fmb-1831-06-16-01
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Rom, 16. Juni 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
8 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel, Zusatz von fremder Hand: »26. [unsichere Lesart:] P. nicht« – Zelter notierte unter dem Briefdatum: »erh. 29 Juny«.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Es ist lange her, daß ich Ihnen schreiben wollte, um Ihnen von der Musik der heiligen Woche Bericht abzustatten; meine Reise nach Neapel kam dazwischen, und dort, wo ich mich die meiste Zeit im Freien, auf den Bergen umhertrieb und mir mit dem Meer zu schaffen machte, dort war auch nicht die rechte Ruhe fürs Schreiben zu finden. Daher die Verspätung, die ich Sie zu entschuldigen bitten muß; ich habe aber seit der Zeit keinen merkwürdigen Ton gehört, (in Neapel nur das Aller mittelmäßigste) und so habe ich denn wirklich seit den letzten Monaten von nichts zu schreiben als von der heiligen Woche; vergessen denke ich nichts davon zu haben, und werde es wohl schwerlich je. – Vom Eindruck des Ganzen habe ich schon an die 1 2 a g, und die andre g e g endigt; sie singen es genau mit dem Ausdruck und es klingt, als wenn sich viele Männer ernsthaft und böslich zankten, so daß jeder halsstarrig dem andern immer wieder dasselbe zuruft. Im letzten Vers jedes Psalmes singen sie die Worte mit denen er schließt, langsamer und nachdrücklicher und machen statt des Melismas einen langen Dreiklang piano. z. B. bei dem ersten Zum Anfang jedes Psalmes ist als Einleitung eine Antiphona oder mehrere: Diese werden gewöhnlich von ein Paar Altstimmen sehr rauh und hart in Canto fermo gesungen, eben so die erste Vershälfte jedes ersten Psalmverses, und bei der zweiten geht dann das obenbeschriebne Antworten der Männerchöre los. Die einzelnen Antiphonen u. s. w. die ich nachgeschrieben habe behalte ich mir vor, Ihnen zu zeigen, damit Sie sie mit dem Büchelchen zusammenhalten können. Den Mittwoch Abend wird erst der 68ste, dann der 69ste und 70ste Psalm gesungen. (Beiläufig ist diese Eintheilung der Psalmenverse, und daß sie von
stenPsalm kommt ein pater noster sub silentio, d. h. Alles steht auf und es ist eine kurze, stille Pause. Drauf fängt die erste
tenTage setzt sie noch hinzu: mortem autem crucis. Und am Charfreitage: propter quod & Deus exaltavit illum & dedit illi Nomen, quod est super omne nomen. Nun kommt wieder eine Pause, während dessen jeder das Pater noster für sich sagt. Es ist eine Todtenstille in der ganzen
tenTag gaben sie einige
Wie nun der Sopran das hohe C recht rein und sanft faßt und lange ausklingen läßt und dann langsam herabgleitet, während der Alt immerfort sein C hält, so daß ich im Anfange sogar getäuscht war und glaubte, das hohe C bleibe während dessen oben liegen, und wie sich die Harmonie so nach und nach auseinander wickelt, das ist wirklich ganz prächtig. Die andern Verzierungen sind in derselben Art, den Akkordfolgen angepaßt, aber diese ist bei weitem die schönste. Von einer besondern Art des Vortrags wüßte ich sonst nichts zu sagen: auch was ich mal gelesen, daß eine eigne akustische Vorrichtung den Schall fortpflanze, ist eine bloße Fabel, ebenso daß sie Alles nur so nach Tradition singen, ohne Takt, einer dem andern folgend, denn ich habe recht gut den Schatten von ten und dritten emoll, schloß aber alle 3mal fast in bmoll. Der Haupt-Sopran, 1 2
Tenori.
dann später:
Ich kann einmal nicht helfen; mich empört es, wenn ich die allerheiligsten, schönsten Worte auf so nichtssagende, leyermäßige Töne muß abgesungen hören. Sie sagen, es sey Canto fermo, es sey Gregorianisch – das ist All’ eins. Wenn man es damals nicht anders gefühlt hat, oder nicht anders hat machen können, so können wir es jetzt; und in den Bibelworten steht von dieser monotonen Handwerksmäßigkeit wahrhaftig nichts; da ist Alles frisch und wahr, und nebenbey auch so gut und natürlich ausgedrückt, als möglich; warum soll denn das nun klingen, wie eine Formel? Und weiter ist doch wirklich an solchem Gesange nichts. Das Pater mit dem kleinen Schnörkel, das meum mit dem Trillerchen, das ut quid me, das soll Kirchengesang sein? Freilich ein falscher Ausdruck ist nicht darin, denn es ist gar kein Ausdruck darin; aber ist denn das nicht eben die rechte Entwürdigung der Worte? So bin ich hundertmal wild geworden, während der Ceremonien hier, und kamen dann die Leute und waren außer sich, wie herrlich das doch sey, so wollte es mir wie ein schlechter Spas bedünken, und doch war es ihr Ernst und ich durfte nichts sagen.Am Freitag früh zur Messe ist die ganze
Auch das Barrabam ist merkwürdig; es sind lauter zahme Juden. – Aber der Brief ist schon zu lang; also das Weitre hievon will ich verschweigen. – Es kommen nun die Gebete für alle Völker, und Institutionen, jedes einzeln genannt; bei dem Gebet für die Juden wird aber nicht gekniet, wie bei den andern, und auch nicht Amen gesagt, sie beten pro perfidis Judaeis, und das Büchlein, weiß auch hiefür eine Erklärung zu finden. – Nun kommt die Anbetung des Kreuzes; es wird in die Mitte der
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Rom d. 16 Juny 31Lieber Herr Professor! Es ist lange her, daß ich Ihnen schreiben wollte, um Ihnen von der Musik der heiligen Woche Bericht abzustatten; meine Reise nach Neapel kam dazwischen, und dort, wo ich mich die meiste Zeit im Freien, auf den Bergen umhertrieb und mir mit dem Meer zu schaffen machte, dort war auch nicht die rechte Ruhe fürs Schreiben zu finden. Daher die Verspätung, die ich Sie zu entschuldigen bitten muß; ich habe aber seit der Zeit keinen merkwürdigen Ton gehört, (in Neapel nur das Aller mittelmäßigste) und so habe ich denn wirklich seit den letzten Monaten von nichts zu schreiben als von der heiligen Woche; vergessen denke ich nichts davon zu haben, und werde es wohl schwerlich je. – Vom Eindruck des Ganzen habe ich schon an die Eltern damals berichtet, und diese werden es Ihnen mitgetheilt haben; es war schön, daß ich mir vornahm, ganz kalt und beobachtend die Sache anzuhören; und daß mir schon vor dem Anfang in der Capelle ernsthaft und andächtig zu Muthe wurde; solche Befangenheit gehört, glaub’ ich, dazu, um irgend etwas Neues recht auffassen zu können, und obwohl ich mich zwang auf alle Einzelheiten aufzupassen, so ist mir doch von der Wirkung des Ganzen nichts deswegen entgangen. Mittwoch um 1 2 5 fing die Feier an, mit der Antiphona „Zelus domus tuae“ Vorher steht im Büchelchen, welches die Kirchenordnung der Woche enthält, was die ganze Feier eigentlich bedeute: „es würden in jedem Nocturno 3 Psalmen gesungen, weil Christus für die Jungfräulichen, die Verheiratheten, und die Verwittweten gestorben sey, und auch wegen der 3 Gesetze: des Natürlichen, Geschriebnen, und Evangelischen; das Domine labia mea und das Deus in adjutorium würde nicht gesungen, weil die Gottlosen uns unser Haupt und Anfang geraubt hätten, die 15 Lichter bedeuteten die 12 Apostel und 3 Marien“ etc. etc. (das Büchelchen enthält in dieser Art die aller merkwürdigsten Sachen, und ich bringe es Ihnen deshalb mit. ) Die Psalmen werden von allen Männerstimmen zu 2 Chören fortissimo abgesungen; jeder Psalmvers ist nämlich in 2 Theile, wie Frage und Antwort, oder vielmehr a und b abgetheilt, der erste Chor singt a, und der zweite antwortet mit b: alle Worte, ausgenommen das letzte, werden in großer Schnelligkeit auf einen Ton gesungen, und auf dem letzten machen sie ein kurzes Melisma, welches beim ersten und zweiten Vers verschieden ist; nach dieser Melodie, oder tono, wie sie es nennen, wird der ganze Psalm mit all seinen Versen gesungen, und ich habe mir 7 verschiedne dieser toni nachgeschrieben, mit denen sie in den 3 Tagen abwechselten. Sie können sich nicht denken, wie ermüdend und monoton sich dies macht, und wie roh und handwerksmäßig sie ihre Psalmen heruntersingen. Der erste tonus, den sie sangen war z. B. Coro 2: so geht nun der ganze Psalm von 42 Versen immer fort, indem eine Vershälfte auf g a g, und die andre g e g endigt; sie singen es genau mit dem Ausdruck und es klingt, als wenn sich viele Männer ernsthaft und böslich zankten, so daß jeder halsstarrig dem andern immer wieder dasselbe zuruft. Im letzten Vers jedes Psalmes singen sie die Worte mit denen er schließt, langsamer und nachdrücklicher und machen statt des Melismas einen langen Dreiklang piano. z. B. bei dem ersten Zum Anfang jedes Psalmes ist als Einleitung eine Antiphona oder mehrere: Diese werden gewöhnlich von ein Paar Altstimmen sehr rauh und hart in Canto fermo gesungen, eben so die erste Vershälfte jedes ersten Psalmverses, und bei der zweiten geht dann das obenbeschriebne Antworten der Männerchöre los. Die einzelnen Antiphonen u. s. w. die ich nachgeschrieben habe behalte ich mir vor, Ihnen zu zeigen, damit Sie sie mit dem Büchelchen zusammenhalten können. Den Mittwoch Abend wird erst der 68ste, dann der 69ste und 70ste Psalm gesungen. (Beiläufig ist diese Eintheilung der Psalmenverse, und daß sie von Chor und Gegenchor abgesungen werden, eine der Einrichtungen, die Bunsen für die Evangelische Kapelle hier gemacht hat; so wie er auch jeden Choral durch eine Antiphona einleiten läßt. Diese sind von Georg, einem hiesigen Musiker, nach Art der Canti fermi componirt, und werden von einigen Stimmen erst abgesungen. Dann fällt der Choral ein z. B. ein’ veste Burg ist unser Gott. ) Nach dem 70sten Psalm kommt ein pater noster sub silentio, d. h. Alles steht auf und es ist eine kurze, stille Pause. Drauf fängt die erste Lamentation des Jeremias ganz leise und sanft in g dur an. Es ist eine schöne und ernsthafte Composition von Palestrina, und wenn sie auf das wilde Psalmengeschrei folgt, ohne Bässe blos für hohe SoloStimmen und Tenor, mit dem zartesten Anschwellen und Abnehmen, zuweilen fast unhörbar verschwimmend, so macht es sich ganz himmlisch, wie es von einem Akkord zum andern sich langsam hinzieht, und von einem Ton zum andern schleicht. – Schlimm ist es freilich, daß die Stellen die sie am Rührendsten und Andächtigsten singen, und die auch offenbar mit Vorliebe componirt sind, die Ueberschriften der einzelnen Capitel oder Verse: Aleph, beth, gimmel etc. sein müssen; und daß der schöne Anfang, der klingt, als käme er vom Himmel herunter, gerade auf die Worte ist: Incipit Lamentatio Jeremiae Prophetae, lectio I. Dagegen muß sich doch ein Protestantisches Herz etwas empören, und wenn man die Absicht hat, diese Gesänge in unsre Kirchen einzuführen, so scheint mir schon darin die Unmöglichkeit davon zu liegen; denn wenn mir einer singt „erstes Capitel“ so werde ich nicht andächtig, es sey auch noch so schön. Mein Büchelchen sagt zwar: Vedendo profetizzato il crocifiggimento con gran pietà si cantano eziandio molto lamentevolmente „Aleph“ & le altre simile parole, che sono le lettere dell’alfabeto Ebreo, perchè erano in costume di porsi in ogni canzone in luogo di lamento, come è questa. Ciascuna lettera ha in se tutto il sentimento di quel versetto, che la segue, ed è come un argomento di esso. – Das hilft aber Alles nichts. – Darauf werden Psalm 71, 72 und 73 in obiger Weise abgesungen, mit den Antiphonen; diese sind ganz willkührlich in die verschiednen Stimmen vertheilt, so daß bei der einen die Soprane anfangen: in monte Oliveti, drauf fallen die Bässe forte ein: oravit ad patrem: pater etc. – Dann folgen die Lectionen aus dem Tractat des heil. Augustinus über die Psalmen. Die sonderbare Art, wie diese gesungen werden, frappirte mich unsäglich den Palmsonntag, wo ich es zum erstenmale hörte und ohne zu wissen, was es war; eine Stimme allein trägt sie vor, auf einem Tone recitirend, aber nicht wie in den Psalmen, sondern langsam, nachdrücklich, indem der Ton recht ausklingt. Für die verschiednen Zeichen der Rede: für Comma, Frage, Punct giebt es nun verschiedene Tonfälle, vielleicht sind sie Ihnen schon bekannt; mir, dem sie neu waren, erschienen sie sehr wunderlich. Die erste wurde z. B. von einer schönen Baßstimme auf g vorgetragen; kommt ein Comma so macht er auf dem letzten Wort, bei einem Fragezeichen: bei einem Punct aber so z. B. Wie sonderbar sich der Fall von a nach c macht, kann ich gar nicht beschreiben; besonders wenn nach dem Baß ein Sopran kommt, der mit d anfängt und nun ganz denselben Fall mit e und g macht; dann ein Alt in seinem Ton etc. denn sie sangen 3 verschiedne Lectionen, die immer mit Canto fermo abwechseln. Wie sie den Canto fermo ganz ohne Rücksicht auf Wort und Sinn vortragen, davon als ein Beispiel das „es wäre ihm besser, daß er nie geboren wäre“ was so gesungen wird ganz fortissimo und eintönig. Dann kommen die Psalmen 74, 75, und 76. Dann wieder 3 Lectiones. Dann das miserere, aber in derselben Art gesungen, wie alle vorigen Psalmen, mit folgendem tonus: man soll sich erst die Ohren tüchtig durchreiben, ehe man es besser bekommt; dann folgen Psalm 8, 62, 66, Canticum Moysi in seinem eignen Ton, Psalm 148, 149, 150; nun kommen einige Antiphonen alle Lichter am Altar sind ausgelöscht, bis auf eins, das unter dem Altar versteckt wird, über dem Eingang brennen noch 6 große Kerzen ganz hoch, alles übrige ist schon dämmrig, und jetzt fängt der ganze Chor unisono mit aller Kraft den Canticum Zachariae an, während die letzten Lichter ausgelöscht werden. Das große forte in der Dämmerung und der ernsthafte Klang, der von allen Stimmen ausströmt, machen sich wunderschön. Die Melodie in dmoll ist auch sehr schön; nach dem Ende ist nun Alles ganz dunkel; eine Antiphona kommt auf die Worte „und der Verräther hatte ihnen ein Zeichen gegeben etc. bis „der ists, den greifet“ Dann fallen alle auf die Knie, und eine Stimme singt piano: Christus factus est pro nobis obediens usque ad mortem. Am 2ten Tage setzt sie noch hinzu: mortem autem crucis. Und am Charfreitage: propter quod & Deus exaltavit illum & dedit illi Nomen, quod est super omne nomen. Nun kommt wieder eine Pause, während dessen jeder das Pater noster für sich sagt. Es ist eine Todtenstille in der ganzen Capelle, während dieses Pater noster; drauf fängt das miserere mit einem leisen Akkord der Stimmen an, und breitet sich dann aus in die beiden Chöre. Dieser Anfang und der allererste Klang haben mir eigentlich den meisten Eindruck gemacht: man hat anderthalb Stunden lang nur einstimmig und ohne Abwechselung fast singen hören, und nach der Stille kommt ein schön gelegter Akkord, das thut ganz herrlich, und man fühlt recht innerlich die Gewalt der Musik; die ist es eigentlich, die die große Wirkung macht. Sie sparen sich die besten Stimmen zum miserere auf, singen es mit der größesten Abwechselung, mit Anschwellen und Abnehmen vom leisesten piano zur ganzen Kraft der Stimme: es ist kein Wunder, wenn das jeden ergreifen muß. Dazu kommt noch, daß sie wieder ihre Contraste nicht vergessen, und also Vers um Vers von allen Männerstimmen ganz eintönig, forte und rauh absingen lassen: dann tritt am Anfang des folgenden wieder der schöne, sanfte, volle Stimmenklang ein, der immer nur kurze Zeit fortdauert und dann wieder von dem Männerchor unterbrochen wird; während des monotonen Verses weiß man nun schon, wie schön der Chor wieder eintreten wird, und dann kommt er auch wieder, und ist wieder zu kurz, und ehe man recht zur Besinnung kommt, ist das Ganze vorbey. – Wenn also z. B., wie den ersten Tag wo man das miserere von Baini gab, der Hauptton hmoll ist, so singen sie: miserere mei Deus bis misericordiam tuam nach den Noten mit Solostimmen, 2 Chören, und allem möglichen Aufwand der Mittel ihrer Stimmen; dann fallen alle Bässe tutti forte mit fis ein und recitiren auf diesem einen Ton das: et secundum multitudinem bis iniquitatem meam; worauf gleich wieder der sanfte hmoll Akkord folgt, u. s. w. bis zum letzten Vers, den sie immer mit ganzer Kraft singen. Dann folgt wieder ein stilles, kurzes Gebet, und dann scharren alle Cardinäle nach Kräften mit den Füßen: das ist das Ende der Ceremonie. Mein Büchelchen sagt: der Lärm bedeutet, wie die Hebräer Christus mit großem Tumult gefangen nehmen. Das mag sein, es klingt aber genau, wie das Trommeln des Parterres, wenn das Stück nicht anfangen will oder misfallen hat. Dann wird die eine Kerze wieder unter dem Altar vorgeholt, und bei ihrem Schein geht alles still aus einander; wobey ich noch erwähnen muß, daß es sich wunderschön macht, wenn man aus der Capelle in den großen Vorsaal tritt wo ein gewaltiger Kronleuchter angezündet ist, und wo die Cardinäle mit ihren Geistlichen durch die Reihen der Schweizer hinuntergehen, das erleuchtete Quirinal hindurch. – Das miserere, was sie den ersten Tag sangen, war von Baini; eine Composition, wie eben alle, die er macht, ohne einen Zug von Leben, und Kraft. Indeß es waren Akkorde und Musik, und das machte den Eindruck. Den 2ten Tag gaben sie einige Stücke von Allegri, die andern von Bai; und den Charfreitag – das ganze Baische. Da Allegri nur einen Vers componirt hat, auf den sie alle abgesungen werden, so habe ich also jede der drei Compositionen, die sie dort gaben, gehört. Eigentlich aber ist es ziemlich einerley, welches sie singen, denn die embellimenti machen sie beim einen, wie beim andern, für jeden verschiednen Akkord ein eignes; und so kommt von der Composition nicht viel zum Vorschein. Wie die embellimenti nun hineingerathen sind, wollen sie nicht sagen, behaupten, es sey Tradition. Das glaube ich durchaus ihnen nicht, denn sowie es überhaupt mit einer musikalischen Tradition ein schlimmes Ding ist, so weiß ich nicht, wie ein 5stimmiger Satz von Hörensagen sich fortpflanzen soll; so klingt es nicht. Sie sind von einem Spätern offenbar hinzu gemacht, und mir scheint, der Director habe gute hohe Stimmen gehabt, sie bei Gelegenheit der heil. Woche gern produciren wollen, und ihnen deshalb Verzierungen zu den einfachen Akkorden geschrieben, in denen sie ihre Stimmen recht auslassen und zeigen könnten. Denn alt sind sie gewiß nicht, aber mit vielem Geschmack und Geschick gemacht; sie thun vortrefflich. Namentlich ist eine, die oft vorkommt, und den größesten Effect macht, so daß unter allen Leuten eine leise Bewegung entsteht, wenn sie anfängt; ja, wenn man immer von der besondern Art des Vortrags sprechen hört, und wenn die Leute erzählen, die Stimmen klängen nicht wie Menschen- sondern wie Engelsstimmen aus der Höhe, und es sey ein Klang, den man sonst nie wieder höre, so meinen sie immer diese eine Verzierung. Wo nämlich im miserere (sey es von Bai oder Allegri, denn sie machen in beiden ganz dieselben embellimenti) diese Akkordfolge ist da singen sie statt dessen so Wie nun der Sopran das hohe C recht rein und sanft faßt und lange ausklingen läßt und dann langsam herabgleitet, während der Alt immerfort sein C hält, so daß ich im Anfange sogar getäuscht war und glaubte, das hohe C bleibe während dessen oben liegen, und wie sich die Harmonie so nach und nach auseinander wickelt, das ist wirklich ganz prächtig. Die andern Verzierungen sind in derselben Art, den Akkordfolgen angepaßt, aber diese ist bei weitem die schönste. Von einer besondern Art des Vortrags wüßte ich sonst nichts zu sagen: auch was ich mal gelesen, daß eine eigne akustische Vorrichtung den Schall fortpflanze, ist eine bloße Fabel, ebenso daß sie Alles nur so nach Tradition singen, ohne Takt, einer dem andern folgend, denn ich habe recht gut den Schatten von Bainis langem Arm auf und abgehen sehn, zuweilen schlägt er sogar sehr hörbar aufs Pult. (Es fehlt überhaupt an Dunst nicht, den die Leute und auch die Sänger selbst darum verbreiten: sie sagen z. B. durchaus nie vorher, welches miserere sie singen wollen, das würde im Moment selbst entschieden etc. ) Der Ton in dem sie es singen, hängt übrigens von der Reinheit der Stimmen ab, den ersten Tag war es hmoll, den 2ten und dritten emoll, schloß aber alle 3mal fast in bmoll. Der Haupt-Sopran, Mariano, war ausdrücklich aus dem Gebirge nach Rom gekommen, um mitzusingen, und dem habe ich es denn zu danken, daß ich die embellimenti mit ihren hohen Tönen gehört; so sehr sie sich aber zusammennehmen, so rächt sich doch die Nachlässigkeit und die üble Gewohnheit des ganzen übrigen Jahres und es kommen oft entsetzliche Detonationen vor. – Noch muß ich Ihnen erzählen, daß ich am Donnerstag, als das miserere anfangen sollte, auf eine Leiter stieg, die an der Wand lehnte, und so bis dicht an die Decke der Capelle gelangte, so daß ich die Musik, und die Priester und alle die Zuhörer in der Dunkelheit weit unter mir hatte; wie ich da oben so allein saß, ohne langweilige Fremde neben mir, machte es mir am meisten Eindruck. Und nun weiter; Sie werden genug miserere haben, an diesen anderthalb Seiten, und einzelnes bringe ich Ihnen noch mündlich und schriftlich mit. Am Donnerstag um 1 2 11 war feierliche Messe. Sie sangen eine 8stimmige von Fazzini, die eben nichts Merkwürdiges enthielt. Mehrere canti fermi und Antiphonen, die ich da nachgeschrieben, behalte ich mir vor, und die Ordnung des Gottesdienstes, mit Gründen dafür, besagt das Büchlein. Beim gloria in excelsis werden alle Glocken in Rom geläutet, und dann nicht wieder, bis nach dem Charfreitag. Die Stunden werden von den Kirchen bezeichnet indem man mit Hölzern gegen einander klappert. Es machte sich schön, daß die Worte des gloria, die das Signal zum tollen Lärm gaben, vom alten Cardinal Pacca mit schwacher zitternder Stimme am Altar gesungen wurden, worauf dann alle Glocken einfielen, und der Chor. Sie legten nach dem Credo das fratres ego enim von Palestrina ein, sangen es aber ohne alle Achtung und sehr roh. Die Fußwaschung der Pilger, die dann folgt, mit der Prozession, wo auch die Sänger mitgehn, Baini aus einem großen Buch, das vor ihm getragen wird, taktschlagend und bald dem einen bald dem andern winkend, die Sänger um die Noten hergedrängt im Gehen pausirend, eintretend, der Papst auf seinem Prachtsessel getragen etc. habe ich schon den Eltern beschrieben. Am Abend waren wieder die Psalmen, Lamentazionen, Lectionen; und das miserere, wie den vorigen Tag, mit wenigem Unterschiede. Eine Lection wurde nach einer eignen Melodie, die ich Ihnen mitbringe, von einem Sopran ganz allein vorgetragen. Es ist adagio in langen Noten, dauert gewiß über eine Viertelstunde, die Stimme ist ganz ohne den mindesten Halt und der Gesang liegt sehr hoch; dennoch wurde Alles mit der klarsten, reinsten, festesten Intonation ausgeführt, er sank nicht um ein Comma, ließ die letzten Töne eben so egal und rund anschwellen und abnehmen, wie die im Anfang: es war ein Meisterstück. – Mir fiel auf, wie sie das Wort Appogiatur gebrauchen. Geht z. B. die Melodie von c nach d, oder von c nach e so singen sie oder: oder und diesen Vorschlag nennen sie appoggiatura; es heiße übrigens, wie es wolle, so macht es sich ganz fatal und man muß sich sehr daran gewöhnen, um nicht ganz gestört zu werden durch diese sonderbare Art, die mich an unsre alten Frauen in der Kirche sehr erinnerte. – Außerdem war, wie gesagt, die Folge dieselbe den Donnerstag. Ich hatte aber im Büchlein voraus gesehn, daß das tenebrae vorkommen würde, und da ich mir dachte, es würde Sie interessiren zu erfahren, wie man es in der päpstl. Capelle singt, so saß ich mit gespitztem Bleistift auf der Lauer, bis es heran kam, und schreibe Ihnen hier die Hauptstellen; (sie sangen es übrigens wieder ganz schnell, durchaus forte, ohne die geringste Ausnahme) der Anfang war: Tenori. dann später: Ich kann einmal nicht helfen; mich empört es, wenn ich die allerheiligsten, schönsten Worte auf so nichtssagende, leyermäßige Töne muß abgesungen hören. Sie sagen, es sey Canto fermo, es sey Gregorianisch – das ist All’ eins. Wenn man es damals nicht anders gefühlt hat, oder nicht anders hat machen können, so können wir es jetzt; und in den Bibelworten steht von dieser monotonen Handwerksmäßigkeit wahrhaftig nichts; da ist Alles frisch und wahr, und nebenbey auch so gut und natürlich ausgedrückt, als möglich; warum soll denn das nun klingen, wie eine Formel? Und weiter ist doch wirklich an solchem Gesange nichts. Das Pater mit dem kleinen Schnörkel, das meum mit dem Trillerchen, das ut quid me, das soll Kirchengesang sein? Freilich ein falscher Ausdruck ist nicht darin, denn es ist gar kein Ausdruck darin; aber ist denn das nicht eben die rechte Entwürdigung der Worte? So bin ich hundertmal wild geworden, während der Ceremonien hier, und kamen dann die Leute und waren außer sich, wie herrlich das doch sey, so wollte es mir wie ein schlechter Spas bedünken, und doch war es ihr Ernst und ich durfte nichts sagen. Am Freitag früh zur Messe ist die ganze Capelle ohne Schmuck, der Altar entblößt, Papst und Cardinäle in Trauer. Nun wurde die Passion sec. Johannem gesungen, von Vittoria componirt. Aber nur die Worte des Volks im Chor sind von ihm, das Übrige wird schematisch abgesungen, wovon nachher. Es kam mir zuweilen denn doch gar zu kleinlich und einförmig vor, mir wurde sehr bös zu Muthe, und eigentlich hat mir auch die ganze Sache misfallen. Denn eins von beiden muß sein; die Passion muß entweder uns vom Priester ruhig erzählend vorgetragen werden, wie sie uns der Johannes erzählt, dann braucht kein Chor einzufallen: Crucifige eum, und keine Altstimme den Pilatus vorzustellen. Oder sie muß mir vergegenwärtigt werden, daß mir zu Muth wird, als sey ich dabey und sähe Alles mit an, dann muß Pilatus singen, wie er mag gesprochen haben, der Chor muß schreien Crucifige, und das freilich nicht im Kirchenton; aber durch die innerste Wahrheit und durch den Gegenstand, den es vorstellt, ist es dann schon Kirchenmusik. Dann brauche ich keine „Nebengedanken“ bei der Musik, dann ist mir die Musik nicht „Mittel mich zur Andacht zu erheben“, wie sie es hier wollen, sondern dann ist sie eine Sprache, die zu mir redet, und der Sinn ist eben durch die Worte nur ausgedrückt, nur in ihnen enthalten. So ist Seb. Bachs Passion; aber wie sie es hier singen, da ist es eben nur was Halbes, weder einfache Erzählung, noch große dramatisch-ernsthafte Wahrheit. Der Chor singt Barrabam in ebenso heiligen Akkorden, wie et in terra pax; der Pilatus spricht nicht auf andre Weise, als der Evangelist, und wenn nun der Jesus immer piano eintritt, um doch eine Auszeichnung zu haben, und wenn der Chor recht tüchtig losschreit mit seinen Kirchenakkorden, so weiß man nicht, was Alles das soll. Verzeihen Sie die Bemerkungen, ich will nun gleich wieder Historisch berichten. Der Evangelist also ist ein Tenor, und die Art des Recitirens ist, wie bey den Lectionen, für Comma, Frage, Punct, eigne Schlußfälle. Der Evangelist recitirt auf d und macht bei einem Punct so: bei einem Comma: und am Ende, wenn eine andre Person eintritt so Der Christus ist ein Baß und fängt immer so an: Das Schema habe ich nicht herauskriegen können, obwohl ich mehrere Stellen nachgeschrieben habe, die ich Ihnen zeigen kann, unter andern die Worte am Kreuze. Alle andern Personen nun: Pilatus, Petrus, die Magd, und der Hohepriester sind ein Alt auf g mit diesem Ton Die Worte des Volks singt der Chor von oben herab, während Alles andre am Altar gesungen wird; der Merkwürdigkeit wegen muß ich Ihnen das Crucifige hersetzen, wie ich es mir nachgeschrieben: Auch das Barrabam ist merkwürdig; es sind lauter zahme Juden. – Aber der Brief ist schon zu lang; also das Weitre hievon will ich verschweigen. – Es kommen nun die Gebete für alle Völker, und Institutionen, jedes einzeln genannt; bei dem Gebet für die Juden wird aber nicht gekniet, wie bei den andern, und auch nicht Amen gesagt, sie beten pro perfidis Judaeis, und das Büchlein, weiß auch hiefür eine Erklärung zu finden. – Nun kommt die Anbetung des Kreuzes; es wird in die Mitte der Capelle ein kleines Crucifix gestellt, und alle gehn mit bloßen Füßen (d. h. ohne Schuh) fallen davor nieder und küssen es; während dessen werden die Improperien gesungen. Mir scheint, nach einmaligem Hören es sey eine der schönsten Compositionen von Palestrina und sie singen sie mit ganz besondrer Vorliebe. Es ist da eine bewundernswürdige Zartheit und Übereinstimmung im Vortrag des Chors, sie wissen jeden kleinen Zug ins rechte Licht zu stellen und hervorzuheben, ohne ihn vorzudrängen, ein Akkord verschmilzt sich sanft in den andern, dazu ist die Ceremonie sehr würdig und ernsthaft, in der Capelle die tiefste Stille, und das immerwiederkehrende Griechische: Heilig singen sie außerordentlich schön, jedesmal mit derselben Sanftheit und demselben Ausdruck. Sie werden sich aber wundern, es geschrieben zu sehen, denn was sie singen, ist so: Solche Sachen, wie der Anfang wo alle Stimmen zusammen eine und dieselbe Verzierung machen, kommen sehr oft vor, und man gewöhnt sich daran. Das Ganze macht sich aber wirklich herrlich; ich wollte, Sie könnten den Tenor des ersten Chors hören, wie er hohe a auf Theos nimmt, sie ziehen da den Ton so durchdringend und doch ganz leise hervor, daß es sehr rührend klingt. Dies wird nun so oft wiederholt, bis alles was in der Capelle ist, das Kreuz angebetet hat, und da diesmal der Zudrang nicht sehr groß war, so habe ich es leider nicht so oft gehört, als ich gewünscht hätte. Aber ich konnte mir wohl erklären, warum die Improperien auf Goethe den größesten Eindruck gemacht haben müssen; es ist wirklich das Vollkommenste fast, da Musik und Ceremonie und Alles im größten Einklang sind. Es folgt nun wieder eine Prozession zur Abholung des Hostie, die Abends vorher in einer andern Capelle des Quirinals beim Licht von vielen hundert Kerzen ausgestellt und angebetet wurde. Dann schloß der Vormittagsgottesdienst um 1 2 2 mit einer Hymne im Canto firmo. Abends 1 2 4 fing nun wieder das erste Nocturnum mit den Psalmen, Lectionen, u. s. w. an, ich berichtigte noch einiges, was ich nachgeschrieben, hörte das miserere von Bai, und gegen 7 ging man durch den erleuchteten Vorsaal hinter den Cardinälen nach Hause und auch das war erlebt und vorbey. – Ich habe Ihnen die heilige Woche genau beschreiben wollen, lieber Herr Professor, weil es mir schöne Tage waren, wo ich jede Stunde etwas Längsterwartetes eintreffen sah und kennen lernte, weil es mich besonders freute, daß trotz der Spannung, trotz der vielen Reden drüber hin und her, lobend und tadelnd, mir das Ganze einen eben so frischen und lebhaften Eindruck machte, als wäre ich unabhängig und ohne Befangenheit hingekommen und weil ich wieder bestätigt sah, wie das Vollkommne, und sey es auch in der fremdesten Sphäre, vollkommen wirkt. Mögen Sie den langen Brief halb so gern lesen, wie es mir Freude gemacht hat, mir die Zeit der heiligen Woche in Rom zurückzurufen. Ihr treuerFelix Mendelssohn Bartholdy
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1831-06-16-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1831-06-16-01" xml:id="title_6361a67f-3e3b-4838-aa7f-c9860a099b09">Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Friedrich Zelter in Berlin <lb></lb>Rom, 16. Juni 1831</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_f4ca7b26-1426-4863-9687-f33c2d675902">Es ist lange her, daß ich Ihnen schreiben wollte, um Ihnen von der Musik der heiligen Woche Bericht abzustatten; meine Reise nach Neapel kam dazwischen, und dort, wo ich mich die meiste Zeit im Freien,</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_4c35260b-309a-4106-aa72-62a5573476a5">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 2, 432</idno></publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_969b899c-e612-45c9-b091-6cdb2d56c675"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Schweiz</country> <settlement>Basel</settlement> <institution key="RISM">CH-Bps</institution> <repository>Basel, Paul Sacher Stiftung</repository> <collection>Sammlung Rudolf Grumbacher</collection> <idno type="signatur">Ref.-Nr. 487.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1831-06-16-01" type="letter" xml:id="title_6f880a77-38ad-47d6-bb17-ceb71402f71e">Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Friedrich Zelter in Berlin; Rom, 16. Juni 1831</title> <incipit>Es ist lange her, daß ich Ihnen schreiben wollte, um Ihnen von der Musik der heiligen Woche Bericht abzustatten; meine Reise nach Neapel kam dazwischen, und dort, wo ich mich die meiste Zeit im Freien,</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>8 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel, Zusatz von fremder Hand: »26. [unsichere Lesart:] P. nicht« – Zelter notierte unter dem Briefdatum: »erh. 29 Juny«.</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Mendelssohn, Reisebriefe, S. 163-180.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-06-16" xml:id="date_bebb2afb-03aa-4a7c-8def-d78d894cb491">16. Juni 1831</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_50b40185-200f-45cc-9758-a9499fd96898">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_9eb8bd5b-a071-4dc5-bfbd-2286e5d1fd53"> <settlement key="STM0100177">Rom</settlement> <country>Italien</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0115916" resp="receiver" xml:id="persName_bc4ea9a8-5ac4-49d7-bb36-7bcda8305c5b">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_40d94f7a-c311-482e-b509-548ff5ca4ce6"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_34142eff-619d-4832-be14-3e37c0a666d4"> <head> <address> <addrLine>À Mr.</addrLine> <addrLine>Mr. le professeur Dr. Zelter.</addrLine> <addrLine>Berlin</addrLine> <addrLine>Prusse.</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_f340c9a3-990e-459e-a0d4-62f9a2687739"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Rom d. <date cert="high" when="1831-06-16" xml:id="date_9ab2d14c-161d-4eaf-9feb-017713d928df">16 Juny 31</date></dateline><salute rend="left">Lieber Herr Professor!</salute><p style="paragraph_without_indent">Es ist lange her, daß ich Ihnen schreiben wollte, um Ihnen von der Musik der heiligen Woche Bericht abzustatten; meine Reise nach Neapel kam dazwischen, und dort, wo ich mich die meiste Zeit im Freien, auf den Bergen umhertrieb und mir mit dem Meer zu schaffen machte, dort war auch nicht die rechte Ruhe fürs Schreiben zu finden. Daher die Verspätung, die ich Sie zu entschuldigen bitten muß; ich habe aber seit der Zeit keinen merkwürdigen Ton gehört, (in Neapel nur das Aller mittelmäßigste) und so habe ich denn wirklich seit den letzten Monaten von nichts zu schreiben als von der heiligen Woche; vergessen denke ich nichts davon zu haben, und werde es wohl schwerlich je. – Vom Eindruck des Ganzen habe ich schon an die <persName xml:id="persName_1212f168-1a4c-4ffe-8873-b681283947fd">Eltern<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name><name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> damals berichtet, und diese werden es Ihnen mitgetheilt haben; es war schön, daß ich mir vornahm, ganz kalt und beobachtend die Sache anzuhören; und daß mir schon vor dem Anfang in der <placeName xml:id="placeName_a3df0735-b25c-4df6-a764-9129c6b2e0e7">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> ernsthaft und andächtig zu Muthe wurde; solche Befangenheit gehört, glaub’ ich, dazu, um irgend etwas Neues recht auffassen zu können, und obwohl ich mich zwang auf alle Einzelheiten aufzupassen, so ist mir doch von der Wirkung des Ganzen nichts deswegen entgangen. Mittwoch um <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> 5 fing die Feier an, mit der Antiphona „Zelus domus tuae“ Vorher steht im Büchelchen, welches die Kirchenordnung der Woche enthält, was die ganze Feier eigentlich bedeute: „es würden in jedem Nocturno 3 Psalmen <placeName xml:id="placeName_ce6b6a2a-9cca-4c3c-b482-a88f7d32a157">gesungen<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, weil Christus für die Jungfräulichen, die Verheiratheten, und die Verwittweten gestorben sey, und auch wegen der 3 Gesetze: des Natürlichen, Geschriebnen, und Evangelischen; das Domine labia mea und das Deus in adjutorium würde nicht gesungen, weil die Gottlosen uns unser Haupt und Anfang geraubt hätten, die 15 Lichter bedeuteten die 12 Apostel und 3 Marien“ etc. etc. (das Büchelchen enthält in dieser Art die aller merkwürdigsten Sachen, und ich bringe es Ihnen deshalb mit.) Die Psalmen werden von allen Männerstimmen zu 2 Chören fortissimo abgesungen; jeder Psalmvers ist nämlich in 2 Theile, wie Frage und Antwort, oder vielmehr a und b abgetheilt, der erste Chor singt a, und der zweite antwortet mit b: alle Worte, ausgenommen das letzte, werden in großer Schnelligkeit auf einen Ton gesungen, und auf dem letzten machen sie ein kurzes Melisma, welches beim ersten und zweiten Vers verschieden ist; nach dieser Melodie, oder tono, wie sie es nennen, wird der ganze Psalm mit all seinen Versen gesungen, und ich habe mir 7 verschiedne dieser toni nachgeschrieben, mit denen sie in den 3 Tagen abwechselten. Sie können sich nicht denken, wie ermüdend und monoton sich dies macht, und wie roh und handwerksmäßig sie ihre Psalmen heruntersingen. Der erste tonus, den sie sangen war z. B. <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_563424b7-678f-dcef2-140f2-1815d3d5166e" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> Coro 2: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_64e2da55-378d-67d0e-34a5d-8415257487ba" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> so geht nun der ganze Psalm von 42 Versen immer fort, indem eine Vershälfte auf g <hi rend="underline">a</hi> g, und die andre g <hi rend="underline">e</hi> g endigt; sie singen es genau mit dem Ausdruck und es klingt, als wenn sich viele Männer ernsthaft und böslich zankten, so daß jeder halsstarrig dem andern immer wieder dasselbe zuruft. Im letzten Vers jedes Psalmes singen sie die Worte mit denen er schließt, langsamer und nachdrücklicher und machen statt des Melismas einen langen Dreiklang piano. z. B. bei dem ersten <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_5487c575-a5a4-043ce-b74e4-18b391b1c132" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> Zum Anfang jedes Psalmes ist als Einleitung eine Antiphona oder mehrere: Diese werden gewöhnlich von ein Paar Altstimmen sehr rauh und hart in Canto fermo gesungen, eben so die erste Vershälfte jedes ersten Psalmverses, und bei der zweiten geht dann das obenbeschriebne Antworten der Männerchöre los. Die einzelnen Antiphonen u. s. w. die ich nachgeschrieben habe behalte ich mir vor, Ihnen zu zeigen, damit Sie sie mit dem Büchelchen zusammenhalten können. Den Mittwoch Abend wird erst der 68<hi rend="superscript">ste</hi>, dann der 69<hi rend="superscript">ste</hi> und 70<hi rend="superscript">ste</hi> Psalm gesungen. (Beiläufig ist diese Eintheilung der Psalmenverse, und daß sie von <placeName xml:id="placeName_2ee7ec03-9ae7-44b3-b645-29c78324981a">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> und Gegenchor abgesungen werden, eine der Einrichtungen, die <persName xml:id="persName_d011f62f-3c95-40a0-9278-add030c7eaec">Bunsen<name key="PSN0110195" style="hidden">Bunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860)</name></persName> für die Evangelische Kapelle hier gemacht hat; so wie er auch jeden Choral durch eine Antiphona einleiten läßt. Diese sind von <persName xml:id="persName_3de26377-5d0b-4a42-863b-ac21aeadb592">Georg<name key="PSN0111341" style="hidden">Georg, Johann Gerhard</name></persName>, einem hiesigen Musiker, nach Art der Canti fermi componirt, und werden von einigen Stimmen erst abgesungen. Dann fällt der Choral ein z. B. ein’ <title xml:id="title_5ef6d393-a899-4ba7-8be0-b2ed32b18096">veste Burg ist unser Gott<name key="PSN0112987" style="hidden" type="author">Luther, Martin (1483-1546)</name><name key="CRT0109821" style="hidden" type="literature / music">Ein feste Burg ist unser Gott</name></title>.) Nach dem 70<hi rend="superscript">sten</hi> Psalm kommt ein pater noster sub silentio, d. h. Alles steht auf und es ist eine kurze, stille Pause. Drauf fängt die erste <title xml:id="title_06d9f34e-4078-4519-af37-2f92681b1332">Lamentation des Jeremias<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110275" style="hidden" type="music">Lamentationes Jeremiae Prophetae</name></title> ganz leise und sanft in g dur an. Es ist eine schöne und ernsthafte Composition von Palestrina, und wenn sie auf das wilde Psalmengeschrei folgt, ohne Bässe blos für hohe SoloStimmen und Tenor, mit dem zartesten Anschwellen und Abnehmen, zuweilen fast unhörbar verschwimmend, so macht es sich ganz himmlisch, wie es von einem Akkord zum andern sich langsam hinzieht, und von einem Ton zum andern schleicht. – Schlimm ist es freilich, daß die Stellen die sie am Rührendsten und Andächtigsten singen, und die auch offenbar mit Vorliebe componirt sind, die Ueberschriften der einzelnen Capitel oder Verse: Aleph, beth, gimmel etc. sein müssen; und daß der schöne Anfang, der klingt, als käme er vom Himmel herunter, gerade auf die Worte ist: <title xml:id="title_bb2bcfde-3834-421c-a001-9ce461a679ea">Incipit Lamentatio Jeremiae Prophetae<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110275" style="hidden" type="music">Lamentationes Jeremiae Prophetae</name></title>, lectio I. Dagegen muß sich doch ein Protestantisches Herz etwas empören, und wenn man die Absicht hat, diese Gesänge in unsre Kirchen einzuführen, so scheint mir schon darin die Unmöglichkeit davon zu liegen; denn wenn mir einer singt „erstes Capitel“ so werde ich nicht andächtig, es sey auch noch so schön. Mein Büchelchen sagt zwar: Vedendo profetizzato il crocifiggimento con gran pietà si cantano eziandio molto lamentevolmente „Aleph“ & le altre simile parole, che sono le lettere dell’alfabeto Ebreo, perchè erano in costume di porsi in ogni canzone in luogo di lamento, come è questa. Ciascuna lettera ha in se tutto il sentimento di quel versetto, che la segue, ed è come un argomento di esso. – Das hilft aber Alles nichts. – Darauf werden Psalm 71, 72 und 73 in obiger Weise abgesungen, mit den Antiphonen; diese sind ganz willkührlich in die verschiednen Stimmen vertheilt, so daß bei der einen die Soprane anfangen: in monte Oliveti, drauf fallen die Bässe forte ein: oravit ad patrem: pater etc. – Dann folgen die Lectionen aus dem <title xml:id="title_da417a95-1330-4aef-b828-5bcad14c39da">Tractat des heil. Augustinus<name key="PSN0109588" style="hidden" type="author">Augustinus, Aurelius (354-430)</name><name key="CRT0111387" style="hidden" type="literature">Enarrationes in Psalmos</name></title> über die Psalmen. Die sonderbare Art, wie diese gesungen werden, frappirte mich unsäglich den Palmsonntag, wo ich es zum erstenmale hörte und ohne zu wissen, was es war; eine Stimme allein trägt sie vor, auf einem Tone recitirend, aber nicht wie in den Psalmen, sondern langsam, nachdrücklich, indem der Ton recht ausklingt. Für die verschiednen Zeichen der Rede: für Comma, Frage, Punct giebt es nun verschiedene Tonfälle, vielleicht sind sie Ihnen schon bekannt; mir, dem sie neu waren, erschienen sie sehr wunderlich. Die erste wurde z. B. von einer schönen Baßstimme auf g vorgetragen; kommt ein Comma so macht er auf dem letzten Wort <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_4e665aca-4427-4a2b0-92cf4-27dd0ea3c52f" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> , bei einem Fragezeichen: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_55a02ad3-8496-3bc39-7fe79-da7060b6367a" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> bei einem Punct aber so <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_60688c62-518e-65e55-11904-a9906f3e9ba7" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> z. B. <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_52111371-7623-a3a3e-d912f-4f417a4d0b04" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> Wie sonderbar sich der Fall von a nach c macht, kann ich gar nicht beschreiben; besonders wenn nach dem Baß ein Sopran kommt, der mit d anfängt und nun ganz denselben Fall mit e und g macht; dann ein Alt in seinem Ton etc. denn sie sangen 3 verschiedne Lectionen, die immer mit Canto fermo abwechseln. Wie sie den Canto fermo ganz ohne Rücksicht auf Wort und Sinn vortragen, davon als ein Beispiel das „es wäre ihm besser, daß er nie geboren wäre“ was so gesungen wird <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_2044011a-93f7-77c7a-1c69d-38ec98943a18" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> ganz fortissimo und eintönig. Dann kommen die Psalmen 74, 75, und 76. Dann wieder 3 Lectiones. Dann das <title xml:id="title_bd55df94-e67c-4aae-ad65-322868f6c569">miserere<name key="PSN0109643" style="hidden" type="author">Baini, Giuseppe Giacobbe Baldassar(r)e (1775-1844)</name><name key="CRT0107933" style="hidden" type="music">Miserere</name></title>, aber in derselben Art gesungen, wie alle vorigen <title xml:id="title_34370d9b-53d2-4527-a85e-af592d7ae3c1">Psalmen, mit folgendem tonus<name key="PSN0109439" style="hidden" type="author">Allegri, Gregorio (1582-1652)</name><name key="CRT0107632" style="hidden" type="music">Miserere mei Deus g-Moll</name></title>: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_620dc464-c252-1e927-590ed-62cc863f6e85" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> man soll sich erst die Ohren tüchtig durchreiben, ehe man es besser bekommt; dann folgen Psalm 8, 62, 66, Canticum Moysi in seinem eignen Ton, Psalm 148, 149, 150; nun kommen einige Antiphonen alle Lichter am Altar sind ausgelöscht, bis auf eins, das unter dem Altar versteckt wird, über dem Eingang brennen noch 6 große Kerzen ganz hoch, alles übrige ist schon dämmrig, und jetzt fängt <placeName xml:id="placeName_def405a4-7cce-46d6-8de9-78a4a5db508d">der ganze Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> unisono mit aller Kraft den Canticum Zachariae an, während die letzten Lichter ausgelöscht werden. Das große forte in der Dämmerung und der ernsthafte Klang, der von allen Stimmen ausströmt, machen sich wunderschön. Die Melodie in dmoll ist auch sehr schön; nach dem Ende ist nun Alles ganz dunkel; eine Antiphona kommt auf die Worte „und der Verräther hatte ihnen ein Zeichen gegeben etc. bis „der ists, den greifet“ Dann fallen alle auf die Knie, und eine Stimme singt piano: Christus factus est pro nobis obediens usque ad mortem. Am 2<hi rend="superscript">ten</hi> Tage setzt sie noch hinzu: mortem autem crucis. Und am Charfreitage: propter quod & Deus exaltavit illum & dedit illi Nomen, quod est super omne nomen. Nun kommt wieder eine Pause, während dessen jeder das Pater noster für sich sagt. Es ist eine Todtenstille in der ganzen <placeName xml:id="placeName_2ff23aaf-7a98-45e4-82f2-9e682e449fe5">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, während dieses Pater noster; drauf fängt das miserere mit einem leisen Akkord der Stimmen an, und breitet sich dann aus in die beiden Chöre. Dieser Anfang und der allererste Klang haben mir eigentlich den meisten Eindruck gemacht: man hat anderthalb Stunden lang nur einstimmig und ohne Abwechselung fast singen hören, und nach der Stille kommt ein schön gelegter Akkord, das thut ganz herrlich, und man fühlt recht innerlich die Gewalt der Musik; die ist es eigentlich, die die große Wirkung macht. Sie sparen sich die besten Stimmen zum miserere auf, singen es mit der größesten Abwechselung, mit Anschwellen und Abnehmen vom leisesten piano zur ganzen Kraft der Stimme: es ist kein Wunder, wenn das jeden ergreifen muß. Dazu kommt noch, daß sie wieder ihre Contraste nicht vergessen, und also Vers um Vers von allen Männerstimmen ganz eintönig, forte und rauh absingen lassen: dann tritt am Anfang des folgenden wieder der schöne, sanfte, volle Stimmenklang ein, der immer nur kurze Zeit fortdauert und dann wieder von dem <placeName xml:id="placeName_bbc6cf66-9881-4e51-b3bd-7ee93c0926d4">Männerchor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> unterbrochen wird; während des monotonen Verses weiß man nun schon, wie schön der <placeName xml:id="placeName_eeb6b2ff-f1fc-4935-b30e-28b7603565d4">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> wieder eintreten wird, und dann kommt er auch wieder, und ist wieder zu kurz, und ehe man recht zur Besinnung kommt, ist das Ganze vorbey. – Wenn also z. B., wie den ersten Tag wo man das <title xml:id="title_deaf5abb-f492-4c09-b6b6-b36361920a81">miserere von Baini<name key="PSN0109643" style="hidden" type="author">Baini, Giuseppe Giacobbe Baldassar(r)e (1775-1844)</name><name key="CRT0107933" style="hidden" type="music">Miserere</name></title> gab, der Hauptton hmoll ist, so singen sie: miserere mei Deus bis misericordiam tuam nach den Noten mit Solostimmen, 2 Chören, und allem möglichen Aufwand der Mittel ihrer Stimmen; dann fallen alle Bässe tutti forte mit fis ein und recitiren auf diesem einen Ton das: et secundum multitudinem bis iniquitatem meam; worauf gleich wieder der sanfte hmoll Akkord folgt, u. s. w. bis zum letzten Vers, den sie immer mit ganzer Kraft singen. Dann folgt wieder ein stilles, kurzes Gebet, und dann scharren alle Cardinäle nach Kräften mit den Füßen: das ist das Ende der Ceremonie. Mein Büchelchen sagt: der Lärm bedeutet, wie die Hebräer Christus mit großem Tumult gefangen nehmen. Das mag sein, es klingt aber genau, wie das Trommeln des Parterres, wenn das Stück nicht anfangen will oder misfallen hat. Dann wird die eine Kerze wieder unter dem Altar vorgeholt, und bei ihrem Schein geht alles still aus einander; wobey ich noch erwähnen muß, daß es sich wunderschön macht, wenn man aus der <placeName xml:id="placeName_0aaff39b-d50d-47da-a262-4cb1dec51e5d">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> in den großen Vorsaal tritt wo ein gewaltiger Kronleuchter angezündet ist, und wo die Cardinäle mit ihren Geistlichen durch die Reihen der Schweizer hinuntergehen, das erleuchtete <placeName xml:id="placeName_903107db-5d6e-4cff-b4df-cec37660f4f1">Quirinal<name key="SGH0100254" style="hidden" subtype="" type="sight">Palazzo Quirinale</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> hindurch. – Das miserere, was sie den ersten Tag <placeName xml:id="placeName_cf004830-b0a9-4564-af5e-d209b4b1ae31">sangen<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, <title xml:id="title_c1cfe6fc-1a86-4b1a-b845-1b3e0c597ece">war von Baini<name key="PSN0109643" style="hidden" type="author">Baini, Giuseppe Giacobbe Baldassar(r)e (1775-1844)</name><name key="CRT0107933" style="hidden" type="music">Miserere</name></title>; eine Composition, wie eben alle, die er macht, ohne einen Zug von Leben, und Kraft. Indeß es waren Akkorde und Musik, und das machte den Eindruck. Den 2<hi rend="superscript">ten</hi> Tag gaben sie einige <title xml:id="title_0165b7e5-2a34-4e87-953a-2bd97ec70864">Stücke von Allegri<name key="PSN0109439" style="hidden" type="author">Allegri, Gregorio (1582-1652)</name><name key="CRT0107632" style="hidden" type="music">Miserere mei Deus g-Moll</name></title>, <title xml:id="title_6899274a-d59d-4e83-86c8-3f7e881515a0">die andern von Bai<name key="PSN0109644" style="hidden" type="author">Baj, Tommaso (?-1714)</name><name key="CRT0107934" style="hidden" type="music">Miserere</name></title>; und den Charfreitag – das ganze Baische. Da <persName xml:id="persName_06bab829-bd94-4a99-8c78-44b74c916cb2">Allegri<name key="PSN0109439" style="hidden">Allegri, Gregorio (1582-1652)</name></persName> nur einen Vers componirt hat, auf den sie alle abgesungen werden, so habe ich also jede der drei Compositionen, die sie dort gaben, gehört. Eigentlich aber ist es ziemlich einerley, welches sie singen, denn die embellimenti machen sie beim einen, wie beim andern, für jeden verschiednen Akkord ein eignes; und so kommt von der Composition nicht viel zum Vorschein. Wie die embellimenti nun hineingerathen sind, wollen sie nicht sagen, behaupten, es sey Tradition. Das glaube ich durchaus ihnen nicht, denn sowie es überhaupt mit einer musikalischen Tradition ein schlimmes Ding ist, so weiß ich nicht, wie ein 5stimmiger Satz von Hörensagen sich fortpflanzen soll; so klingt es nicht. Sie sind von einem Spätern offenbar hinzu gemacht, und mir scheint, der <persName xml:id="persName_d544ea46-6f02-4e78-a371-ee678c0f0507">Director<name key="PSN0109643" style="hidden">Baini, Giuseppe Giacobbe Baldassar(r)e (1775-1844)</name></persName> habe gute hohe Stimmen gehabt, sie bei Gelegenheit der heil. Woche gern produciren wollen, und ihnen deshalb Verzierungen zu den einfachen Akkorden geschrieben, in denen sie ihre Stimmen recht auslassen und zeigen könnten. Denn alt sind sie gewiß nicht, aber mit vielem Geschmack und Geschick gemacht; sie thun vortrefflich. Namentlich ist eine, die oft vorkommt, und den größesten Effect macht, so daß unter allen Leuten eine leise Bewegung entsteht, wenn sie anfängt; ja, wenn man immer von der besondern Art des Vortrags sprechen hört, und wenn die Leute erzählen, die Stimmen klängen nicht wie Menschen- sondern wie Engelsstimmen aus der Höhe, und es sey ein Klang, den man sonst nie wieder höre, so meinen sie immer diese eine Verzierung. Wo nämlich <title xml:id="title_89f8fae0-ccb1-4f52-809f-ed9d6a3d04e2">im miserere (sey es von Bai<name key="PSN0109644" style="hidden" type="author">Baj, Tommaso (?-1714)</name><name key="CRT0107934" style="hidden" type="music">Miserere</name></title> oder <title xml:id="title_8cea882a-abaf-41d0-943d-9b3c7079efca">Allegri<name key="PSN0109439" style="hidden" type="author">Allegri, Gregorio (1582-1652)</name><name key="CRT0107632" style="hidden" type="music">Miserere mei Deus g-Moll</name></title>, denn sie machen in beiden ganz dieselben embellimenti) <title xml:id="title_028fbcac-4e8d-4042-9230-9c86c0f6ee08">diese Akkordfolge<name key="PSN0109439" style="hidden" type="author">Allegri, Gregorio (1582-1652)</name><name key="CRT0107632" style="hidden" type="music">Miserere mei Deus g-Moll</name></title> ist <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_5c5b985c-8de8-f075f-403dd-19580abffd52" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> da singen sie <title xml:id="title_02f722fd-f54f-483b-9367-5b01528649d4">statt dessen so<name key="PSN0109439" style="hidden" type="author">Allegri, Gregorio (1582-1652)</name><name key="CRT0107632" style="hidden" type="music">Miserere mei Deus g-Moll</name></title> <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_124dcb75-a0cc-bfe3e-67368-2ffdf0adb019" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> </p><p>Wie nun der Sopran das hohe C recht rein und sanft faßt und lange ausklingen läßt und dann langsam herabgleitet, während der Alt immerfort sein C hält, so daß ich im Anfange sogar getäuscht war und glaubte, das hohe C bleibe während dessen oben liegen, und wie sich die Harmonie so nach und nach auseinander wickelt, das ist wirklich ganz prächtig. Die andern Verzierungen sind in derselben Art, den Akkordfolgen angepaßt, aber diese ist bei weitem die schönste. Von einer besondern Art des Vortrags wüßte ich sonst nichts zu sagen: auch was ich mal gelesen, daß eine eigne akustische Vorrichtung den Schall fortpflanze, ist eine bloße Fabel, ebenso daß sie Alles nur so nach Tradition singen, ohne Takt, einer dem andern folgend, denn ich habe recht gut den Schatten von <persName xml:id="persName_3ef58c6f-7957-40cb-8077-2d2f7d8177d7">Bainis<name key="PSN0109643" style="hidden">Baini, Giuseppe Giacobbe Baldassar(r)e (1775-1844)</name></persName> langem Arm auf und abgehen sehn, zuweilen schlägt er sogar sehr hörbar aufs Pult. (Es fehlt überhaupt an Dunst nicht, den die Leute und auch die Sänger selbst darum verbreiten: sie sagen z. B. durchaus nie vorher, welches miserere sie singen wollen, das würde im Moment selbst entschieden etc.) Der Ton in dem sie es singen, hängt übrigens von der Reinheit der Stimmen ab, den ersten Tag war es hmoll, den 2<hi rend="superscript">ten</hi> und dritten emoll, schloß aber alle 3mal fast in bmoll. Der Haupt-Sopran, <persName xml:id="persName_da9abf38-bb21-47c7-9167-65f7b3a81dd7">Mariano<name key="PSN0113720" style="hidden">Padroni, Don Mariano (?-1847)</name></persName>, war ausdrücklich aus dem Gebirge nach Rom gekommen, um mitzusingen, und dem habe ich es denn zu danken, daß ich die embellimenti mit ihren hohen Tönen gehört; so sehr sie sich aber zusammennehmen, so rächt sich doch die Nachlässigkeit und die üble Gewohnheit des ganzen übrigen Jahres und es kommen oft entsetzliche Detonationen vor. – Noch muß ich Ihnen erzählen, daß ich am Donnerstag, als das miserere anfangen sollte, auf eine Leiter stieg, die an der Wand lehnte, und so bis dicht an die Decke der <placeName xml:id="placeName_842d7d2f-b9d7-4a98-a30a-c7ece938c13b">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> gelangte, so daß ich die Musik, und die Priester und alle die Zuhörer in der Dunkelheit weit unter mir hatte; wie ich da oben so allein saß, ohne langweilige Fremde neben mir, machte es mir am meisten Eindruck. Und nun weiter; Sie werden genug miserere haben, an diesen anderthalb Seiten, und einzelnes bringe ich Ihnen noch mündlich und schriftlich mit. Am Donnerstag um <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> 11 war feierliche Messe. Sie sangen <title xml:id="title_ff9d9be6-e05b-4964-a3b8-f1057bf7ea74">eine 8stimmige von Fazzini<name key="PSN0111016" style="hidden" type="author">Fazzini, Giovanni Battista</name><name key="CRT0108695" style="hidden" type="music">Messe a 8</name></title>, die eben nichts Merkwürdiges enthielt. Mehrere canti fermi und Antiphonen, die ich da nachgeschrieben, behalte ich mir vor, und die Ordnung des Gottesdienstes, mit Gründen dafür, besagt das Büchlein. Beim gloria in excelsis werden alle Glocken in Rom geläutet, und dann nicht wieder, bis nach dem Charfreitag. Die Stunden werden von den Kirchen bezeichnet indem man mit Hölzern gegen einander klappert. Es machte sich schön, daß die Worte des gloria, die das Signal zum tollen Lärm gaben, vom alten <persName xml:id="persName_c4915310-6038-4cca-ba5c-da8982d66bbd">Cardinal Pacca<name key="PSN0113718" style="hidden">Pacca, Bartolomeo (1756-1844)</name></persName> mit schwacher zitternder Stimme am Altar gesungen wurden, worauf dann alle Glocken einfielen, und der <placeName xml:id="placeName_1d75fd11-9c56-453f-a20e-fb64a9aa4f22">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>. Sie legten nach dem <title xml:id="title_f813acee-7a65-4d93-8fae-312456c144fe">Credo das fratres ego enim von Palestrina<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110273" style="hidden" type="music">Fratres ego enim accepi</name></title> ein, sangen es aber ohne alle Achtung und sehr roh. Die Fußwaschung der Pilger, die dann folgt, mit der Prozession, wo auch die Sänger mitgehn, <persName xml:id="persName_f2d6c960-8c41-40b2-add4-cf7c9690507a">Baini<name key="PSN0109643" style="hidden">Baini, Giuseppe Giacobbe Baldassar(r)e (1775-1844)</name></persName> aus einem großen Buch, das vor ihm getragen wird, taktschlagend und bald dem einen bald dem andern winkend, die <placeName xml:id="placeName_8af0814b-537b-4109-956f-a900e8e0068d">Sänger<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> um die Noten hergedrängt im Gehen pausirend, eintretend, der <persName xml:id="persName_b9d7b853-2db2-440d-a92a-0dcd7371313a">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> auf seinem Prachtsessel getragen etc. habe ich schon den <persName xml:id="persName_61199e82-df2e-4d6f-b12a-c417ece7940b">Eltern<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name><name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> beschrieben. Am Abend waren wieder die Psalmen, <title xml:id="title_2c30aece-e372-450f-8767-45df552f37ab">Lamentazionen<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110275" style="hidden" type="music">Lamentationes Jeremiae Prophetae</name></title>, Lectionen; und das miserere, wie den vorigen Tag, mit wenigem Unterschiede. Eine Lection wurde nach einer eignen Melodie, die ich Ihnen mitbringe, von einem Sopran ganz allein vorgetragen. Es ist adagio in langen Noten, dauert gewiß über eine Viertelstunde, die Stimme ist ganz ohne den mindesten Halt und der Gesang liegt sehr hoch; dennoch wurde Alles mit der klarsten, reinsten, festesten Intonation ausgeführt, er sank nicht um ein Comma, ließ die letzten Töne eben so egal und rund anschwellen und abnehmen, wie die im Anfang: es war ein Meisterstück. – Mir fiel auf, wie sie das Wort Appogiatur gebrauchen. Geht z. B. die Melodie von c nach d, oder von c nach e so singen sie <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_039a85f4-9ace-87bdb-a16d4-57ad49debf7f" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> oder: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_9dfeb3a6-1575-0ad67-41751-db1cc69cdb47" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> oder <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_39bb88f8-1558-46ca2-5b04c-c059dde0443a" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> und diesen Vorschlag nennen sie appoggiatura; es heiße übrigens, wie es wolle, so macht es sich ganz fatal und man muß sich sehr daran gewöhnen, um nicht ganz gestört zu werden durch diese sonderbare Art, die mich an unsre alten Frauen in der Kirche sehr erinnerte. – Außerdem war, wie gesagt, die Folge dieselbe den Donnerstag. Ich hatte aber im Büchlein voraus gesehn, daß das tenebrae vorkommen würde, und da ich mir dachte, es würde Sie interessiren zu erfahren, wie man es in <placeName xml:id="placeName_64b1971c-d9e9-4085-b116-b12f84b21bee">der päpstl. Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> singt, so saß ich mit gespitztem Bleistift auf der Lauer, bis es heran kam, und schreibe Ihnen hier die Hauptstellen; (sie sangen es übrigens wieder ganz schnell, durchaus forte, ohne die geringste Ausnahme) der Anfang war:</p><p style="paragraph_without_indent">Tenori. <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_4018e26f-dc9d-b15fd-b054a-edb236e0ee03" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> </p><p style="paragraph_without_indent">dann später: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_b444bf82-158a-0ee43-81f1a-93894f1253cb" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> Ich kann einmal nicht helfen; mich empört es, wenn ich die allerheiligsten, schönsten Worte auf so nichtssagende, leyermäßige Töne muß abgesungen hören. Sie sagen, es sey Canto fermo, es sey Gregorianisch – das ist All’ eins. Wenn man es damals nicht anders gefühlt hat, oder nicht anders hat machen können, so können wir es jetzt; und in den Bibelworten steht von dieser monotonen Handwerksmäßigkeit wahrhaftig nichts; da ist Alles frisch und wahr, und nebenbey auch so gut und natürlich ausgedrückt, als möglich; warum soll denn das nun klingen, wie eine Formel? Und weiter ist doch wirklich an solchem Gesange nichts. Das Pater mit dem kleinen Schnörkel, das meum mit dem Trillerchen, das ut quid me, das soll Kirchengesang sein? Freilich ein falscher Ausdruck ist nicht darin, denn es ist gar kein Ausdruck darin; aber ist denn das nicht eben die rechte Entwürdigung der Worte? So bin ich hundertmal wild geworden, während der Ceremonien hier, und kamen dann die Leute und waren außer sich, wie herrlich das doch sey, so wollte es mir wie ein schlechter Spas bedünken, und doch war es ihr Ernst und ich durfte nichts sagen.</p><p>Am Freitag früh zur Messe ist die ganze <placeName xml:id="placeName_ef8f455b-8b15-4fb0-8e25-f88ad85f653f">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> ohne Schmuck, der Altar entblößt, <persName xml:id="persName_3160fc00-4ea0-401c-a584-5d5b1f4d36ef">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> und Cardinäle in Trauer. Nun wurde die <title xml:id="title_3821b7cf-e8e5-45e0-ba77-1b306d3d426a">Passion<name key="PSN0115513" style="hidden" type="author">Victoria, Tomás Luis de (?-1611)</name><name key="CRT0111200" style="hidden" type="music">Johannes-Passion</name></title> sec. Johannem gesungen, von Vittoria componirt. Aber nur die Worte des Volks im <placeName xml:id="placeName_8aa4a98d-b0ae-4e88-9dae-e645a5f7d5e2">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> sind von ihm, das Übrige wird schematisch abgesungen, wovon nachher. Es kam mir zuweilen denn doch gar zu kleinlich und einförmig vor, mir wurde sehr bös zu Muthe, und eigentlich hat mir auch die ganze Sache misfallen. Denn eins von beiden muß sein; die Passion muß entweder uns vom Priester ruhig erzählend vorgetragen werden, wie sie uns der Johannes erzählt, dann braucht kein Chor einzufallen: Crucifige eum, und keine Altstimme den Pilatus vorzustellen. Oder sie muß mir vergegenwärtigt werden, daß mir zu Muth wird, als sey ich dabey und sähe Alles mit an, dann muß Pilatus singen, wie er mag gesprochen haben, der <placeName xml:id="placeName_4e243001-8eea-41d1-8de9-c2266292eb3b">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> muß schreien Crucifige, und das freilich nicht im Kirchenton; aber durch die innerste Wahrheit und durch den Gegenstand, den es vorstellt, ist es dann schon Kirchenmusik. Dann brauche ich keine „Nebengedanken“ bei der Musik, dann ist mir die Musik nicht „Mittel mich zur Andacht zu erheben“, wie sie es hier wollen, sondern dann ist sie eine Sprache, die zu mir redet, und der Sinn ist eben durch die Worte nur ausgedrückt, nur in ihnen enthalten. So ist <title xml:id="title_efef4406-f5c7-4d33-9aca-f62605f4fc26">Seb. Bachs Passion<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107794" style="hidden" type="music">Matthäus-Passion BWV 244</name></title>; aber wie sie es hier singen, da ist es eben nur was Halbes, weder einfache Erzählung, noch große dramatisch-ernsthafte Wahrheit. Der <placeName xml:id="placeName_ee105599-93f8-4665-948f-0e7a16d2c326">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> singt Barrabam in ebenso heiligen Akkorden, wie et in terra pax; der Pilatus spricht nicht auf andre Weise, als der Evangelist, und wenn nun der Jesus immer piano eintritt, um doch eine Auszeichnung zu haben, und wenn der <placeName xml:id="placeName_82112e86-b801-4efd-b4d6-c6814f843f72">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> recht tüchtig losschreit mit seinen Kirchenakkorden, so weiß man nicht, was Alles das soll. Verzeihen Sie die Bemerkungen, ich will nun gleich wieder Historisch berichten. Der Evangelist also ist ein Tenor, und die Art des Recitirens ist, wie bey den Lectionen, für Comma, Frage, Punct, eigne Schlußfälle. Der Evangelist recitirt auf d und macht bei einem Punct so: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_6cd0bb16-8765-984ca-0564d-179932b7a172" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> bei einem Comma: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_e7f94e64-6d50-a10de-240b7-6ee9290f5180" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> und am Ende, wenn eine andre Person eintritt so <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_666539e9-f5ef-2ca1d-4c4c7-8ccef6eb57ac" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> Der Christus ist ein Baß und fängt immer so an: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_47587e3b-707b-874ff-6f46a-4179a51afd1b" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> Das Schema habe ich nicht herauskriegen können, obwohl ich mehrere Stellen nachgeschrieben habe, die ich Ihnen zeigen kann, unter andern die Worte am Kreuze. Alle andern Personen nun: Pilatus, Petrus, die Magd, und der Hohepriester sind ein Alt auf g mit diesem Ton <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_d58e8e24-438f-1aa3d-c703c-5e0de05c4d16" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> Die Worte des Volks singt der <placeName xml:id="placeName_2b6f3474-3c06-411e-a6d6-f494cdfdf8d0">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> von oben herab, während Alles andre am Altar gesungen wird; der Merkwürdigkeit wegen muß ich Ihnen das Crucifige hersetzen, wie ich es mir nachgeschrieben:</p><p style="paragraph_without_indent"> <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_41c2e316-78d6-00594-b3771-2cb2aeea9827" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe. </note></p><p style="paragraph_without_indent">Auch das Barrabam ist merkwürdig; es sind lauter zahme Juden. – Aber der Brief ist schon zu lang; also das Weitre hievon will ich verschweigen. – Es kommen nun die Gebete für alle Völker, und Institutionen, jedes einzeln genannt; bei dem Gebet für die Juden wird aber nicht gekniet, wie bei den andern, und auch nicht Amen gesagt, sie beten pro perfidis Judaeis, und das Büchlein, weiß auch hiefür eine Erklärung zu finden. – Nun kommt die Anbetung des Kreuzes; es wird in die Mitte der <placeName xml:id="placeName_58e078b4-ed2e-4e36-80e6-e36e45163f26">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> ein kleines Crucifix gestellt, und alle gehn mit bloßen Füßen (d. h. ohne Schuh) fallen davor nieder und küssen es; während dessen werden die <title xml:id="title_542f1282-004a-4760-8271-65ad9bf1145d">Improperien<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110283" style="hidden" type="music">Popule meus</name></title> gesungen. Mir scheint, nach einmaligem Hören es sey eine der schönsten Compositionen von Palestrina und sie singen sie mit ganz besondrer Vorliebe. Es ist da eine bewundernswürdige Zartheit und Übereinstimmung im Vortrag des <placeName xml:id="placeName_3bf33242-97e6-4242-abb9-faf0e436416b">Chors<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, sie wissen jeden kleinen Zug ins rechte Licht zu stellen und hervorzuheben, ohne ihn vorzudrängen, ein Akkord verschmilzt sich sanft in den andern, dazu ist die Ceremonie sehr würdig und ernsthaft, in der <placeName xml:id="placeName_3559de49-8bef-4306-b589-70d923e15815">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> die tiefste Stille, und das immerwiederkehrende Griechische: Heilig singen sie außerordentlich schön, jedesmal mit derselben Sanftheit und demselben Ausdruck. Sie werden sich aber wundern, es geschrieben zu sehen, denn was sie singen, ist so: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_74cc0ca0-0c83-a01a8-05f1d-a7928cf0e5fc" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> Solche Sachen, wie der Anfang wo alle Stimmen zusammen eine und dieselbe Verzierung machen, kommen sehr oft vor, und man gewöhnt sich daran. Das Ganze macht sich aber wirklich herrlich; ich wollte, Sie könnten den Tenor des ersten <placeName xml:id="placeName_e3ccf456-be5f-4d95-b0ad-2bc6fad9b1d8">Chors<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> hören, wie er hohe a auf Theos nimmt, sie ziehen da den Ton so durchdringend und doch ganz leise hervor, daß es sehr rührend klingt. Dies wird nun so oft wiederholt, bis alles was in der <placeName xml:id="placeName_10f3ee8a-0ccb-4fd4-acb2-c268c535a987">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> ist, das Kreuz angebetet hat, und da diesmal der Zudrang nicht sehr groß war, so habe ich es leider nicht so oft gehört, als ich gewünscht hätte. Aber ich konnte mir wohl erklären, warum die <title xml:id="title_ec9863ac-c9a8-4634-a43b-62acbec388b2">Improperien<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110283" style="hidden" type="music">Popule meus</name></title> auf <title xml:id="title_93430544-4c72-4544-a197-0a2e5b966583">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108829" style="hidden" type="literature">Italienische Reise</name></title> den größesten Eindruck gemacht haben müssen; es ist wirklich das Vollkommenste fast, da Musik und Ceremonie und Alles im größten Einklang sind. Es folgt nun wieder eine Prozession zur Abholung des Hostie, die Abends vorher in einer andern Capelle des <placeName xml:id="placeName_f63a3c2c-e8ce-4392-a90f-d37425bead11">Quirinals<name key="SGH0100254" style="hidden" subtype="" type="sight">Palazzo Quirinale</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> beim Licht von vielen hundert Kerzen ausgestellt und angebetet wurde. Dann schloß der Vormittagsgottesdienst um <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> 2 mit einer Hymne im Canto firmo. Abends <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> 4 fing nun wieder das erste Nocturnum mit den Psalmen, Lectionen, u. s. w. an, ich berichtigte noch einiges, was ich nachgeschrieben, hörte <title xml:id="title_7fe50e8c-76e4-473b-a9ea-d14b1ac51a1b">das miserere von Bai<name key="PSN0109644" style="hidden" type="author">Baj, Tommaso (?-1714)</name><name key="CRT0107934" style="hidden" type="music">Miserere</name></title>, und gegen 7 ging man durch den erleuchteten <placeName xml:id="placeName_127f58db-b65a-4084-8454-bae90611e282">Vorsaal<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> hinter den Cardinälen nach Hause und auch das war erlebt und vorbey. – Ich habe Ihnen die heilige Woche genau beschreiben wollen, lieber Herr Professor, weil es mir schöne Tage waren, wo ich jede Stunde etwas Längsterwartetes eintreffen sah und kennen lernte, weil es mich besonders freute, daß trotz der Spannung, trotz der vielen Reden drüber hin und her, lobend und tadelnd, mir das Ganze einen eben so frischen und lebhaften Eindruck machte, als wäre ich unabhängig und ohne Befangenheit hingekommen und weil ich wieder bestätigt sah, wie das Vollkommne, und sey es auch in der fremdesten Sphäre, vollkommen wirkt. Mögen Sie den langen Brief halb so gern lesen, wie es mir Freude gemacht hat, mir die Zeit der heiligen Woche in Rom zurückzurufen.</p><closer rend="right" xml:id="closer_415e3aaf-7f26-4bd0-a2ca-45dc6b66e50b">Ihr treuer</closer><signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy</signed></div></body> </text></TEI>