fmb-1831-06-06-02
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Rom, 6. Juni 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Berlin
Alta Germania
Das hier ist nur ein Privatbrief, aber dafür bekommt Ihr auch kein Tagebuch, es ist zu schlecht und dünn geworden, um es nach Berlin zu schicken; war mir doch so zu Muthe und da ich Euch immer so schreibe, wie mir zu Muthe ist, es aber darum nicht immer absende, so bekommt Ihr, wie gesagt, nur dies Privatschreiben. Nun bin ich wieder in Rom, von da geht das Schreiben besser, ich habe ja aus Dresden auch noch keinen Brief von Euch bekommen; pardon, und nun wird weiter geplaudert. Da ich also in der Zeit gereis’t bin, so muß ich Euch wenigstens ein abrégé meiner Geschichte mittheilen; von Euch erfolgt hoffentlich auch bald eins, also müßt Ihr wissen, daß Freitag den 20sten Mai in Corpore gefrühstückt wurde, nämlich Früchte u. dgl. und in Corpore heißt die Reisegesellschaft nach den Inseln, die aus
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unterdem Wasser; nur ein kleines Stück der Oeffnung ragt über das Wasser vor, und durch dies kleine Stück fährt man nun mit einem schmalen Kahn, auf dessen Boden man sich ausstrecken muß, hinein. Ist man einmal drin, so liegt die ganze ungeheure Höhle mit ihrer Wölbung über einem, und man kann frey, wie unter einem Dome, drin umherrudern. Das Sonnenlicht fällt nun aber auch durch die Oeffnung
unterdem Wasser hinein, wird durch das grüne Meerwasser gebrochen und gedämpft, und daher kommen die zaubrischen Erscheinungen. Die ganzen hohen Felsen sind himmelblau und grünlich im Dämmerlicht, etwa wie im Mondschein, doch sieht man alle Ecken und Vertiefungen deutlich; das Meer aber ist durch und durch vom Sonnenlicht beleuchtet und erhellt, so daß der schwarze Kahn auf einer hellen, glänzenden Fläche schwebt; die Farbe ist das blendendste Blau, das ich je gesehn habe, ohne Schatten, ohne Dunkelheiten, wie eine Scheibe des hellsten Milchglases, und wie die Sonne durchscheint, so sieht man auch ganz deutlich Alles was unter dem Wasser vorgeht, und das ganze Meer mit seinen Geschöpfen thut sich auf. Da sieht man an den Felsen die Corallen und Polypen sitzen, tief unten begegnen sich Fische aller Art und schwimmen an einander vorüber, die Felsen werden gegen das Wasser zu immer dunkler, und am Ende wo sie dicht drüber hängen sind sie schwarz, und man sieht weit unter ihnen fort noch das helle Wasser mit den Krebsen, Fischen und Gewürm darin, dazu hallt es ganz wunderlich in der Grotte von jedem Ruderschlage wieder, und wie man an den Wänden umherfährt so kommen neue Gestalten zum Vorschein – ich wollte, Ihr könntet das sehen, denn es ist ganz sonderbar zauberhaft. Dreht man sich nach der Oeffnung um, durch die man hineinkam, so scheint das Tageslicht rothgelb hindurch, dringt aber nicht weiter, als ein Paar Schritt davon, und so ist man ganz einsam auf dem Meere, unter den Felsen, mit seinem eignen besondern Sonnenlichte, es ist als könne man einmal ein wenig unter dem Wasser leben. – Aber meine Beschreibungen gerathen heut nicht sonderlich anschaulich, und das Papier ist zu Ende; ich werde also den Auszug unsrer zweiten größeren Reise nach Amalfi das Nächstemal Euch schreiben. Ein Stück Tagebuch aus Amalfi an Euch, das Euch mal später amüsiren kann, habe ich ins Zeichenbuch geklebt, da werdet Ihr es lesen, wie ich Euch überhaupt dabey die ganze Geschichte am besten werde beschreiben können, denn in Amalfi habe ich den ganzen Tag im Freien gelebt und gezeichnet. Habt Ihr denn mein Briefchen von dort aus erhalten? Nun verlasse ich in ein Paar Tagen Rom; das Blumenfest in Genzano wird leider nicht sein; man fürchtet sich noch vor Revolutionen fortwährend, und hat deshalb sogar die Prozession des Corpus Domini mit viel weniger Pomp, als sonst gemacht; der
Rom d. 6 Juny 31Ihr meine lieben Hofherrn! oder vielmehr Hofdamen! oder vielmehr Geren! oder Königinnen! oder kurz Ihr! Das hier ist nur ein Privatbrief, aber dafür bekommt Ihr auch kein Tagebuch, es ist zu schlecht und dünn geworden, um es nach Berlin zu schicken; war mir doch so zu Muthe und da ich Euch immer so schreibe, wie mir zu Muthe ist, es aber darum nicht immer absende, so bekommt Ihr, wie gesagt, nur dies Privatschreiben. Nun bin ich wieder in Rom, von da geht das Schreiben besser, ich habe ja aus Dresden auch noch keinen Brief von Euch bekommen; pardon, und nun wird weiter geplaudert. Da ich also in der Zeit gereis’t bin, so muß ich Euch wenigstens ein abrégé meiner Geschichte mittheilen; von Euch erfolgt hoffentlich auch bald eins, also müßt Ihr wissen, daß Freitag den 20sten Mai in Corpore gefrühstückt wurde, nämlich Früchte u. dgl. und in Corpore heißt die Reisegesellschaft nach den Inseln, die aus Eduard Bendemann, einem netten jungen Maler mit Schnurrbart und Strohhut, sonst nur Edechen genannt, ferner aus Th. Hildebrand, mit Schnurrbart und Strohhut, langem Haar, einem Zeichenbuch, (er ist übrigens, wie mir scheint, stark verlobt und will bald heirathen, das Bild mit dem Knaben und Mädchen im Kahn hast Du, o Beckchen ganz richtig beurtheilt, denn es gehört seiner Braut, ist ein Geburtstaggeschenk, war mit Alt-Deutschen Versen begleitet, kurz sehr zart auch ich war in Arkadien und betete einmal an und da er nun angestellt ist, zu seiner größten Freude, wird er in den nächsten Monaten nach Berlin kommen, Euch einen und den andern Gruß bringen von einem Bruder, der im Lande der Kunst lebt, wo es aber wenig Künstler giebt, mehr Natur, dort seine Hochzeit feiern) endlich aus Carl Sohn und Felix Mendelssohn Bartholdy bestand. Letzterer war bei seinem Entweichen bekleidet mit einer blauen Mütze aus Edinburg, (wohlbekannt) ; einem blauen Überrock aus London, (wohlbekannt) ; einem Backenbart von jeder Seite, (hier noch nie aufgeführt) und den zugehörigen Beinkleidern, Schuhwerk, 2 Zeichenbüchern, u. s. w. Besondre Kennzeichen, ein blauer Bart; seine Wäsche trug er in einem orangegelben Schnupftuch, das ihm seine Mutter bei der Abreise mitgegeben hatte, das Bündel war aber nicht sehr schwer, und enthielt außer Goethe’s Gedichten und 3 Hemden wenig Erhebliches. Wir 4 packten uns in einen Miethswagen, dem man ein Pez verspricht (so heißt auf Neapolitanisch ein Piaster) und fuhren durch die Grotte des Posilippo nach Pozzuoli, der Weg führt längs dem Meere und ist das lustigste, was man sehen kann; die entsetzliche Masse von Blinden, Krüppeln, Bettlern, Galeerensklaven, kurz Elenden aller Art, die einen dort empfangen, thut um so mehr weh in der Feiertagsnatur, ich setzte mich ruhig an den Hafen hin und zeichnete, während die andern sich mit den Serapistempeln, den Theatern, den heißen Quellen, und ausgebrannten Kratern quälen mußten, die ich schon 3 mal und zur Genüge gesehn hatte. Dann nahmen wir, wie junge Patriarchen oder Nomaden, all unser Hab und Gut, Mäntel, Bündel, Bücher, Mappen auf Esel, setzten uns selbst oben darauf, und machten die Tour um den Meerbusen von Bajae, zum Averner See, wo man sich für sein Mittagessen Fische einkaufen muß, über den Berg nach Cuma (vrgl. Goethes Wandrer) und kamen so nach Bajae herunter, wo gegessen und ausgeruht wurde. (Ich beziehe mich hier überall sehr auf Hensel) Dann wurden noch Tempelruinen, alte Bäder u. dgl. besehen und so wurde es Abend ehe wir zur Ueberfahrt kamen; um 1 2 10 langten wir im Städtchen Ischia an, und im einzigen Wirthshaus war alles besetzt, so daß wir uns entschlossen noch bis zu Don Tommaso zu gehen, 2 Stunden Wegs, die wir aber in 5 4 liefen: es war prächtig kühl, in allen Weinranken und Feigenbäumen und Gesträuchen saßen unzählige Glühwürmer und ließen sich fangen, und als wir endlich etwas ermüdet beim Don gegen 11 eintrafen, fanden wir noch alle Leute wach, die nettesten Zimmer, frische Früchte, einen freundlichen Diakonus als Marqueur und blieben noch bis Mitternacht behaglich sitzen, einer Fuhre Kirschen gegenüber. Andern Morgen war es aber schlecht Wetter und regnete tüchtig, auf den Epomeo konnte man also nicht hinauf, und da wir eigentlich auch nicht so recht viel mit einander conversiren konnten (es ging nun einmal nicht, Gott weiß warum?) so wäre das Ding langweilig geworden, hätte Don Tommaso nicht den niedlichsten Hühnerhof, den es in Europa geben kann: vorne an der Thür steht ein gewaltiger, schattiger Orangebaum mit vielen reifen Früchten, unter dessen Aesten die Treppe nach der Wohnung hinauf führt. Jede von den weißen steinernen Stufen ist mit einem großen Blumentopfe besetzt, und der Flur oben besteht aus einer weiten offnen Halle, wo man aus einem Bogen heraus den ganzen Hof mit Orangebaum, Treppe, den Strohdächern, Weinfässern und Krügen, den Eseln und Pfauen übersehen kann. Damit es oben am Vorgrunde nicht fehle, steht unter dem gemauerten Bogen ein Indischer Feigenbaum so üppig, daß man ihn mit Stricken an die Mauer hat festbinden müssen, den Hintergrund endlich machen die Weinberge mit den Lusthäusern und die Vorhöhen des Epomeo. Unter dem Bogen war man nun vor Regen geschützt, da setzten wir uns alle viere hin und zeichneten den ganzen lieben Tag lang uns den Hof ab, so zierlich es gehn wollte; ich habe mich überhaupt nicht genirt, immer mitgezeichnet und glaube auch was profitirt zu haben. Nachts gab es ein ganz furchtbares Gewitter, und ich observirte im Bette, daß die Donner am Epomeo entsetzlich lange nachbrummen, etwa wie am Vierwaldstätter See damals, oder noch länger. Den nächsten Morgen, Sonntag, schien es heiter zu sein, wir gingen nach Foria, sahen die Leute in ihrem bunten Costüm in den Dom gehen, die Frauen hatten ihre berühmten, zusammengelegten Musselintücher auf dem Kopf, die Männer standen vor dem Kirchplatz und kannegießerten in knallrothen Sonntagskappen, und so wanden wir uns durch die festlichen Dörfer nach und nach den Berg hinauf. Es ist ein großer, zerrissner Vulkan voll Spalten, Hölen, Abhängen, und steilen Klüften: Die Hölen haben sie zu Weinkellern benutzt und mit großen Fässern vollgepropft, auf den Abhängen sind überall Weinberge mit Feigen- oder Maulbeerbäumen, auf den steilen Felsstücken wächs’t Korn und giebt mehrmals Ernte, die Schluchten sind mit Epheu, unzählig bunten Blumen und Kräutern bedeckt, und wo sich sonst noch ein Platz findet, da schießen junge ächte Castanienbäume auf, und geben den schönsten Schatten; so liegt das letzte Dorf Fontana mitten im Grün und in den Pflanzen. Da überzog sich der Himmel aber, es wurde dunkel als wir höher hinauf kamen, bei den obersten Felsspitzen war es ganz nebelig geworden, die Dünste tanzten umher, obwohl die zackigen Felsen, der Telegraph und das Kreuz wunderlich genug in den Wolken sich ausnahmen, so konnten wir doch von der Aussicht nicht das Geringste sehen, zugleich fing es zu regnen an, man kann nicht oben bleiben und warten, wie auf dem Rigi, und so mußten wir also, ohne seine Bekanntschaft gemacht zu haben, den Epomeo wieder verlassen, liefen im Regen herunter, einer sprang über den andern, ich glaube wir haben keine Stunde gebraucht – (Abends. Ihr lieben Geren allzumal! Ich lese eben Obiges wieder durch; es ist eine lausige Beschreibung, aber hier ist mein Trost (er zeigt auf den Brief aus Berlin mit den Dresdner Reiseberichten, den er eben bekommen hat) tausend Dank, daß Ihr eben gerade so seid, wie Ihr seid, und Euch, Hensels, daß Ihr die prächtige Reise gemacht habt. Les’t mal Goethe’s „Sendschreiben“ „Mein altes Evangelium“ etc. „Nicht in Rom, in Magna Graecia, Dir im Herzen ist die Wonne da“. Ich hätte meine Feuerwürmer und Aloes gleich für Euer flaches Tharand eingetauscht; Ihr freilich vielleicht auch gern. Der ganze Brief ist aber so frisch und froh, daß ich Euch herzlich dankbar bin dafür; ich habe lange einen solchen nicht von Hause bekommen, und das hat mich auch Zeit her etwas grau gestimmt; auch daß Caroline wieder da ist, freut mich sehr; grüßt sie von mir, und sagt Ihr, daß nun ein Element in der Henselwirthschaft ist, das bisjetzt offenbar drin fehlte; die schmutzige Bertha paßte gar nicht zu den reinlichen Leuten und ihren niedlichen Zimmern, und da Caroline so viel ich weiß, das beste Mädchen ist, die wir bisjetzt gehabt haben, so ist sie mir für Euch gerade gut genug. Wie sehr ich Dir, liebste Mutter, für Deine anschaulichen Briefe danke, kann nun ein für allemal nicht ausgesprochen werden; es ist mir sehr lieb, daß Dich meine projectirte Reise nach London freut; ich bin nun für mich ganz bestimmt dazu entschlossen, und habe schon an Sir George und Attwood geschrieben, und ihnen gesagt, daß Petz wieder da sein will. – Ah ha! Ihr liebt Pordenone? Das kann ich auch. Und Rubens und den ungeheuer lustigen, hellen Paul Veronese? le pauvre homme. ) Alles vorstehende ist eine Parenthese und Antwort auf Euern gar zu lieben Brief. Nun fahre ich fort, und bringe Euch nach Capri, das die Neapolitaner Krape aussprechen. Das Ding hat schon was Morgenländisches an sich, mit der glühenden Hitze die von den weißen Felswänden abprallt, mit den Palmen, und den runden Kuppeln der Kirchen, die wie Moscheen aussehn. Der Scirokko war brennend und machte mich zum rechten Genießen unfähig, denn in dieser Sonnenhitze 537 Stufen herauf und dann wieder hinunter zu steigen, nach Anacapri hin, ist eine Pferdearbeit. Aber wahr ist es, daß das Meer sich ganz wunderbar schön ausnimmt, von den kahlen Felsen herunter, und zwischen den tollen Zacken durch. Vor allem muß ich aber von der blauen Grotte erzählen, denn die kennt nicht ein Jeder, weil man nur bei stillem Wetter oder schwimmend hineinkann. Wo die Felsen ganz senkrecht ins Meer hineinstehen, und vielleicht unter dem Wasser noch eben so hoch sind, wie darüber, da hat sich eine gewaltige Höhle gebildet, aber so daß im ganzen Umkreis der Höhle die Felsen mit ihrer Breite auf dem Meere ruhen, oder vielmehr unmittelbar hineinhängen, und erst von da aus aufsteigen bis zur Wölbung der Höhle, so: Das Meer füllt also die ganze Höhle aus, und diese hat ihre Oeffnung unter dem Wasser; nur ein kleines Stück der Oeffnung ragt über das Wasser vor, und durch dies kleine Stück fährt man nun mit einem schmalen Kahn, auf dessen Boden man sich ausstrecken muß, hinein. Ist man einmal drin, so liegt die ganze ungeheure Höhle mit ihrer Wölbung über einem, und man kann frey, wie unter einem Dome, drin umherrudern. Das Sonnenlicht fällt nun aber auch durch die Oeffnung unter dem Wasser hinein, wird durch das grüne Meerwasser gebrochen und gedämpft, und daher kommen die zaubrischen Erscheinungen. Die ganzen hohen Felsen sind himmelblau und grünlich im Dämmerlicht, etwa wie im Mondschein, doch sieht man alle Ecken und Vertiefungen deutlich; das Meer aber ist durch und durch vom Sonnenlicht beleuchtet und erhellt, so daß der schwarze Kahn auf einer hellen, glänzenden Fläche schwebt; die Farbe ist das blendendste Blau, das ich je gesehn habe, ohne Schatten, ohne Dunkelheiten, wie eine Scheibe des hellsten Milchglases, und wie die Sonne durchscheint, so sieht man auch ganz deutlich Alles was unter dem Wasser vorgeht, und das ganze Meer mit seinen Geschöpfen thut sich auf. Da sieht man an den Felsen die Corallen und Polypen sitzen, tief unten begegnen sich Fische aller Art und schwimmen an einander vorüber, die Felsen werden gegen das Wasser zu immer dunkler, und am Ende wo sie dicht drüber hängen sind sie schwarz, und man sieht weit unter ihnen fort noch das helle Wasser mit den Krebsen, Fischen und Gewürm darin, dazu hallt es ganz wunderlich in der Grotte von jedem Ruderschlage wieder, und wie man an den Wänden umherfährt so kommen neue Gestalten zum Vorschein – ich wollte, Ihr könntet das sehen, denn es ist ganz sonderbar zauberhaft. Dreht man sich nach der Oeffnung um, durch die man hineinkam, so scheint das Tageslicht rothgelb hindurch, dringt aber nicht weiter, als ein Paar Schritt davon, und so ist man ganz einsam auf dem Meere, unter den Felsen, mit seinem eignen besondern Sonnenlichte, es ist als könne man einmal ein wenig unter dem Wasser leben. – Aber meine Beschreibungen gerathen heut nicht sonderlich anschaulich, und das Papier ist zu Ende; ich werde also den Auszug unsrer zweiten größeren Reise nach Amalfi das Nächstemal Euch schreiben. Ein Stück Tagebuch aus Amalfi an Euch, das Euch mal später amüsiren kann, habe ich ins Zeichenbuch geklebt, da werdet Ihr es lesen, wie ich Euch überhaupt dabey die ganze Geschichte am besten werde beschreiben können, denn in Amalfi habe ich den ganzen Tag im Freien gelebt und gezeichnet. Habt Ihr denn mein Briefchen von dort aus erhalten? Nun verlasse ich in ein Paar Tagen Rom; das Blumenfest in Genzano wird leider nicht sein; man fürchtet sich noch vor Revolutionen fortwährend, und hat deshalb sogar die Prozession des Corpus Domini mit viel weniger Pomp, als sonst gemacht; der Papst selbst war gar nicht dabey. Ich werde mit dem vetturino über Foligno und Perugia nach Florenz gehen, und von da über Pisa an der Küste hin nach Genua; wo ich so Gott will etwa heut über 14 Tage zu sein gedenke. Adressirt nur immer nach Mailand, das soll mein Hauptstützpunct für die nächsten Monate werden. Ich schreibe vor meiner Abreise noch ein Paar Zeilen, und dann werden die Briefe nach und nach wieder schneller gehn und kommen. Lebt wohl, Ihr lieben, lieben Leute; ein andermal mehr und vernünftiger; das Herz ist aber schwarz, hat Euch etwas lieb, und wünscht Euch Alles Frohe und Glückliche. FMB
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-06-06" xml:id="date_afc59b01-7124-4b73-844c-c539e53460a9">6. 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Mendelssohn Bartholdy</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline">Berlin</hi></addrLine> <addrLine>(Leipziger Strasse no. 3)</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline">Alta Germania</hi></addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_c468d3b8-bfa3-4ea0-9b15-26a7eab1541e"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Rom d. <date cert="high" when="1831-06-06" xml:id="date_41002b01-82b1-45d7-b26d-e0c902e03cc2">6 Juny 31</date></dateline><salute rend="left">Ihr meine lieben Hofherrn!</salute><salute rend="left"> oder vielmehr Hofdamen!</salute><salute rend="left"> oder vielmehr Geren!</salute><salute rend="left"> oder Königinnen!</salute><salute rend="left"> oder kurz</salute><salute rend="left"> Ihr!</salute><p style="paragraph_without_indent">Das hier ist nur ein Privatbrief, aber dafür bekommt Ihr auch kein Tagebuch, es ist zu schlecht und dünn geworden, um es nach Berlin zu schicken; war mir doch so zu Muthe und da ich Euch immer so schreibe, wie mir zu Muthe ist, es aber darum nicht immer absende, so bekommt Ihr, wie gesagt, nur dies Privatschreiben. Nun bin ich wieder in Rom, von da geht das Schreiben besser, ich habe ja aus Dresden auch noch keinen Brief von Euch bekommen; pardon, und nun wird weiter geplaudert. Da ich also in der Zeit gereis’t bin, so muß ich Euch wenigstens ein abrégé meiner Geschichte mittheilen; von Euch erfolgt hoffentlich auch bald eins, also müßt Ihr wissen, daß Freitag den 20<hi rend="superscript">sten</hi> Mai in Corpore gefrühstückt wurde, nämlich Früchte u. dgl. und in Corpore heißt die Reisegesellschaft nach den Inseln, die aus <persName xml:id="persName_ddb2ccd6-e82c-4642-9ed0-0bff07b09f5b">Eduard Bendemann<name key="PSN0109806" style="hidden">Bendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889)</name></persName>, einem netten jungen Maler mit Schnurrbart und Strohhut, sonst nur Edechen genannt, ferner aus <persName xml:id="persName_26cefeeb-97ba-45cc-b4ad-48ab0981a599">Th. Hildebrand<name key="PSN0111982" style="hidden">Hildebrandt, Ferdinand Theodor (1804-1874)</name></persName>, mit Schnurrbart und Strohhut, langem Haar, einem Zeichenbuch, (er ist übrigens, wie mir scheint, stark verlobt und will bald heirathen, das Bild mit dem Knaben und Mädchen <title xml:id="title_ff3f394e-7ed9-4e47-b5ec-0414ced0f710">im Kahn<name key="PSN0111982" style="hidden" type="author">Hildebrandt, Ferdinand Theodor (1804-1874)</name><name key="CRT0109261" style="hidden" type="art">Die Kinder im Kahn</name></title> hast Du, o <persName xml:id="persName_51f0dcb3-42a2-4d78-bc7d-7763f7a98a44">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> ganz richtig beurtheilt, denn es gehört <persName xml:id="persName_1f91b56a-d704-4585-b285-a3f268d124bf">seiner Braut<name key="PSN0111984" style="hidden">Hildebrandt, Friderike (1809-1879)</name></persName>, ist ein Geburtstaggeschenk, war <title xml:id="title_254f149b-7c6c-4dfd-896f-2cb08c8b1ddc">mit Alt-Deutschen Versen begleitet, kurz sehr zart [auch ich war in Arkadien<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108829" style="hidden" type="literature">Italienische Reise</name></title> und betete einmal an] und da er nun angestellt ist, zu seiner größten Freude, wird er in den nächsten Monaten nach Berlin kommen, Euch einen und den andern Gruß bringen von einem Bruder, der im Lande der Kunst lebt, wo es aber wenig Künstler giebt, mehr Natur, dort seine Hochzeit feiern) endlich aus <persName xml:id="persName_d22ab70a-032f-4678-9611-14776271b566">Carl Sohn<name key="PSN0114959" style="hidden">Sohn, Carl Ferdinand (1805-1867)</name></persName> und Felix Mendelssohn Bartholdy bestand. Letzterer war bei seinem Entweichen bekleidet mit einer blauen Mütze aus Edinburg, (wohlbekannt); einem blauen Überrock aus London, (wohlbekannt); einem Backenbart von jeder Seite, (hier noch nie aufgeführt) und den zugehörigen Beinkleidern, Schuhwerk, <title xml:id="title_0becfada-88a2-4d1e-ad66-7c7faee08bdf">2 Zeichenbüchern<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_6hyc96gu-9uvh-fe5v-pgdh-9kszuvmhqmsg"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100857" style="hidden">Zeichenalbum Italien, Schweiz 1831: GB-Ob, M.D.M. d. 3<idno type="MWV">ZB 10</idno><idno type="op"></idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_thsmfkiq-zlok-zzvf-3cxp-k7xag4sy98u5"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100849" style="hidden">Zeichenalbum Italien, Schweiz 1831: D-B, Musikabteilung, MA Nachl. 22/B,1<idno type="MWV">ZB 9</idno><idno type="op"></idno></name></title>, u. s. w. Besondre Kennzeichen, ein blauer Bart; seine Wäsche trug er in einem orangegelben Schnupftuch, das ihm seine <persName xml:id="persName_5d12d489-b450-482d-98b0-8136a201ae61">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> bei der Abreise mitgegeben hatte, das Bündel war aber nicht sehr schwer, und enthielt außer <title xml:id="title_850248d6-84d7-4965-85b2-d3f6d2e04c06">Goethe’s<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108820" style="hidden" type="literature">Gedichte</name></title> Gedichten und 3 Hemden wenig Erhebliches. Wir 4 packten uns in einen Miethswagen, dem man ein Pez verspricht (so heißt auf Neapolitanisch ein Piaster) und fuhren durch die Grotte des Posilippo nach Pozzuoli, der Weg führt längs dem Meere und ist das lustigste, was man sehen kann; die entsetzliche Masse von Blinden, Krüppeln, Bettlern, Galeerensklaven, kurz Elenden aller Art, die einen dort empfangen, thut um so mehr weh in der Feiertagsnatur, ich setzte mich ruhig an den Hafen hin und <title xml:id="title_7795b095-9dcc-4715-9e6f-0327fa368a86">zeichnete<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_783wocdt-jnba-b7e5-o93u-1ugpb25v2otm"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100859" style="hidden">Pozzuoli, 20. Mai 1831; fol. 3r<idno type="MWV">ZB 10/4</idno><idno type="op"></idno></name></title>, während die andern sich mit den Serapistempeln, den Theatern, den heißen Quellen, und ausgebrannten Kratern quälen mußten, die ich schon 3 mal und zur Genüge gesehn hatte. Dann nahmen wir, wie junge Patriarchen oder Nomaden, all unser Hab und Gut, Mäntel, Bündel, Bücher, Mappen auf Esel, setzten uns selbst oben darauf, und machten die Tour um den Meerbusen von Bajae, zum Averner See, wo man sich für sein Mittagessen Fische einkaufen muß, über den Berg <title xml:id="title_83103165-10be-4160-bc74-4e3cac963556">nach Cuma (vrgl. Goethes Wandrer<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108862" style="hidden" type="literature">Der Wandrer</name></title>) und kamen so nach Bajae herunter, wo gegessen und ausgeruht wurde. (Ich beziehe mich hier überall sehr auf <persName xml:id="persName_42410d8f-538e-459b-917a-610cfc03a25b">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName>) Dann wurden noch Tempelruinen, alte Bäder u. dgl. besehen und so wurde es Abend ehe wir zur Ueberfahrt kamen; um <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi></formula> 10 langten wir im Städtchen Ischia an, und im einzigen Wirthshaus war alles besetzt, so daß wir uns entschlossen noch bis zu <persName xml:id="persName_42e0b4c2-06d9-4f41-8ac2-1661dc142038">Don Tommaso<name key="PSN0115352" style="hidden">Tommaso, Don</name></persName> zu gehen, 2 Stunden Wegs, die wir aber in <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">5</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">4</hi></formula> liefen: es war prächtig kühl, in allen Weinranken und Feigenbäumen und Gesträuchen saßen unzählige Glühwürmer und ließen sich fangen, und als wir endlich etwas ermüdet beim <persName xml:id="persName_a1d41c9d-0c2f-46cd-95eb-2addb2ec4264">Don<name key="PSN0115352" style="hidden">Tommaso, Don</name></persName> gegen 11 eintrafen, fanden wir noch alle Leute wach, die nettesten Zimmer, frische Früchte, einen freundlichen Diakonus als Marqueur und blieben noch bis Mitternacht behaglich sitzen, einer Fuhre Kirschen gegenüber. Andern Morgen war es aber schlecht Wetter und regnete tüchtig, auf den Epomeo konnte man also nicht hinauf, und da wir eigentlich auch nicht so recht viel mit einander conversiren konnten (es ging nun einmal nicht, Gott weiß warum?) so wäre das Ding langweilig geworden, hätte <persName xml:id="persName_d8455d9f-91bc-415d-993e-142b478e12d8">Don Tommaso<name key="PSN0115352" style="hidden">Tommaso, Don</name></persName> nicht den niedlichsten Hühnerhof, den es in Europa geben kann: vorne an der Thür steht ein gewaltiger, schattiger Orangebaum mit vielen reifen Früchten, unter dessen Aesten die Treppe nach der Wohnung hinauf führt. Jede von den weißen steinernen Stufen ist mit einem großen Blumentopfe besetzt, und der Flur oben besteht aus einer weiten offnen Halle, wo man aus einem Bogen heraus den ganzen Hof mit Orangebaum, Treppe, den Strohdächern, Weinfässern und Krügen, den Eseln und Pfauen übersehen kann. Damit es oben am Vorgrunde nicht fehle, steht unter dem gemauerten Bogen ein Indischer Feigenbaum so üppig, daß man ihn mit Stricken an die Mauer hat festbinden müssen, den Hintergrund endlich machen die Weinberge mit den Lusthäusern und die Vorhöhen des Epomeo. Unter dem Bogen war man nun vor Regen geschützt, da setzten wir uns alle viere hin und <title xml:id="title_2d32451c-84b1-4d4e-b118-87bd0e534cb3">zeichneten den ganzen lieben Tag lang uns den Hof ab<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_6za8nn1m-h2go-odag-oagc-cktnndnaqzvr"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100860" style="hidden">Ischia bei Don Tommaso, 21. Mai 1831; fol. 4r<idno type="MWV">ZB 10/5</idno><idno type="op"></idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_exbggxtg-5boz-i1u5-8nhg-shuft64qke6f"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100861" style="hidden">D. Tommasos, 23. Mai 1831; fol. 7r<idno type="MWV">ZB 10/8</idno><idno type="op"></idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_1myfutyi-rekb-z0ry-gsiw-zm7k8cuhh0cp"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100853" style="hidden">Ischia bei D. Tommaso, 22. Mai 1831; D-B, Musikabteilung, MA Nachl. 22/B,1, fol. 13r<idno type="MWV">ZB 9/16</idno><idno type="op"></idno></name></title>, so zierlich es gehn wollte; ich habe mich überhaupt nicht genirt, immer mitgezeichnet und glaube auch was profitirt zu haben. Nachts gab es ein ganz furchtbares Gewitter, und ich observirte im Bette, daß die Donner am Epomeo entsetzlich lange nachbrummen, etwa wie am Vierwaldstätter See damals, oder noch länger. Den nächsten Morgen, Sonntag, schien es heiter zu sein, wir gingen nach Foria, sahen die Leute in ihrem bunten Costüm in den Dom gehen, die Frauen hatten ihre berühmten, zusammengelegten Musselintücher auf dem Kopf, die Männer standen vor dem Kirchplatz und kannegießerten in knallrothen Sonntagskappen, und so wanden wir uns durch die festlichen Dörfer nach und nach den Berg hinauf. Es ist ein großer, zerrissner Vulkan voll Spalten, Hölen, Abhängen, und steilen Klüften: Die Hölen haben sie zu Weinkellern benutzt und mit großen Fässern vollgepropft, auf den Abhängen sind überall Weinberge mit Feigen- oder Maulbeerbäumen, auf den steilen Felsstücken wächs’t Korn und giebt mehrmals Ernte, die Schluchten sind mit Epheu, unzählig bunten Blumen und Kräutern bedeckt, und wo sich sonst noch ein Platz findet, da schießen junge ächte Castanienbäume auf, und geben den schönsten Schatten; so liegt das letzte Dorf Fontana mitten im Grün und in den Pflanzen. Da überzog sich der Himmel aber, es wurde dunkel als wir höher hinauf kamen, bei den obersten Felsspitzen war es ganz nebelig geworden, die Dünste tanzten umher, obwohl die zackigen Felsen, der Telegraph und das Kreuz wunderlich genug in den Wolken sich ausnahmen, so konnten wir doch von der Aussicht nicht das Geringste sehen, zugleich fing es zu regnen an, man kann nicht oben bleiben und warten, wie auf dem Rigi, und so mußten wir also, ohne seine Bekanntschaft gemacht zu haben, den Epomeo wieder verlassen, liefen im Regen herunter, einer sprang über den andern, ich glaube wir haben keine Stunde gebraucht –</p></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_04c6cdb2-e9d2-4e7f-ba63-47f4f63bae39"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline">(Abends.</seg> Ihr lieben <persName xml:id="persName_b6219526-475c-4942-a643-a26ef17dbc0a">Geren<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> allzumal! Ich lese eben Obiges wieder durch; es ist eine lausige Beschreibung, aber hier ist mein Trost (er zeigt auf den Brief aus Berlin mit den Dresdner Reiseberichten, den er eben bekommen hat) tausend Dank, daß Ihr eben gerade so seid, wie Ihr seid, und Euch, <persName xml:id="persName_d64343d7-03c0-4b5e-9a49-8e4945063ad6">Hensels<name key="PSN0111890" style="hidden">Hensel, Familie von → Wilhelm H.</name></persName>, daß Ihr die prächtige Reise gemacht habt. Les’t mal <title xml:id="title_9d363c5f-87d1-4e09-9155-b4bf3c5c7bd8">Goethe’s „Sendschreiben“<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108847" style="hidden" type="literature">Sendschreiben</name></title> „Mein altes Evangelium“ etc. „Nicht in Rom, in Magna Graecia, Dir im Herzen ist die Wonne da“. Ich hätte meine Feuerwürmer und Aloes gleich für Euer flaches Tharand eingetauscht; Ihr freilich vielleicht auch gern. Der ganze Brief ist aber so frisch und froh, daß ich Euch herzlich dankbar bin dafür; ich habe lange einen solchen nicht von Hause bekommen, und das hat mich auch Zeit her etwas grau gestimmt; auch daß <persName xml:id="persName_f5f12bca-ca28-42a9-a6ed-4fdf16dc1e8a">Caroline<name key="PSN0110288" style="hidden">Caroline, Hausangestellte der → Familie Hensel in Berlin (1831)</name></persName> wieder da ist, freut mich sehr; grüßt sie von mir, und sagt Ihr, daß nun ein Element in der Henselwirthschaft ist, das bisjetzt offenbar drin fehlte; <persName xml:id="persName_47b32c4f-b582-4c9e-b241-ed38aeed1a2e">die schmutzige Bertha<name key="PSN0109908" style="hidden">Bertha, Hausangestellte der → Familie Hensel in Berlin (1828-1831)</name></persName> paßte gar nicht zu den reinlichen Leuten und ihren niedlichen Zimmern, und da <persName xml:id="persName_0a46f74a-4b5c-4bf6-a474-615d37f1aedc">Caroline<name key="PSN0110288" style="hidden">Caroline, Hausangestellte der → Familie Hensel in Berlin (1831)</name></persName> so viel ich weiß, das beste Mädchen ist, die wir bisjetzt gehabt haben, so ist sie mir für Euch gerade gut genug. Wie sehr ich Dir, liebste <persName xml:id="persName_edadb0f2-caeb-4ff8-b94b-86ad4447cf2c">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, für Deine anschaulichen Briefe danke, kann nun ein für allemal nicht ausgesprochen werden; es ist mir sehr lieb, daß Dich meine projectirte Reise nach London freut; ich bin nun für mich ganz bestimmt dazu entschlossen, und habe schon an <persName xml:id="persName_ef841fe0-237d-4415-a70b-d25bdc002617">Sir George<name key="PSN0114944" style="hidden">Smart, Sir George Thomas (1776-1867)</name></persName> und <persName xml:id="persName_be6c34be-37d1-4e78-b032-49a8b43cd766">Attwood<name key="PSN0109576" style="hidden">Attwood, Thomas (1765-1838)</name></persName> geschrieben, und ihnen gesagt, daß <title xml:id="title_a6707e05-b84e-47ba-8085-eae89c74b82e">Petz wieder da sein will<name key="PSN0111331" style="hidden" type="author">Gellert, Christian Fürchtegott (1715-1769)</name><name key="CRT0108777" style="hidden" type="literature">Der Tanzbär</name></title>. – Ah ha! Ihr liebt <persName xml:id="persName_a7994b81-dcfd-445a-aca2-5afec929d067">Pordenone<name key="PSN0113952" style="hidden">Pordenone (eigtl. Giovanni Antonio de’ Sacchi) (?-1539)</name></persName>? Das kann ich auch. Und <persName xml:id="persName_63f4c57a-40f6-4b46-bc75-95f2b38227a2">Rubens<name key="PSN0114342" style="hidden">Rubens, Peter Paul (1577-1640)</name></persName> und <persName xml:id="persName_f4c8dee2-18c5-4a7d-be65-b975b5e1e989">den ungeheuer lustigen, hellen Paul Veronese<name key="PSN0115497" style="hidden">Veronese (eigtl. Caliari), Paolo (1528-1588)</name></persName>? le pauvre homme.) Alles vorstehende ist eine Parenthese und Antwort auf Euern gar zu lieben Brief. Nun fahre ich fort, und bringe Euch nach Capri, das die Neapolitaner Krape aussprechen. Das Ding hat schon was Morgenländisches an sich, mit der glühenden Hitze die von den weißen Felswänden abprallt, mit den Palmen, und den runden Kuppeln der Kirchen, die wie Moscheen aussehn. Der Scirokko war brennend und machte mich zum rechten Genießen unfähig, denn in dieser Sonnenhitze 537 Stufen herauf und dann wieder hinunter zu steigen, nach Anacapri hin, ist eine Pferdearbeit. Aber wahr ist es, daß das Meer sich ganz wunderbar schön ausnimmt, von den kahlen Felsen herunter, und zwischen den tollen Zacken durch. Vor allem muß ich aber von der blauen Grotte erzählen, denn die kennt nicht ein Jeder, weil man nur bei stillem Wetter oder schwimmend hineinkann. Wo die Felsen ganz senkrecht ins Meer hineinstehen, und vielleicht unter dem Wasser noch eben so hoch sind, wie darüber, da hat sich eine gewaltige Höhle gebildet, aber so daß im ganzen Umkreis der Höhle die Felsen mit ihrer Breite auf dem Meere ruhen, oder vielmehr unmittelbar hineinhängen, und erst von da aus aufsteigen bis zur Wölbung der Höhle, so: [<note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_c4f582a2-5447-2fc5c-84835-40ec291d9e06" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> Das Meer füllt also die ganze Höhle aus, und diese hat ihre Oeffnung <hi rend="underline">unter </hi>dem Wasser; nur ein kleines Stück der Oeffnung ragt über das Wasser vor, und durch dies kleine Stück fährt man nun mit einem schmalen Kahn, auf dessen Boden man sich ausstrecken muß, hinein. Ist man einmal drin, so liegt die ganze ungeheure Höhle mit ihrer Wölbung über einem, und man kann frey, wie unter einem Dome, drin umherrudern. Das Sonnenlicht fällt nun aber auch durch die Oeffnung <hi rend="underline">unter </hi>dem Wasser hinein, wird durch das grüne Meerwasser gebrochen und gedämpft, und daher kommen die zaubrischen Erscheinungen. Die ganzen hohen Felsen sind himmelblau und grünlich im Dämmerlicht, etwa wie im Mondschein, doch sieht man alle Ecken und Vertiefungen deutlich; das Meer aber ist durch und durch vom Sonnenlicht beleuchtet und erhellt, so daß der schwarze Kahn auf einer hellen, glänzenden Fläche schwebt; die Farbe ist das blendendste Blau, das ich je gesehn habe, ohne Schatten, ohne Dunkelheiten, wie eine Scheibe des hellsten Milchglases, und wie die Sonne durchscheint, so sieht man auch ganz deutlich Alles was unter dem Wasser vorgeht, und das ganze Meer mit seinen Geschöpfen thut sich auf. Da sieht man an den Felsen die Corallen und Polypen sitzen, tief unten begegnen sich Fische aller Art und schwimmen an einander vorüber, die Felsen werden gegen das Wasser zu immer dunkler, und am Ende wo sie dicht drüber hängen sind sie schwarz, und man sieht weit unter ihnen fort noch das helle Wasser mit den Krebsen, Fischen und Gewürm darin, dazu hallt es ganz wunderlich in der Grotte von jedem Ruderschlage wieder, und wie man an den Wänden umherfährt so kommen neue Gestalten zum Vorschein – ich wollte, Ihr könntet das sehen, denn es ist ganz sonderbar zauberhaft. Dreht man sich nach der Oeffnung um, durch die man hineinkam, so scheint das Tageslicht rothgelb hindurch, dringt aber nicht weiter, als ein Paar Schritt davon, und so ist man ganz einsam auf dem Meere, unter den Felsen, mit seinem eignen besondern Sonnenlichte, es ist als könne man einmal ein wenig unter dem Wasser leben. – Aber meine Beschreibungen gerathen heut nicht sonderlich anschaulich, und das Papier ist zu Ende; ich werde also den Auszug unsrer zweiten größeren Reise nach Amalfi das Nächstemal Euch schreiben. Ein Stück Tagebuch aus Amalfi an Euch, das Euch mal später amüsiren kann, habe ich ins Zeichenbuch geklebt, da werdet Ihr es lesen, wie ich Euch überhaupt dabey die ganze Geschichte am besten werde beschreiben können, denn in Amalfi habe ich den ganzen Tag im Freien gelebt und gezeichnet. Habt Ihr denn mein Briefchen von dort aus erhalten? Nun verlasse ich in ein Paar Tagen Rom; das Blumenfest in Genzano wird leider nicht sein; man fürchtet sich noch vor Revolutionen fortwährend, und hat deshalb sogar die Prozession des Corpus Domini mit viel weniger Pomp, als sonst gemacht; der <persName xml:id="persName_840b8ebb-ed4c-4cd6-925a-1dc942941a5c">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> selbst war gar nicht dabey. Ich werde mit dem vetturino über Foligno und Perugia nach Florenz gehen, und von da über Pisa an der Küste hin nach Genua; wo ich so Gott will etwa heut über 14 Tage zu sein gedenke. Adressirt nur immer nach Mailand, das soll mein Hauptstützpunct für die nächsten Monate werden. Ich schreibe vor meiner Abreise noch ein Paar Zeilen, und dann werden die Briefe nach und nach wieder schneller gehn und kommen. <seg type="closer" xml:id="seg_65143a5f-ea99-491d-9788-99451a5daedf">Lebt wohl, Ihr lieben, lieben Leute; ein andermal mehr und vernünftiger; das Herz ist aber schwarz, hat Euch etwas lieb, und wünscht Euch Alles Frohe und Glückliche.</seg></p><signed rend="right">FMB</signed></div></body> </text></TEI>