]> Brief: fmb-1831-07-09-02

fmb-1831-07-09-02

Hilfe zum Zitier-Tool

Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.

Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.


Felix Mendelssohn Bartholdy an Friedrich Rosen in London <lb></lb> Mailand, 9. Juli 1831 Hast Du denn noch nicht ganz und gar vergessen, daß solch ein Mensch wie der, der eben an Dich schreibt, in der Welt ist? Fast seit ich aus London fort bin, habe ich nichts wieder Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 2, 441

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Deutschland Berlin D-B Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Musikabteilung MA Nachl. 7,54,6. Abschrift fremder Hand Felix Mendelssohn Bartholdy an Friedrich Rosen in London; Mailand, 9. Juli 1831 Hast Du denn noch nicht ganz und gar vergessen, daß solch ein Mensch wie der, der eben an Dich schreibt, in der Welt ist? Fast seit ich aus London fort bin, habe ich nichts wieder

4 beschr. S., Adresse (Angaben laut Katalog), mehrere Poststempel. – Die Abschrift weist Korrekturen offensichtlicher Lesefehler von fremder Hand auf. Sie werden in der Transkription berücksichtigt. Streichungen in der Abschrift – diese gehen nicht auf Felix Mendelssohn Bartholdy zurück – werden an den entsprechenden Stellen vermerkt. Mr. P. Mendelssohn Bartholdy. pour remettre à Mr: prof: Fr. Rosen

Unbekannt

-

Anzeiger für Musik und musikalische Interessen, Bunzlau 1. Januar 1860, S. 1 f., und 10. Januar 1860, S. 1.
Aab Z. 94 (»Contrast auf meiner Reise«) nach Sotheby’s, London, Auktion 17. Mai 2002, Nr. 124 (mit Faksimile der zweiten Seite, S. 102). - - - - - - Felix Mendelssohn Bartholdy an Friedrich Rosen in London; Mailand, 9. Juli 1831 -

-

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

9. Juli 1831 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mailand Italien Rosen (bis 1817: Ballhorn), Friedrich August (1805-1837) London Großbritannien deutsch
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mailand den 9. Juli 1831.Lieber Rosen.

Hast Du denn noch nicht ganz und gar vergessen, daß solch ein Mensch wie der, der eben an Dich schreibt, in der Welt ist? Fast seit ich aus London fort bin, habe ich nichts wieder von Dir gehört, einen einzigen Brief ausgenommen. Und das ist doch nicht recht. Ich denke wir standen (und ich kann wohl auch sagen wir stehen) einander viel zu nahe, als daß wir so ganz und gar auf lange Zeit ohne Verbindung hätten bleiben sollen. Oder erinnerst Du Dich des Abends in Portland Street nicht mehr, wo wir nach einer JohnstonschenJohnston, (seit 1811) Sir Alexander (1775-1849) Soirée auf und abgingen, über Marianne S.Saaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868) sprachen, und einander kennen lernten? Es sind uns beiden wohl seitdem viele bunte Gestalten und Erscheinungen vorübergegangen, aber ich hoffe die halten wir doch fest. So klage ich mich selbst nun mit an, daß es bei mir auch erst einer besondern Veranlassung bedurfte, an Dich zu schreiben, und daß ich es nicht schon längst gethan. Aber in der ersten Zeit in Italien ist man wohl ganz schwindlich und weiß wenig zu sagen von all dem Ewigen, wovon man umgeben ist; dann nahm die Correspondenz mit den ElternMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) und GeschwisternMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) mich viel in Anspruch, hauptsächlich aber störte es mich, daß ich auf mehrere Briefe, namentlich auf einen aus Rom von KlingemannKlingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862) keine Antwort erhielt. Ich dachte mir nur, Gott weiß wie Ihr Alle Euch verändert haben könntet, ob Ihr noch dieselben innerlich und äußerlich wäret, und was man eben denkt, wenn man verwirrt und verstimmt ist. Seit aber Paul geschrieben hat, daß Du, in tausend ernsthafte Arbeiten vertieft, immer die beste Zeit zu Allem hast, die weitesten Wege nicht scheust, um Menschen ein Vergnügen zu machen, niemals von Dir sprichst, und an Dich denkst, sondern nur immer an und für andre, – seitdem weiß ich eben, daß der alte, derselbe RosenRosen (bis 1817: Ballhorn), Friedrich August (1805-1837) noch in London, und nicht ein neuer, und nicht ein anderer geworden ist, und wie ich denn nun so täglich an Euch alle denke, Euch lieben Freunde, und mich aus den lachendsten, reizendsten Blüthengegenden in Euren Steinkohlenrauch hinwünsche, da kann ich es denn heute einmal nicht lassen, Dir zu schreiben, wenn ich auch Dir nichts mitzutheilen weiß, das Dich interessiren kann. Ich möchte auch wieder Deine Chinesische Hand sehen, und darum antworte Du mir, und sage mir, ob Du noch mein Freund bist. Dann schreib mir von Allem dort, von Deinem Leben und unsern Bekannten allen, und ob Du immer in Thornha … ugh (ich weiß wahrhaftig den Namen nicht mehr recht, ich glaube, er war so, auf jeden Fall war die Gegend verdächtig) wohnst, und etwas aus Stamfordhill, Cumberland place dem conferirenden, und der Nr 18, und von Misses AustinAustin, Sarah (1793-1867), that delightfull woman, than whom. – Du weist noch unsere englischen Phrasen. Kurz schreib mir ein Paar Worte, und darunter schreib F Rosen; es wird mir wohl thun.

Wie schön und unvergeßlich ich den Winter zugebracht habe, wird Dir mein BruderMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) wohl erzählen; ich kann davon nichts einzelnes herausheben. Der Aufenthalt in Rom ist zu sehr ein Ganzes; er macht ernsthaft, und fürs ganze Leben reicher. Seitdem hat sich mir nun auch das heutige Italien aufgethan, und wenn das auch der elendste, betrübendste Anblick von der Welt ist, erniedrigend für jeden, der die Menschen lieb hat, so gehört doch auch dieser schneidendste Contrast noch mit dazu, um den Eindruck des ganzen, phantastischen Landes so gewaltig und scharf zu machen, wie er ist. Da sieht man ein Volk, das wirklich weit unter den gebildeten Völkern in Europa steht, jede künstlerische Idee verschwunden, und so auch jeder Sinn für Kunst, ohne Liebe zu einander, ohne Glauben an irgend etwas, außer an ihren selbst gemachten, abgeschmackten Aberglauben, und so treiben sie sich müssig ihre Tage herum, umgeben von den Denkmälern ihrer Landsleute, aus denen überall der höchste frischeste Lebensgeist, tiefe Andacht, Feuer und Wärme, und die innerste Freude an allem Schönen sprüht. Wenn ich Dir sage, daß die elendesten, buntgeschmierten Schenkenschilder nicht ärger aussehen, als die Bilder, die die Italiener auf die Ausstellung auf dem CapitolKapitolRomItalien gegeben hatten, wo nur von Franzosen und Deutschen hübsche Sachen waren und wo man gewiß seyn konnte, wenn man ein ganz lächerliches, entweder burlesk übertriebenes oder ClaurenschClauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854) weichliches Bild sah, einen italienischen Namen darunter zu finden, – daß dies in Neapel womöglich noch ärger war, – wenn ich Dir sage, daß ich seit der ganzen Zeit, die ich hier bin, keinen Ton Musik gehört habe; die guten Italiener gehen nach London oder Paris, ziehen die Mittelmäßigen nach und nur die schlechtesten bleiben im Vaterlande; daß ich auf öffentlichen Gebäuden lateinische Inschriften mit Schulschnitzern sah, die ich bemerkte – Du wirst es nicht glauben, so wörtlich wahr es ist! Es wäre zu vergessen – man könnte sich an Natur und Vorzeit halten, und so habe ich es in Rom gethan und da war ich glücklich. Aber sie umbauen beide auch nach Kräften, und den augenblicklichen Genuß können sie doch zuweilen verbittern. Recht klar ist solch ein Contrast, wenn ich meine kleine Ausgabe von TassoTasso, Torquato (1544-1595) oder AriostAriosto (Ariost), Ludovico (1474-1533) in die Hand nehme; vor dem AriostAriosto (Ariost), Ludovico (1474-1533) ist eine lange Vorrede von einem Professor, worin er auch sagt, wie der Dichter sich durch seine Unmoralität und Sittenlosigkeit natürlich selbst degradirt habe in den Augen der Bessern, und wie es doch Schade sey um sein unläugbares Talent. Vor dem TassoTasso, Torquato (1544-1595) sagt ein anderer Professor, wie klug jener vortreffliche Fürst AlphonsEste, Alfonso II. d’, Duca di Ferrara, Modena e Reggio (1533-1597) gehandelt habe, daß er diesen Murrkopf habe ein Paar Jahre einstecken lassen. Er hätte ihn ganz richtig durchschaut, und das sey das einzige Mittel gewesen, um mit ihm auszukommen, da er immer toll gewesen sey. Dann folgt das zarte Gedicht in all seiner Lieblichkeit. Mich wundert, daß die Dinte nicht roth geworden ist, mit der solche Frechheit geschrieben wurde. Ich bekam hiervon in Neapel eine Idee, wo ich mit dem Volk und seinem Leben bekannt zu werden suchte, mit einigen Italiener Gelehrten (a non) und Künstlern (auch a non) zusammen kam und wo mir der Widerspruch ihrer trocknen, kalten Denkungsart, und des tiefen Elends im Volk, mit der immer lachenden, immer blühenden warmen Natur grell auffiel. Oft ist mir grade dies Lachende, Freundliche der Natur dadurch ganz verbittert worden. Zuerst war mir dies freilich in Rom, Ende des Winters, entgegengetreten, während der Begebenheiten, die Du aus den Zeitungen kennst, und da ich sie alle dort erlebt, mit angesehen, und grade auf die Italiener besonders aufgepaßt habe, so konnte ich auch über sie eher ein Urtheil mir bilden, als viele, die länger hier waren. Ich kann wohl sagen, daß ich sie kennen gelernt habe, denn ich habe sie in den wichtigsten Momenten gesehen, und man spreche mir nur nicht von liebenswürdiger Leichtigkeit, Anlagen und dergl.; gewisse Sachen sollen schwer genommen werden, und wer gar keine Gesinnung hat, dem hilft auch die Anlage (gäb’ es dergleichen, sagt CasperCasper, Johann Ludwig (1796-1864)) nicht. Am allertollsten hatte ich den Contrast auf meiner Reise von Rom nach Florenz vor einigen Wochen. Da saß ich im Cabriolet neben einer Venetianerinn; wir machten Bekanntschaft, und nach der ersten Tagereise wurde sie so entsetzlich frivol, verliebt etc. daß ich es nicht mehr aushalten konnte, und in das Innre des Wagens floh. Hier saßen drei Jesuiten und ich hatte die andere Kehrseite; sie erzählten von einem Mönch in Rom, der sich in der entsetzlichen Hitze Tags mit flanellen Decken zudecke, und sich das schwitzende Gesicht von unzähligen Fliegen bedecken lasse, ohne sie zu verjagen; der sey ein rechter, wahrer Märtyrer; der eine sagte die Thiere seyen vom lieben Gott geschaffen, als Stufenleiter für den Menschen um dran zu Gott hinaufzusteigen, und sie misbrauchten sie in ihrer Verkehrtheit dazu, um sich von Gott zu entfernen (was das heißen soll, darüber frag einmal den Erzbischof von Canterbury; ich kann es nicht verstehen) Dann brach die Achse, und sie sagten, das sey die göttliche Strafe dafür, daß wir den Sonntag von Rom abgereis’t seien; kurz es dauerte nicht lange, so mußte ich wieder zur Venezianerinn hinaus. Dann trieb die es wieder so arg, daß ich zu den Jesuiten mußte. So kamen wir beym Trasimenischen See, bei der Kirche von AssisiBasilika San FrancescoAssisiItalien vorüber, die ganz und gar mit Freskobildern von Perugino<name key="PSN0113822" style="hidden" type="author">Perugino (eigtl. Pietro di Cristoforo Vannucci) (?-1523)</name><name key="CRT0110306" style="hidden" type="art">Kreuzigung</name>, Giotto<name key="PSN0111379" style="hidden" type="author">Giotto di Bondone (eigtl. Angiolotto di B.) (1266-?)</name><name key="CRT0108788" style="hidden" type="art">Szenen aus dem Leben des Hl. Franziskus</name>, Cimabue<name key="PSN0110394" style="hidden" type="author">Cimabue, Giovanni (1240-1302)</name><name key="CRT0108444" style="hidden" type="art">Die Jungfrau Maria mit Engeln und dem hl. Franziskus auf dem Thron</name> u. s. w. bedeckt ist, die breiten Fenster bunt bemalt, das ganze Gebäude dämmrig, fast dunkel, niedrig, die Gestalten der Bilder nur kaum vorschimmernd, am Hochaltar hinten viel kniende betende Leute; über der Kirche ist noch eine andre gebaut, die aber verschlossen gehalten wird, und tritt man nun hinein, so steht das leere einsame Gebäude mit seinem reichen Chorgestühl, mit den bemalten Fenstern und Wänden, den verzierten Bogengängen, den langen Säulenschatten, so ruhig still da, als seyen die Leute eben weggegangen, die es so hingestellt. Da kam ich nun ganz glücklich, und voll Andacht und Erinnerung hinaus, und das Land umher ist so fruchtbar und reich, und wieder empfing mich die liederliche Venetianerinn und die abergläubischen Mönche. Die Reise war um verdreht zu werden, und täglich sieht man dieser Widersprüche neue. Wie ich von Genua hieher mit Tänzern und Sängerinnen gereis’t bin, die sich Kleider aufstreiften, um Flöhe zu suchen, wie Genua die nobelste, vornehmste Stadt noch heut dem Ansehn nach ist, wie heiter und vergnügt ich da gelebt habe ein Paar Tage lang, wie ich mich mehrere Male habe mit dem Knüppel habe durchschlagen müssen, u. v. a. erzähl ich Dir einmal mündlich. Der Brief ist schon zu lang, und ich habe am Ende nicht Recht gethan, Dir so viel von der Italiänischen Unreinlichkeit (der geistigen und körperlichen) zu schreiben und zu schicken. Du Bramine liebst so was nicht. Aber innerlich bin ich auch ein Indianer und denke Ikojanatschi; das muß in jedem Briefe vorkommen, den ich Dir schreibe. Dafür kannst Du mir, wenn Du willst, folgende Noten zurückschreiben<name key="PSN0111893" style="hidden" type="author">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="CRT0111448" style="hidden" type="music">»Die Sommernacht« (»Wenn der Schimmer von dem Monde«) für eine Singstimme und Klavier HU 209 (12. September 1827)</name>.

Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe. thue es aber!

Guten Abend, lieber Rosen, ich glaube ich habe Dir zu viel vorgeplaudert, aber Du weißt ich kann schwer schließen, wenn ich erst einmal ins Plaudern komme. Das laß Du mich aber nicht entgelten; sondern schreib mir, und addressire Deinen Brief an Mr. DiodatiDiodati, Alexandre Amédée Edouard (1787-1860), professeur de l’université, pour remettre à Mr. F. M. B. à Genêve. Denn nach Genf soll es nun zunächst gehen, und durch die Schweiz, über München nach Paris, und dann im Frühjahr, so Gott will, nach London. Dann wollen wir uns wiedersehen. Bis dahin ist es noch weit, an Zeit und Raum; aber sie vergehn beide schnell und drum bleibe Du mir immer nah und sey mir Freund. Lebewohl. Dein

Felix MB.
            Mailand den 9. Juli 1831. Lieber Rosen.
Hast Du denn noch nicht ganz und gar vergessen, daß solch ein Mensch wie der, der eben an Dich schreibt, in der Welt ist? Fast seit ich aus London fort bin, habe ich nichts wieder von Dir gehört, einen einzigen Brief ausgenommen. Und das ist doch nicht recht. Ich denke wir standen (und ich kann wohl auch sagen wir stehen) einander viel zu nahe, als daß wir so ganz und gar auf lange Zeit ohne Verbindung hätten bleiben sollen. Oder erinnerst Du Dich des Abends in Portland Street nicht mehr, wo wir nach einer Johnstonschen Soirée auf und abgingen, über Marianne S. sprachen, und einander kennen lernten? Es sind uns beiden wohl seitdem viele bunte Gestalten und Erscheinungen vorübergegangen, aber ich hoffe die halten wir doch fest. So klage ich mich selbst nun mit an, daß es bei mir auch erst einer besondern Veranlassung bedurfte, an Dich zu schreiben, und daß ich es nicht schon längst gethan. Aber in der ersten Zeit in Italien ist man wohl ganz schwindlich und weiß wenig zu sagen von all dem Ewigen, wovon man umgeben ist; dann nahm die Correspondenz mit den Eltern und Geschwistern mich viel in Anspruch, hauptsächlich aber störte es mich, daß ich auf mehrere Briefe, namentlich auf einen aus Rom von Klingemann keine Antwort erhielt. Ich dachte mir nur, Gott weiß wie Ihr Alle Euch verändert haben könntet, ob Ihr noch dieselben innerlich und äußerlich wäret, und was man eben denkt, wenn man verwirrt und verstimmt ist. Seit aber Paul geschrieben hat, daß Du, in tausend ernsthafte Arbeiten vertieft, immer die beste Zeit zu Allem hast, die weitesten Wege nicht scheust, um Menschen ein Vergnügen zu machen, niemals von Dir sprichst, und an Dich denkst, sondern nur immer an und für andre, – seitdem weiß ich eben, daß der alte, derselbe Rosen noch in London, und nicht ein neuer, und nicht ein anderer geworden ist, und wie ich denn nun so täglich an Euch alle denke, Euch lieben Freunde, und mich aus den lachendsten, reizendsten Blüthengegenden in Euren Steinkohlenrauch hinwünsche, da kann ich es denn heute einmal nicht lassen, Dir zu schreiben, wenn ich auch Dir nichts mitzutheilen weiß, das Dich interessiren kann. Ich möchte auch wieder Deine Chinesische Hand sehen, und darum antworte Du mir, und sage mir, ob Du noch mein Freund bist. Dann schreib mir von Allem dort, von Deinem Leben und unsern Bekannten allen, und ob Du immer in Thornha … ugh (ich weiß wahrhaftig den Namen nicht mehr recht, ich glaube, er war so, auf jeden Fall war die Gegend verdächtig) wohnst, und etwas aus Stamfordhill, Cumberland place dem conferirenden, und der Nr 18, und von Misses Austin, that delightfull woman, than whom. – Du weist noch unsere englischen Phrasen. Kurz schreib mir ein Paar Worte, und darunter schreib F Rosen; es wird mir wohl thun.
Wie schön und unvergeßlich ich den Winter zugebracht habe, wird Dir mein Bruder wohl erzählen; ich kann davon nichts einzelnes herausheben. Der Aufenthalt in Rom ist zu sehr ein Ganzes; er macht ernsthaft, und fürs ganze Leben reicher. Seitdem hat sich mir nun auch das heutige Italien aufgethan, und wenn das auch der elendste, betrübendste Anblick von der Welt ist, erniedrigend für jeden, der die Menschen lieb hat, so gehört doch auch dieser schneidendste Contrast noch mit dazu, um den Eindruck des ganzen, phantastischen Landes so gewaltig und scharf zu machen, wie er ist. Da sieht man ein Volk, das wirklich weit unter den gebildeten Völkern in Europa steht, jede künstlerische Idee verschwunden, und so auch jeder Sinn für Kunst, ohne Liebe zu einander, ohne Glauben an irgend etwas, außer an ihren selbst gemachten, abgeschmackten Aberglauben, und so treiben sie sich müssig ihre Tage herum, umgeben von den Denkmälern ihrer Landsleute, aus denen überall der höchste frischeste Lebensgeist, tiefe Andacht, Feuer und Wärme, und die innerste Freude an allem Schönen sprüht. Wenn ich Dir sage, daß die elendesten, buntgeschmierten Schenkenschilder nicht ärger aussehen, als die Bilder, die die Italiener auf die Ausstellung auf dem Capitol gegeben hatten, wo nur von Franzosen und Deutschen hübsche Sachen waren und wo man gewiß seyn konnte, wenn man ein ganz lächerliches, entweder burlesk übertriebenes oder Claurensch weichliches Bild sah, einen italienischen Namen darunter zu finden, – daß dies in Neapel womöglich noch ärger war, – wenn ich Dir sage, daß ich seit der ganzen Zeit, die ich hier bin, keinen Ton Musik gehört habe; die guten Italiener gehen nach London oder Paris, ziehen die Mittelmäßigen nach und nur die schlechtesten bleiben im Vaterlande; daß ich auf öffentlichen Gebäuden lateinische Inschriften mit Schulschnitzern sah, die ich bemerkte – Du wirst es nicht glauben, so wörtlich wahr es ist! Es wäre zu vergessen – man könnte sich an Natur und Vorzeit halten, und so habe ich es in Rom gethan und da war ich glücklich. Aber sie umbauen beide auch nach Kräften, und den augenblicklichen Genuß können sie doch zuweilen verbittern. Recht klar ist solch ein Contrast, wenn ich meine kleine Ausgabe von Tasso oder Ariost in die Hand nehme; vor dem Ariost ist eine lange Vorrede von einem Professor, worin er auch sagt, wie der Dichter sich durch seine Unmoralität und Sittenlosigkeit natürlich selbst degradirt habe in den Augen der Bessern, und wie es doch Schade sey um sein unläugbares Talent. Vor dem Tasso sagt ein anderer Professor, wie klug jener vortreffliche Fürst Alphons gehandelt habe, daß er diesen Murrkopf habe ein Paar Jahre einstecken lassen. Er hätte ihn ganz richtig durchschaut, und das sey das einzige Mittel gewesen, um mit ihm auszukommen, da er immer toll gewesen sey. Dann folgt das zarte Gedicht in all seiner Lieblichkeit. Mich wundert, daß die Dinte nicht roth geworden ist, mit der solche Frechheit geschrieben wurde. Ich bekam hiervon in Neapel eine Idee, wo ich mit dem Volk und seinem Leben bekannt zu werden suchte, mit einigen Italiener Gelehrten (a non) und Künstlern (auch a non) zusammen kam und wo mir der Widerspruch ihrer trocknen, kalten Denkungsart, und des tiefen Elends im Volk, mit der immer lachenden, immer blühenden warmen Natur grell auffiel. Oft ist mir grade dies Lachende, Freundliche der Natur dadurch ganz verbittert worden. Zuerst war mir dies freilich in Rom, Ende des Winters, entgegengetreten, während der Begebenheiten, die Du aus den Zeitungen kennst, und da ich sie alle dort erlebt, mit angesehen, und grade auf die Italiener besonders aufgepaßt habe, so konnte ich auch über sie eher ein Urtheil mir bilden, als viele, die länger hier waren. Ich kann wohl sagen, daß ich sie kennen gelernt habe, denn ich habe sie in den wichtigsten Momenten gesehen, und man spreche mir nur nicht von liebenswürdiger Leichtigkeit, Anlagen und dergl. ; gewisse Sachen sollen schwer genommen werden, und wer gar keine Gesinnung hat, dem hilft auch die Anlage (gäb’ es dergleichen, sagt Casper) nicht. Am allertollsten hatte ich den Contrast auf meiner Reise von Rom nach Florenz vor einigen Wochen. Da saß ich im Cabriolet neben einer Venetianerinn; wir machten Bekanntschaft, und nach der ersten Tagereise wurde sie so entsetzlich frivol, verliebt etc. daß ich es nicht mehr aushalten konnte, und in das Innre des Wagens floh. Hier saßen drei Jesuiten und ich hatte die andere Kehrseite; sie erzählten von einem Mönch in Rom, der sich in der entsetzlichen Hitze Tags mit flanellen Decken zudecke, und sich das schwitzende Gesicht von unzähligen Fliegen bedecken lasse, ohne sie zu verjagen; der sey ein rechter, wahrer Märtyrer; der eine sagte die Thiere seyen vom lieben Gott geschaffen, als Stufenleiter für den Menschen um dran zu Gott hinaufzusteigen, und sie misbrauchten sie in ihrer Verkehrtheit dazu, um sich von Gott zu entfernen (was das heißen soll, darüber frag einmal den Erzbischof von Canterbury; ich kann es nicht verstehen) Dann brach die Achse, und sie sagten, das sey die göttliche Strafe dafür, daß wir den Sonntag von Rom abgereis’t seien; kurz es dauerte nicht lange, so mußte ich wieder zur Venezianerinn hinaus. Dann trieb die es wieder so arg, daß ich zu den Jesuiten mußte. So kamen wir beym Trasimenischen See, bei der Kirche von Assisi vorüber, die ganz und gar mit Freskobildern von Perugino, Giotto, Cimabue u. s. w. bedeckt ist, die breiten Fenster bunt bemalt, das ganze Gebäude dämmrig, fast dunkel, niedrig, die Gestalten der Bilder nur kaum vorschimmernd, am Hochaltar hinten viel kniende betende Leute; über der Kirche ist noch eine andre gebaut, die aber verschlossen gehalten wird, und tritt man nun hinein, so steht das leere einsame Gebäude mit seinem reichen Chorgestühl, mit den bemalten Fenstern und Wänden, den verzierten Bogengängen, den langen Säulenschatten, so ruhig still da, als seyen die Leute eben weggegangen, die es so hingestellt. Da kam ich nun ganz glücklich, und voll Andacht und Erinnerung hinaus, und das Land umher ist so fruchtbar und reich, und wieder empfing mich die liederliche Venetianerinn und die abergläubischen Mönche. Die Reise war um verdreht zu werden, und täglich sieht man dieser Widersprüche neue. Wie ich von Genua hieher mit Tänzern und Sängerinnen gereis’t bin, die sich Kleider aufstreiften, um Flöhe zu suchen, wie Genua die nobelste, vornehmste Stadt noch heut dem Ansehn nach ist, wie heiter und vergnügt ich da gelebt habe ein Paar Tage lang, wie ich mich mehrere Male habe mit dem Knüppel habe durchschlagen müssen, u. v. a. erzähl ich Dir einmal mündlich. Der Brief ist schon zu lang, und ich habe am Ende nicht Recht gethan, Dir so viel von der Italiänischen Unreinlichkeit (der geistigen und körperlichen) zu schreiben und zu schicken. Du Bramine liebst so was nicht. Aber innerlich bin ich auch ein Indianer und denke Ikojanatschi; das muß in jedem Briefe vorkommen, den ich Dir schreibe. Dafür kannst Du mir, wenn Du willst, folgende Noten zurückschreiben.
thue es aber!
Guten Abend, lieber Rosen, ich glaube ich habe Dir zu viel vorgeplaudert, aber Du weißt ich kann schwer schließen, wenn ich erst einmal ins Plaudern komme. Das laß Du mich aber nicht entgelten; sondern schreib mir, und addressire Deinen Brief an Mr. Diodati, professeur de l’université, pour remettre à Mr. F. M. B. à Genêve. Denn nach Genf soll es nun zunächst gehen, und durch die Schweiz, über München nach Paris, und dann im Frühjahr, so Gott will, nach London. Dann wollen wir uns wiedersehen. Bis dahin ist es noch weit, an Zeit und Raum; aber sie vergehn beide schnell und drum bleibe Du mir immer nah und sey mir Freund. Lebewohl. Dein
Felix MB.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1831-07-09-02" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1831-07-09-02" xml:id="title_bbf4d142-0f47-4a55-bec6-e2fb40518939">Felix Mendelssohn Bartholdy an Friedrich Rosen in London <lb></lb> Mailand, 9. Juli 1831</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_81f99f8c-300d-4407-933a-f46b8521d1c0">Hast Du denn noch nicht ganz und gar vergessen, daß solch ein Mensch wie der, der eben an Dich schreibt, in der Welt ist? Fast seit ich aus London fort bin, habe ich nichts wieder</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_b6c391f7-a958-429c-b29a-7846dee81d41">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author> <respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 2, 441</idno> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_39aa0063-3c8f-4b2f-af9c-d9aab5123b36"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Deutschland</country> <settlement>Berlin</settlement> <institution key="RISM">D-B</institution> <repository>Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz</repository> <collection>Musikabteilung</collection> <idno type="signatur">MA Nachl. 7,54,6.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph_third_party_copy">Abschrift fremder Hand</idno> <title key="fmb-1831-07-09-02" type="letter" xml:id="title_675ae5e9-0756-440f-8dde-ec0e1e35ae8a">Felix Mendelssohn Bartholdy an Friedrich Rosen in London;  Mailand, 9. Juli 1831</title> <incipit>Hast Du denn noch nicht ganz und gar vergessen, daß solch ein Mensch wie der, der eben an Dich schreibt, in der Welt ist? Fast seit ich aus London fort bin, habe ich nichts wieder</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>4 beschr. S., Adresse (Angaben laut Katalog), mehrere Poststempel. – Die Abschrift weist Korrekturen offensichtlicher Lesefehler von fremder Hand auf. Sie werden in der Transkription berücksichtigt. Streichungen in der Abschrift – diese gehen nicht auf Felix Mendelssohn Bartholdy zurück – werden an den entsprechenden Stellen vermerkt. Mr. P. Mendelssohn Bartholdy. pour remettre à Mr: prof: Fr. Rosen </p> <handDesc hands="1"> <p>Unbekannt</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Anzeiger für Musik und musikalische Interessen, Bunzlau 1. Januar 1860, S. 1 f., und 10. Januar 1860, S. 1.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> <sourceDesc source="edition_template_printout" xml:id="sourceDesc_b9dabe7b-6160-4c2b-a4ba-db01bca6308d"> <bibl type="Faksimile-Druck">Aab Z. 94 (»Contrast auf meiner Reise«) nach Sotheby’s, London, Auktion 17. Mai 2002, Nr. 124 (mit Faksimile der zweiten Seite, S. 102).</bibl> <msDesc> <msIdentifier> <country>-</country> <settlement>-</settlement> <institution key="RISM">-</institution> <repository>-</repository> <collection>-</collection> <idno type="signatur">-</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <title key="fmb-1831-07-09-02" type="letter" xml:id="title_3b163de3-0102-4e96-b9b8-057898bd0f1c">Felix Mendelssohn Bartholdy an Friedrich Rosen in London; Mailand, 9. Juli 1831</title> <incipit>-</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>-</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-07-09" xml:id="date_d8374a08-58f8-4da7-a189-e2467f4df1bb">9. Juli 1831</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_5cff82e9-687f-424f-8493-5d3e250622fb">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_77f650ac-ef9b-4891-86eb-97ca7881a666"> <settlement key="STM0100180">Mailand</settlement> <country>Italien</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0114283" resp="receiver" xml:id="persName_2abb6154-d4a9-4a99-90ee-6a3bb9f84c65">Rosen (bis 1817: Ballhorn), Friedrich August (1805-1837)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_86381151-8e5e-436f-b3c5-e3983036da95"> <settlement key="STM0100126">London</settlement> <country>Großbritannien</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc></teiHeader> <text type="letter"><body><div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_32735fcb-dea6-4407-bd2e-990be0062923"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Mailand den <date cert="high" when="1831-07-09" xml:id="date_b14e6575-9527-4e03-b9c1-77e7017b4909">9. Juli 1831.</date></dateline><salute rend="left">Lieber Rosen.</salute><p style="paragraph_without_indent">Hast Du denn noch nicht ganz und gar vergessen, daß solch ein Mensch wie der, der eben an Dich schreibt, in der Welt ist? Fast seit ich aus London fort bin, habe ich nichts wieder von Dir gehört, einen einzigen Brief ausgenommen. Und das ist doch nicht recht. Ich denke wir standen (und ich kann wohl auch sagen wir stehen) einander viel zu nahe, als daß wir so ganz und gar auf lange Zeit ohne Verbindung hätten bleiben sollen. Oder erinnerst Du Dich des Abends in Portland Street nicht mehr, wo wir nach einer <persName xml:id="persName_91884b9a-e683-4e88-ab0e-b92c484f469c">Johnstonschen<name key="PSN0112262" style="hidden">Johnston, (seit 1811) Sir Alexander (1775-1849)</name></persName> Soirée auf und abgingen, über <persName xml:id="persName_8f194619-daf1-46f1-ab69-755fedc729a1">Marianne S.<name key="PSN0114390" style="hidden">Saaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868)</name></persName> sprachen, und einander kennen lernten? Es sind uns beiden wohl seitdem viele bunte Gestalten und Erscheinungen vorübergegangen, aber ich hoffe die halten wir doch fest. So klage ich mich selbst nun mit an, daß es bei mir auch erst einer besondern Veranlassung bedurfte, an Dich zu schreiben, und daß ich es nicht schon längst gethan. Aber in der ersten Zeit in Italien ist man wohl ganz schwindlich und weiß wenig zu sagen von all dem Ewigen, wovon man umgeben ist; dann nahm die Correspondenz mit den <persName xml:id="persName_f11b5415-d2dd-4f87-84bd-b57c14b07ef3">Eltern<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name><name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> und <persName xml:id="persName_9cb5d821-a0e2-425e-bb59-01a2de720793">Geschwistern<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name><name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> mich viel in Anspruch, hauptsächlich aber störte es mich, daß ich auf mehrere Briefe, namentlich auf einen aus Rom von <persName xml:id="persName_546be635-1317-46b2-8f55-75b5b179b5d0">Klingemann<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> keine Antwort erhielt. Ich dachte mir nur, Gott weiß wie Ihr Alle Euch verändert haben könntet, ob Ihr noch dieselben innerlich und äußerlich wäret, und was man eben denkt, wenn man verwirrt und verstimmt ist. Seit aber Paul geschrieben hat, daß Du, in tausend ernsthafte Arbeiten vertieft, immer die beste Zeit zu Allem hast, die weitesten Wege nicht scheust, um Menschen ein Vergnügen zu machen, niemals von Dir sprichst, und an Dich denkst, sondern nur immer an und für andre, – seitdem weiß ich eben, daß der alte, derselbe <persName xml:id="persName_f723fbb6-f183-4681-8dec-1c1152779bac">Rosen<name key="PSN0114283" style="hidden">Rosen (bis 1817: Ballhorn), Friedrich August (1805-1837)</name></persName> noch in London, und nicht ein neuer, und nicht ein anderer geworden ist, und wie ich denn nun so täglich an Euch alle denke, Euch lieben Freunde, und mich aus den lachendsten, reizendsten Blüthengegenden in Euren Steinkohlenrauch hinwünsche, da kann ich es denn heute einmal nicht lassen, Dir zu schreiben, wenn ich auch Dir nichts mitzutheilen weiß, das Dich interessiren kann. Ich möchte auch wieder Deine Chinesische Hand sehen, und darum antworte Du mir, und sage mir, ob Du noch mein Freund bist. Dann schreib mir von Allem dort, von Deinem Leben und unsern Bekannten allen, und ob Du immer in Thornha … ugh (ich weiß wahrhaftig den Namen nicht mehr recht, ich glaube, er war so, auf jeden Fall war die Gegend verdächtig) wohnst, und etwas aus Stamfordhill, Cumberland place dem conferirenden, und der N<hi rend="superscript">r</hi> 18, und von Miss<hi rend="superscript">es</hi> <persName xml:id="persName_dcaa3a5b-65f1-43df-8d50-03b09fa97eaf">Austin<name key="PSN0109592" style="hidden">Austin, Sarah (1793-1867)</name></persName>, that delightfull woman, <hi rend="underline">than whom</hi>. – Du weist noch unsere englischen Phrasen. Kurz schreib mir ein Paar Worte, und darunter schreib F Rosen; es wird mir wohl thun.</p><p>Wie schön und unvergeßlich ich den Winter zugebracht habe, wird Dir <persName xml:id="persName_29958e19-af95-4920-ba5c-c927ce4208f9">mein Bruder<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> wohl erzählen; ich kann davon nichts einzelnes herausheben. Der Aufenthalt in Rom ist zu sehr ein Ganzes; er macht ernsthaft, und fürs ganze Leben reicher. Seitdem hat sich mir nun auch das heutige Italien aufgethan, und wenn das auch der elendste, betrübendste Anblick von der Welt ist, erniedrigend für jeden, der die Menschen lieb hat, so gehört doch auch dieser schneidendste Contrast noch mit dazu, um den Eindruck des ganzen, phantastischen Landes so gewaltig und scharf zu machen, wie er ist. Da sieht man ein Volk, das wirklich weit unter den gebildeten Völkern in Europa steht, jede künstlerische Idee verschwunden, und so auch jeder Sinn für Kunst, ohne Liebe zu einander, ohne Glauben an irgend etwas, außer an ihren selbst gemachten, abgeschmackten Aberglauben, und so treiben sie sich müssig ihre Tage herum, umgeben von den Denkmälern ihrer Landsleute, aus denen überall der höchste frischeste Lebensgeist, tiefe Andacht, Feuer und Wärme, und die innerste Freude an allem Schönen sprüht. Wenn ich Dir sage, daß die elendesten, buntgeschmierten Schenkenschilder nicht ärger aussehen, als die Bilder, die die Italiener auf die Ausstellung auf dem <placeName xml:id="placeName_aa6d7898-1d00-4a62-beea-823e258e2b97">Capitol<name key="SGH0100252" style="hidden" subtype="" type="sight">Kapitol</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> gegeben hatten, wo nur von Franzosen und Deutschen hübsche Sachen waren und wo man gewiß seyn konnte, wenn man ein ganz lächerliches, entweder burlesk übertriebenes oder <persName xml:id="persName_57c39d13-b105-4e83-8f1e-beec409f9517">Claurensch<name key="PSN0110412" style="hidden">Clauren (eigtl. Karl Gottlob Samuel Heun), Heinrich (1771-1854)</name></persName> weichliches Bild sah, einen italienischen Namen darunter zu finden, – daß dies in Neapel womöglich noch ärger war, – wenn ich Dir sage, daß ich seit der ganzen Zeit, die ich hier bin, keinen Ton Musik gehört habe; die guten Italiener gehen nach London oder Paris, ziehen die Mittelmäßigen nach und nur die schlechtesten bleiben im Vaterlande; daß ich auf öffentlichen Gebäuden lateinische Inschriften mit Schulschnitzern sah, die <hi rend="underline">ich</hi> bemerkte – Du wirst es nicht glauben, so wörtlich wahr es ist! Es wäre zu vergessen – man könnte sich an Natur und Vorzeit halten, und so habe ich es in Rom gethan und da war ich glücklich. Aber sie umbauen beide auch nach Kräften, und den augenblicklichen Genuß können sie doch zuweilen verbittern. Recht klar ist solch ein Contrast, wenn ich meine kleine Ausgabe von <persName xml:id="persName_61f74fba-0590-41ac-9fe4-0bf52076ccc7">Tasso<name key="PSN0115248" style="hidden">Tasso, Torquato (1544-1595)</name></persName> oder <persName xml:id="persName_d3fe2646-a07c-422c-9e86-7d0be36ca4aa">Ariost<name key="PSN0109522" style="hidden">Ariosto (Ariost), Ludovico (1474-1533)</name></persName> in die Hand nehme; vor dem <persName xml:id="persName_599e85aa-7a47-448f-ac6a-5a100f76eaa8">Ariost<name key="PSN0109522" style="hidden">Ariosto (Ariost), Ludovico (1474-1533)</name></persName> ist eine lange Vorrede von einem Professor, worin er auch sagt, wie der Dichter sich durch seine Unmoralität und Sittenlosigkeit natürlich selbst degradirt habe in den Augen der Bessern, und wie es doch Schade sey um sein unläugbares Talent. Vor dem <persName xml:id="persName_5fb1280c-dd34-4f1a-b9e5-7cafc944af97">Tasso<name key="PSN0115248" style="hidden">Tasso, Torquato (1544-1595)</name></persName> sagt ein anderer Professor, wie klug jener vortreffliche <persName xml:id="persName_fe867c42-3208-4e0d-946b-e01742dbe13a">Fürst Alphons<name key="PSN0110956" style="hidden">Este, Alfonso II. d’, Duca di Ferrara, Modena e Reggio (1533-1597)</name></persName> gehandelt habe, daß er diesen Murrkopf habe ein Paar Jahre einstecken lassen. Er hätte ihn ganz richtig durchschaut, und das sey das einzige Mittel gewesen, um mit ihm auszukommen, da er immer toll gewesen sey. Dann folgt das zarte Gedicht in all seiner Lieblichkeit. Mich wundert, daß die Dinte nicht roth geworden ist, mit der solche Frechheit geschrieben wurde. Ich bekam hiervon in Neapel eine Idee, wo ich mit dem Volk und seinem Leben bekannt zu werden suchte, mit einigen Italiener Gelehrten (a non) und Künstlern (auch a non) zusammen kam und wo mir der Widerspruch ihrer trocknen, kalten Denkungsart, und des tiefen Elends im Volk, mit der immer lachenden, immer blühenden warmen Natur grell auffiel. Oft ist mir grade dies Lachende, Freundliche der Natur dadurch ganz verbittert worden. Zuerst war mir dies freilich in Rom, Ende des Winters, entgegengetreten, während der Begebenheiten, die Du aus den Zeitungen kennst, und da ich sie alle dort erlebt, mit angesehen, und grade auf die Italiener besonders aufgepaßt habe, so konnte ich auch über sie eher ein Urtheil mir bilden, als viele, die länger hier waren. Ich kann wohl sagen, daß ich sie kennen gelernt habe, denn ich habe sie in den wichtigsten Momenten gesehen, und man spreche mir nur nicht von liebenswürdiger Leichtigkeit, Anlagen und dergl.; gewisse Sachen <hi rend="underline">sollen </hi>schwer genommen werden, und wer gar keine Gesinnung hat, dem hilft auch die Anlage (gäb’ es dergleichen, sagt <persName xml:id="persName_12be3a40-0f90-4441-a185-f8ff3645d649">Casper<name key="PSN0110308" style="hidden">Casper, Johann Ludwig (1796-1864)</name></persName>) nicht. Am allertollsten hatte ich den Contrast auf meiner Reise von Rom nach Florenz vor einigen Wochen. Da saß ich im Cabriolet neben einer Venetianerinn; wir machten Bekanntschaft, und nach der ersten Tagereise wurde sie so entsetzlich frivol, verliebt etc. daß ich es nicht mehr aushalten konnte, und in das Innre des Wagens floh. Hier saßen drei Jesuiten und ich hatte die andere Kehrseite; sie erzählten von einem Mönch in Rom, der sich in der entsetzlichen Hitze Tags mit flanellen Decken zudecke, und sich das schwitzende Gesicht von unzähligen Fliegen bedecken lasse, ohne sie zu verjagen; der sey ein rechter, wahrer Märtyrer; der eine sagte die Thiere seyen vom lieben Gott geschaffen, als Stufenleiter für den Menschen um dran zu Gott hinaufzusteigen, und sie misbrauchten sie in ihrer Verkehrtheit dazu, um sich von Gott zu entfernen (was das heißen soll, darüber frag einmal den Erzbischof von Canterbury; ich kann es nicht verstehen) Dann brach die Achse, und sie sagten, das sey die göttliche Strafe dafür, daß wir den Sonntag von Rom abgereis’t seien; kurz es dauerte nicht lange, so mußte ich wieder zur Venezianerinn hinaus. Dann trieb die es wieder so arg, daß ich zu den Jesuiten mußte. So kamen wir beym Trasimenischen See, bei der <placeName xml:id="placeName_aacc7a74-cb41-470e-abf6-f0f43a7ede2f">Kirche von Assisi<name key="SGH0100581" style="hidden" subtype="" type="sight">Basilika San Francesco</name><settlement key="STM0100580" style="hidden" type="">Assisi</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> vorüber, die ganz und gar mit <title xml:id="title_5efec3fe-3f2e-4778-9f26-3ebe34455740">Freskobildern von Perugino<name key="PSN0113822" style="hidden" type="author">Perugino (eigtl. Pietro di Cristoforo Vannucci) (?-1523)</name><name key="CRT0110306" style="hidden" type="art">Kreuzigung</name></title>, <title xml:id="title_4dd7a8a8-bb90-4dc1-8f18-a619cabbf28d">Giotto<name key="PSN0111379" style="hidden" type="author">Giotto di Bondone (eigtl. Angiolotto di B.) (1266-?)</name><name key="CRT0108788" style="hidden" type="art">Szenen aus dem Leben des Hl. Franziskus</name></title>, <title xml:id="title_27aa68e2-a46d-41d7-8154-0a7ac48b2ccb">Cimabue<name key="PSN0110394" style="hidden" type="author">Cimabue, Giovanni (1240-1302)</name><name key="CRT0108444" style="hidden" type="art">Die Jungfrau Maria mit Engeln und dem hl. Franziskus auf dem Thron</name></title> u. s. w. bedeckt ist, die breiten Fenster bunt bemalt, das ganze Gebäude dämmrig, fast dunkel, niedrig, die Gestalten der Bilder nur kaum vorschimmernd, am Hochaltar hinten viel kniende betende Leute; über der Kirche ist noch eine andre gebaut, die aber verschlossen gehalten wird, und tritt man nun hinein, so steht das leere einsame Gebäude mit seinem reichen Chorgestühl, mit den bemalten Fenstern und Wänden, den verzierten Bogengängen, den langen Säulenschatten, so ruhig still da, als seyen die Leute eben weggegangen, die es so hingestellt. Da kam ich nun ganz glücklich, und voll Andacht und Erinnerung hinaus, und das Land umher ist so fruchtbar und reich, und wieder empfing mich die liederliche Venetianerinn und die abergläubischen Mönche. Die Reise war um verdreht zu werden, und täglich sieht man dieser Widersprüche neue. Wie ich von Genua hieher mit Tänzern und Sängerinnen gereis’t bin, die sich Kleider aufstreiften, um Flöhe zu suchen, wie Genua die nobelste, vornehmste Stadt noch heut dem Ansehn nach ist, wie heiter und vergnügt ich da gelebt habe ein Paar Tage lang, wie ich mich mehrere Male habe mit dem Knüppel habe durchschlagen müssen, u. v. a. erzähl ich Dir einmal mündlich. Der Brief ist schon zu lang, und ich habe am Ende nicht Recht gethan, Dir so viel von der Italiänischen Unreinlichkeit (der geistigen und körperlichen) zu schreiben und zu schicken. Du Bramine liebst so was nicht. Aber innerlich bin ich auch ein Indianer und denke Ikojanatschi; das muß in jedem Briefe vorkommen, den ich Dir schreibe. Dafür kannst Du mir, wenn Du willst, <title xml:id="title_2c1478f3-20eb-4316-a7d4-83319a96f1d8">folgende Noten zurückschreiben<name key="PSN0111893" style="hidden" type="author">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="CRT0111448" style="hidden" type="music">»Die Sommernacht« (»Wenn der Schimmer von dem Monde«) für eine Singstimme und Klavier HU 209 (12. September 1827)</name></title>.</p><p style="paragraph_without_indent"><note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_3a189822-a9e9-4cec-8ffe-270a9dc066bd" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> thue es aber!</p><p>Guten Abend, lieber Rosen, ich glaube ich habe Dir zu viel vorgeplaudert, aber Du weißt ich kann schwer schließen, wenn ich erst einmal ins Plaudern komme. Das laß Du mich aber nicht entgelten; sondern schreib mir, und addressire Deinen Brief an <persName xml:id="persName_73896d8d-e087-4afb-a752-3748b07035a7">Mr. Diodati<name key="PSN0110661" style="hidden">Diodati, Alexandre Amédée Edouard (1787-1860)</name></persName>, professeur de l’université, pour remettre à Mr. F. M. B. à Genêve. Denn nach Genf soll es nun zunächst gehen, und durch die Schweiz, über München nach Paris, und dann im Frühjahr, so Gott will, nach London. Dann wollen wir uns wiedersehen. Bis dahin ist es noch weit, an Zeit und Raum; aber sie vergehn beide schnell <seg type="closer" xml:id="seg_ae182c19-c5b7-4883-8208-60af1770858f">und drum bleibe Du mir immer nah und sey mir Freund. Lebewohl. Dein</seg></p><signed rend="right">Felix MB.</signed></div></body></text></TEI>