fmb-1831-07-04-01
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Genua, 3. und 4. Juli 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel, Zusatz auf der Adressenseite von fremder Hand: »Genua 3 July 831«.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Du wirst böse auf mich sein, liebste Cousine, und nichts mehr von mir hören wollen; oder was noch schlimmer wäre, Du wirst vergessen haben, daß ich auf der Welt bin, und mir Stummen weder böse noch gut sein; ich wollte, keins von beiden wäre der Fall und Du verziehest mir mein langes Stillschweigen. Es ist mir so unangenehm, verstimmte Briefe zu schreiben, denn man wird da die Verstimmung nicht los und theilt sie andern nur mit, und in der letzten Zeit wäre es mir unmöglich gewesen Dir anders zu schreiben, da that ich es lieber gar nicht. Ich hatte wieder einmal so eine Epoche, wo ich mit den Leuten und besonders mit mir selbst nicht recht auskommen kann, und wollte Dir in Dein heiteres Leben nicht mit mürrischen Beschreibungen hineinfallen. Nun ist mir wieder munter und froh zu Muth, ich kann wieder mit Heiterkeit an Alles Liebe denken, und da ist es denn natürlich das Erste, daß ich nach Wien schreibe, um Dir für Deinen Brief zu danken und Dir zu sagen, wie sehr herzlich er mich erfreut hat. Als ich ihn aber eben aus der Brieftasche zog (sie ist grün, und es steht mit goldnen Buchstaben utere felix darauf, Du kennst sie wohl?) und als ich das Datum den 8ten Febr. auf Deinem Brief las und das meinige dann schrieb, wurde mir dann doch sehr reuig zu Muthe, denn es ist gar zu lange. Bitte nochmals, verzeih mir, und laß es mich auch wissen, ob Du mir verzeihst. Im Anfang wollte ich nicht eher antworten, bis ich Deinen Auftrag erfüllt und die
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oich darf sie Dir doch schreiben?
Genua d. 3 July 31Du wirst böse auf mich sein, liebste Cousine, und nichts mehr von mir hören wollen; oder was noch schlimmer wäre, Du wirst vergessen haben, daß ich auf der Welt bin, und mir Stummen weder böse noch gut sein; ich wollte, keins von beiden wäre der Fall und Du verziehest mir mein langes Stillschweigen. Es ist mir so unangenehm, verstimmte Briefe zu schreiben, denn man wird da die Verstimmung nicht los und theilt sie andern nur mit, und in der letzten Zeit wäre es mir unmöglich gewesen Dir anders zu schreiben, da that ich es lieber gar nicht. Ich hatte wieder einmal so eine Epoche, wo ich mit den Leuten und besonders mit mir selbst nicht recht auskommen kann, und wollte Dir in Dein heiteres Leben nicht mit mürrischen Beschreibungen hineinfallen. Nun ist mir wieder munter und froh zu Muth, ich kann wieder mit Heiterkeit an Alles Liebe denken, und da ist es denn natürlich das Erste, daß ich nach Wien schreibe, um Dir für Deinen Brief zu danken und Dir zu sagen, wie sehr herzlich er mich erfreut hat. Als ich ihn aber eben aus der Brieftasche zog (sie ist grün, und es steht mit goldnen Buchstaben utere felix darauf, Du kennst sie wohl?) und als ich das Datum den 8ten Febr. auf Deinem Brief las und das meinige dann schrieb, wurde mir dann doch sehr reuig zu Muthe, denn es ist gar zu lange. Bitte nochmals, verzeih mir, und laß es mich auch wissen, ob Du mir verzeihst. Im Anfang wollte ich nicht eher antworten, bis ich Deinen Auftrag erfüllt und die nächtliche Heerschau componirt hätte, und nun sollte ich eigentlich wieder anfangen um Verzeihung zu bitten, daß ich es nicht gethan, aber es ist damit eine eigne Sache. Ich nehme es mit der Musik gern sehr ernsthaft und halte es für unerlaubt, etwas zu componiren, das ich nicht eben ganz durch und durch fühle. Es ist, als sollte ich eine Lüge sagen, denn die Noten haben doch einen eben so bestimmten Sinn, wie die Worte, vielleicht einen noch bestimmteren. Nun scheint es mir überhaupt unmöglich ein beschreibendes Gedicht zu componiren. Die Masse von Compositionen der Art beweisen nicht gegen sondern für mich, denn ich kenne keine gelungene darunter. Man steht in der Mitte zwischen einer dramatischen Auffassung oder einer blos erzählenden Weise: der eine läßt im Erlkönig die Weiden rauschen, das Kind schreien, das Pferd galoppiren, der andre denkt sich einen Balladensänger, der die schauerliche Geschichte ganz ruhig vorträgt, wie man eben eine Gespenstergeschichte erzählt. Das ist noch das Richtigste (Reichard hat es fast immer so genommen) aber es sagt mir doch nicht zu, die Musik steht mir im Wege, es wird mir phantastischer zu Muth, wenn ich solches Gedicht im Stillen für mich lese und mir das Übrige hinzudenke, als wenn ich es mir vormalen oder vorerzählen lasse. Die nächtliche Heerschau nun erzählend aufzufassen, geht nicht, denn es spricht eben keine bestimmte Person, und den Balladenton hat das Gedicht gar nicht; es kommt mir mehr wie eine geistreiche Idee, als wie ein Gedicht vor, mir ist als hätte der Dichter selbst an seine Nebelgestalten gar nicht geglaubt, sie nur als Einkleidung gebraucht; daher hat mir das Ganze etwas sehr Gemachtes, nicht Natürliches, nicht Wahres an sich (nimm mir meine Freimüthigkeit nicht übel) daher fassen mich viele Stellen, namentlich der Schluß mit dem todten Caesar eiskalt an, und mir will durchaus nicht schauerlich dabey zu Muth werden. Nun hätte ich es freilich beschreibend componiren können (wie es Neukomm und Fischhof in Wien gethan) ich hätte einen originellen Trommelwirbel im Baß und Trompetenstöße im Diskant und sonst allerley Spuk anbringen müssen – dazu habe ich aber wieder meine ernsthaften Töne zu lieb, so was kommt mir immer vor wie ein Spas, oder wie die Malereien in den Kinderfibeln, wo man die Dächer knallroth anstreicht, damit die Kinder merken, daß es ein Dach sein soll. Und etwas Halbes, etwas das mir selbst nicht gefiele, hinzuschreiben und fortzuschicken, das wäre gegangen, wenn es für Jemand anders gewesen wäre; Dir möchte ich immer das Beste geben, was ich habe, und dann weiß ich recht gut, wie streng Du bist. Du wirst es nicht eingestehn wollen, aber es ist doch so. – Nun, und so vergingen ein Paar Wochen und dann reis’te ich nach Neapel, trieb mich dort den ganzen Tag auf den Bergen, auf dem Meer, auf den Inseln herum, so daß ich kaum nach Hause geschrieben habe; dann ging das eigentliche Reisen wieder an, ich lernte die ganze Seeligkeit einer Vetturinfahrt in Italien kennen, die darin besteht, daß man nicht aus der Stelle kommt und doch immerfort fährt, weder ißt, noch trinkt, noch schläft, mit Jesuiten zusammensitzt, die auf Ariost und Tasso schelten und sie verbrennen wollen, die Achse gelegentlich bricht, sich mit dem Stock in der Hand Recht schaffen muß, und tausend Freuden der Art; Ich könnte ein Buch darüber schreiben. Und dabey ist das Merkwürdige, daß man doch immer entzückt ist, mitten im Grimme, das Land ist über alle Begriffe himmlisch. Man kann in keinem Traum eine schönre Gegend sehen, als die zwischen hier und Florenz, und Florenz selbst mit seinen göttlichen Bildern, und seinen Medicäern, die noch immer ihren Einfluß üben, und dann wieder Rom, das doch das Größte von Allem ist und bleibt – man wird da nicht fertig, wenn man erst anfängt, es ist ein unvergeßliches Land. Nur die Gegenwart und die Menschen sind verfallen, öde und elend; sie stehn wirklich um eine Stufe tiefer, als die andern Völker, und das ist entsetzlich mit anzusehen. Die Zeit, wo Italien das Land der Kunst war, ist längst vorüber, und wenn man an die Zeit Leos X und an die Maler und Dichter und Musiker von damals, oder an die Medizäer und ihre Werke oder an Genua mit seinen Dogen denkt, und es mit dem Jetzigen zusammenhält, da ist es ja natürlich, daß damals Kunst lebte und jetzt nicht. Ich kann Dir nicht sagen, wie ich mich nach einem Tone guter Musik sehne; seit einem halben Jahre hab’ ich nun keine gehört. Die guten Italiänischen Sänger muß man jetzt in Paris oder London suchen; die schlechten sind sich überall gleich. Der einzige bessere, der in Italien jetzt singt, ist Tamburini, doch ist seine Stimme ganz passirt, und Ihr habt ihn in Wien schon längst gehört. Rubini, David, Donzelli, Lablache, die Lalande und Malibran sind in London, was ist da hier geblieben? Die Orchester sind lächerlich, Kirchenmusik giebt es nicht, und was man vom allgemeinen Musiksinn erzählt, ist eine Fabel, denn was das Volk betrifft, so hört man nirgends so gräßliche, rohe, falsche Stimmen, nirgends solch unmelodisches, unzusammenhängendes Geschrei, wie hier auf den Straßen, auf dem Meer etc. und was die andern anbelangt, so giebt es erstlich einmal keine Dilettanten, wie in Wien die mittelmäßigsten, und dann können Leute nicht rechten Sinn für Musik haben, die sich solche Chöre und solche Orchester gefallen lassen, ohne ungeduldig zu werden: Chöre, ohne eine einzige erträgliche Stimme, Orchester, ohne ein reines Instrument, und das Alles nicht im Takt zusammen? Mehr als je, fühle ich es jetzt aus Herzensgrunde, daß Deutschland das wahre und aechte Land der Kunst ist. d. 4ten July. Ich lese jetzt meinen Brief wieder durch und fürchte, er wird Dir nicht recht sein; denn ich glaube, Du hast die Italiäner und die heutige Italiänische Musik gern. Aber Du wirst mir es nicht übel nehmen, daß ich zu Dir aufrichtig spreche, wie ich es meine; daß ich mich irren kann versteht sich ja von selbst, aber wie es mir vorkommt, so sage ich es Dir. Übrigens bin ich diesen Winter fleißig gewesen, habe viel gearbeitet Vormittags, und Abends viel getanzt. Den Carnaval habe ich nach Herzenslust mitgemacht und genossen, und während in der ganzen übrigen Welt Krieg, und Aufruhr und Pestilenz (ganz wie in der Litaney) wütheten, war man so einsam in Rom, so abgeschlossen und ungefährdet, als liege Rom gar nicht in Europa. Dessenungeachtet sage ich aus Herzensgrunde mit Dir: ich wollte, ich hätte Euern jungen Mann gehört, der die Tänze so gut spielte, weniger um ihn zu hören, als um Euch zu sehen. Die Zeit in Baden war zu lieb, und seitdem habe ich doch eigentlich mit Niemand so recht vertraut sprechen können. Nun folgt wieder eine lange Geschichte, die ich verschweige, weil Du sie auswendig weißt; aber ich wollte, ich könnte Euch Alle einmal wiedersehen. Zürne mir nicht wegen meiner Schreibelangsamkeit und laß mich doch bald von Euch hören, Du hast mir sogar anbefohlen nur zu schreiben, wenn mir ganz so ums Herz wäre, und so ist es mir jetzt sehr. Grüße mir alle die Deinigen, das ganze Haus; wie geht es denn mit Floras Finger? und mit ihrem Clavierspiel, und mit der Singstimme, und mit Allem? Grüß sie mir ja von ganzem Herzen. Louis und Catherine hab’ ich vergeblich in Italien zu sehen gehofft, und so auch Adolph. Er kam in Florenz denselben Tag an, an dem ich abreis’te, und so haben wir uns überall verfehlt; mit seiner Gesundheit geht es hoffentlich ganz nach Wunsche. Der Frau v: Weyrother bitte ich Dich mich sehr zu empfehlen und ihr vorzustellen, wie entsetzlich meine Uhrbänder jetzt aussehen. Wie eine ehrenvolle Fahne nach dem Kriege, von allen Seiten hängen Streifen herunter. Ich trage sie aber tapfer fort, meinem Versprechen zufolge, bis sie erlös’t oder abgelös’t wird. Das Clavierstück für Flora hab ich oft angefangen, und hab es über weitläuftige Arbeiten, die sich mir sehr gehäuft haben, wieder lassen müssen. Ein kleines Lied, das ich mal für sie gemacht, ist zu unbedeutend, um es zu schicken, ich spiele es ihr lieber einmal bei Gelegenheit selbst vor. Wann die Gelegenheit aber kommt, weiß ich wohl nicht. Morgen reis’ ich nach Mailand*, von da in die Schweiz und ziehe mich dann nach und nach gegen Frankreich, so daß ich im Herbst in Paris bin. Da muß denn einmal etwas Musik getrieben werden, und auch im Frühjahr, wo ich nach London zurückkehren und meine Reise endigen will. Schreib mir doch nur ein kleines Briefchen, oder ein Paar Zeilen, aber laß mich wissen, ob Du nicht ganz böse bist, und wenn es wäre, so schreib mir nur das. Und ist es nicht, so sage mir, wie Ihr alle lebt, ob Du Reisepläne hast für dies oder das nächste Jahr, wie Wien aussieht, ob Ihr unter andern mal an mich denkt, und eben was Du schreiben magst. Daß ich derselbe bin, ich mag es Dir schreiben oder nicht, von mir hören lassen oder lange schweigen, und daß es so bleibt, so lange ich eben bleibe und denken kann, das weißt Du und somit lebe wohl. Felix MB. meine Adresse ist in Mailand an Mirabaud et Co ich darf sie Dir doch schreiben?
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-07-03" xml:id="date_902e6afe-444a-4c2f-991c-9a991e75ada3">3.</date> und <date cert="high" when="1831-07-04" xml:id="date_c6a353e7-6512-4deb-acd2-441cbfacba82">4. 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Und etwas Halbes, etwas das mir selbst nicht gefiele, hinzuschreiben und fortzuschicken, das wäre gegangen, wenn es für Jemand anders gewesen wäre; Dir möchte ich immer das Beste geben, was ich habe, und dann weiß ich recht gut, wie streng Du bist. Du wirst es nicht eingestehn wollen, aber es ist doch so. – Nun, und so vergingen ein Paar Wochen und dann reis’te ich nach Neapel, trieb mich dort den ganzen Tag auf den Bergen, auf dem Meer, auf den Inseln herum, so daß ich kaum nach Hause geschrieben habe; dann ging das eigentliche Reisen wieder an, ich lernte die ganze Seeligkeit einer Vetturinfahrt in Italien kennen, die darin besteht, daß man nicht aus der Stelle kommt und doch immerfort fährt, weder ißt, noch trinkt, noch schläft, mit Jesuiten zusammensitzt, die auf <persName xml:id="persName_ec4b23c5-9574-42c7-86f5-0f6f57ae84aa">Ariost<name key="PSN0109522" style="hidden">Ariosto (Ariost), Ludovico (1474-1533)</name></persName> und <persName xml:id="persName_431eaa70-accf-4e0e-99ee-ea8d2a31b613">Tasso<name key="PSN0115248" style="hidden">Tasso, Torquato (1544-1595)</name></persName> schelten und sie verbrennen wollen, die Achse gelegentlich bricht, sich mit dem Stock in der Hand Recht schaffen muß, und tausend Freuden der Art; Ich könnte ein Buch darüber schreiben. Und dabey ist das Merkwürdige, daß man doch immer entzückt ist, mitten im Grimme, das Land ist über alle Begriffe himmlisch. Man kann in keinem Traum eine schönre Gegend sehen, als die zwischen hier und Florenz, und Florenz selbst mit seinen göttlichen Bildern, und seinen Medicäern, die noch immer ihren Einfluß üben, und dann wieder Rom, das doch das Größte von Allem ist und bleibt – man wird da nicht fertig, wenn man erst anfängt, es ist ein unvergeßliches Land. Nur die Gegenwart und die Menschen sind verfallen, öde und elend; sie stehn wirklich um eine Stufe tiefer, als die andern Völker, und das ist entsetzlich mit anzusehen. Die Zeit, wo Italien das Land der Kunst war, ist längst vorüber, und wenn man an die Zeit <persName xml:id="persName_b8685d13-0b3e-401b-8baa-a201f3691475">Leos X<name key="PSN0112781" style="hidden">Leo X. (eigtl. Giovanni de’ Medici) (1475-1521)</name></persName> und an die Maler und Dichter und Musiker von damals, oder an die Medizäer und ihre Werke oder an Genua mit seinen Dogen denkt, und es mit dem Jetzigen zusammenhält, da ist es ja natürlich, daß damals Kunst lebte und jetzt nicht. Ich kann Dir nicht sagen, wie ich mich nach einem Tone guter Musik sehne; seit einem halben Jahre hab’ ich nun keine gehört. Die guten Italiänischen Sänger muß man jetzt in Paris oder London suchen; die schlechten sind sich überall gleich. Der einzige bessere, der in Italien jetzt singt, ist <persName xml:id="persName_815a59c0-063d-4d08-83eb-eef74465d6a6">Tamburini<name key="PSN0115241" style="hidden">Tamburini, Antonio (1800-1876)</name></persName>, doch ist seine Stimme ganz passirt, und Ihr habt ihn in Wien schon längst gehört. <persName xml:id="persName_6a1d8719-7b18-48be-a3da-b26b05734c59">Rubini<name key="PSN0114343" style="hidden">Rubini, Giovanni Battista (1794-1854)</name></persName>, <persName xml:id="persName_64ad01a1-ceb1-441f-b379-8dbfc96cdc06">David<name key="PSN0110566" style="hidden">David, Giovanni (1790-1864)</name></persName>, <persName xml:id="persName_d18eb206-9b83-4b40-b311-012bdeefe26c">Donzelli<name key="PSN0110708" style="hidden">Donzelli, Domenico (1790-1873)</name></persName>, <persName xml:id="persName_f1c3e724-bb15-4a50-bddc-ee3b8c1f7013">Lablache<name key="PSN0112634" style="hidden">Lablache, Luigi (Louis) (1794-1858)</name></persName>, die <persName xml:id="persName_2ec82f31-8d7c-4f4f-aa7d-d7c2d1ba557a">Lalande<name key="PSN0112656" style="hidden">Lalande (Méric-Lalande), Henriette Clémentine (Enrichetta) (1799-1867)</name></persName> und <persName xml:id="persName_fdd76213-90bc-44ab-9c5a-b33f8fab1a31">Malibran<name key="PSN0113047" style="hidden">Malibran, María Felicità (1808-1836)</name></persName> sind in London, was ist da hier geblieben? Die Orchester sind lächerlich, Kirchenmusik giebt es nicht, und was man vom allgemeinen Musiksinn erzählt, ist eine Fabel, denn was das Volk betrifft, so hört man nirgends so gräßliche, rohe, falsche Stimmen, nirgends solch unmelodisches, unzusammenhängendes Geschrei, wie hier auf den Straßen, auf dem Meer etc. und was die andern anbelangt, so giebt es erstlich einmal keine Dilettanten, wie in Wien die mittelmäßigsten, und dann können Leute nicht rechten Sinn für Musik haben, die sich solche Chöre und solche Orchester gefallen lassen, ohne ungeduldig zu werden: Chöre, ohne eine einzige erträgliche Stimme, Orchester, ohne ein reines Instrument, und das Alles nicht im Takt zusammen? Mehr als je, fühle ich es jetzt aus Herzensgrunde, daß Deutschland das wahre und aechte Land der Kunst ist. </p></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_229b479b-f0c3-4679-ad93-898dc8a78c53"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p style="paragraph_without_indent"><seg type="inline">d. <date cert="high" when="1831-07-04" xml:id="date_2fd1a195-553a-43f8-b94c-fec79fd09af5">4</date></seg><date cert="high" when="1831-07-04" xml:id="date_25451181-9555-4266-a862-476b1f51f7f7"><hi rend="superscript">ten</hi><seg type="inline"> July.</seg></date> Ich lese jetzt meinen Brief wieder durch und fürchte, er wird Dir nicht recht sein; denn ich glaube, Du hast die Italiäner und die heutige Italiänische Musik gern. Aber Du wirst mir es nicht übel nehmen, daß ich zu Dir aufrichtig spreche, wie ich es meine; daß ich mich irren kann versteht sich ja von selbst, aber wie es mir vorkommt, so sage ich es Dir. Übrigens bin ich diesen Winter fleißig gewesen, habe viel gearbeitet Vormittags, und Abends viel getanzt. Den Carnaval habe ich nach Herzenslust mitgemacht und genossen, und während in der ganzen übrigen Welt Krieg, und Aufruhr und Pestilenz (ganz wie in der Litaney) wütheten, war man so einsam in Rom, so abgeschlossen und ungefährdet, als liege Rom gar nicht in Europa. Dessenungeachtet sage ich aus Herzensgrunde mit Dir: ich wollte, ich hätte Euern jungen Mann gehört, der die Tänze so gut spielte, weniger um ihn zu hören, als um Euch zu sehen. Die Zeit in Baden war zu lieb, und seitdem habe ich doch eigentlich mit Niemand so recht vertraut sprechen können. Nun folgt wieder eine lange Geschichte, die ich verschweige, weil Du sie auswendig weißt; aber ich wollte, ich könnte Euch Alle einmal wiedersehen. Zürne mir nicht wegen meiner Schreibelangsamkeit und laß mich doch bald von Euch hören, Du hast mir sogar anbefohlen nur zu schreiben, wenn mir ganz so ums Herz wäre, und so ist es mir jetzt sehr. Grüße mir alle die Deinigen, das ganze Haus; wie geht es denn mit <persName xml:id="persName_f8f10cb4-917e-4cc2-8324-cf6ba7f7719c">Floras<name key="PSN0113802" style="hidden">Pereira-Arnstein, Florentina (Flora) Freiin von (1814-1882)</name></persName> Finger? und mit ihrem Clavierspiel, und mit der Singstimme, und mit Allem? Grüß sie mir ja von ganzem Herzen. <persName xml:id="persName_6920e03e-c4e9-4d5d-864a-5c01baad64ca">Louis<name key="PSN0113806" style="hidden">Pereira-Arnstein, Ludwig (Louis) Freiherr von (1803-1858)</name></persName> und <persName xml:id="persName_4c3af687-6cde-4e93-8b1c-5fd43330e53b">Catherine<name key="PSN0113805" style="hidden">Pereira-Arnstein, Katharina Theresia Freifrau von (1806-1843)</name></persName> hab’ ich vergeblich in Italien zu sehen gehofft, und so auch <persName xml:id="persName_7ac0ff0e-e192-4b0a-ad99-0828007d316e">Adolph<name key="PSN0113800" style="hidden">Pereira-Arnstein, Adolf (Adolph) Freiherr von (1805-1846)</name></persName>. Er kam in Florenz denselben Tag an, an dem ich abreis’te, und so haben wir uns überall verfehlt; mit seiner Gesundheit geht es hoffentlich ganz nach Wunsche. Der <persName xml:id="persName_e147ff6e-759c-455c-b56f-8b0a30bde3e8">Frau v: Weyrother<name key="PSN0115746" style="hidden">Weyrother, Elise von</name></persName> bitte ich Dich mich sehr zu empfehlen und ihr vorzustellen, wie entsetzlich meine Uhrbänder jetzt aussehen. Wie eine ehrenvolle Fahne nach dem Kriege, von allen Seiten hängen Streifen herunter. Ich trage sie aber tapfer fort, meinem Versprechen zufolge, bis sie erlös’t oder abgelös’t wird. <title xml:id="title_5cec3870-2f2f-44c6-a1a0-1f7a67fee7dd">Das Clavierstück<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_uam11kjc-vtad-s6uv-qhwj-ueqk0cnwhz3f"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100949" style="hidden">Klavierstück, [Juli 1831]; für Flora Pereira-Arnstein<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title> für <persName xml:id="persName_0f405bbf-1132-4c34-92d4-28924e54fc19">Flora<name key="PSN0113802" style="hidden">Pereira-Arnstein, Florentina (Flora) Freiin von (1814-1882)</name></persName> hab ich oft angefangen, und hab es über weitläuftige Arbeiten, die sich mir sehr gehäuft haben, wieder lassen müssen. <title xml:id="title_157535af-420d-4a47-8a8c-24cd39f460a6">Ein kleines Lied<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ia93xhnr-cjqn-1svl-gakn-voenpagbewwe"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100949" style="hidden">Klavierstück, [Juli 1831]; für Flora Pereira-Arnstein<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title>, das ich mal für <persName xml:id="persName_4d830318-f829-4cb0-862f-2b93131defac">sie<name key="PSN0113802" style="hidden">Pereira-Arnstein, Florentina (Flora) Freiin von (1814-1882)</name></persName> gemacht, ist zu unbedeutend, um es zu schicken, ich spiele es ihr lieber einmal bei Gelegenheit selbst vor. Wann die Gelegenheit aber kommt, weiß ich wohl nicht. Morgen reis’ ich nach Mailand<ref target="#fn1" type="Footnotes_reference" xml:id="fnr1">*</ref>, von da in die Schweiz und ziehe mich dann nach und nach gegen Frankreich, so daß ich im Herbst in Paris bin. Da muß denn einmal etwas Musik getrieben werden, und auch im Frühjahr, wo ich nach London zurückkehren und meine Reise endigen will. Schreib mir doch nur ein kleines Briefchen, oder ein Paar Zeilen, aber laß mich wissen, ob Du nicht ganz böse bist, und wenn es wäre, so schreib mir nur das. Und ist es nicht, so sage mir, wie Ihr alle lebt, ob Du Reisepläne hast für dies oder das nächste Jahr, wie Wien aussieht, ob Ihr unter andern mal an mich denkt, und eben was Du schreiben magst. Daß ich derselbe bin, ich mag es Dir schreiben oder nicht, von mir hören lassen oder lange schweigen, und daß es so bleibt, so lange ich eben bleibe und denken kann, das weißt Du <seg type="closer" xml:id="seg_a62c1427-598a-4a3a-8500-e651d41f1c1e">und somit lebe wohl.</seg></p><signed rend="right">Felix MB.</signed></div> <div type="footnotes_area" xml:id="div_2d65a721-d6cf-4d43-bd77-ddbc4c705815"> <note n="*" subtype="author" target="fnr1" type="footnote" xml:id="fn1">meine Adresse ist in Mailand an <persName xml:id="persName_4c4dd8d2-6533-4316-8b1c-3c2b29eb0259">Mirabaud<name key="PSN0113360" style="hidden">Mirabaud & Co., Bankhaus in Mailand</name></persName> et C<hi rend="superscript">o</hi> ich darf sie Dir doch schreiben?</note> </div></body> </text></TEI>