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fmb-1831-05-07-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy <lb></lb>Neapel, 7. Mai 1831 Ich konnte vorigen Posttag nicht schreiben, weil ich auf Ischia zwischen den Glühwürmern in den Hecken umherstrich; einen Brief, worin nichts steht, bekommt Ihr doch früh genug. Ich habe, seit ich hier bin, erst ein Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 2, 423

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 13, fol. 57-58. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy; Neapel, 7. Mai 1831 Ich konnte vorigen Posttag nicht schreiben, weil ich auf Ischia zwischen den Glühwürmern in den Hecken umherstrich; einen Brief, worin nichts steht, bekommt Ihr doch früh genug. Ich habe, seit ich hier bin, erst ein

4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Das Jahr ergibt sich aus der Ortsangabe »Neapel«.

Felix Mendelssohn Bartholdy

Green Books

Teilabschrift, D-WRgs, GSA 28/1026, zu Nr. 470. Mendelssohn, Reisebriefe, S. 153-156 (Teildruck, unter dem Datum 28. Mai 1831). Sutermeister, Briefe einer Reise, S. 146-148 (Teildruck).

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

7. Mai 1831 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Neapel Italien Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy Berlin Deutschland deutsch
À Mr. Mr. A. Mendelssohn Bartholdy. Berlin Prusse.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Neapel den 7ten May.

Ich konnte vorigen Posttag nicht schreiben, weil ich auf Ischia zwischen den Glühwürmern in den Hecken umherstrich; einen Brief, worin nichts steht, bekommt Ihr doch früh genug. Ich habe, seit ich hier bin, erst ein einzigesmal Nachricht von Euch bekommen, und das ist mir unbegreiflich; glücklicherweise ist aber dieser Brief von einem späten Datum, so daß ich sehe, daß nichts Böses vorgefallen ist, nur lebe ich nun in der Ungeduld VatersMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) Antwort auf meine Frage zu erhalten, meinen Reiseplan danach einzurichten, ja ich vermuthe daß ein Brief von VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) an mich verloren sein muß, da mir FannyHensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) schreibt, sie freue sich daß ich wahrscheinlich nach Sicilien gehen werde, und da ich mir deshalb denke, VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) habe es mir nun in einem zweiten Brief freigestellt, da er sah, wie alle Unruhen aufgehört haben. Indeß ist er der Brief nun einmal nicht angekommen und ein Mensch, dem Ober Italien mit den Seeen und der Simplonstraße bevorsteht darf sich nicht beklagen, dächt ich, wenn er einen Wunsch mal nicht befriedigen kann. Ich werde wahrscheinlich Ende der nächsten Woche schon mich wieder nach Norden hinauf wenden: Das Wetter ist mir hier sehr ungünstig, das Clima bekommt mir gar nicht, und so will ich wenigstens der größern Hitze entgehen. Wir haben seit einer Woche nämlich fortwährend Scirocco, und das ist für mich das Entsetzlichste, was ich kenne, denn es macht mich immer unlustig zu allem, träge und unwohl. Die Luft ist dann so, wie bei uns etwa vor einem schweren Gewitter, dabey geht aber ein warmer Wind der diese dicke Luft hin und her treibt, der Himmel ist ganz mit weißen Wolkenstreifen bezogen, durch die die Sonne noch blendender scheint, am Horizont und auf den Bergen liegt schwerer weißer Dunst, alles ist matt und erschlafft in der Natur. Es soll für Brustkranke das zuträglichste Wetter sein, auf mich macht es solch unangenehmen Eindruck, daß ich augenblicklich morgens, wenn ich aufstehe, merke, ob Scirocco ist oder nicht; man kann in dem Wetter keinen Spaziergang machen, ohne das Fieber zu riskiren, das Meer ist unruhig und häßlich, kurz es ist eine unangenehme Naturerscheinung, und sie hält schon seit mehreren Tagen an, so daß man Partien u. dgl. aufgeben muß, bis es sich wieder umsetzt. – Auf Ischia hatte ich aber vorgestern einen schönen Tag, es ist die lieblichste, üppigste Natur die man sich vorstellen kann, der rechte Süden. Abends nach der Ankunft im kleinen Hafen mußt’ ich zu Fuß noch 2 Stunden zwischen den Hügeln, beim Meerufer vorbey, berg auf, berg ab, gehen, um zu Don TommasoTommaso, Don zu gelangen, der ein Canonicus ist, Fremde bewirthet, und dessen Gehöft ganz einsam und abgelegen auf einem Hügel steht. Da geht es nun zwischen den Weinbergmauern, durch die Feigenalleen lustig durch, und die Glühwürmer fliegen geschäftig in der Luft herum, andre sitzen wieder im Gebüsch, man denkt eine ganze erleuchtete Stadt liege dahinter, an Citronen, Orangen, Platanen, Aloes, indischen Feigen, fehlt es natürlich nirgends, und das Alles blühend und duftend im Anfang des May hat mir ganz absonderlich behagt. Bei Don TommasosTommaso, Don ist es reinlich und nett, der Mann macht guten Wein, hat sein Kirchlein gleich beim Wohnhause stehen, lebt gar nicht übel dort; den andern Morgen ging es zu Esel um die Insel herum, und auf den Epomeo; der Weg hinauf ist ganz reizend, die Aussicht verdarb aber der Herr Scirocco wieder und legte sich so plump aufs Meer, daß nur die Spitzen von Capri und den Vorgebirgen dunkelblau herausguckten, das andre war grauer Dunst. Und dazu tanzte der Nebel so lustig um die Bergspitze, wie Ihr es Euch vom Rigi her noch erinnern müßt. Hinunter ging es im gestreckten Galopp: Der Eseltreiber fluchte: Sangue di baccalà fritto, und auf dies Commando machte der Esel Capriolen. Dann wurde nach Procida übergesetzt, wo die Frauen sich Griechisch kleiden, und darum nicht hübscher aussehen, aus allen Fenstern guckten neugierige Gesichter, ein Paar Jesuiten mit den schwarzen Kleidern und den dunkeln Gesichtern saßen in einer hellen Weinlaube, ließen sichs wohl sein und machten ein hübsches Bild, dann übers Meer nach Pozzuoli und so durch die Grotte des Posilippo wieder nach Hause. Montag soll es nun mit Ed. BendemannBendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889), den wir täglich erwarten, nach Sorrent, Capri, Amalfi und Paestum gehen, und dann nehme ich von der südlichen Richtung Abschied, denke in ein Paar Tagen dann in Rom zu sein, von da werde ich langsam über Perugia und Foligno nach Bologna gehen, mich dort so lange aufhalten, um Alles mit Muße zu sehen, und dann über Genua, Nizza, Turin wahrscheinlich nach Mailand, oder direct über Parma. Die Antwort auf diesen Brief bitte ich Euch noch nach Rom zu adressiren, weil ich vielleicht des Blumenfestes wegen noch ein Paar Tage länger bleibe, und hier vielleicht mit Ed. BendemannBendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889) zusammen noch einmal nach Ischia gehe, wo es mir gar zu gut gefallen hat. Aber die folgenden werde ich mir dann nach Mailand adressirt erbitten, an Mirabaud & Co.Mirabaud & Co., Bankhaus in Mailand – An PaulMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) kann ich über die Veränderung seines Wohnortes und den Eintritt in die große, weite Londoner Welt nicht schreiben, weil er mir nur mit zwei Worten sagt, er würde wahrscheinlich in 3 Wochen abreisen, und ich ihm also nicht mehr nach Berlin schreiben kann; in einer Woche riskire ichs und adressire an meinen Bruder in London bei StokesStokes, Charles William (1784-1853), Goldschmidt & CoB. A. Goldschmidt & Co., Bankhaus in London. Es soll mal sein, daß mir das rauchige Nest mein Lieblingsaufenthalt wird und bleibt; das Herz geht mir auf, sobald ich daran denke, und male ich mir nun gar meine Rückkehr dahin aus, wie ich von Paris hinüberreise und PaulMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) dort selbstständig, allein, verändert; in den alten lieben Umgebungen finde, wie er mir seine neuen, ich ihm meine alten Freunde vorführen kann, wie wir dann zusammen wohnen und leben, so wird mir schon jetzt ungeduldig nur bald dahin zu kommen. Aus einigen Zeitungen, die mir Bekannte zukommen lassen, sehe ich daß mein Name dort auch nicht vergessen ist, und so kann ich hoffen, wenn ich dahin zurückkehre, wieder fort arbeiten zu können, wie ich es damals nicht durfte weil ich nach Italien mußte. Macht die Oper in München Schwierigkeit, oder geben sie mir nicht den Text den ich wünsche so mach ich eine Oper für London, und daß ich dort den Auftrag habe, sobald ich es möchte, das weiß ich, bei der Direction von DrurylaneDrury Lane TheatreLondonGroßbritannien hab’ ich gute Freunde, und den vorigen nicht angenommenen Antrag, den ich mir für spätre Zeit vorbehielt; bei CoventgardenRoyal Opera House Covent GardenLondonGroßbritannien ist Sir GeorgeSmart, Sir George Thomas (1776-1867) jetzt Alles in Allem, fürs PhilharmonicPhilharmonic SocietyLondonGroßbritannien bringe ich auch neue Sachen mit, und so will ich meine Zeit gut anwenden. Wenn nur KlingemannKlingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862) dort bleibt und in seiner Carriere nicht gehindert ist! Von Rom aus hab ich ihm einen Brief geschrieben, auf den er wohl hätte antworten sollen, aber seit längster Zeit habe ich kein Wort von ihm gehört, nur aus den Zeitungen erfahren, daß OmptedaOmpteda, Ludwig Carl Georg Freiherr von (1767-1854) Minister geworden ist, was mir ein günstiger Umstand für Kl.Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862) scheint. Laßt mich ja immer wissen, was Ihr über ihn erfahrt. – Da ich die Abende hier frei habe, so lese ich ein wenig Französisch und Englisch; namentlich haben mich die Barricades<name key="PSN0115523" style="hidden" type="author">Vitet, Ludovic (eigtl. Louis) (1802-1873)</name><name key="CRT0111209" style="hidden" type="literature">Les barricades</name> und les états de Blois<name key="PSN0115523" style="hidden" type="author">Vitet, Ludovic (eigtl. Louis) (1802-1873)</name><name key="CRT0111210" style="hidden" type="literature">Les états de Blois</name> interessirt, weil man sich mit Grausen in eine Zeit versetzt sieht, die man so oft als eine kräftige, zu früh vergangne muß schildern hören; wenn mir die Bücher auch viele Fehler zu haben scheinen, so ist die Schilderung der beiden gegenüberstehenden Häupter, von denen einer immer schwächer, unschlüssiger, heuchlerischer und jämmerlicher sich zeigt, als der andre doch gewiß nur zu wahr, und man dankt Gott, daß dieses gepriesene Mittelalter vorbey ist und nie wiederkehren kann. Zeigt es keinem Hegelianer, aber es ist so, und je mehr ich drüber lese und denke, je deutlicher fühle ich das. Ein großer Liebling von mir ist SterneSterne, Lawrence (1713-1768) geworden; mir fiel ein daß GoetheGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) mal über die sentimental journey<name key="PSN0115121" style="hidden" type="author">Sterne, Lawrence (1713-1768)</name><name key="CRT0110981" style="hidden" type="literature">A Sentimental Journey through France and Italy by Mr. Yorick</name> sprach und sagte man könne durchaus nicht besser ausdrücken, wie des Menschen Herze ein trotzig und verzagt Ding sey; da fand ich sie zufällig und dachte, ich wollte sie doch kennen lernen, und habe mich sehr dabey gefreut, wie Alles so fein und scharf aufgefaßt und hingestellt ist. Deutsches giebt es hier wenig zu lesen, da bin ich auf die Goetheschen<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108820" style="hidden" type="literature">Gedichte</name> Gedichte beschränkt, die mir HauserHauser, Franz (František) (1794-1870) geschenkt hat, und bei Gott es ist genug drin zu bedenken, neu bleibt es immer. Namentlich interessiren mich hier die Gedichte, die er offenbar in oder um Neapel geschrieben hat, wie z. B. Alexis und Dora<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108795" style="hidden" type="literature">Alexis und Dora</name>, denn das sehe ich fast täglich von meinem Fenster aus, wie das wunderbare Gedicht entstanden; ja wie es denn mit allen Meisterwerken geht, so denke ich oft so von selbst und plötzlich dran, daß mir ist, als müsse es mir auch bei ähnlicher Gelegenheit eingefallen sein, und als hätte der es nur zufällig ausgesprochen. Von dem Gedicht „Gott segne dich junge Frau“<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108862" style="hidden" type="literature">Der Wandrer</name> behaupte ich nun gar das Local aufgefunden zu haben, ich behaupte sogar daß ich bei der Frau zu Mittag gegessen habe, aber natürlich muß sie jetzt schon ganz alt und ihr säugender Knabe ein stämmiger Vignarol geworden sein, und an beiden fehlte es nicht; zwischen Pozzuoli und Bajae liegt ihr Haus, „eines Tempels Trümmern,“<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108862" style="hidden" type="literature">Der Wandrer</name> und nach Cuma<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108862" style="hidden" type="literature">Der Wandrer</name> ist es drei Meilen gut, da könnt Ihr Euch denken, wie einem die Gedichte neu werden, und wie anders und frisch man sie wieder empfindet und kennen lernt. Von Mignons Lied<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108841" style="hidden" type="literature">Mignons Lied (»Kennst du das Land wo die Zitronen blühn?«)</name> will ich gar nicht erst sprechen. Aber toll ist es doch, daß GoetheGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) und ThorwaldsenThorvaldsen, Bertel (Alberto) (1770-1844) leben, daß BeethovenBeethoven, Ludwig van (1770-1827) erst vor ein Paar Jahren gestorben ist, und daß HothoHotho, Heinrich Gustav (1802-1873) behauptet, die deutsche Kunst sey mausetodt. Quod non. Schlimm genug für ihn, wenn es ihm so zu Muthe ist, aber wenn man ein Weilchen über dies Raisonnement nachdenkt, kommt es einem doch sehr schaal vor. À propos SchadowSchadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862) der in einigen Tagen nach Düsseldorf zurückgeht, verspricht mir bei ImmermannImmermann, Karl Leberecht (1796-1840) neue Lieder für mich auszuwirken, auf die ich mich sehr freue. Der Mann ist doch ein Dichter, das steht ebenso in seinen Briefen, wie in Allem. Graf PlatenPlaten-Hallermünde, Karl August Georg Maximilian Graf von (1796-1835) ist ein kleiner, verschrumpfter, goldbebrillter, heisrer Greis von 35 Jahren; er hat mir Furcht gemacht, die Griechen sehen anders aus. Er schimpft auf die Deutschen gräßlich, vergißt aber, daß er es auf Deutsch thut. Aber ich komme zu sehr ins Plaudern und in die Enge. Also lebt wohl für heute, das nächstemal mehr und besser, wenn kein Scirocco ist: das heißt hier der Sciroccobrief. Bleibt froh und gesund.

F.
            Neapel den 7ten May. Ich konnte vorigen Posttag nicht schreiben, weil ich auf Ischia zwischen den Glühwürmern in den Hecken umherstrich; einen Brief, worin nichts steht, bekommt Ihr doch früh genug. Ich habe, seit ich hier bin, erst ein einzigesmal Nachricht von Euch bekommen, und das ist mir unbegreiflich; glücklicherweise ist aber dieser Brief von einem späten Datum, so daß ich sehe, daß nichts Böses vorgefallen ist, nur lebe ich nun in der Ungeduld Vaters Antwort auf meine Frage zu erhalten, meinen Reiseplan danach einzurichten, ja ich vermuthe daß ein Brief von Vater an mich verloren sein muß, da mir Fanny schreibt, sie freue sich daß ich wahrscheinlich nach Sicilien gehen werde, und da ich mir deshalb denke, Vater habe es mir nun in einem zweiten Brief freigestellt, da er sah, wie alle Unruhen aufgehört haben. Indeß ist er der Brief nun einmal nicht angekommen und ein Mensch, dem Ober Italien mit den Seeen und der Simplonstraße bevorsteht darf sich nicht beklagen, dächt ich, wenn er einen Wunsch mal nicht befriedigen kann. Ich werde wahrscheinlich Ende der nächsten Woche schon mich wieder nach Norden hinauf wenden: Das Wetter ist mir hier sehr ungünstig, das Clima bekommt mir gar nicht, und so will ich wenigstens der größern Hitze entgehen. Wir haben seit einer Woche nämlich fortwährend Scirocco, und das ist für mich das Entsetzlichste, was ich kenne, denn es macht mich immer unlustig zu allem, träge und unwohl. Die Luft ist dann so, wie bei uns etwa vor einem schweren Gewitter, dabey geht aber ein warmer Wind der diese dicke Luft hin und her treibt, der Himmel ist ganz mit weißen Wolkenstreifen bezogen, durch die die Sonne noch blendender scheint, am Horizont und auf den Bergen liegt schwerer weißer Dunst, alles ist matt und erschlafft in der Natur. Es soll für Brustkranke das zuträglichste Wetter sein, auf mich macht es solch unangenehmen Eindruck, daß ich augenblicklich morgens, wenn ich aufstehe, merke, ob Scirocco ist oder nicht; man kann in dem Wetter keinen Spaziergang machen, ohne das Fieber zu riskiren, das Meer ist unruhig und häßlich, kurz es ist eine unangenehme Naturerscheinung, und sie hält schon seit mehreren Tagen an, so daß man Partien u. dgl. aufgeben muß, bis es sich wieder umsetzt. – Auf Ischia hatte ich aber vorgestern einen schönen Tag, es ist die lieblichste, üppigste Natur die man sich vorstellen kann, der rechte Süden. Abends nach der Ankunft im kleinen Hafen mußt’ ich zu Fuß noch 2 Stunden zwischen den Hügeln, beim Meerufer vorbey, berg auf, berg ab, gehen, um zu Don Tommaso zu gelangen, der ein Canonicus ist, Fremde bewirthet, und dessen Gehöft ganz einsam und abgelegen auf einem Hügel steht. Da geht es nun zwischen den Weinbergmauern, durch die Feigenalleen lustig durch, und die Glühwürmer fliegen geschäftig in der Luft herum, andre sitzen wieder im Gebüsch, man denkt eine ganze erleuchtete Stadt liege dahinter, an Citronen, Orangen, Platanen, Aloes, indischen Feigen, fehlt es natürlich nirgends, und das Alles blühend und duftend im Anfang des May hat mir ganz absonderlich behagt. Bei Don Tommasos ist es reinlich und nett, der Mann macht guten Wein, hat sein Kirchlein gleich beim Wohnhause stehen, lebt gar nicht übel dort; den andern Morgen ging es zu Esel um die Insel herum, und auf den Epomeo; der Weg hinauf ist ganz reizend, die Aussicht verdarb aber der Herr Scirocco wieder und legte sich so plump aufs Meer, daß nur die Spitzen von Capri und den Vorgebirgen dunkelblau herausguckten, das andre war grauer Dunst. Und dazu tanzte der Nebel so lustig um die Bergspitze, wie Ihr es Euch vom Rigi her noch erinnern müßt. Hinunter ging es im gestreckten Galopp: Der Eseltreiber fluchte: Sangue di baccalà fritto, und auf dies Commando machte der Esel Capriolen. Dann wurde nach Procida übergesetzt, wo die Frauen sich Griechisch kleiden, und darum nicht hübscher aussehen, aus allen Fenstern guckten neugierige Gesichter, ein Paar Jesuiten mit den schwarzen Kleidern und den dunkeln Gesichtern saßen in einer hellen Weinlaube, ließen sichs wohl sein und machten ein hübsches Bild, dann übers Meer nach Pozzuoli und so durch die Grotte des Posilippo wieder nach Hause. Montag soll es nun mit Ed. Bendemann, den wir täglich erwarten, nach Sorrent, Capri, Amalfi und Paestum gehen, und dann nehme ich von der südlichen Richtung Abschied, denke in ein Paar Tagen dann in Rom zu sein, von da werde ich langsam über Perugia und Foligno nach Bologna gehen, mich dort so lange aufhalten, um Alles mit Muße zu sehen, und dann über Genua, Nizza, Turin wahrscheinlich nach Mailand, oder direct über Parma. Die Antwort auf diesen Brief bitte ich Euch noch nach Rom zu adressiren, weil ich vielleicht des Blumenfestes wegen noch ein Paar Tage länger bleibe, und hier vielleicht mit Ed. Bendemann zusammen noch einmal nach Ischia gehe, wo es mir gar zu gut gefallen hat. Aber die folgenden werde ich mir dann nach Mailand adressirt erbitten, an Mirabaud & Co. – An Paul kann ich über die Veränderung seines Wohnortes und den Eintritt in die große, weite Londoner Welt nicht schreiben, weil er mir nur mit zwei Worten sagt, er würde wahrscheinlich in 3 Wochen abreisen, und ich ihm also nicht mehr nach Berlin schreiben kann; in einer Woche riskire ichs und adressire an meinen Bruder in London bei Stokes, Goldschmidt & Co. Es soll mal sein, daß mir das rauchige Nest mein Lieblingsaufenthalt wird und bleibt; das Herz geht mir auf, sobald ich daran denke, und male ich mir nun gar meine Rückkehr dahin aus, wie ich von Paris hinüberreise und Paul dort selbstständig, allein, verändert; in den alten lieben Umgebungen finde, wie er mir seine neuen, ich ihm meine alten Freunde vorführen kann, wie wir dann zusammen wohnen und leben, so wird mir schon jetzt ungeduldig nur bald dahin zu kommen. Aus einigen Zeitungen, die mir Bekannte zukommen lassen, sehe ich daß mein Name dort auch nicht vergessen ist, und so kann ich hoffen, wenn ich dahin zurückkehre, wieder fort arbeiten zu können, wie ich es damals nicht durfte weil ich nach Italien mußte. Macht die Oper in München Schwierigkeit, oder geben sie mir nicht den Text den ich wünsche so mach ich eine Oper für London, und daß ich dort den Auftrag habe, sobald ich es möchte, das weiß ich, bei der Direction von Drurylane hab’ ich gute Freunde, und den vorigen nicht angenommenen Antrag, den ich mir für spätre Zeit vorbehielt; bei Coventgarden ist Sir George jetzt Alles in Allem, fürs Philharmonic bringe ich auch neue Sachen mit, und so will ich meine Zeit gut anwenden. Wenn nur Klingemann dort bleibt und in seiner Carriere nicht gehindert ist! Von Rom aus hab ich ihm einen Brief geschrieben, auf den er wohl hätte antworten sollen, aber seit längster Zeit habe ich kein Wort von ihm gehört, nur aus den Zeitungen erfahren, daß Ompteda Minister geworden ist, was mir ein günstiger Umstand für Kl. scheint. Laßt mich ja immer wissen, was Ihr über ihn erfahrt. – Da ich die Abende hier frei habe, so lese ich ein wenig Französisch und Englisch; namentlich haben mich die Barricades und les états de Blois interessirt, weil man sich mit Grausen in eine Zeit versetzt sieht, die man so oft als eine kräftige, zu früh vergangne muß schildern hören; wenn mir die Bücher auch viele Fehler zu haben scheinen, so ist die Schilderung der beiden gegenüberstehenden Häupter, von denen einer immer schwächer, unschlüssiger, heuchlerischer und jämmerlicher sich zeigt, als der andre doch gewiß nur zu wahr, und man dankt Gott, daß dieses gepriesene Mittelalter vorbey ist und nie wiederkehren kann. Zeigt es keinem Hegelianer, aber es ist so, und je mehr ich drüber lese und denke, je deutlicher fühle ich das. Ein großer Liebling von mir ist Sterne geworden; mir fiel ein daß Goethe mal über die sentimental journey sprach und sagte man könne durchaus nicht besser ausdrücken, wie des Menschen Herze ein trotzig und verzagt Ding sey; da fand ich sie zufällig und dachte, ich wollte sie doch kennen lernen, und habe mich sehr dabey gefreut, wie Alles so fein und scharf aufgefaßt und hingestellt ist. Deutsches giebt es hier wenig zu lesen, da bin ich auf die Goetheschen Gedichte beschränkt, die mir Hauser geschenkt hat, und bei Gott es ist genug drin zu bedenken, neu bleibt es immer. Namentlich interessiren mich hier die Gedichte, die er offenbar in oder um Neapel geschrieben hat, wie z. B. Alexis und Dora, denn das sehe ich fast täglich von meinem Fenster aus, wie das wunderbare Gedicht entstanden; ja wie es denn mit allen Meisterwerken geht, so denke ich oft so von selbst und plötzlich dran, daß mir ist, als müsse es mir auch bei ähnlicher Gelegenheit eingefallen sein, und als hätte der es nur zufällig ausgesprochen. Von dem Gedicht „Gott segne dich junge Frau“ behaupte ich nun gar das Local aufgefunden zu haben, ich behaupte sogar daß ich bei der Frau zu Mittag gegessen habe, aber natürlich muß sie jetzt schon ganz alt und ihr säugender Knabe ein stämmiger Vignarol geworden sein, und an beiden fehlte es nicht; zwischen Pozzuoli und Bajae liegt ihr Haus, „eines Tempels Trümmern, “ und nach Cuma ist es drei Meilen gut, da könnt Ihr Euch denken, wie einem die Gedichte neu werden, und wie anders und frisch man sie wieder empfindet und kennen lernt. Von Mignons Lied will ich gar nicht erst sprechen. Aber toll ist es doch, daß Goethe und Thorwaldsen leben, daß Beethoven erst vor ein Paar Jahren gestorben ist, und daß Hotho behauptet, die deutsche Kunst sey mausetodt. Quod non. Schlimm genug für ihn, wenn es ihm so zu Muthe ist, aber wenn man ein Weilchen über dies Raisonnement nachdenkt, kommt es einem doch sehr schaal vor. À propos Schadow der in einigen Tagen nach Düsseldorf zurückgeht, verspricht mir bei Immermann neue Lieder für mich auszuwirken, auf die ich mich sehr freue. Der Mann ist doch ein Dichter, das steht ebenso in seinen Briefen, wie in Allem. Graf Platen ist ein kleiner, verschrumpfter, goldbebrillter, heisrer Greis von 35 Jahren; er hat mir Furcht gemacht, die Griechen sehen anders aus. Er schimpft auf die Deutschen gräßlich, vergißt aber, daß er es auf Deutsch thut. Aber ich komme zu sehr ins Plaudern und in die Enge. Also lebt wohl für heute, das nächstemal mehr und besser, wenn kein Scirocco ist: das heißt hier der Sciroccobrief. Bleibt froh und gesund.
F.          
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Ich habe, seit ich hier bin, erst ein</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_fd47cbde-53e4-4c56-9361-8ecf101d37f1">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 2, 423</idno></publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_f937e457-0056-4815-8e64-232d8ad0b21b"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 13, fol. 57-58.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1831-05-07-01" type="letter" xml:id="title_53be43d8-af7d-47fa-a062-5364826a4b44">Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy; Neapel, 7. Mai 1831</title> <incipit>Ich konnte vorigen Posttag nicht schreiben, weil ich auf Ischia zwischen den Glühwürmern in den Hecken umherstrich; einen Brief, worin nichts steht, bekommt Ihr doch früh genug. Ich habe, seit ich hier bin, erst ein</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Das Jahr ergibt sich aus der Ortsangabe »Neapel«.</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="copy_from_foreign_hand">Teilabschrift, D-WRgs, GSA 28/1026, zu Nr. 470.</bibl> <bibl type="printed_letter">Mendelssohn, Reisebriefe, S. 153-156 (Teildruck, unter dem Datum 28. Mai 1831).</bibl> <bibl type="printed_letter">Sutermeister, Briefe einer Reise, S. 146-148 (Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-05-07" xml:id="date_a7505bf5-d391-45ad-b5fd-dfd99e4f761a">7. Mai 1831</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_58bfe05a-5abc-47a9-b7aa-0779d1e27906">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_c2801fe3-c602-4ae6-92e9-50c6a9c9e0fd"> <settlement key="STM0100178">Neapel</settlement> <country>Italien</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113247" resp="receiver" xml:id="persName_58f8b961-5605-4bb6-a3c7-069c75ffe82b">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <persName key="PSN0113241" resp="receiver" xml:id="persName_c84f2de0-5536-4044-918f-6f1e12887631">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_37480ca9-32ea-4934-83ab-19465432a6bb"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_6220811f-e2b3-415c-8939-4ebd5eeb4012"> <head> <address> <addrLine>À Mr.</addrLine> <addrLine>Mr. A. Mendelssohn Bartholdy.</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline">Berlin</hi></addrLine> <addrLine>Prusse.</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_72340ee4-80b8-4ef5-8e54-8c1ad23092cf"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Neapel den <date cert="high" when="1831-05-07" xml:id="date_7a502ddd-98f7-4cb8-949b-08ac7c364f5a">7<hi rend="superscript">ten</hi> May</date>.</dateline><p style="paragraph_without_indent">Ich konnte vorigen Posttag nicht schreiben, weil ich auf Ischia zwischen den Glühwürmern in den Hecken umherstrich; einen Brief, worin nichts steht, bekommt Ihr doch früh genug. Ich habe, seit ich hier bin, erst ein einzigesmal Nachricht von Euch bekommen, und das ist mir unbegreiflich; glücklicherweise ist aber dieser Brief von einem späten Datum, so daß ich sehe, daß nichts Böses vorgefallen ist, nur lebe ich nun in der Ungeduld <persName xml:id="persName_e9bf6c6c-4453-4fe1-8567-a5da8eb2ff08">Vaters<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> Antwort auf meine Frage zu erhalten, meinen Reiseplan danach einzurichten, ja ich vermuthe daß ein Brief von <persName xml:id="persName_ab6646ea-a5d2-43e4-bc2c-817bd77615b6">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> an mich verloren sein muß, da mir <persName xml:id="persName_6918a499-7f1a-42a2-8427-d07a8850b52d">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> schreibt, sie freue sich daß ich wahrscheinlich nach Sicilien gehen werde, und da ich mir deshalb denke, <persName xml:id="persName_2a0dc306-6c0d-4a1a-b912-2f3047b7db87">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> habe es mir nun in einem zweiten Brief freigestellt, da er sah, wie alle Unruhen aufgehört haben. Indeß ist er der Brief nun einmal nicht angekommen und ein Mensch, dem Ober Italien mit den Seeen und der Simplonstraße bevorsteht darf sich nicht beklagen, dächt ich, wenn er einen Wunsch mal nicht befriedigen kann. Ich werde wahrscheinlich Ende der nächsten Woche schon mich wieder nach Norden hinauf wenden: Das Wetter ist mir hier sehr ungünstig, das Clima bekommt mir gar nicht, und so will ich wenigstens der größern Hitze entgehen. Wir haben seit einer Woche nämlich fortwährend Scirocco, und das ist für mich das Entsetzlichste, was ich kenne, denn es macht mich immer unlustig zu allem, träge und unwohl. Die Luft ist dann so, wie bei uns etwa vor einem schweren Gewitter, dabey geht aber ein warmer Wind der diese dicke Luft hin und her treibt, der Himmel ist ganz mit weißen Wolkenstreifen bezogen, durch die die Sonne noch blendender scheint, am Horizont und auf den Bergen liegt schwerer weißer Dunst, alles ist matt und erschlafft in der Natur. Es soll für Brustkranke das zuträglichste Wetter sein, auf mich macht es solch unangenehmen Eindruck, daß ich augenblicklich morgens, wenn ich aufstehe, merke, ob Scirocco ist oder nicht; man kann in dem Wetter keinen Spaziergang machen, ohne das Fieber zu riskiren, das Meer ist unruhig und häßlich, kurz es ist eine unangenehme Naturerscheinung, und sie hält schon seit mehreren Tagen an, so daß man Partien u. dgl. aufgeben muß, bis es sich wieder umsetzt. – Auf Ischia hatte ich aber vorgestern einen schönen Tag, es ist die lieblichste, üppigste Natur die man sich vorstellen kann, der rechte Süden. Abends nach der Ankunft im kleinen Hafen mußt’ ich zu Fuß noch 2 Stunden zwischen den Hügeln, beim Meerufer vorbey, berg auf, berg ab, gehen, um zu Don <persName xml:id="persName_776a2c68-1e76-491b-981c-9f2284bbaa0e">Tommaso<name key="PSN0115352" style="hidden">Tommaso, Don</name></persName> zu gelangen, der ein Canonicus ist, Fremde bewirthet, und dessen Gehöft ganz einsam und abgelegen auf einem Hügel steht. Da geht es nun zwischen den Weinbergmauern, durch die Feigenalleen lustig durch, und die Glühwürmer fliegen geschäftig in der Luft herum, andre sitzen wieder im Gebüsch, man denkt eine ganze erleuchtete Stadt liege dahinter, an Citronen, Orangen, Platanen, Aloes, indischen Feigen, fehlt es natürlich nirgends, und das Alles blühend und duftend im Anfang des May hat mir ganz absonderlich behagt. Bei <persName xml:id="persName_112d8b8d-cd1f-43b2-b104-d1bb3ebe55e4">Don Tommasos<name key="PSN0115352" style="hidden">Tommaso, Don</name></persName> ist es reinlich und nett, der Mann macht guten Wein, hat sein Kirchlein gleich beim Wohnhause stehen, lebt gar nicht übel dort; den andern Morgen ging es zu Esel um die Insel herum, und auf den Epomeo; der Weg hinauf ist ganz reizend, die Aussicht verdarb aber der Herr Scirocco wieder und legte sich so plump aufs Meer, daß nur die Spitzen von Capri und den Vorgebirgen dunkelblau herausguckten, das andre war grauer Dunst. Und dazu tanzte der Nebel so lustig um die Bergspitze, wie Ihr es Euch vom Rigi her noch erinnern müßt. Hinunter ging es im gestreckten Galopp: Der Eseltreiber fluchte: Sangue di baccalà fritto, und auf dies Commando machte der Esel Capriolen. Dann wurde nach Procida übergesetzt, wo die Frauen sich Griechisch kleiden, und darum nicht hübscher aussehen, aus allen Fenstern guckten neugierige Gesichter, ein Paar Jesuiten mit den schwarzen Kleidern und den dunkeln Gesichtern saßen in einer hellen Weinlaube, ließen sichs wohl sein und machten ein hübsches Bild, dann übers Meer nach Pozzuoli und so durch die Grotte des Posilippo wieder nach Hause. Montag soll es nun mit <persName xml:id="persName_915e9b58-53e6-4bb6-895f-8dbbdd6c42ea">Ed. Bendemann<name key="PSN0109806" style="hidden">Bendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889)</name></persName>, den wir täglich erwarten, nach Sorrent, Capri, Amalfi und Paestum gehen, und dann nehme ich von der südlichen Richtung Abschied, denke in ein Paar Tagen dann in Rom zu sein, von da werde ich langsam über Perugia und Foligno nach Bologna gehen, mich dort so lange aufhalten, um Alles mit Muße zu sehen, und dann über Genua, Nizza, Turin wahrscheinlich nach Mailand, oder direct über Parma. Die Antwort auf diesen Brief bitte ich Euch noch nach Rom zu adressiren, weil ich vielleicht des Blumenfestes wegen noch ein Paar Tage länger bleibe, und hier vielleicht mit <persName xml:id="persName_59b8f3ef-1458-40fc-a003-671d05adf090">Ed. Bendemann<name key="PSN0109806" style="hidden">Bendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889)</name></persName> zusammen noch einmal nach Ischia gehe, wo es mir gar zu gut gefallen hat. Aber die folgenden werde ich mir dann nach Mailand adressirt erbitten, an <persName xml:id="persName_178b0b85-fb5d-4dd5-9f6b-663dc98ec86f">Mirabaud &amp; Co.<name key="PSN0113360" style="hidden">Mirabaud &amp; Co., Bankhaus in Mailand</name></persName> – An <persName xml:id="persName_eddfac68-c66d-40c5-bf87-8695603417e0">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> kann ich über die Veränderung seines Wohnortes und den Eintritt in die große, weite Londoner Welt nicht schreiben, weil er mir nur mit zwei Worten sagt, er würde wahrscheinlich in 3 Wochen abreisen, und ich ihm also nicht mehr nach Berlin schreiben kann; in einer Woche riskire ichs und adressire an meinen Bruder in London bei <persName xml:id="persName_b6c6684a-3c5d-4841-b76e-51ace5f103d4">Stokes<name key="PSN0115148" style="hidden">Stokes, Charles William (1784-1853)</name></persName>, <persName xml:id="persName_37d9fe17-5bde-4967-ad7f-cb6e8dd20e3e">Goldschmidt &amp; Co<name key="PSN0111450" style="hidden">B. A. Goldschmidt &amp; Co., Bankhaus in London</name></persName>. Es soll mal sein, daß mir das rauchige Nest mein Lieblingsaufenthalt wird und bleibt; das Herz geht mir auf, sobald ich daran denke, und male ich mir nun gar meine Rückkehr dahin aus, wie ich von Paris hinüberreise und <persName xml:id="persName_4d692a74-1e14-4d86-9484-1bc46af8058f">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> dort selbstständig, allein, verändert; in den alten lieben Umgebungen finde, wie er mir seine neuen, ich ihm meine alten Freunde vorführen kann, wie wir dann zusammen wohnen und leben, so wird mir schon jetzt ungeduldig nur bald dahin zu kommen. Aus einigen Zeitungen, die mir Bekannte zukommen lassen, sehe ich daß mein Name dort auch nicht vergessen ist, und so kann ich hoffen, wenn ich dahin zurückkehre, wieder fort arbeiten zu können, wie ich es damals nicht durfte weil ich nach Italien mußte. Macht die Oper in München Schwierigkeit, oder geben sie mir nicht den Text den ich wünsche so mach ich eine Oper für London, und daß ich dort den Auftrag habe, sobald ich es möchte, das weiß ich, bei der <placeName xml:id="placeName_5d1c4881-3e69-41d6-938c-2009cc691ea7">Direction von Drurylane<name key="NST0100285" style="hidden" subtype="" type="institution">Drury Lane Theatre</name><settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> hab’ ich gute Freunde, und den vorigen nicht angenommenen Antrag, den ich mir für spätre Zeit vorbehielt; bei <placeName xml:id="placeName_1f86f173-cfd9-41c5-87d9-0533e9bc965b">Coventgarden<name key="NST0100286" style="hidden" subtype="" type="institution">Royal Opera House Covent Garden</name><settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> ist <persName xml:id="persName_955e1964-dc8e-4f55-906a-2cb9a9459043">Sir George<name key="PSN0114944" style="hidden">Smart, Sir George Thomas (1776-1867)</name></persName> jetzt Alles in Allem, fürs <placeName xml:id="placeName_2f7c5e50-9935-4416-9957-4f647b872c11">Philharmonic<name key="NST0100287" style="hidden" subtype="" type="institution">Philharmonic Society</name><settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> bringe ich auch neue Sachen mit, und so will ich meine Zeit gut anwenden. Wenn nur <persName xml:id="persName_f3d03560-1bb8-4981-845e-a3498ba7c3c5">Klingemann<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> dort bleibt und in seiner Carriere nicht gehindert ist! Von Rom aus hab ich ihm einen Brief geschrieben, auf den er wohl hätte antworten sollen, aber seit längster Zeit habe ich kein Wort von ihm gehört, nur aus den Zeitungen erfahren, daß <persName xml:id="persName_4851c2d0-28db-455e-a774-cdecafab1356">Ompteda<name key="PSN0113670" style="hidden">Ompteda, Ludwig Carl Georg Freiherr von (1767-1854)</name></persName> Minister geworden ist, was mir ein günstiger Umstand für <persName xml:id="persName_c07d7f1e-6430-45a1-8d5b-2eebead1f07d">Kl.<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> scheint. Laßt mich ja immer wissen, was Ihr über ihn erfahrt. – Da ich die Abende hier frei habe, so lese ich ein wenig Französisch und Englisch; namentlich haben mich die <title xml:id="title_5265c826-d6e6-47d0-a8d8-d6afec934192">Barricades<name key="PSN0115523" style="hidden" type="author">Vitet, Ludovic (eigtl. Louis) (1802-1873)</name><name key="CRT0111209" style="hidden" type="literature">Les barricades</name></title> und <title xml:id="title_80ee5cf4-cc47-4875-a11b-acd423c2ed51">les états de Blois<name key="PSN0115523" style="hidden" type="author">Vitet, Ludovic (eigtl. Louis) (1802-1873)</name><name key="CRT0111210" style="hidden" type="literature">Les états de Blois</name></title> interessirt, weil man sich mit Grausen in eine Zeit versetzt sieht, die man so oft als eine kräftige, zu früh vergangne muß schildern hören; wenn mir die Bücher auch viele Fehler zu haben scheinen, so ist die Schilderung der beiden gegenüberstehenden Häupter, von denen einer immer schwächer, unschlüssiger, heuchlerischer und jämmerlicher sich zeigt, als der andre doch gewiß nur zu wahr, und man dankt Gott, daß dieses gepriesene Mittelalter vorbey ist und nie wiederkehren kann. Zeigt es keinem Hegelianer, aber es ist so, und je mehr ich drüber lese und denke, je deutlicher fühle ich das. Ein großer Liebling von mir ist <persName xml:id="persName_d9c249d0-dc78-47f1-a444-61aa3d40e234">Sterne<name key="PSN0115121" style="hidden">Sterne, Lawrence (1713-1768)</name></persName> geworden; mir fiel ein daß <persName xml:id="persName_f496f291-ff49-47bb-8c26-b40ec0d4c5e2">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> mal über die <title xml:id="title_32b5a056-051e-44ca-8c49-2f71c5d4759e">sentimental journey<name key="PSN0115121" style="hidden" type="author">Sterne, Lawrence (1713-1768)</name><name key="CRT0110981" style="hidden" type="literature">A Sentimental Journey through France and Italy by Mr. Yorick</name></title> sprach und sagte man könne durchaus nicht besser ausdrücken, wie des Menschen Herze ein trotzig und verzagt Ding sey; da fand ich sie zufällig und dachte, ich wollte sie doch kennen lernen, und habe mich sehr dabey gefreut, wie Alles so fein und scharf aufgefaßt und hingestellt ist. Deutsches giebt es hier wenig zu lesen, da bin ich auf die <title xml:id="title_826c96c3-26a9-485e-a921-251465f88112">Goetheschen<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108820" style="hidden" type="literature">Gedichte</name></title> Gedichte beschränkt, die mir <persName xml:id="persName_bb856880-56b7-4656-bab0-3ae54750f5a3">Hauser<name key="PSN0111775" style="hidden">Hauser, Franz (František) (1794-1870)</name></persName> geschenkt hat, und bei Gott es ist genug drin zu bedenken, neu bleibt es immer. Namentlich interessiren mich hier die Gedichte, die er offenbar in oder um Neapel geschrieben hat, wie z. B. <title xml:id="title_613d4dae-483f-4286-afbe-c8079b4bc763">Alexis und Dora<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108795" style="hidden" type="literature">Alexis und Dora</name></title>, denn das sehe ich fast täglich von meinem Fenster aus, wie das wunderbare Gedicht entstanden; ja wie es denn mit allen Meisterwerken geht, so denke ich oft so von selbst und plötzlich dran, daß mir ist, als müsse es mir auch bei ähnlicher Gelegenheit eingefallen sein, und als hätte der es nur zufällig ausgesprochen. Von dem <title xml:id="title_c95ea8f8-5130-4855-99d1-0f0fc382f688">Gedicht „Gott segne dich junge Frau“<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108862" style="hidden" type="literature">Der Wandrer</name></title> behaupte ich nun gar das Local aufgefunden zu haben, ich behaupte sogar daß ich bei der Frau zu Mittag gegessen habe, aber natürlich muß sie jetzt schon ganz alt und ihr säugender Knabe ein stämmiger Vignarol geworden sein, und an beiden fehlte es nicht; zwischen Pozzuoli und Bajae liegt ihr Haus, <title xml:id="title_2634603c-1294-4db3-9296-c16a69726043">„eines Tempels Trümmern,“<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108862" style="hidden" type="literature">Der Wandrer</name></title> und <title xml:id="title_97727b31-d368-4126-bd02-904f6f47ec7a">nach Cuma<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108862" style="hidden" type="literature">Der Wandrer</name></title> ist es drei Meilen gut, da könnt Ihr Euch denken, wie einem die Gedichte neu werden, und wie anders und frisch man sie wieder empfindet und kennen lernt. Von <title xml:id="title_95def4d8-302e-48ac-939b-6860fda3bb7c">Mignons Lied<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108841" style="hidden" type="literature">Mignons Lied (»Kennst du das Land wo die Zitronen blühn?«)</name></title> will ich gar nicht erst sprechen. Aber toll ist es doch, daß <persName xml:id="persName_c5ea50d4-0571-4b28-a0f8-94f4545382a1">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> und <persName xml:id="persName_1727532b-ea70-4edf-9dfc-338416384ea4">Thorwaldsen<name key="PSN0115321" style="hidden">Thorvaldsen, Bertel (Alberto) (1770-1844)</name></persName> leben, daß <persName xml:id="persName_cf54fe4a-4eb3-472d-8b4b-099706223e4b">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> erst vor ein Paar Jahren gestorben ist, und daß <persName xml:id="persName_239023f7-ec84-4bdb-8d46-44f6586dcfe6">Hotho<name key="PSN0112111" style="hidden">Hotho, Heinrich Gustav (1802-1873)</name></persName> behauptet, die deutsche Kunst sey mausetodt. Quod non. Schlimm genug für ihn, wenn es ihm so zu Muthe ist, aber wenn man ein Weilchen über dies Raisonnement nachdenkt, kommt es einem doch sehr schaal vor. À propos <persName xml:id="persName_2526a703-5234-4ee6-917f-69d3e45ef1c3">Schadow<name key="PSN0114494" style="hidden">Schadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862)</name></persName> der in einigen Tagen nach Düsseldorf zurückgeht, verspricht mir bei <persName xml:id="persName_94b3e623-0233-481d-930e-da4017a4bad0">Immermann<name key="PSN0112169" style="hidden">Immermann, Karl Leberecht (1796-1840)</name></persName> neue Lieder für mich auszuwirken, auf die ich mich sehr freue. Der Mann ist doch ein Dichter, das steht ebenso in seinen Briefen, wie in Allem. <persName xml:id="persName_ad1062d5-3398-4d27-a5db-2584b849b9d6">Graf Platen<name key="PSN0113897" style="hidden">Platen-Hallermünde, Karl August Georg Maximilian Graf von (1796-1835)</name></persName> ist ein kleiner, verschrumpfter, goldbebrillter, heisrer Greis von 35 Jahren; er hat mir Furcht gemacht, die Griechen sehen anders aus. Er schimpft auf die Deutschen gräßlich, vergißt aber, daß er es auf Deutsch thut. Aber ich komme zu sehr ins Plaudern und in die Enge. Also lebt wohl für heute, das nächstemal mehr und besser, wenn kein Scirocco ist: das heißt hier der Sciroccobrief. <seg type="closer" xml:id="seg_e4085ea3-c655-4c9d-823a-0732be410041">Bleibt froh und gesund.</seg></p><signed rend="right">F.</signed></div></body> </text></TEI>