fmb-1831-07-31-01
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Chamonix, 31. Juli 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse. – Die Datierung ergibt sich einerseits aus Z. 117 und andererseits aus Felix Mendelssohn Bartholdys Eintragung im Notizbuch vom 31. Juli 1831: »Br. an d. Eltern« (GB-Ob, M.D.M. g. 3, fol. 34r). Den Brief versandte Felix Mendelssohn Bartholdy eingeschlossen in Brief Nr. 448.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Von Zeit zu Zeit muß ich Euch wol einen Dankbrief für diese wunderbar schöne Reise schreiben, und wenn ich es je gethan habe, so muß ich es jetzt wieder thun, denn herrlichere Tage, als die auf dem ganzen Wege hieher und hier selbst, habe ich doch noch nie erlebt. Zum Glück kennt Ihr doch ja das Thal hier und da brauche ich es nicht erst zu beschreiben, wie wäre das auch möglich? Nur soviel laßt mich sagen, daß mir die Natur nirgend so klar in all ihrer Macht vor die Augen getreten ist als hier, das erstemal als ich es mit Euch sah wie auch jetzt, und wenn jeder der das sieht, Gott danken muß, daß er ihm Sinne gegeben hat um diese Größe zu begreifen und aufzufassen, so muß ich Euch dann auch gleich danken, die Ihr mir all die Freude schenkt, wenn ich auch nicht durch die Umgebungen, durch den Weg auf das mer de glace, durch jede Stelle im kleinen Dorf an die Zeit erinnert würde, wo wir hier zusammen waren. Sie hatten mir einreden wollen, die Formen der Berge hätten sich in meiner Einbildungskraft vergrößert, aber gestern ging ich bei Sonnenuntergang hier vor dem Hause auf und ab, suchte jedesmal, wenn ich den Bergen den Rücken kehrte, die Massen mir recht lebhaft zu denken, und jedesmal wenn ich mich wieder umdrehte waren sie weit über meine Vorstellung. Da sind alle Worte und Bilder und Gedanken zu klein, nur wenn man es mit dem Auge sieht, kann man sichs vorstellen. Ihr findet vielleicht, ich sey zu toll und übertreibe es, aber könntet ihr es sehen, wie ich heute den ganzen Tag und gestern Abend! So wie es den Morgen war, als wir von hier abfuhren und die Sonne aufging (Ihr werdet es Euch erinnern) so heiter und klar waren die Berge seit ich hier bin; der Schnee auf der blauen dunkeln Luft so rein und scharf und nah, die Gletscher donnern fortwährend weil das Eis schmilzt, wenn Wolken kommen, so legen sie sich unten an die Berge leicht an, aber die Gipfel stehen ganz klar drüber; könnten wir das zusammen sehen! Ich habe heute den ganzen Tag hier ruhig und ganz allein zugebracht; ich wollte die
stenAug. angegeben hatte) erst die Tour um den Montblanc mache, damit ich den Herrn auch von der Südseite kennen lerne, die noch gewaltiger sein soll. Einen sehr guten Führer hab ich und wenn Gott schön Wetter und Gelingen schenkt, so kann die Reise wieder prächtig werden; in 5 Tagen bin ich dann, so Gott will, in Genf. Das einzige fatale dabey ist, daß ich Eure Briefe nicht eher bekommen kann, aber der Himmel wird geben daß sie froh und Ihr alle gesund und glücklich seid, wie ich es hoffe.
Liebe
à l’union, prieuré de ChamounixLiebe Eltern Von Zeit zu Zeit muß ich Euch wol einen Dankbrief für diese wunderbar schöne Reise schreiben, und wenn ich es je gethan habe, so muß ich es jetzt wieder thun, denn herrlichere Tage, als die auf dem ganzen Wege hieher und hier selbst, habe ich doch noch nie erlebt. Zum Glück kennt Ihr doch ja das Thal hier und da brauche ich es nicht erst zu beschreiben, wie wäre das auch möglich? Nur soviel laßt mich sagen, daß mir die Natur nirgend so klar in all ihrer Macht vor die Augen getreten ist als hier, das erstemal als ich es mit Euch sah wie auch jetzt, und wenn jeder der das sieht, Gott danken muß, daß er ihm Sinne gegeben hat um diese Größe zu begreifen und aufzufassen, so muß ich Euch dann auch gleich danken, die Ihr mir all die Freude schenkt, wenn ich auch nicht durch die Umgebungen, durch den Weg auf das mer de glace, durch jede Stelle im kleinen Dorf an die Zeit erinnert würde, wo wir hier zusammen waren. Sie hatten mir einreden wollen, die Formen der Berge hätten sich in meiner Einbildungskraft vergrößert, aber gestern ging ich bei Sonnenuntergang hier vor dem Hause auf und ab, suchte jedesmal, wenn ich den Bergen den Rücken kehrte, die Massen mir recht lebhaft zu denken, und jedesmal wenn ich mich wieder umdrehte waren sie weit über meine Vorstellung. Da sind alle Worte und Bilder und Gedanken zu klein, nur wenn man es mit dem Auge sieht, kann man sichs vorstellen. Ihr findet vielleicht, ich sey zu toll und übertreibe es, aber könntet ihr es sehen, wie ich heute den ganzen Tag und gestern Abend! So wie es den Morgen war, als wir von hier abfuhren und die Sonne aufging (Ihr werdet es Euch erinnern) so heiter und klar waren die Berge seit ich hier bin; der Schnee auf der blauen dunkeln Luft so rein und scharf und nah, die Gletscher donnern fortwährend weil das Eis schmilzt, wenn Wolken kommen, so legen sie sich unten an die Berge leicht an, aber die Gipfel stehen ganz klar drüber; könnten wir das zusammen sehen! Ich habe heute den ganzen Tag hier ruhig und ganz allein zugebracht; ich wollte die Ansicht der Berge zeichnen, ging hinaus, fand einen prächtigen Punct, aber so wie ich das Buch aufschlug, so war mir das Blatt so sehr klein, daß ich erst gar nicht anfangen wollte und mich nachher entschließen mußte, alles nach meinem Auge zu verkleinern. Es wird mich und vielleicht Euch einmal daran erinnern; ich habe die Formen wohl so was man richtig nennt herausgebracht, aber doch sieht jede Linie so steif aus gegen die Freiheit und Grazie, die da überall in der Natur ist. Und nun gar erst die Farbenpracht! Kurz es ist der Glanzpunct meiner Reise, und das ganze Fußreisen so allein, frey und leicht ist etwas Neues, und ein unbekannter Genuß für mich. Ich muß aber erzählen, wie ich hergekommen bin, sonst steht am Ende im Briefe nichts als Exclamationen. Auf dem lago maggiore und den Inseln hatte ich, wie ich Euch geschrieben habe, das schlechteste Wetter, es blieb anhaltend so wüst, stürmisch, naß daß ich mich etwas unmuthig Abends auf die Schnellpost setzte, und gegen den Simplon zufuhr. Wie wir kaum eine halbe Stunde gefahren waren kam der Mond vor, die Wolken zogen aus einander, des andern Morgens war es das heiterste, herrlichste Wetter; mir war ordentlich beschämt zu Muthe über solch ein Glück; und ich konnte nun den ganzen göttlichen Weg recht von Grund aus genießen, wie er sich erst durch die hohen grünen Thäler, dann durch die Felsengen, dann durch die Wiesen, endlich bei den Gletschern und Schneebergen vorbeywindet. Ich hatte ein kleines französ. Buch über die Simplonstraße mit, was mich sehr erfreut und auch gerührt hat, denn es enthält Correspondenzen von Napoleon mit dem Directorium über das projectirte Werk, und den ersten Bericht des Generals, der den Berg passirte; wie dessen Briefe geschrieben sind, mit welcher Begeisterung, Tapferkeit, auch ein bischen Prahlerey mitunter, aber mit welcher Glut des Enthusiasmus, das hat mich gar sehr ergriffen, als ich so die ebene, fertige Straße mit den Oesterreichischen Postillionen hinauffuhr, und wenn ich das Feuer und die Poesie, die in dem Briefe (ich meine immer nur den des subalternen Generals) aus jeder Schilderung spricht, mit der heutigen Beredsamkeit vergleiche, die so schrecklich kalt läßt, und die in all ihren philanthropischen Ansichten so verflucht prosaisch ist und so hinkt, und in der ich wol Fanfarranden aber keine Jugend sehe – so wollte mir es vorkommen, als sey eine große Zeit vorübergegangen. Aber nichts mehr davon, denn ich habe mir vorgenommen in meinen Briefen an Euch nie diesen Punct zu berühren, und hab es bis jetzt gehalten; nur bey der Simplonstraße wird es schwer. Ich habe es mir gar nicht aus dem Sinne bringen können, daß Napoleon das Werk, eine seiner Lieblingsideen, niemals gesehen hat. Er ist nie über den Simplon gekommen, und hat die Freude daran nicht genossen. Der ganze Weg muß einen auch bescheiden machen, wenn nicht ohnehin dafür gesorgt wäre. Denn wenn man nun bey den tollen Gletschern vorbey muß und bey den schwarzen Felsschneebergen, die da ihr Wesen treiben mit Lawinen, Donnern, Wasserfällen, Eisgängen und allem Spuk, so ruhig als geb es überhaupt gar keine Menschen, da kann man sich mancherley dabey denken. Oben im Dorfe Simplon ist es ganz kahl, überall grünes Moos und seit anderthalb Jahren fror mich einmal wieder so recht herzhaft. Eine nette französische höfliche Frau hat oben ein Wirthshaus, und auch das ist schwer zu beschreiben, wie wohl einem die dürftige Reinlichkeit thut, die nie in Italien zu finden ist. Aber es muß gerühmt werden, daß ich dort zu Mittag aß und dabey das Fletschhorn aus dem Fenster sah. Dann ging es hinunter ins Wallis bis Brieg, wo ich die Nacht blieb, und voll Vergnügen wieder einmal unter den ehrlichen, natürlichen, deutschsprechenden Leuten zu leben, die mich dann auch ganz infam geprellt und betrogen haben. Den folgenden Tag fuhr ich das Wallis hinunter, eine wunderliebliche Fahrt; der ganze Weg ist so, wie Ihr in der Schweiz sie kennt, zwischen zwei hohen Bergreihen, über die hier und dort Schneespitzen gucken; in Alleen von dicken frischen Nußbäumen, die neben den zierlichen braunen Häusern stehen, die wilde graue Rhone hinunter, bey Leuk vorüber, alle Viertelstunde ein Ort mit einer kleinen Kirche, ich nahm einen Pfarrer, der zu Fuß ging, eine Strecke in den char à banc und wir kannegießerten, gegen Abend bey Riddes werden die Felsformen furchtbar toll, wie ich sie fast nie in den Alpen gesehn hatte und dabey bleibt vorne immer das liebliche Land; kurz darauf zeigte der Kutscher auf einen weißen Streif in der fernen Dämmrung und sagte, da sey die Pissevache, und so sah ich dann von Weitem den Punct wo wir umgekehrt waren und dachte daran. Von Martigny aus reiste ich nun zum erstenmal in meinem Leben veritabel zu Fuß, und zwar weil mir die Führer zu theuer waren, erst ganz allein, meinen Mantel und das Gepäck auf den Schultern; nach ein Paar Stunden fand ich einen dicken Bauerjungen, der zugleich Führer und Träger wurde, und so ging es über den Forclas nach Trient, einem kleinen Senndorfe, wo ich Milch und Honig frühstückte; von da aus auf den Col de Balme. Da lag dann das ganze Chamounithal mit dem Montblanc und allen Gletschern, wie sie herabsinken, vor mir im Sonnenschein. Eine Gesellschaft Damen und Herren zu Maulthier mit vielen Führern zog von da herauf und erinnerte mich sehr an unsre ehemalige Caravane, so daß ich mit den Leuten Bekanntschaft und einer jungen schönen Dame die Cour machte, wir haben aber leider kein Wort mit einander gesprochen. Kaum waren wir alle zusammen oben unter Dach, so kam ein zarter Nebel und hüllte erst die Berge, dann das Thal dann Alles so dicht ein, daß von da an nichts mehr zu sehen war. Die Damen fürchteten sich in den Nebel hineinzugehen, als ob sie nicht oben auch drin wären, endlich reis’ten sie doch ab, und ich sah aus dem Fenster dem wunderlichen Schauspiel zu, wie die Caravane das Haus verließ, lachend, laut sprechend, Französisch, Englisch, Patois; dann wurden die Stimmen undeutlich, dann gleich auch die Gestalten, ganz zuletzt ging noch die schöne Dame mit ihrem weiten schottischen Mantel, dann sah man nur noch graue Schatten hie und dort, dann waren sie ganz weg. Wenige Minuten drauf sprang ich von der andern Seite mit meinem Führer den Berg hinunter, wir kamen bald wieder in den Sonnenschein, dann ins grüne Chamounithal mit seinen Gletschern, endlich hier in die union. Eben komme ich von einem Spaziergang auf den Montanvert, das mer de glace und der Quelle des Arveiron her; diese Herrlichkeit kennt Ihr, und so werdet Ihr es verzeihen, daß ich statt morgen nach Genf zu fahren (weil ich den 1sten Aug. angegeben hatte) erst die Tour um den Montblanc mache, damit ich den Herrn auch von der Südseite kennen lerne, die noch gewaltiger sein soll. Einen sehr guten Führer hab ich und wenn Gott schön Wetter und Gelingen schenkt, so kann die Reise wieder prächtig werden; in 5 Tagen bin ich dann, so Gott will, in Genf. Das einzige fatale dabey ist, daß ich Eure Briefe nicht eher bekommen kann, aber der Himmel wird geben daß sie froh und Ihr alle gesund und glücklich seid, wie ich es hoffe. Liebe Eltern, wie ich an Euch jetzt täglich durch alle Umgebungen erinnert werde könnt Ihr Euch nicht denken. Auf dem lago maggiore sah ich mir die Bleulers in der rothen Stube an, auf dem Simplon die kleinen lackierten Bilder im Gartenhause, hier ist der Saal wo der Engländer Mariane Saalings Hand bewunderte und Ihr den Abend mit Augustin Perier zubrachtet. Sein Bruder ist ein ziemlich bedeutender Mann geworden seitdem, er selbst ist nicht wiedergewählt in der Kammer, da hat sich Alles verändert; auch hier ist es anders geworden in der Zeit, neue Häuser, ein kleiner Garten am Fluß, hôtels, Bäder, alles größer, reicher und schöner; so Gott will ist das Alles mit uns nicht der Fall und wie danke ich ihm dafür, wenn wir uns unverändert wiedersehen, es sey, wo es sey. Lebt wohl. Euer Felix MB.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-07-31" xml:id="date_621d56c3-71e9-4e33-9541-9e4722ab0d39">31. 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Nur soviel laßt mich sagen, daß mir die Natur nirgend so klar in all ihrer Macht vor die Augen getreten ist als hier, das erstemal als ich es mit Euch sah wie auch jetzt, und wenn jeder der das sieht, Gott danken muß, daß er ihm Sinne gegeben hat um diese Größe zu begreifen und aufzufassen, so muß ich Euch dann auch gleich danken, die Ihr mir all die Freude schenkt, wenn ich auch nicht durch die Umgebungen, durch den Weg auf das mer de glace, durch jede Stelle im kleinen Dorf an die Zeit erinnert würde, wo wir hier zusammen waren. Sie hatten mir einreden wollen, die Formen der Berge hätten sich in meiner Einbildungskraft vergrößert, aber gestern ging ich bei Sonnenuntergang hier vor dem Hause auf und ab, suchte jedesmal, wenn ich den Bergen den Rücken kehrte, die Massen mir recht lebhaft zu denken, und jedesmal wenn ich mich wieder umdrehte waren sie weit über meine Vorstellung. Da sind alle Worte und Bilder und Gedanken zu klein, nur wenn man es mit dem Auge sieht, kann man sichs vorstellen. Ihr findet vielleicht, ich sey zu toll und übertreibe es, aber könntet ihr es sehen, wie ich heute den ganzen Tag und gestern Abend! So wie es den Morgen war, als wir von hier abfuhren und die Sonne aufging (Ihr werdet es Euch erinnern) so heiter und klar waren die Berge seit ich hier bin; der Schnee auf der blauen dunkeln Luft so rein und scharf und nah, die Gletscher donnern fortwährend weil das Eis schmilzt, wenn Wolken kommen, so legen sie sich unten an die Berge leicht an, aber die Gipfel stehen ganz klar drüber; könnten wir das zusammen sehen! 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Wie wir kaum eine halbe Stunde gefahren waren kam der Mond vor, die Wolken zogen aus einander, des andern Morgens war es das heiterste, herrlichste Wetter; mir war ordentlich beschämt zu Muthe über solch ein Glück; und ich konnte nun den ganzen göttlichen Weg recht von Grund aus genießen, wie er sich erst durch die hohen grünen Thäler, dann durch die Felsengen, dann durch die Wiesen, endlich bei den Gletschern und Schneebergen vorbeywindet. Ich hatte ein kleines französ. Buch über die Simplonstraße mit, was mich sehr erfreut und auch gerührt hat, denn es enthält Correspondenzen von <persName xml:id="persName_4230a697-6947-4f83-ad5c-b111ba2eaaea">Napoleon<name key="PSN0111152" style="hidden">Frankreich, Napoléon I. Bonaparte von (1769-1821)</name></persName> mit dem Directorium über das projectirte Werk, und den ersten Bericht des Generals, der den Berg passirte; wie dessen Briefe geschrieben sind, mit welcher Begeisterung, Tapferkeit, auch ein bischen Prahlerey mitunter, aber mit welcher Glut des Enthusiasmus, das hat mich gar sehr ergriffen, als ich so die ebene, fertige Straße mit den Oesterreichischen Postillionen hinauffuhr, und wenn ich das Feuer und die Poesie, die in dem Briefe (ich meine immer nur den des subalternen Generals) aus jeder Schilderung spricht, mit der heutigen Beredsamkeit vergleiche, die so schrecklich kalt läßt, und die in all ihren philanthropischen Ansichten so verflucht prosaisch ist und so hinkt, und in der ich wol Fanfarranden aber keine Jugend sehe – so wollte mir es vorkommen, als sey eine große Zeit vorübergegangen. Aber nichts mehr davon, denn ich habe mir vorgenommen in meinen Briefen an Euch nie diesen Punct zu berühren, und hab es bis jetzt gehalten; nur bey der Simplonstraße wird es schwer. Ich habe es mir gar nicht aus dem Sinne bringen können, daß <persName xml:id="persName_29bf8645-bc55-4fb0-bec2-4391333619f9">Napoleon<name key="PSN0111152" style="hidden">Frankreich, Napoléon I. Bonaparte von (1769-1821)</name></persName> das Werk, eine seiner Lieblingsideen, niemals gesehen hat. Er ist nie über den Simplon gekommen, und hat die Freude daran nicht genossen. Der ganze Weg muß einen auch bescheiden machen, wenn nicht ohnehin dafür gesorgt wäre. Denn wenn man nun bey den tollen Gletschern vorbey muß und bey den schwarzen Felsschneebergen, die da ihr Wesen treiben mit Lawinen, Donnern, Wasserfällen, Eisgängen und allem Spuk, so ruhig als geb es überhaupt gar keine Menschen, da kann man sich mancherley dabey denken. Oben im Dorfe Simplon ist es ganz kahl, überall grünes Moos und seit anderthalb Jahren fror mich einmal wieder so recht herzhaft. Eine nette französische höfliche Frau hat oben ein Wirthshaus, und auch das ist schwer zu beschreiben, wie wohl einem die dürftige Reinlichkeit thut, die nie in Italien zu finden ist. Aber es muß gerühmt werden, daß ich dort zu Mittag aß und dabey das Fletschhorn aus dem Fenster sah. Dann ging es hinunter ins Wallis bis Brieg, wo ich die Nacht blieb, und voll Vergnügen wieder einmal unter den ehrlichen, natürlichen, deutschsprechenden Leuten zu leben, die mich dann auch ganz infam geprellt und betrogen haben. Den folgenden Tag fuhr ich das Wallis hinunter, eine wunderliebliche Fahrt; der ganze Weg ist so, wie Ihr in der Schweiz sie kennt, zwischen zwei hohen Bergreihen, über die hier und dort Schneespitzen gucken; in Alleen von dicken frischen Nußbäumen, die neben den zierlichen braunen Häusern stehen, die wilde graue Rhone hinunter, bey Leuk vorüber, alle Viertelstunde ein Ort mit einer kleinen Kirche, ich nahm einen Pfarrer, der zu Fuß ging, eine Strecke in den char à banc und wir kannegießerten, gegen Abend bey Riddes werden die Felsformen furchtbar toll, wie ich sie fast nie in den Alpen gesehn hatte und dabey bleibt vorne immer das liebliche Land; kurz darauf zeigte der Kutscher auf einen weißen Streif in der fernen Dämmrung und sagte, da sey die Pissevache, und so sah ich dann von Weitem den Punct wo wir umgekehrt waren und dachte daran. Von Martigny aus reiste ich nun zum erstenmal in meinem Leben veritabel zu Fuß, und zwar weil mir die Führer zu theuer waren, erst ganz allein, meinen Mantel und das Gepäck auf den Schultern; nach ein Paar Stunden fand ich einen dicken Bauerjungen, der zugleich Führer und Träger wurde, und so ging es über den Forclas nach Trient, einem kleinen Senndorfe, wo ich Milch und Honig frühstückte; von da aus auf den Col de Balme. Da lag dann das ganze Chamounithal mit dem Montblanc und allen Gletschern, wie sie herabsinken, vor mir im Sonnenschein. Eine Gesellschaft Damen und Herren zu Maulthier mit vielen Führern zog von da herauf und erinnerte mich sehr an unsre ehemalige Caravane, so daß ich mit den Leuten Bekanntschaft und einer jungen schönen Dame die Cour machte, wir haben aber leider kein Wort mit einander gesprochen. Kaum waren wir alle zusammen oben unter Dach, so kam ein zarter Nebel und hüllte erst die Berge, dann das Thal dann Alles so dicht ein, daß von da an nichts mehr zu sehen war. Die Damen fürchteten sich in den Nebel hineinzugehen, als ob sie nicht oben auch drin wären, endlich reis’ten sie doch ab, und ich sah aus dem Fenster dem wunderlichen Schauspiel zu, wie die Caravane das Haus verließ, lachend, laut sprechend, Französisch, Englisch, Patois; dann wurden die Stimmen undeutlich, dann gleich auch die Gestalten, ganz zuletzt ging noch die schöne Dame mit ihrem weiten schottischen Mantel, dann sah man nur noch graue Schatten hie und dort, dann waren sie ganz weg. Wenige Minuten drauf sprang ich von der andern Seite mit meinem Führer den Berg hinunter, wir kamen bald wieder in den Sonnenschein, dann ins grüne Chamounithal mit seinen Gletschern, endlich hier in die union. Eben komme ich von einem Spaziergang auf den Montanvert, das mer de glace und der Quelle des Arveiron her; diese Herrlichkeit kennt Ihr, und so werdet Ihr es verzeihen, daß ich statt morgen nach Genf zu fahren (weil ich den 1<hi rend="superscript">sten</hi> Aug. angegeben hatte) erst die Tour um den Montblanc mache, damit ich den Herrn auch von der Südseite kennen lerne, die noch gewaltiger sein soll. Einen sehr guten Führer hab ich und wenn Gott schön Wetter und Gelingen schenkt, so kann die Reise wieder prächtig werden; in 5 Tagen bin ich dann, so Gott will, in Genf. Das einzige fatale dabey ist, daß ich Eure Briefe nicht eher bekommen kann, aber der Himmel wird geben daß sie froh und Ihr alle gesund und glücklich seid, wie ich es hoffe.</p><p>Liebe <persName xml:id="persName_732e3766-b769-4634-8c00-f4eb205e4a81">Eltern<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name><name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, wie ich an Euch jetzt täglich durch alle Umgebungen erinnert werde könnt Ihr Euch nicht denken. Auf dem lago maggiore sah ich mir die <persName xml:id="persName_6a2adf52-a76e-47ab-8a97-e4e5f1e138e4">Bleulers<name key="PSN0109975" style="hidden">Bleuler, Johann Heinrich (1758-1823)</name></persName> in der rothen Stube an, auf dem Simplon die kleinen lackierten Bilder im Gartenhause, hier ist der Saal wo der Engländer <persName xml:id="persName_e8e7f21e-99c1-4edf-9bc5-771f949a6ee5">Mariane Saalings<name key="PSN0114390" style="hidden">Saaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868)</name></persName> Hand bewunderte und Ihr den Abend mit <persName xml:id="persName_ce63d6e4-866f-4eb5-bf45-2902cc0e6f80">Augustin Perier<name key="PSN0113809" style="hidden">Périer, Augustin Charles (1773-1833)</name></persName> zubrachtet. <persName xml:id="persName_6eeaa6ff-0251-4b0c-9dd1-10f11f294a86">Sein Bruder<name key="PSN0113810" style="hidden">Périer, Casimir Pierre (1777-1832)</name></persName> ist ein ziemlich bedeutender Mann geworden seitdem, er selbst ist nicht wiedergewählt in der Kammer, da hat sich Alles verändert; auch hier ist es anders geworden in der Zeit, neue Häuser, ein kleiner Garten am Fluß, hôtels, Bäder, alles größer, reicher und schöner; so Gott will ist das Alles mit uns nicht der Fall und wie danke ich ihm dafür, wenn wir uns unverändert wiedersehen, es sey, wo es sey<seg type="closer" xml:id="seg_24cfd00b-5f15-44e6-a861-637e8da0f049">. Lebt wohl. </seg></p><signed rend="right">Euer</signed><signed rend="right">Felix MB.</signed></div></body> </text></TEI>