68d2075-288d-45bb-813c-06f1c01febbb">Brinz Baniadofsgi<name key="PSN0113948" style="hidden">Poniatowski, Józef Anton Fürst (1763-1813)</name></persName>, wenn er nicht eine Art polnisches Costüm hätte, wärs schwer rauszukriegen, ob es ein Mann oder eine Frau sein soll, weder aus dem Bilde, noch aus der Unterschrift wird es ganz klar. <hi rend="underline">Abends in Unterseen.</hi> Aus dem Spas ist bittrer Ernst geworden, wie denn das in heutiger Zeit leicht kommen mag, das Wetter hat furchtbar geras’t, großen Schaden gethan, Verwüstungen angerichtet, die Leute wissen sich keines ärgern Sturms und Regens seit vielen Jahren zu entsinnen. Und das Alles geht mit so unbegreiflicher Schnelligkeit: heut früh war noch blos unangenehm schlechtes Wetter, und heut Nachmittag sind alle Brücken fort, die Passagen augenblicklich gehemmt, am Brienzer See giebt es Erdfälle, alles ist in Aufruhr. Eben erfahre ich auch noch unten, daß der Krieg in Europa erklärt ist: so sieht es freilich wild und wüst in der Welt aus, und man muß sich freuen, wenn man nur für den nächsten Moment eine warme Stube und ein behagliches Obdach hat, wie ich hier. Es hielt heut früh einen Augenblick mit Regen inne, und ich dachte die Wolken hätten sich erschöpft. So ging ich von Wyler weg und fand schon die Wege sehr verdorben, aber es sollte anders kommen. Der Regen fing leise wieder an, und platzte auf einmal gegen 9 mit solcher Heftigkeit los und so im Moment, daß man gleich merkte es müsse was besonders im Werke sein. Ich kroch unter in eine angefangne Hütte, in der ein großer Heuhaufen lag, und bettete mich ganz bequem im wohlriechenden Heu, ein Soldat vom Canton, der nach Thun wollte, kroch auch von der andern Seite hinein, und nach einer Stunde, da es nicht besser wurde gingen wir nach beiden Seiten weiter; ich mußte in Leusingen noch einmal unter Dach treten, wartete lange, aber da meine Sachen in Interlaken waren, wohin nur noch zwei Stunden sind, so dachte ich es zu zwingen und ging gegen 1 fort auf Interlaken zu. Es war durchaus nichts zu sehen, als der graue Seespiegel, kein Berg, selten die Linie des gegenüberstehenden Ufers, die Quellen, die wie Ihr Euch erinnert oft in den Fußwegen laufen, waren zu Strömen geworden, in denen man fortwaten mußte, plötzlich, wenn der Weg sich hinauf schwang, stand das Wasser still und bildete einen See, dann mußte ich über die nassen Hecken springen in die sumpfigen Wiesen hinein, die kleinen Baumstämme, auf denen man über die Bäche geht, lagen unter dem Wasser, einmal kam ich zwischen zwei solche Bäche, die sich in einander ergossen und mußte nun eine ganze Weile bis ans Schienbein gegen den Strom angehen, dazu ist alles Wasser schwarz oder chokoladenbraun, es sieht aus als fließe lauter Erde da, und springe über einander, von oben regnete es in Strömen, der Wind schüttelte zuweilen von den nassen Nußbäumen das Wasser herab, die Wasserfälle die in den See gingen donnerten ganz entsetzlich von beiden Ufern her, man konnte weithin die braunen Streife verfolgen, die sich weithinein in das helle Seewasser zogen, und zu alle dem war der See ganz still und kaum bewegt und empfing ruhig all das tolle Brausen, das auf ihn hinein fuhr. Nun kam mir ein Mann entgegen, der hatte Schuh und Strümpfe ausgezogen und die Hosen hinaufgestreift, da wurde mir etwas bange; drauf begegneten mir ein Paar Weiber und sagten, ich könne nicht durchs Dorf, die Brücken seien alle fort; ich frug, wie weit ich noch nach Interlaken hätte? Eine Stunde spitz, antworteten sie. Umkehren ging gar nicht, ich ging also vorwärts ins Dorf, da schrieen mich gleich aus allen Fenstern die Leute an: ich könne nicht weiter, das Wasser komme zu stark von den Bergen herunter, und wirklich war in der Mitte des Dorfs schon eine wilde Wirthschaft; der schmutzige Strom hatte alles mit fortgenommen, lief um die Häuser herum, in die Wiesen hinein, die Fußsteige hinauf und donnerte unten in den See. Zum Glück war ein Kähnchen da, in dem ließ ich mich nach Neuhaus übersetzen, obwohl die Fahrt auf dem offnen Kahn im schärfsten Regen auch nicht süß war. Mein Zustand in Neuhaus war ziemlich elend; ich sah aus, als trüge ich Stulpstiefeln auf meinen hellen Beinkleidern: Schuh, Strümpfe und Alles bis an die Knie war dunkelbraun, dann kam die wirkliche weiße Farbe, dann ein weicher blauer Überrock, sogar das <title xml:id="title_c63008e2-c89b-46ca-b8b5-52d37910f454">Zeichenbuch<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_wiyahs0q-ep9p-strr-4ity-0mdly2vegyns"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100824" style="hidden">Zeichenalbum Deutschland, Schweiz 1830-1831, mit Nachtrag 1841: GB-Ob, M.D.M. d. 15<idno type="MWV">ZB 7</idno><idno type="op"></idno></name></title>, das ich unter die Weste geknöpft hatte, war naß. Solchergestalt kam ich nach Interlaken, wurde unfreundlich empfangen, die Leute konnten oder wollten mir keinen Platz geben und so mußte ich zurück nach Unterseen, wo ich ganz vortrefflich wohne und mich befinde. Es ist aber sonderbar: ich hatte mich die ganze Zeit darauf gefreut, wieder ins Wirthshaus zu Interlaken zu kommen, wo ich viel Erinnerungen haben konnte, und wirklich fuhr ich auch mit meinem Neuhauser Wägelchen auf dem Nußbaumplatz vor, sah die wohlbekannte Glasgallerie, die schöne Wirthinn, freilich verändert und gealtert, trat in die Thüre – da hat mich das ganze Unwetter und alle Unbequemlichkeit nicht so verdrossen, wie daß ich dort nicht bleiben konnte, seit Vevay war ich dadurch zum erstenmal auf eine halbe Stunde verstimmt, und mußte <title xml:id="title_475e69ac-5b06-4521-bc33-463347f84cb0">Beethovens as dur Adagio<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108092" style="hidden" type="music">Streichquartett Es-Dur, op. 127</name></title> <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_2d039de6-4f5a-e3a06-4cee2-e9eab64f3401" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note>ein Stücke drei oder viermal singen, ehe ich wieder zurecht kam. Hier erfuhr ich nun erst, welchen Schaden das Wetter gethan hat, und noch thun kann, denn es gießt fortwährend (<formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> 10 Uhr Abends) die Brücke bei Zweilütschenen ist heruntergerissen, die Fuhrleute aus Brienz und Grindelwald wollen nicht zu Hause fahren aus Furcht ein Paar Felsen auf den Kopf zu bekommen, das Wasser hier steht anderthalb Fuß unter der Aarbrücke, wie traurig der Himmel aussieht, ist gar nicht zu beschreiben. Hier kann ich es nun abwarten, ich brauche ja ohnehin keine Umgebungen um Erinnerung hervorzurufen, wir stehen uns näher, als alles das. Sie haben mich hier sogar in ein Zimmer gewiesen, wo ein Clavier steht, und zwar ist es vom Jahre 1794, wie darauf steht, hat im Klange viel Ähnlichkeit mit <persName xml:id="persName_394adaef-164f-4e63-8aec-eed24f280beb">dem alten kleinen Silbermann<name key="PSN0114912" style="hidden">Silbermann, Gottfried (1683-1753)</name></persName> auf meiner Stube, und so habe ich es beim ersten Akkorde gleich liebgewonnen, und kann dabey auch wohl an Euch denken. Es hat manches erlebt, das Clavier, und sich es wohl nicht träumen lassen, daß ich noch einmal darauf componiren sollte, da ich erst 1809 geboren bin; es sind aber auch schon starke 22 Jahre her, indessen ist das Clavier schon 37 alt, und noch lange frisch. – Es sind wieder neue Lieder unterwegs, liebe Geren<title xml:id="title_38e6236e-d16e-4beb-9d58-7bbb39dcf7b1">. Mein Hauptlied aus e dur<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_zf5wzhp3-1jzn-jgej-ukqv-ays8c8dt0upq"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100265" style="hidden">Reiselied (In die Ferne) »Bringet des treusten Herzens Grüße«, 16. Oktober 1830<idno type="MWV">K 65</idno><idno type="op">19a/6</idno></name></title> „auf der Reise“ kennt ihr auch noch nicht, es ist sehr sentimental. <title xml:id="title_ff1444a5-fb88-4e56-a507-732a9a538101">Jetzt mache ich eins<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_kmbvigfu-pmwh-nkz6-2gl4-dqaihc3035o3"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100266" style="hidden">Die Liebende schreibt »Ein Blick von deinen Augen«, 10. August 1831<idno type="MWV">K 66</idno><idno type="op">86/3</idno></name></title>, das nicht gut wird, fürchte ich; aber für uns drei muß es schon angehen, denn es ist sehr gut gemeint, der <title xml:id="title_d8c4e230-80df-4587-bf99-1f5d85ba1084">Text ist von Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108837" style="hidden" type="literature">Die Liebende schreibt (»Ein Blick von deinen Augen in die meinen«)</name></title>, aber ich sage nicht, was; es ist zu toll gerade das zu componiren, es paßt auch gar nicht zur Musik, aber ich fand es so himmlisch schön, daß ich es mir singen mußte. Das ist eigentlich gegen mein Prinzip, also bleibt es unter uns. <seg type="closer" xml:id="seg_7df47f09-2691-49f0-8654-c8d2a8e562eb">Für heut ist’s aus; gute Nacht, ihr Lieben.</seg></p></div><div n="7" type="act_of_writing" xml:id="div_d83e6d1b-4004-4d34-9083-69d1c9edf514"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline">d. <date cert="high" when="1831-08-10" xml:id="date_1ed01c7d-d1f8-46d2-8865-96013cebe4b0">10</date></seg><date cert="high" when="1831-08-10" xml:id="date_b81b04b9-d856-4ded-89a8-4fc2431c4eac"><hi rend="superscript">ten</hi></date> Es war das klarste Wetter und aller Sturm ist vorüber; wollte daß es mit allen Stürmen so schnell endigte und sich aufklärte. Ich habe einen herrlichen Tag zugebracht, gezeichnet, componirt und Luft getrunken. Nachmittags war ich zu Pferd in Interlaken, zu Fuß kann jetzt kein Mensch dahin, der ganze Weg steht unter Wasser, und zwar unter reißendem, tobenden, strudelnden Wasser, so daß man selbst zu Pferd ganz naß wird. Auch hier im Ort sind die Straßen überschwemmt und gesperrt; in Interlaken ist es aber doch zu schön. Es wird einem gar so winzig zu Muth, wenn man sieht, wie herrlich der liebe Herrgott die Welt gemacht hat, und herrlicher kann man sie nicht sehen, als da. Mir wurde aber sonderbar, als ich an den großen Nußbaum kam, an den Grasfleck wo mein Zeichentisch stand als <persName xml:id="persName_8d304053-93a1-47ca-bd92-472788f74566">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> mich tröstete, daß Papier nicht schmelzen könne; die Thür der Wiese war halb offen genau, wie damals, und nichts hatte sich verändert, außer daß ich heut allein war und damals mit Euch. <title xml:id="title_bd232cee-006f-429f-9bd9-99dbfe66a68f">Ich zeichnete<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_eba2fmwz-y1ff-xs43-z1qn-foxwkywrdnua"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100826" style="hidden">Interlaken, 11. August 1831; fol. 4r<idno type="MWV">ZB 7/4</idno><idno type="op"></idno></name></title> für <persName xml:id="persName_ae04b6de-70d0-40d4-8029-428f38a311f0">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> einen der Nußbäume, die er so liebt, so wie ich auch ein ordentliches Berner Haus einmal treu nachzeichnen will für ihn; eine Menge Gesellschaften Herrn und Damen und Kinder zogen vorbey und guckten mich an, und ich dachte die hätten es jetzt so gut, wie ich einstmals und würde ihnen gern zugerufen haben, sie möchten es doch nicht vergessen. Abends glühten die Schneeberge heut in den klarsten Formen und in den schönsten Farben. Als ich zurückkam wollte ich Notenpapier haben, man wies mich an den Pfarrer, der an den <persName xml:id="persName_f28085d8-b2d2-4cbb-a041-c98fb6b3631f">Forstmeister<name key="PSN0112325" style="hidden">Kasthofer, Karl Albrecht (1777-1853)</name></persName>, und von <persName xml:id="persName_c190a2fa-8606-4bb0-8a4f-c526013cf3a7">dessen Tochter<name key="PSN0112324" style="hidden">Kasthofer, Charlotte Elisabeth Sophie (1810-1860)</name><name key="PSN0112326" style="hidden">Kasthofer, Sophie Henriette (1813-1849)</name></persName> habe ich dann zwei sehr feine zierliche Bogen bekommen. <title xml:id="title_07d07df2-e207-4f98-935f-d661facd5da3">Das Lied<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_gmwf25me-biqt-9js9-myi1-frx4q8ek3i0d"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100266" style="hidden">Die Liebende schreibt »Ein Blick von deinen Augen«, 10. August 1831<idno type="MWV">K 66</idno><idno type="op">86/3</idno></name></title> von dem ich gestern schrieb, ist schon fertig; es drückt mir doch das Herz ab, es Euch zu sagen, was es ist, also verschweige ich Euch nicht, daß es ist – aber lacht mich nicht zu sehr aus – nichts anders als – aber haltet mich nicht für wasserscheu – <title xml:id="title_60379745-1cac-4647-b692-97d86fed69e8">„Die Liebende schreibt“<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108837" style="hidden" type="literature">Die Liebende schreibt (»Ein Blick von deinen Augen in die meinen«)</name></title> das Sonett. Ich fürchte übrigens, es ist nicht gut, und taugt nichts; es ist glaub ich mehr hineingefühlt, als herausgekommen, indessen ein Paar gute Stellen sind doch darin, und morgen mach’ ich <title xml:id="title_06195e20-f4b1-4a70-96e3-918aadf38d6a">noch ein kleines<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_9qfgouoo-yocg-cn5l-hvyf-l7l3zhnjfujy"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100267" style="hidden">Reiselied »Ich reit ins finstre Land hinein«, Fragment, [11. August 1831]<idno type="MWV">K 67</idno><idno type="op"></idno></name></title> <title xml:id="title_76a216f2-5244-4c77-8d4b-9b1d2e5627ab">von Uhland<name key="PSN0115418" style="hidden" type="author">Uhland, Johann Ludwig (1787-1862)</name><name key="CRT0111120" style="hidden" type="literature">Nachtreise (»Ich reit’ ins finstre Land hinein«)</name></title>. Auch ein Paar Claviersachen rücken wieder an. Ich habe leider durchaus kein Urtheil über meine neuen Sachen, weiß nicht, ob sie gut oder schlecht sind, und das kommt davon her, weil seit einem Jahre alle Leute, denen ich was von mir vorspiele, es glattweg wunderschön gefunden haben, und das thut es halt nimmer mehr. Ich wollte, daß mich einer mal wieder vernünftig runtermachen könnte, oder, was noch hübscher wäre, vernünftig loben, da würde ich selbst es nicht immer thun wollen und mistrauisch gegen mich sein. Indessen <title xml:id="title_f85dad96-604f-4db4-99bd-5fbcb5e3151c">da hilft nun weiter kein Ergründen, sobald der Schnee schmilzt<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108831" style="hidden" type="literature">Kommt Zeit, kommt Rat</name></title> u. s. w. Einstweilen muß man doch immer fort schreiben. – Beim Förster habe ich erst erfahren, daß das ganze Land verwüstet ist, von allen Seiten kommen traurige Nachrichten. Die Brücken sind überall im Hasli Thal fort auch Häuser und Hütten, ein Mann von Lauterbrunnen ist heut hergekommen, der hat bis an die Brust im Wasser gehen müssen, die Fahrstraße ist ruinirt, und was mir ganz unheimlich war, es ist Nachricht da, daß die Kander eine Menge Hausgeräth und Möbel herbey getragen hat, man weiß noch nicht, woher. Zum Glück fällt das Wasser schon wieder, aber der Schaden wird nicht so schnell wieder hergestellt sein. Mein Reiseplan ist dadurch nun auch unsicher geworden; denn wenn irgend Gefahr ist, gehe ich nicht in die Berge. </p></div><div n="8" type="act_of_writing" xml:id="div_05c7c25c-29ad-44b1-a471-f88eeacf10bf"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><date cert="high" when="1831-08-11" xml:id="date_0ffb6bcf-27eb-446b-a952-9743ccf73e1b"><seg type="inline">d. 11</seg><hi rend="superscript">ten</hi><seg type="inline">.</seg></date> Und somit schließe ich mein erstes Stück Tagebuch an Euch und schicke es ab. Morgen fange ich wieder ein neues an, denn morgen denke ich nach Lauterbrunnen zu gehen; für Fußgänger ist der Weg practikabel, von Gefahr keine Rede, es sind Reisende heut schon von dort gekommen; für Wagen aber wird die Straße in diesem ganzen Jahre nicht wieder zu passiren sein. Dann will ich über die kleine Scheideck nach Grindelwald, über die große nach Meiringen, über Furka und Grimsel nach Altorfe und so nach Lucern, wenn Sturm und Regen und alles andre, d. h. wenn Gott will. Heut früh war ich auf dem Harder und sah die Berge in der schönsten Pracht, so klar glühend wie gestern Abend und heut früh habe ich die Jungfrau noch nie gesehen. Dann ritt ich wieder nach Interlaken, wo ich <title xml:id="title_7e818beb-d22f-4503-8bc9-3948cec89e13">meinen Nußbaum<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_jbnbhjah-3utg-cg1k-vghn-3rrfj8lg8hbq"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100826" style="hidden">Interlaken, 11. August 1831; fol. 4r<idno type="MWV">ZB 7/4</idno><idno type="op"></idno></name></title> fertig zeichnete, dann habe ich ein wenig componirt; dann wurden der <persName xml:id="persName_c579acc2-5664-49fc-9266-f5a218bc1fa8">Tochter<name key="PSN0112324" style="hidden">Kasthofer, Charlotte Elisabeth Sophie (1810-1860)</name><name key="PSN0112326" style="hidden">Kasthofer, Sophie Henriette (1813-1849)</name></persName> des <persName xml:id="persName_f8518341-01f4-4f33-b390-78f84dd7e185">Försters<name key="PSN0112325" style="hidden">Kasthofer, Karl Albrecht (1777-1853)</name></persName> auf das übrige Notenpapier <title xml:id="title_2ec39b31-e603-40db-b915-de0f4049a399">drei Walzer<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_zqsafa75-nkkv-oqxb-g7sl-epfvaenoxc4u"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100431" style="hidden">Walzer, [August 1831]<idno type="MWV">U 83</idno><idno type="op"></idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_xpah7kcr-lp6d-srb8-asfx-yqhlwoavkrsg"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100432" style="hidden">Walzer, [August 1831]<idno type="MWV">U 84</idno><idno type="op"></idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_zbjc0dpk-xeia-sxb9-4lqj-b4vgbiyzcfn5"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100433" style="hidden">Walzer, [August 1831]<idno type="MWV">U 85</idno><idno type="op"></idno></name></title> geschrieben und höflich überbracht, (sie ist leider durchaus unhübsch) und eben komme ich von einer Wasserexpedition her, die ich nach einem überschwemmten Lesecabinet gemacht, um zu sehen, wie es den Polen geht. Leider steht aber durchaus nichts davon in den Zeitungen. Nun will ich packen bis Abend, aber es wird mir ordentlich schwer, dies Zimmer hier zu verlassen, es ist so wohnlich und mein liebes Clavierchen werde ich gar zu sehr vermissen. Die Aussicht aus dem Fenster will ich Euch noch auf die Rückseite malen mit der Feder und <title xml:id="title_5feb00d7-25f5-458e-b3f8-58333de77318">mein zweites Lied<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_rmbcedfa-jodr-iny3-ehpe-r5whdpj9snda"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100267" style="hidden">Reiselied »Ich reit ins finstre Land hinein«, Fragment, [11. August 1831]<idno type="MWV">K 67</idno><idno type="op"></idno></name></title> aufschreiben, dann geht auch Unterseen zur Erinnerung. <title xml:id="title_5f5f5831-0394-4b15-b494-f88a77115aa4">Ach wie schnell<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_gfuls9c9-ipbd-oojr-senc-padyfxhtelvu"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100253" style="hidden">Im Herbst »Ach, wie schnell die Tage fliehen«, 23. Mai 1827<idno type="MWV">K 38</idno><idno type="op">9/5</idno></name></title>. Ich citire mich selbst, das ist nicht sehr bescheiden, aber es fällt einem nur gar zu oft ein, wenn die Tage abnehmen, wenn man die Reisecarte von einem Blatt aufs andre schlägt, wenn erst Weimar, dann München, dann Wien ein Jahr her ist, kurz wenn man das erste Reisetagebuch an seine sehr lieben Schwestern abschicken will. Es geht aber zu Euch, und Ihr wißt, wie mir zu Muthe ist, wenn irgend was zu Euch geht, das nicht Ich ist; etwas wehmüthig. Na, hier ist mein Fenster:</p><note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_30c8d14f-04b9-7e4b7-d7741-1610423cb235" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note><p style="paragraph_without_indent">Hu, die Berge sind total misrathen, aber ich mußte sie halb errathen, weil sie fast ganz mit Wolken bedeckt sind; Ihr müßt Euch erinnern, daß a der große Eiger ist, b der kleine Abendberg, c die Jungfrau d die Silberhörner e der große Abendberg und f. der Anfang des Schwalmern; an der Ecke f steht das kleine Clavier und wenn ich links umgucke, so habe ich die ganze Herrlichkeit. <hi rend="underline">Eine Stunde später</hi> Der Plan ist geändert, und ich bleibe noch bis übermorgen, die Leute meinen die Wege würden dann merklich besser sein und zu sehen und zu zeichnen giebt es hier noch genug. Seit 70 Jahren hat die Aar nicht so hoch gestanden; heut warteten sie mit Stangen auf der Brücke und mit Haken um die einzelnen Stücke der abgerißnen Brücke aufzufangen. Das sah nun ganz sonderbar aus, wenn so von fern aus den Bergen ein schwarzes Ding geschwommen kam, das man endlich für ein Stück Geländer, oder einen Querbalken oder dgl. erkannte; wie sie dann alle zusammenliefen, und darauf los hakten und endlich das Ungethüm aus dem Wasser holten. Aber genug Wasser d. h. genug Tagebuch. Die Post geht morgen also muß ich doch heut schließen; das Nächstemal will ich sehen einen größern Bogen ins Zeichenbuch zu practiciren. Von München aus wandern <title xml:id="title_97fbcd23-6533-42e8-b886-9ceb007b58a1">wieder zwei vollgezeichnete<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_44o7bhar-kaua-4doh-0s4j-gqsbamffkgyk"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100857" style="hidden">Zeichenalbum Italien, Schweiz 1831: GB-Ob, M.D.M. d. 3<idno type="MWV">ZB 10</idno><idno type="op"></idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_dyvjt5rg-epu0-lozw-qupl-szjmc1rrdjx1"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100849" style="hidden">Zeichenalbum Italien, Schweiz 1831: D-B, Musikabteilung, MA Nachl. 22/B,1<idno type="MWV">ZB 9</idno><idno type="op"></idno></name></title> zu Euch. So ist es nun Abend und dunkel geworden, ich schreibe bei Licht, und bei Euch werden jetzt die Lampen gebracht, oder Ihr les’t die Staatszeitung, oder weil ich gerade so sehr zu Euch denke, denkt Ihr wohl auch zu mir her; jetzt möchte ich eigentlich gerne an die Thür klopfen, um am runden Tisch mit Euch einigen Thee zu trinken. Es ist wieder die alte Geschichte: wo es am schönsten ist, am heitersten, und wo ich mich so recht wohl und behaglich fühle, da fehlt Ihr mir erst recht und da möchte ich am liebsten mit Euch zusammen sein. Noch dazu war ich es hier. Wer weiß denn aber, ob wir nicht ebenso noch einmal in Jahren hier zusammenkommen und dann an heut denken, wie jetzt an damals, und weil das eben niemand weiß, so will ich auch nicht weiter drüber nachdenken, sondern <title xml:id="title_aad6cc7c-1878-4d01-a4b4-c565ec90e93d">mein Lied<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_xjfkemit-kpvp-tbg2-5y2g-zeejculrqrqy"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100267" style="hidden">Reiselied »Ich reit ins finstre Land hinein«, Fragment, [11. August 1831]<idno type="MWV">K 67</idno><idno type="op"></idno></name></title> aufschreiben, nach den Bergen noch ein wenig gucken, <seg type="closer" xml:id="seg_cb057de3-eca1-4f9b-9f70-371a63cbc31a">Euch Allen Alles Glück und frohe Leben wünschen und mein Tagebuch zumachen. Lebt wohl.</seg></p></div><div n="9" type="act_of_writing" xml:id="div_5325a3f0-c7b2-42dd-97dd-1f4be8384780"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p> </p><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><signed rend="right">F.</signed></div></body></text></TEI>