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fmb-1831-06-26-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Fanny Hensel und Rebecka Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb> Florenz, 25. und 26. Juni 1831 Du willst, ich soll Dir auch schreiben, wie mir zu Muthe ist! Ich gehorche also, und weil mir eben gar sehr wohl und fröhlich zu Muthe ist, so schreibe ich Dir jetzt, denn das wirst Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 2, 434

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 13, fol. 65-66. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Fanny Hensel und Rebecka Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Florenz, 25. und 26. Juni 1831 Du willst, ich soll Dir auch schreiben, wie mir zu Muthe ist! Ich gehorche also, und weil mir eben gar sehr wohl und fröhlich zu Muthe ist, so schreibe ich Dir jetzt, denn das wirst

4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.

Felix Mendelssohn Bartholdy

Green Books

Mendelssohn, Reisebriefe, S. 181-188 (Teildruck). Sutermeister, Briefe einer Reise, S. 164-172 (Teildruck).

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

25. und 26. Juni 1831 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Florenz Italien Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858) Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) Berlin Deutschland deutsch
À Mde.Mde. Fanny Hensel.Berlin(Leipziger Strasse no. 3)
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Florenz d. 25 Juny 31Meine sehr geliebte Frau Schwester!

Du willst, ich soll Dir auch schreiben, wie mir zu Muthe ist! Ich gehorche also, und weil mir eben gar sehr wohl und fröhlich zu Muthe ist, so schreibe ich Dir jetzt, denn das wirst Du doch nicht etwa meinen, daß ich Dir schreiben soll, wenn ich muffig bin? Es ist schlimm genug, daß man es zuweilen ist, warum sollte man es seinen GerenHensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858) gar mittheilen? Aber wenn man an Alles Frohe denkt, wenn man Augen und Sinne voll Schönem und Lieblichen hat, und wenn es wieder so recht heiter, behaglich, und doch eben nicht spashaft ums Herz ist, dann macht man sich Licht, nimmt sich die Halsbinde ab, schließt die Jalousien zu und schreibt an Euch. Ich bin nun unvermerkt ins „Euch“ gekommen, obwohl ich Dir eigentlich allein hätte schreiben sollen, denn Du hast einen brummigen Privatbrief haben wollen; aber wahrhaftig ich bin nicht brummig, und die GerenHensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858) sind ein Dual, sie gehören zusammen. Also liebe Frau Schwester und TöpfchenMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858), das Florenz ist ein gar lieblicher Ort; an einem Tage wie heut muß man viel ans Väterliche Haus denken und zu den Seinigen; mir geht es curios: wenn ich mich irgendwo nicht wohl befinde, mich langweile, verdrießlich bin, so habe ich auch nicht besondre Sehnsucht nach Hause, oder nach den Meinigen, sondern ich möchte gern etwas drein schlagen, und ärgre mich daß ich nicht kann; kommen aber die schönen Tage, wo jede Stunde unvergeßlich bleibt, und jeder Augenblick frische frohe Eindrücke mitbringt, dann wünsche ich mich zu Euch oder Euch zu mir so recht lebhaft, und dann vergeht keine Minute, wo mir nicht einer von Euch einfällt, dem ich was zu sagen habe. (Der Brief geht immer mehr ins Breite, und ist nun schon wieder an Alle.) Heut habe ich meinen ganzen Vormittag von 10 bis 3 auf der GallerieGalleria degli UffiziFlorenzItalien zugebracht; es war himmlisch. Ich habe mich außer allem Schönen, das ich gesehn und allem Neuem, das man dort immer lernt, so herrlich unter den Bildern umhergetrieben und mich so mit Ihnen befreundet und unterhalten. Und wie ist das hier eine Stadt dazu! Das weiß ich, daß ich heut von den Bildern einen so großen Genuß gehabt habe, wie noch nie; das Glück einer großen Sammlung der ersten Kunstwerke ist mir so recht vor Augen getreten, man konnte so von einem zum andern gehn, dort eine Stunde sitzen und träumen, dann wieder dahin. Es war hier ein Festtag gestern, und so war heute der Pallast degli UffiziiGalleria degli UffiziFlorenzItalien voll Leuten, die nach der Stadt gekommen waren, ums Pferderennen zu sehen, und nun auch die berühmte GallerieGalleria degli UffiziFlorenzItalien sehn wollten; meist Bauern und Bäuerinnen in der Landtracht, alle Gemächer waren offen, und ich, der ich sie mir zum letztenmal betrachtete, weil ich Montag nach dem Pallast PittiGalleria PalatinaFlorenzItalien will, und Dinstag zu reisen gedenke ich konnte mich so ganz still durch all die Leute schleichen und recht einsam sein, weil ich gewiß keinen Bekannten drunter hatte. Am Eingang oben an der Treppe haben sie die Büsten der Fürsten aufgestellt, die die Sammlung gestiftet und geziert haben; ich weiß nicht, ob ich heut besonders empfänglich war, aber die Gesichter der Medicäer erfreuten mich ungemein: sie sehen so nobel aus und so fein und glücklich stolz. Ich blieb lange unter Ihnen und prägte mir Ihre welthistorischen Gesichter ein, dann ging es nach der TribüneGalleria degli UffiziFlorenzItalien. Das Zimmer ist so prächtig klein, mit 15 Schritten geht man hindurch, und doch ist gar zu viel Unendliches darin. Ich suchte mir wieder meinen Lieblingsarmsessel, der unter der Statue des SchleifersGalleria degli Uffizi FlorenzItalien steht, setzte mich hin und ließ mir es ein Paar Stunden wohl sein. Man hat da in einem Blick die Madonna del Cardellino<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110392" style="hidden" type="art">Madonna del Cardellino</name>, den Papst Julius II<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110396" style="hidden" type="art">Papst Julius II.</name>, ein Frauenportrait von Raphael<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110383" style="hidden" type="art">Elisabetta Gonzaga</name>, drüber einen schönen Perugino<name key="PSN0113822" style="hidden" type="author">Perugino (eigtl. Pietro di Cristoforo Vannucci) (?-1523)</name><name key="CRT0110307" style="hidden" type="art">Thronende Madonna mit den Heiligen Johannes der Täufer und Sebastian</name>, ein Heiligenbild; dicht neben sich (man kann sie mit dem Arm reichen) die Venus MedicisGalleria degli UffiziFlorenzItalien, drüber die vom Titian<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111095" style="hidden" type="art">Venus von Urbino</name>, auf der andern Seite den ApollinoGalleria degli UffiziFlorenzItalien und die beiden RingerGalleria degli UffiziFlorenzItalien; vor den Raphaels den lustigen griechischen FaunGalleria degli UffiziFlorenzItalien, der ein täppisches Vergnügen an gräulicher Musik hat, denn der Kerl hat eben Becken zusammengeschlagen, horcht auf den Klang, und tritt mit dem Fuß noch auf eine Art Kuckuckpfeife zur Begleitung; das ist ein Rüpel! Die Zwischenräume füllen andre Bilder von RaphaelRaffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520), ein Portrait von Titian<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111086" style="hidden" type="art">Francesco Maria della Rovere</name><name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111084" style="hidden" type="art">Eleonora Gonzaga</name>, ein Domenichino<name key="PSN0110702" style="hidden" type="author">Domenichino (eigtl. Domenico Zampieri) (1581-1641)</name><name key="CRT0108576" style="hidden" type="art">Kardinal Agucchi</name> u. dgl. aus, und das Alles in einem kleinen Halbkreise, wie eine von Euern Stuben. Man kommt sich da besonders klein vor, und wird bescheiden. Ab und zu ging ich auch nach den andern Zimmern, wo einem ein großes Bild von Leonardo da Vinci<name key="PSN0112789" style="hidden" type="author">Leonardo da Vinci (1452-1519)</name><name key="CRT0109699" style="hidden" type="art">Anbetung der Könige</name>, aber nur erst angefangen, untermalt und so mit all den wilden Strichen stehn geblieben, auch mancherley zu denken giebt; namentlich aber freute ich mich am Mönch, Fra Bartolommeo, der ein sehr frommer, zarter und ernster Geist war. Ein kleines Bildchen<name key="PSN0109681" style="hidden" type="author">Bartolommeo della Porta (1472-1517)</name><name key="CRT0107962" style="hidden" type="art">Adorazione dei Magi (Die Anbetung des Kindes)</name><name key="PSN0109681" style="hidden" type="author">Bartolommeo della Porta (1472-1517)</name><name key="CRT0107964" style="hidden" type="art">Presentazione al Tempio (Die Darbringung Christi im Tempel)</name> von ihm ist da; das habe ich mir entdeckt, es ist etwa so groß, wie dies Papier in 2 Abtheilungen getheilt; und stellt die Anbetung und die Darbringung im Tempel vor; die Figürchen sind ungefähr wie zwei Fingerglieder, aber bis aufs Feinste, Netteste ausgemalt mit den buntesten Farben, den hellsten Verzierungen, und in freundlichem Sonnenschein; man sieht an dem Bilde, wie der andächtige Herr, so recht mit Lust daran gemalt und ins Kleinste ausgeführt hat, etwa um es zu verschenken und jemand eine Freude damit zu machen; es ist als gehöre, der Maler dazu und müsse noch davor sitzen und sei nur eben weggegangen. So wurde mir heut vor vielen Bildern, namentlich vor der Madonna mit dem Stieglitz<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110392" style="hidden" type="art">Madonna del Cardellino</name>, die der Raphael seinem FreundeNasi, Lorenzo di Bartolomeo zum Hochzeitgeschenk gemalt hat, als Ueberraschung; und wie ich so an alle die Männer dachte, wie sie schon lange fort sind und wie ihr ganzes Innre so klar uns und Allen andern noch da steht, da kam ich zufällig in die Zimmer, worin die Portraits der großen Maler hängen. Ich hatte sie früher mehr als kostbare Seltenheit betrachtet, denn es sind über 300 Portraits, meist von den Malern selbst gemacht, so daß man zugleich den Mann und sein Werk vor sich sieht; aber heut ging mir ein besondrer Sinn dafür auf. Wie da ein Jeder so aussieht, wie das, was er geschaffen hat, und wie ein Jeder indem er sich selbst malte, sich so ganz gegeben hat, wie er gewesen sein muß. Man lernt dort die Leute persönlich kennen und da erklärt sich einem vieles. Ich erzähle Euch mündlich einmal recht ausführlich davon, aber das muß ich Euch noch sagen, daß das Portrait von Raphael<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110401" style="hidden" type="art">Selbstporträt</name> fast das rührendste Bild ist, das ich je von ihm gesehn habe. In der Mitte der einen großen mit Portraits bis ganz oben behängten reichen Wand hängt ein kleineres, einzeln, ohne weitre Auszeichnung, aber die Augen müssen sich gleich darauf richten; das ist RaphaelRaffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520), jung, sehr krank und blaß, und mit einer Sehnsucht nach Weiter, mit einem Verlangen und Schmachten in Mund und Augen, daß es ist, als sähe man ihm in die Seele. Wie er noch nicht einmal aussprechen kann, was er Alles fühlt und sieht, und wie es ihn doch zwingt immer weiter zu schreiten, und wie er früh sterben muß, das steht Alles auf dem trüben, leidenden, feurigen Gesicht, und wenn man nach den aus dem tiefen Innersten blickenden schwarzen Augen und nach dem schmerzlich verzognen Munde sieht, so wird es einem fast schauerlich. Und nun solltet ihr sehn, wie drüber ein häßlicher, wildkräftiger, markig und knorriggesunder Kerl, der MichelangeloMichelangelo Buonarroti (1475-1564) so böse herausschaut und so grob, und auf der andern Seite ein weiser, ernster Mann, wie ein Löwe, der Leonardo da VinciLeonardo da Vinci (1452-1519); aber Ihr könnt es ja nicht sehen und ich will es Euch ja nicht schreiben, sondern erzählen. Glaubt mir aber, es ist eine Herrlichkeit; und dann ging ich zur NiobeGalleria degli UffiziFlorenzItalien, die mir von allen Statuen doch den größten Eindruck macht, und dann wieder zu meinen Malern, und wieder nach der TribüneGalleria degli UffiziFlorenzItalien, und durch die Corridors, wo einen die Römischen Kaiser mit ihren vornehmen Schurkengesichtern anstarren, und dann nahm ich noch von den Medicis Abschied – es war wohl ein unvergeßlicher Morgen.

Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)

d. 26sten. Glaubt aber nur nicht, daß es etwa heißt „so leben wir alle Tage“. Man muß sich mit dem heutigen, lebenden Pöbel gewaltig herumschlagen, ehe man zur Noblesse, die längst gestorben ist, mal hinkommen kann, und wer keine gute Haut hat, kommt braun und blau an; solch eine Reise, wie die meinige von Rom nach Perugia und hieher, ist wahrhaftig kein Spas; es heißt in den Flegeljahren<name key="PSN0114173" style="hidden" type="author">Richter, Johann Paul Friedrich (Pseud.: Jean Paul) (1763-1825)</name><name key="CRT0110453" style="hidden" type="literature">Flegeljahre. Eine Biographie</name> die Gegenwart eines offenbar hassenden Wesens sey drückend und peinlich; solch ein Wesen ist aber der Römische Vetturin. Er gönnt einem keinen Schlaf, läßt einen hungern und dursten; Abends, wo er einem das pranzo geben soll, weiß ers so zu karten, daß man gegen Mitternacht ankommt, wo die Leute alle schon schlafen, und man froh ist, wenn sich noch ein Bett findet; morgens um 1 2 4 fährt er fort, und bleibt zu Mittag seine 5 Stunden liegen, aber gewiß in einer einzelnen Schenke, wo nichts zu haben ist, täglich macht er etwa 6 Deutsche Meilen, fährt piano während die Sonne fortissimo brennt; ich war nun gar schlimm dran, denn meine Reisegesellschaft war unpassend: inwendig drei Jesuiten und im Cabriolet, wo ich eigentlich gern sitzen wollte, eine unangenehme Venetianerinn; wollte ich der entgehen, so mußte ich inwendig mit anhören, wie AriostAriosto (Ariost), Ludovico (1474-1533) verbrannt werden solle, als Verführer und Sittenverderber, und das Lob Carls XFrankreich, Karl X. von, Comte d’Artois (1757-1836), draußen war es noch schlimmer, aus der Stelle kamen wir nicht, den ersten Tag nach einer Fahrt von 4 Stunden brach die Axe und wir mußten in dem Haus in der Campagna, wo wir grade waren, 9 Stunden liegen bleiben und endlich gar die Nacht zubringen; kam dann wieder eine KircheBasilika San FrancescoAssisiItalien, die man besuchen konnte, so standen die schönsten, frömmsten Gestalten von PeruginoPerugino (eigtl. Pietro di Cristoforo Vannucci) (?-1523), oder GiottoGiotto di Bondone (eigtl. Angiolotto di B.) (1266-?) und CimabueCimabue, Giovanni (1240-1302) vor einem und man gerieth von der Empörung ins Entzücken und dann wieder in die Empörung: das ist ein miserabler Zustand. Mich amüsirte es wenig, und hätte die Natur nicht am Trasimenischen See einigen Mondschein aufgetischt, und wäre nicht die Gegend so wunderschön, und wäre nicht in jeder größern Stadt eine herrliche Kirche, und auf jeder Tagereise eine größre Stadt, und wäre nicht – aber Ihr seht ich bin ungenügsam. Die Reise war doch schön, und nun will ich meine Ankunft in Florenz beschreiben: die enthält das ganze Italiänische Leben der vorigen Tage. In Incisa, eine halbe Tagereise vor Florenz, machte es der Vetturin zu arg, mit Grobheit und Gemeinheiten; ich sah mich gezwungen, meine Sachen abzupacken, und ihm zu sagen, er solle zum Teufel fahren, was er freilich ungern that. Nun war aber Johannistag, und Abends das berühmte Fest in Florenz, zu dem ich für mein Leben gern da gewesen wäre; so was benutzen Italiäner, und die Wirthinn in Incisa bot mir gleich ein Fuhrwerk für den 4fachen Preis an; als ich das nicht wollte, sagte sie, ich möge mir eins suchen. Das that ich auch wirklich, hörte aber, daß dort keine Miethwagen zu haben seyen, nur Post, ich frug nach der Post und erfuhr zu meinem Grimm, daß die eben bei der Wirthinn sey, und daß sie mir die Postpferde habe zu dem übertriebnen Preis geben wollen. Nun ging ich zurück und verlangte Post; sie sagte, wenn ich ihre Pferde zu ihrem Preise nicht wolle, so bekäme ich auch keine Post; ich wollte das Reglement sehen, das sie alle haben müssen, sie sagte, sie brauche es nicht zu zeigen, und drehte mir den Rücken. Der Zustand der Gewalt, der hier große Rollen spielt, trat also abermals ein, denn ich packte sie und warf sie in die Stube hinein (es war unter der Thür) drauf lief ich die Straße herunter, um zum Podestà zu gehen, im Orte gab es aber keinen, sondern er residirte 4 Meilen entfernt, die Sache wurde immer unangenehmer, und mein Gefolge von Straßenjungen vergrößerte sich jeden Schritt; zum Glück kam ein ziemlich stattlicher Mann, vor dem das Gesindel einigen Respect zeigte, auf den ging ich zu, setzte ihm die Sache aus einander, er nahm Antheil und führte mich zu einem Weinbauern, der ein Wägelchen besaß, die ganze Bevölkerung stellte sich vor dem Hause auf, viele drangen bis in den Flur nach, und schrien, ich sey toll; aber das Wägelchen kam, einem alten Bettler wurden ein Paar Pfennige gegeben, drauf riefen alle ich sey ein bravo Signore und buon viaggio! Der mäßige Preis, den der Mann forderte zeigte mir erst die abscheuliche Prellerey der Wirthinn, das Fuhrwerk war sehr leicht und schnell, der schöne Reisesack lag mir vor den Füßen und nun ging es über die Berge auf Florenz zu. Nach einer halben Stunde überholten wir schon den trägen Vetturin, gegen die Sonne wurde der Regenschirm aufgespannt, und selten bin ich so vergnügt und angenehm gereis’t, als diese Paar Stunden, alle Quälerey hinter mir, und die Aussicht aufs schöne Fest Abends. Sehr bald ließ sich auch der Dom und die tausend Landhäuser durch die Thäler blicken, die gezierten Mauern kamen wieder mit den Bäumen drüber, das Arnothal war lieblicher, als je, und so kam ich froh hier an; aß zu Mittag und schon während dessen hörte ich Lärm, sah am Ende aus dem Fenster und da zog Alles, Jung und Alt, in Festtagskleidern, über die Brücken; ich also gleich nach und zum Wagencorso, dann zum Pferderennen, dann in die erleuchtete Pergola, endlich auf einen Maskenball im Theater GoldoniTeatro GoldoniFlorenzItalien. Nun war es 1 Uhr nach Mitternacht und ich ging zu Hause und dachte nun sey es doch aus. Da war der ganze Arno mit Gondeln bedeckt die von bunten Lampen erleuchtet sich nach allen Seiten hin durchkreuzten, unter der Brücke kam ein großes Schiff mit grünen Blendlaternen vor, und das Wasser war lebendig und hell, und über dem ganzen schien der hellere Mond. Da überdachte ich mir so einen ganzen Tag, und was einem da Alles durch den Sinn geht, und nahm mir vor, es Euch zu schreiben. Eigentlich ist es bisjetzt mehr eine Erinnerung für mich, denn Ihr werdet, Euch nichts dabey denken können; aber es soll mir dazu dienen, einmal eine oder die andre Geschichte dran anzuknüpfen von dem bunten Italien Mündlich.

F
            Florenz d. 25 Juny 31Meine sehr geliebte Frau Schwester!
Du willst, ich soll Dir auch schreiben, wie mir zu Muthe ist! Ich gehorche also, und weil mir eben gar sehr wohl und fröhlich zu Muthe ist, so schreibe ich Dir jetzt, denn das wirst Du doch nicht etwa meinen, daß ich Dir schreiben soll, wenn ich muffig bin? Es ist schlimm genug, daß man es zuweilen ist, warum sollte man es seinen Geren gar mittheilen? Aber wenn man an Alles Frohe denkt, wenn man Augen und Sinne voll Schönem und Lieblichen hat, und wenn es wieder so recht heiter, behaglich, und doch eben nicht spashaft ums Herz ist, dann macht man sich Licht, nimmt sich die Halsbinde ab, schließt die Jalousien zu und schreibt an Euch. Ich bin nun unvermerkt ins „Euch“ gekommen, obwohl ich Dir eigentlich allein hätte schreiben sollen, denn Du hast einen brummigen Privatbrief haben wollen; aber wahrhaftig ich bin nicht brummig, und die Geren sind ein Dual, sie gehören zusammen. Also liebe Frau Schwester und Töpfchen, das Florenz ist ein gar lieblicher Ort; an einem Tage wie heut muß man viel ans Väterliche Haus denken und zu den Seinigen; mir geht es curios: wenn ich mich irgendwo nicht wohl befinde, mich langweile, verdrießlich bin, so habe ich auch nicht besondre Sehnsucht nach Hause, oder nach den Meinigen, sondern ich möchte gern etwas drein schlagen, und ärgre mich daß ich nicht kann; kommen aber die schönen Tage, wo jede Stunde unvergeßlich bleibt, und jeder Augenblick frische frohe Eindrücke mitbringt, dann wünsche ich mich zu Euch oder Euch zu mir so recht lebhaft, und dann vergeht keine Minute, wo mir nicht einer von Euch einfällt, dem ich was zu sagen habe. (Der Brief geht immer mehr ins Breite, und ist nun schon wieder an Alle. ) Heut habe ich meinen ganzen Vormittag von 10 bis 3 auf der Gallerie zugebracht; es war himmlisch. Ich habe mich außer allem Schönen, das ich gesehn und allem Neuem, das man dort immer lernt, so herrlich unter den Bildern umhergetrieben und mich so mit Ihnen befreundet und unterhalten. Und wie ist das hier eine Stadt dazu! Das weiß ich, daß ich heut von den Bildern einen so großen Genuß gehabt habe, wie noch nie; das Glück einer großen Sammlung der ersten Kunstwerke ist mir so recht vor Augen getreten, man konnte so von einem zum andern gehn, dort eine Stunde sitzen und träumen, dann wieder dahin. Es war hier ein Festtag gestern, und so war heute der Pallast degli UffiziiFlorenzItalien voll Leuten, die nach der Stadt gekommen waren, ums Pferderennen zu sehen, und nun auch die berühmte Gallerie sehn wollten; meist Bauern und Bäuerinnen in der Landtracht, alle Gemächer waren offen, und ich, der ich sie mir zum letztenmal betrachtete, weil ich Montag nach dem Pallast Pitti will, und Dinstag zu reisen gedenke ich konnte mich so ganz still durch all die Leute schleichen und recht einsam sein, weil ich gewiß keinen Bekannten drunter hatte. Am Eingang oben an der Treppe haben sie die Büsten der Fürsten aufgestellt, die die Sammlung gestiftet und geziert haben; ich weiß nicht, ob ich heut besonders empfänglich war, aber die Gesichter der Medicäer erfreuten mich ungemein: sie sehen so nobel aus und so fein und glücklich stolz. Ich blieb lange unter Ihnen und prägte mir Ihre welthistorischen Gesichter ein, dann ging es nach der Tribüne. Das Zimmer ist so prächtig klein, mit 15 Schritten geht man hindurch, und doch ist gar zu viel Unendliches darin. Ich suchte mir wieder meinen Lieblingsarmsessel, der unter der Statue des Schleifers steht, setzte mich hin und ließ mir es ein Paar Stunden wohl sein. Man hat da in einem Blick die Madonna del Cardellino, den Papst Julius II, ein Frauenportrait von Raphael, drüber einen schönen Perugino, ein Heiligenbild; dicht neben sich (man kann sie mit dem Arm reichen) die Venus Medicis, drüber die vom Titian, auf der andern Seite den Apollino und die beiden Ringer; vor den Raphaels den lustigen griechischen Faun, der ein täppisches Vergnügen an gräulicher Musik hat, denn der Kerl hat eben Becken zusammengeschlagen, horcht auf den Klang, und tritt mit dem Fuß noch auf eine Art Kuckuckpfeife zur Begleitung; das ist ein Rüpel! Die Zwischenräume füllen andre Bilder von Raphael, ein Portrait von Titian, ein Domenichino u. dgl. aus, und das Alles in einem kleinen Halbkreise, wie eine von Euern Stuben. Man kommt sich da besonders klein vor, und wird bescheiden. Ab und zu ging ich auch nach den andern Zimmern, wo einem ein großes Bild von Leonardo da Vinci, aber nur erst angefangen, untermalt und so mit all den wilden Strichen stehn geblieben, auch mancherley zu denken giebt; namentlich aber freute ich mich am Mönch, Fra Bartolommeo, der ein sehr frommer, zarter und ernster Geist war. Ein kleines Bildchen von ihm ist da; das habe ich mir entdeckt, es ist etwa so groß, wie dies Papier in 2 Abtheilungen getheilt; und stellt die Anbetung und die Darbringung im Tempel vor; die Figürchen sind ungefähr wie zwei Fingerglieder, aber bis aufs Feinste, Netteste ausgemalt mit den buntesten Farben, den hellsten Verzierungen, und in freundlichem Sonnenschein; man sieht an dem Bilde, wie der andächtige Herr, so recht mit Lust daran gemalt und ins Kleinste ausgeführt hat, etwa um es zu verschenken und jemand eine Freude damit zu machen; es ist als gehöre, der Maler dazu und müsse noch davor sitzen und sei nur eben weggegangen. So wurde mir heut vor vielen Bildern, namentlich vor der Madonna mit dem Stieglitz, die der Raphael seinem Freunde zum Hochzeitgeschenk gemalt hat, als Ueberraschung; und wie ich so an alle die Männer dachte, wie sie schon lange fort sind und wie ihr ganzes Innre so klar uns und Allen andern noch da steht, da kam ich zufällig in die Zimmer, worin die Portraits der großen Maler hängen. Ich hatte sie früher mehr als kostbare Seltenheit betrachtet, denn es sind über 300 Portraits, meist von den Malern selbst gemacht, so daß man zugleich den Mann und sein Werk vor sich sieht; aber heut ging mir ein besondrer Sinn dafür auf. Wie da ein Jeder so aussieht, wie das, was er geschaffen hat, und wie ein Jeder indem er sich selbst malte, sich so ganz gegeben hat, wie er gewesen sein muß. Man lernt dort die Leute persönlich kennen und da erklärt sich einem vieles. Ich erzähle Euch mündlich einmal recht ausführlich davon, aber das muß ich Euch noch sagen, daß das Portrait von Raphael fast das rührendste Bild ist, das ich je von ihm gesehn habe. In der Mitte der einen großen mit Portraits bis ganz oben behängten reichen Wand hängt ein kleineres, einzeln, ohne weitre Auszeichnung, aber die Augen müssen sich gleich darauf richten; das ist Raphael, jung, sehr krank und blaß, und mit einer Sehnsucht nach Weiter, mit einem Verlangen und Schmachten in Mund und Augen, daß es ist, als sähe man ihm in die Seele. Wie er noch nicht einmal aussprechen kann, was er Alles fühlt und sieht, und wie es ihn doch zwingt immer weiter zu schreiten, und wie er früh sterben muß, das steht Alles auf dem trüben, leidenden, feurigen Gesicht, und wenn man nach den aus dem tiefen Innersten blickenden schwarzen Augen und nach dem schmerzlich verzognen Munde sieht, so wird es einem fast schauerlich. Und nun solltet ihr sehn, wie drüber ein häßlicher, wildkräftiger, markig und knorriggesunder Kerl, der Michelangelo so böse herausschaut und so grob, und auf der andern Seite ein weiser, ernster Mann, wie ein Löwe, der Leonardo da Vinci; aber Ihr könnt es ja nicht sehen und ich will es Euch ja nicht schreiben, sondern erzählen. Glaubt mir aber, es ist eine Herrlichkeit; und dann ging ich zur Niobe, die mir von allen Statuen doch den größten Eindruck macht, und dann wieder zu meinen Malern, und wieder nach der Tribüne, und durch die Corridors, wo einen die Römischen Kaiser mit ihren vornehmen Schurkengesichtern anstarren, und dann nahm ich noch von den Medicis Abschied – es war wohl ein unvergeßlicher Morgen.
d. 26sten. Glaubt aber nur nicht, daß es etwa heißt „so leben wir alle Tage“. Man muß sich mit dem heutigen, lebenden Pöbel gewaltig herumschlagen, ehe man zur Noblesse, die längst gestorben ist, mal hinkommen kann, und wer keine gute Haut hat, kommt braun und blau an; solch eine Reise, wie die meinige von Rom nach Perugia und hieher, ist wahrhaftig kein Spas; es heißt in den Flegeljahren die Gegenwart eines offenbar hassenden Wesens sey drückend und peinlich; solch ein Wesen ist aber der Römische Vetturin. Er gönnt einem keinen Schlaf, läßt einen hungern und dursten; Abends, wo er einem das pranzo geben soll, weiß ers so zu karten, daß man gegen Mitternacht ankommt, wo die Leute alle schon schlafen, und man froh ist, wenn sich noch ein Bett findet; morgens um 1 2 4 fährt er fort, und bleibt zu Mittag seine 5 Stunden liegen, aber gewiß in einer einzelnen Schenke, wo nichts zu haben ist, täglich macht er etwa 6 Deutsche Meilen, fährt piano während die Sonne fortissimo brennt; ich war nun gar schlimm dran, denn meine Reisegesellschaft war unpassend: inwendig drei Jesuiten und im Cabriolet, wo ich eigentlich gern sitzen wollte, eine unangenehme Venetianerinn; wollte ich der entgehen, so mußte ich inwendig mit anhören, wie Ariost verbrannt werden solle, als Verführer und Sittenverderber, und das Lob Carls X, draußen war es noch schlimmer, aus der Stelle kamen wir nicht, den ersten Tag nach einer Fahrt von 4 Stunden brach die Axe und wir mußten in dem Haus in der Campagna, wo wir grade waren, 9 Stunden liegen bleiben und endlich gar die Nacht zubringen; kam dann wieder eine Kirche, die man besuchen konnte, so standen die schönsten, frömmsten Gestalten von Perugino, oder Giotto und Cimabue vor einem und man gerieth von der Empörung ins Entzücken und dann wieder in die Empörung: das ist ein miserabler Zustand. Mich amüsirte es wenig, und hätte die Natur nicht am Trasimenischen See einigen Mondschein aufgetischt, und wäre nicht die Gegend so wunderschön, und wäre nicht in jeder größern Stadt eine herrliche Kirche, und auf jeder Tagereise eine größre Stadt, und wäre nicht – aber Ihr seht ich bin ungenügsam. Die Reise war doch schön, und nun will ich meine Ankunft in Florenz beschreiben: die enthält das ganze Italiänische Leben der vorigen Tage. In Incisa, eine halbe Tagereise vor Florenz, machte es der Vetturin zu arg, mit Grobheit und Gemeinheiten; ich sah mich gezwungen, meine Sachen abzupacken, und ihm zu sagen, er solle zum Teufel fahren, was er freilich ungern that. Nun war aber Johannistag, und Abends das berühmte Fest in Florenz, zu dem ich für mein Leben gern da gewesen wäre; so was benutzen Italiäner, und die Wirthinn in Incisa bot mir gleich ein Fuhrwerk für den 4fachen Preis an; als ich das nicht wollte, sagte sie, ich möge mir eins suchen. Das that ich auch wirklich, hörte aber, daß dort keine Miethwagen zu haben seyen, nur Post, ich frug nach der Post und erfuhr zu meinem Grimm, daß die eben bei der Wirthinn sey, und daß sie mir die Postpferde habe zu dem übertriebnen Preis geben wollen. Nun ging ich zurück und verlangte Post; sie sagte, wenn ich ihre Pferde zu ihrem Preise nicht wolle, so bekäme ich auch keine Post; ich wollte das Reglement sehen, das sie alle haben müssen, sie sagte, sie brauche es nicht zu zeigen, und drehte mir den Rücken. Der Zustand der Gewalt, der hier große Rollen spielt, trat also abermals ein, denn ich packte sie und warf sie in die Stube hinein (es war unter der Thür) drauf lief ich die Straße herunter, um zum Podestà zu gehen, im Orte gab es aber keinen, sondern er residirte 4 Meilen entfernt, die Sache wurde immer unangenehmer, und mein Gefolge von Straßenjungen vergrößerte sich jeden Schritt; zum Glück kam ein ziemlich stattlicher Mann, vor dem das Gesindel einigen Respect zeigte, auf den ging ich zu, setzte ihm die Sache aus einander, er nahm Antheil und führte mich zu einem Weinbauern, der ein Wägelchen besaß, die ganze Bevölkerung stellte sich vor dem Hause auf, viele drangen bis in den Flur nach, und schrien, ich sey toll; aber das Wägelchen kam, einem alten Bettler wurden ein Paar Pfennige gegeben, drauf riefen alle ich sey ein bravo Signore und buon viaggio! Der mäßige Preis, den der Mann forderte zeigte mir erst die abscheuliche Prellerey der Wirthinn, das Fuhrwerk war sehr leicht und schnell, der schöne Reisesack lag mir vor den Füßen und nun ging es über die Berge auf Florenz zu. Nach einer halben Stunde überholten wir schon den trägen Vetturin, gegen die Sonne wurde der Regenschirm aufgespannt, und selten bin ich so vergnügt und angenehm gereis’t, als diese Paar Stunden, alle Quälerey hinter mir, und die Aussicht aufs schöne Fest Abends. Sehr bald ließ sich auch der Dom und die tausend Landhäuser durch die Thäler blicken, die gezierten Mauern kamen wieder mit den Bäumen drüber, das Arnothal war lieblicher, als je, und so kam ich froh hier an; aß zu Mittag und schon während dessen hörte ich Lärm, sah am Ende aus dem Fenster und da zog Alles, Jung und Alt, in Festtagskleidern, über die Brücken; ich also gleich nach und zum Wagencorso, dann zum Pferderennen, dann in die erleuchtete Pergola, endlich auf einen Maskenball im Theater Goldoni. Nun war es 1 Uhr nach Mitternacht und ich ging zu Hause und dachte nun sey es doch aus. Da war der ganze Arno mit Gondeln bedeckt die von bunten Lampen erleuchtet sich nach allen Seiten hin durchkreuzten, unter der Brücke kam ein großes Schiff mit grünen Blendlaternen vor, und das Wasser war lebendig und hell, und über dem ganzen schien der hellere Mond. Da überdachte ich mir so einen ganzen Tag, und was einem da Alles durch den Sinn geht, und nahm mir vor, es Euch zu schreiben. Eigentlich ist es bisjetzt mehr eine Erinnerung für mich, denn Ihr werdet, Euch nichts dabey denken können; aber es soll mir dazu dienen, einmal eine oder die andre Geschichte dran anzuknüpfen von dem bunten Italien Mündlich.
F          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1831-06-26-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1831-06-26-01" xml:id="title_f041bc75-0b0d-4556-ad3c-fb948f62a465">Felix Mendelssohn Bartholdy an Fanny Hensel und Rebecka Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb> Florenz, 25. und 26. Juni 1831</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_71a75c79-2c0e-4e90-b9dd-0abb72b0da33">Du willst, ich soll Dir auch schreiben, wie mir zu Muthe ist! 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Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. 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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-06-25" xml:id="date_c0fbcb0e-0a4a-4b22-8b97-8a5fa1ffc40f">25.</date> und <date cert="high" when="1831-06-26" xml:id="date_7f6d4d0b-9ca7-4533-8fe4-1ce3f70aeed3">26. Juni 1831</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_be0265c1-d94a-475f-8210-e5b112e48b7f">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_92e61ba2-ac72-40c9-a309-b59342e2b6ed"> <settlement key="STM0100174">Florenz</settlement> <country>Italien</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0117586" resp="receiver" xml:id="persName_a2311534-b74f-4a16-aea1-fd11388fd7ae">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</persName> <persName key="PSN0111893" resp="receiver" xml:id="persName_afff7886-ccff-4371-b96f-cb9beb7fb942">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_d42d1eb0-b430-441e-928d-e3a86447d278"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc></teiHeader> <text type="letter"><body><div type="address" xml:id="div_190c01e1-2d73-4c3d-af9a-dc7e683693a8"><head><address><addrLine>À Mde.</addrLine><addrLine>Mde. 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Ich gehorche also, und weil mir eben gar sehr wohl und fröhlich zu Muthe ist, so schreibe ich Dir jetzt, denn das wirst Du doch nicht etwa meinen, daß ich Dir schreiben soll, wenn ich muffig bin? Es ist schlimm genug, daß man es zuweilen ist, warum sollte man es seinen <persName xml:id="persName_c3be1d25-e911-48f3-a8c4-af8f4e3bab64">Geren<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> gar mittheilen? Aber wenn man an Alles Frohe denkt, wenn man Augen und Sinne voll Schönem und Lieblichen hat, und wenn es wieder so recht heiter, behaglich, und doch eben nicht spashaft ums Herz ist, dann macht man sich Licht, nimmt sich die Halsbinde ab, schließt die Jalousien zu und schreibt an Euch. Ich bin nun unvermerkt ins „Euch“ gekommen, obwohl ich Dir eigentlich allein hätte schreiben sollen, denn Du hast einen brummigen Privatbrief haben wollen; aber wahrhaftig ich bin nicht brummig, und die <persName xml:id="persName_a9434fba-1034-4b8c-b8dc-75ac45ad3bb3">Geren<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> sind ein Dual, sie gehören zusammen. Also liebe <persName xml:id="persName_c73f9f51-373c-42cf-9848-6859e49bf9d7">Frau Schwester und Töpfchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>, das Florenz ist ein gar lieblicher Ort; an einem Tage wie heut muß man viel ans Väterliche Haus denken und zu den Seinigen; mir geht es curios: wenn ich mich irgendwo nicht wohl befinde, mich langweile, verdrießlich bin, so habe ich auch nicht besondre Sehnsucht nach Hause, oder nach den Meinigen, sondern ich möchte gern etwas drein schlagen, und ärgre mich daß ich nicht kann; kommen aber die schönen Tage, wo jede Stunde unvergeßlich bleibt, und jeder Augenblick frische frohe Eindrücke mitbringt, dann wünsche ich mich zu Euch oder Euch zu mir so recht lebhaft, und dann vergeht keine Minute, wo mir nicht einer von Euch einfällt, dem ich was zu sagen habe. (Der Brief geht immer mehr ins Breite, und ist nun schon wieder an Alle.) Heut habe ich meinen ganzen Vormittag von 10 bis 3 auf der <placeName xml:id="placeName_3130152a-f512-4ce9-80bb-3a40d9dc5ad7">Gallerie<name key="NST0100247" style="hidden" subtype="" type="institution">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="locality">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> zugebracht; es war himmlisch. Ich habe mich außer allem Schönen, das ich gesehn und allem Neuem, das man dort immer lernt, so herrlich unter den Bildern umhergetrieben und mich so mit Ihnen befreundet und unterhalten. Und wie ist das hier eine Stadt dazu! Das weiß ich, daß ich heut von den Bildern einen so großen Genuß gehabt habe, wie noch nie; das Glück einer großen Sammlung der ersten Kunstwerke ist mir so recht vor Augen getreten, man konnte so von einem zum andern gehn, dort eine Stunde sitzen und träumen, dann wieder dahin. Es war hier ein Festtag gestern, und so war heute der Pallast degli Uffizii<name key="NST0100247" style="hidden" subtype="" type="institution">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country> voll Leuten, die nach der Stadt gekommen waren, ums Pferderennen zu sehen, und nun auch die berühmte <placeName xml:id="placeName_91c8d734-a950-44a4-bfe6-e958f574f94a">Gallerie<name key="NST0100247" style="hidden" subtype="" type="institution">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> sehn wollten; meist Bauern und Bäuerinnen in der Landtracht, alle Gemächer waren offen, und ich, der ich sie mir zum letztenmal betrachtete, weil ich Montag nach dem <placeName xml:id="placeName_0e61545b-3fb1-4da2-8b86-568d3de86c8d">Pallast Pitti<name key="NST0100250" style="hidden" subtype="" type="institution">Galleria Palatina</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> will, und Dinstag zu reisen gedenke ich konnte mich so ganz still durch all die Leute schleichen und recht einsam sein, weil ich gewiß keinen Bekannten drunter hatte. Am Eingang oben an der Treppe haben sie die Büsten der Fürsten aufgestellt, die die Sammlung gestiftet und geziert haben; ich weiß nicht, ob ich heut besonders empfänglich war, aber die Gesichter der Medicäer erfreuten mich ungemein: sie sehen so nobel aus und so fein und glücklich stolz. Ich blieb lange unter Ihnen und prägte mir Ihre welthistorischen Gesichter ein, dann ging es nach der <placeName xml:id="placeName_9605d404-1539-45e7-b231-f498070859ec">Tribüne<name key="NST0100247" style="hidden" subtype="" type="institution">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>. Das Zimmer ist so prächtig klein, mit 15 Schritten geht man hindurch, und doch ist gar zu viel Unendliches darin. Ich suchte mir wieder meinen Lieblingsarmsessel, der unter <placeName xml:id="placeName_dd243bde-182c-4652-a47c-57f00bbe936e">der Statue des Schleifers<name key="SGH0100289" style="hidden" subtype="" type="sight">Galleria degli Uffizi </name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> steht, setzte mich hin und ließ mir es ein Paar Stunden wohl sein. Man hat da in einem Blick die <title xml:id="title_c35bcbc6-de60-40bf-bf45-603a429ea92b">Madonna del Cardellino<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110392" style="hidden" type="art">Madonna del Cardellino</name></title>, den <title xml:id="title_ddadca3c-49f9-4fd2-bfb9-7ce6271b074e">Papst Julius II<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110396" style="hidden" type="art">Papst Julius II.</name></title>, ein <title xml:id="title_577fe5a2-6eb7-4227-bec5-8a0c3eed7a0d">Frauenportrait von Raphael<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110383" style="hidden" type="art">Elisabetta Gonzaga</name></title>, drüber <title xml:id="title_f47c13ea-36d9-42f6-be9d-53a6fd9a2350">einen schönen Perugino<name key="PSN0113822" style="hidden" type="author">Perugino (eigtl. Pietro di Cristoforo Vannucci) (?-1523)</name><name key="CRT0110307" style="hidden" type="art">Thronende Madonna mit den Heiligen Johannes der Täufer und Sebastian</name></title>, ein Heiligenbild; dicht neben sich (man kann sie mit dem Arm reichen) die <placeName xml:id="placeName_d4119935-97ff-497f-825b-efac076891e1">Venus Medicis<name key="SGH0100248" style="hidden" subtype="" type="sight">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, drüber die vom <title xml:id="title_2c6103f2-8237-420f-b450-98ed29b1b133">Titian<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111095" style="hidden" type="art">Venus von Urbino</name></title>, auf der andern Seite den <placeName xml:id="placeName_06f4d19a-d5b5-4e8d-bcfe-0a40a534fcec">Apollino<name key="SGH0100290" style="hidden" subtype="" type="sight">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> und <placeName xml:id="placeName_a95a84e8-6878-4ba4-b64c-7a429b7cad2a">die beiden Ringer<name key="SGH0100291" style="hidden" subtype="" type="sight">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>; vor den Raphaels <placeName xml:id="placeName_61d35364-7bc9-4b88-82ae-18fd38a035f8">den lustigen griechischen Faun<name key="SGH0100292" style="hidden" subtype="" type="sight">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, der ein täppisches Vergnügen an gräulicher Musik hat, denn der Kerl hat eben Becken zusammengeschlagen, horcht auf den Klang, und tritt mit dem Fuß noch auf eine Art Kuckuckpfeife zur Begleitung; das ist ein Rüpel! Die Zwischenräume füllen andre Bilder von <persName xml:id="persName_85862d64-6f6e-496d-95ee-d4f993a7bdef">Raphael<name key="PSN0114060" style="hidden">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name></persName>, ein <title xml:id="title_1607ff0d-8967-42b2-9654-dffa119b17ee">Portrait von Titian<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111086" style="hidden" type="art">Francesco Maria della Rovere</name><name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111084" style="hidden" type="art">Eleonora Gonzaga</name></title>, <title xml:id="title_24f9ab3e-ae8f-462a-a453-6ae5f9aedb79">ein Domenichino<name key="PSN0110702" style="hidden" type="author">Domenichino (eigtl. Domenico Zampieri) (1581-1641)</name><name key="CRT0108576" style="hidden" type="art">Kardinal Agucchi</name></title> u. dgl. aus, und das Alles in einem kleinen Halbkreise, wie eine von Euern Stuben. Man kommt sich da besonders klein vor, und wird bescheiden. Ab und zu ging ich auch nach den andern Zimmern, wo einem <title xml:id="title_4fe9ebc6-9895-4423-a866-2832a3c3ae04">ein großes Bild von Leonardo da Vinci<name key="PSN0112789" style="hidden" type="author">Leonardo da Vinci (1452-1519)</name><name key="CRT0109699" style="hidden" type="art">Anbetung der Könige</name></title>, aber nur erst angefangen, untermalt und so mit all den wilden Strichen stehn geblieben, auch mancherley zu denken giebt; namentlich aber freute ich mich am Mönch, Fra Bartolommeo, der ein sehr frommer, zarter und ernster Geist war. <title xml:id="title_b9b3f116-d763-4370-a4bd-7242855159d1">Ein kleines Bildchen<name key="PSN0109681" style="hidden" type="author">Bartolommeo della Porta (1472-1517)</name><name key="CRT0107962" style="hidden" type="art">Adorazione dei Magi (Die Anbetung des Kindes)</name><name key="PSN0109681" style="hidden" type="author">Bartolommeo della Porta (1472-1517)</name><name key="CRT0107964" style="hidden" type="art">Presentazione al Tempio (Die Darbringung Christi im Tempel)</name></title> von ihm ist da; das habe ich mir entdeckt, es ist etwa so groß, wie dies Papier in 2 Abtheilungen getheilt; und stellt die Anbetung und die Darbringung im Tempel vor; die Figürchen sind ungefähr wie zwei Fingerglieder, aber bis aufs Feinste, Netteste ausgemalt mit den buntesten Farben, den hellsten Verzierungen, und in freundlichem Sonnenschein; man sieht an dem Bilde, wie der andächtige Herr, so recht mit Lust daran gemalt und ins Kleinste ausgeführt hat, etwa um es zu verschenken und jemand eine Freude damit zu machen; es ist als gehöre, der Maler dazu und müsse noch davor sitzen und sei nur eben weggegangen. So wurde mir heut vor vielen Bildern, namentlich vor der <title xml:id="title_eaa74d3c-b14d-4825-bfe6-f772cf57b646">Madonna mit dem Stieglitz<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110392" style="hidden" type="art">Madonna del Cardellino</name></title>, die der Raphael <persName xml:id="persName_6f8bea69-b63e-4858-8e45-175ba9541ada">seinem Freunde<name key="PSN0113541" style="hidden">Nasi, Lorenzo di Bartolomeo</name></persName> zum Hochzeitgeschenk gemalt hat, als Ueberraschung; und wie ich so an alle die Männer dachte, wie sie schon lange fort sind und wie ihr ganzes Innre so klar uns und Allen andern noch da steht, da kam ich zufällig in die Zimmer, worin die Portraits der großen Maler hängen. Ich hatte sie früher mehr als kostbare Seltenheit betrachtet, denn es sind über 300 Portraits, meist von den Malern selbst gemacht, so daß man zugleich den Mann und sein Werk vor sich sieht; aber heut ging mir ein besondrer Sinn dafür auf. Wie da ein Jeder so aussieht, wie das, was er geschaffen hat, und wie ein Jeder indem er sich selbst malte, sich so ganz gegeben hat, wie er gewesen sein muß. Man lernt dort die Leute persönlich kennen und da erklärt sich einem vieles. Ich erzähle Euch mündlich einmal recht ausführlich davon, aber das muß ich Euch noch sagen, daß das <title xml:id="title_4bc86522-0bf0-4cf4-ac87-93d87be43c06">Portrait von Raphael<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110401" style="hidden" type="art">Selbstporträt</name></title> fast das rührendste Bild ist, das ich je von ihm gesehn habe. In der Mitte der einen großen mit Portraits bis ganz oben behängten reichen Wand hängt ein kleineres, einzeln, ohne weitre Auszeichnung, aber die Augen müssen sich gleich darauf richten; das ist <persName xml:id="persName_75581784-e460-40fc-b169-76577dc88a52">Raphael<name key="PSN0114060" style="hidden">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name></persName>, jung, sehr krank und blaß, und mit einer Sehnsucht nach Weiter, mit einem Verlangen und Schmachten in Mund und Augen, daß es ist, als sähe man ihm in die Seele. Wie er noch nicht einmal aussprechen kann, was er Alles fühlt und sieht, und wie es ihn doch zwingt immer weiter zu schreiten, und wie er früh sterben muß, das steht Alles auf dem trüben, leidenden, feurigen Gesicht, und wenn man nach den aus dem tiefen Innersten blickenden schwarzen Augen und nach dem schmerzlich verzognen Munde sieht, so wird es einem fast schauerlich. Und nun solltet ihr sehn, wie drüber ein häßlicher, wildkräftiger, markig und knorriggesunder Kerl, der <persName xml:id="persName_13576ea3-9513-4401-bd36-2d7281a4df4e">Michelangelo<name key="PSN0113332" style="hidden">Michelangelo Buonarroti (1475-1564)</name></persName> so böse herausschaut und so grob, und auf der andern Seite ein weiser, ernster Mann, wie ein Löwe, der <persName xml:id="persName_5cc80910-0b8e-4795-ae56-8bb935ef2444">Leonardo da Vinci<name key="PSN0112789" style="hidden">Leonardo da Vinci (1452-1519)</name></persName>; aber Ihr könnt es ja nicht sehen und ich will es Euch ja nicht schreiben, sondern erzählen. Glaubt mir aber, es ist eine Herrlichkeit; und dann ging ich zur <placeName xml:id="placeName_b5a62369-5851-4fbf-bd4c-d2ded851e143">Niobe<name key="SGH0100249" style="hidden" subtype="" type="sight">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, die mir von allen Statuen doch den größten Eindruck macht, und dann wieder zu meinen Malern, und wieder nach der <placeName xml:id="placeName_14e54bd2-4251-4c82-be74-c2533a80f5fa">Tribüne<name key="NST0100247" style="hidden" subtype="" type="institution">Galleria degli Uffizi</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, und durch die Corridors, wo einen die Römischen Kaiser mit ihren vornehmen Schurkengesichtern anstarren, und dann nahm ich noch von den Medicis Abschied – es war wohl ein unvergeßlicher Morgen.</p></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_3b03f857-02e9-49d0-897c-74b52429143c"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><date cert="high" when="1831-06-26" xml:id="date_8b69f8a7-96bc-43ec-8367-861acd2b9cce"><seg type="inline">d. 26</seg><hi rend="superscript">sten</hi><seg type="inline">.</seg></date> Glaubt aber nur nicht, daß es etwa heißt „so leben wir alle Tage“. Man muß sich mit dem heutigen, lebenden Pöbel gewaltig herumschlagen, ehe man zur Noblesse, die längst gestorben ist, mal hinkommen kann, und wer keine gute Haut hat, kommt braun und blau an; solch eine Reise, wie die meinige von Rom nach Perugia und hieher, ist wahrhaftig kein Spas; es heißt in den <title xml:id="title_ec0d2e48-8a92-4f4f-896a-27a857f868a0">Flegeljahren<name key="PSN0114173" style="hidden" type="author">Richter, Johann Paul Friedrich (Pseud.: Jean Paul) (1763-1825)</name><name key="CRT0110453" style="hidden" type="literature">Flegeljahre. Eine Biographie</name></title> die Gegenwart eines offenbar hassenden Wesens sey drückend und peinlich; solch ein Wesen ist aber der Römische Vetturin. Er gönnt einem keinen Schlaf, läßt einen hungern und dursten; Abends, wo er einem das pranzo geben soll, weiß ers so zu karten, daß man gegen Mitternacht ankommt, wo die Leute alle schon schlafen, und man froh ist, wenn sich noch ein Bett findet; morgens um <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> 4 fährt er fort, und bleibt zu Mittag seine 5 Stunden liegen, aber gewiß in einer einzelnen Schenke, wo nichts zu haben ist, täglich macht er etwa 6 Deutsche Meilen, fährt piano während die Sonne fortissimo brennt; ich war nun gar schlimm dran, denn meine Reisegesellschaft war unpassend: inwendig drei Jesuiten und im Cabriolet, wo ich eigentlich gern sitzen wollte, eine unangenehme Venetianerinn; wollte ich der entgehen, so mußte ich inwendig mit anhören, wie <persName xml:id="persName_697685f4-ce6c-4c57-aeaa-c3767e6b2570">Ariost<name key="PSN0109522" style="hidden">Ariosto (Ariost), Ludovico (1474-1533)</name></persName> verbrannt werden solle, als Verführer und Sittenverderber, und das Lob <persName xml:id="persName_f832e32f-fb5c-409b-aa7c-08fe5d675024">Carls X<name key="PSN0111146" style="hidden">Frankreich, Karl X. von, Comte d’Artois (1757-1836)</name></persName>, draußen war es noch schlimmer, aus der Stelle kamen wir nicht, den ersten Tag nach einer Fahrt von 4 Stunden brach die Axe und wir mußten in dem Haus in der Campagna, wo wir grade waren, 9 Stunden liegen bleiben und endlich gar die Nacht zubringen; kam dann wieder eine <placeName xml:id="placeName_0160ad19-c566-4a10-9ad5-3e7451d41b78">Kirche<name key="SGH0100581" style="hidden" subtype="" type="sight">Basilika San Francesco</name><settlement key="STM0100580" style="hidden" type="">Assisi</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, die man besuchen konnte, so standen die schönsten, frömmsten Gestalten von <persName xml:id="persName_34fc24ca-117d-4c42-8b13-bc2f46dcf4c6">Perugino<name key="PSN0113822" style="hidden">Perugino (eigtl. Pietro di Cristoforo Vannucci) (?-1523)</name></persName>, oder <persName xml:id="persName_39ffe89d-5472-46f8-a54e-21bad94034b8">Giotto<name key="PSN0111379" style="hidden">Giotto di Bondone (eigtl. Angiolotto di B.) (1266-?)</name></persName> und <persName xml:id="persName_e5d9d295-d004-4eee-9867-9d3121539b4b">Cimabue<name key="PSN0110394" style="hidden">Cimabue, Giovanni (1240-1302)</name></persName> vor einem und man gerieth von der Empörung ins Entzücken und dann wieder in die Empörung: das ist ein miserabler Zustand. Mich amüsirte es wenig, und hätte die Natur nicht am Trasimenischen See einigen Mondschein aufgetischt, und wäre nicht die Gegend so wunderschön, und wäre nicht in jeder größern Stadt eine herrliche Kirche, und auf jeder Tagereise eine größre Stadt, und wäre nicht – aber Ihr seht ich bin ungenügsam. Die Reise war doch schön, und nun will ich meine Ankunft in Florenz beschreiben: die enthält das ganze Italiänische Leben der vorigen Tage. In Incisa, eine halbe Tagereise vor Florenz, machte es der Vetturin zu arg, mit Grobheit und Gemeinheiten; ich sah mich gezwungen, meine Sachen abzupacken, und ihm zu sagen, er solle zum Teufel fahren, was er freilich ungern that. Nun war aber Johannistag, und Abends das berühmte Fest in Florenz, zu dem ich für mein Leben gern da gewesen wäre; so was benutzen Italiäner, und die Wirthinn in Incisa bot mir gleich ein Fuhrwerk für den 4fachen Preis an; als ich das nicht wollte, sagte sie, ich möge mir eins suchen. Das that ich auch wirklich, hörte aber, daß dort keine Miethwagen zu haben seyen, nur Post, ich frug nach der Post und erfuhr zu meinem Grimm, daß die eben bei der Wirthinn sey, und daß sie mir die Postpferde habe zu dem übertriebnen Preis geben wollen. Nun ging ich zurück und verlangte Post; sie sagte, wenn ich ihre Pferde zu ihrem Preise nicht wolle, so bekäme ich auch keine Post; ich wollte das Reglement sehen, das sie alle haben müssen, sie sagte, sie brauche es nicht zu zeigen, und drehte mir den Rücken. Der Zustand der Gewalt, der hier große Rollen spielt, trat also abermals ein, denn ich packte sie und warf sie in die Stube hinein (es war unter der Thür) drauf lief ich die Straße herunter, um zum Podestà zu gehen, im Orte gab es aber keinen, sondern er residirte 4 Meilen entfernt, die Sache wurde immer unangenehmer, und mein Gefolge von Straßenjungen vergrößerte sich jeden Schritt; zum Glück kam ein ziemlich stattlicher Mann, vor dem das Gesindel einigen Respect zeigte, auf den ging ich zu, setzte ihm die Sache aus einander, er nahm Antheil und führte mich zu einem Weinbauern, der ein Wägelchen besaß, die ganze Bevölkerung stellte sich vor dem Hause auf, viele drangen bis in den Flur nach, und schrien, ich sey toll; aber das Wägelchen kam, einem alten Bettler wurden ein Paar Pfennige gegeben, drauf riefen alle ich sey ein bravo Signore und buon viaggio! Der mäßige Preis, den der Mann forderte zeigte mir erst die abscheuliche Prellerey der Wirthinn, das Fuhrwerk war sehr leicht und schnell, der schöne Reisesack lag mir vor den Füßen und nun ging es über die Berge auf Florenz zu. Nach einer halben Stunde überholten wir schon den trägen Vetturin, gegen die Sonne wurde der Regenschirm aufgespannt, und selten bin ich so vergnügt und angenehm gereis’t, als diese Paar Stunden, alle Quälerey hinter mir, und die Aussicht aufs schöne Fest Abends. Sehr bald ließ sich auch der Dom und die tausend Landhäuser durch die Thäler blicken, die gezierten Mauern kamen wieder mit den Bäumen drüber, das Arnothal war lieblicher, als je, und so kam ich froh hier an; aß zu Mittag und schon während dessen hörte ich Lärm, sah am Ende aus dem Fenster und da zog Alles, Jung und Alt, in Festtagskleidern, über die Brücken; ich also gleich nach und zum Wagencorso, dann zum Pferderennen, dann in die erleuchtete Pergola, endlich auf einen Maskenball im <placeName xml:id="placeName_41d89c77-cfbb-433d-9d06-a8c7118a68a3">Theater Goldoni<name key="NST0103155" style="hidden" subtype="" type="institution">Teatro Goldoni</name><settlement key="STM0100174" style="hidden" type="">Florenz</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>. Nun war es 1 Uhr nach Mitternacht und ich ging zu Hause und dachte nun sey es doch aus. Da war der ganze Arno mit Gondeln bedeckt die von bunten Lampen erleuchtet sich nach allen Seiten hin durchkreuzten, unter der Brücke kam ein großes Schiff mit grünen Blendlaternen vor, und das Wasser war lebendig und hell, und über dem ganzen schien der hellere Mond. Da überdachte ich mir so einen ganzen Tag, und was einem da Alles durch den Sinn geht, und nahm mir vor, es Euch zu schreiben. Eigentlich ist es bisjetzt mehr eine Erinnerung für mich, denn Ihr werdet, Euch nichts dabey denken können; aber es soll mir dazu dienen, einmal eine oder die andre Geschichte dran anzuknüpfen von dem bunten Italien Mündlich.</p><signed rend="right">F</signed></div></body></text></TEI>