fmb-1831-04-09-01
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Rom, 4. und 9. April 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Die heilige Woche ist vorüber, mein Paß nach Neapel besorgt, mein Zimmer fängt an leer auszusehen, und der Winter in Rom gehört zu den Erinnerungen. In einigen Tagen denke ich abzureisen, und mein nächster Brief ist, will’s Gott, aus Neapel. Wie heiter und erquicklich der Winter nun war, so hat er mit einer unvergeßlichen Woche geschlossen, denn was ich gesehn und gehört habe hat meine Erwartungen weit übertroffen, und weil es denn das Ende war, so will ich versuchen in meinem letzten Brief aus Rom Euch eine Beschreibung davon zu geben. – Die Leute haben viel gelobt und getadelt über die Ceremonien der heil. Woche und haben, wie es wohl oft geht, immer die Hauptsache zu sagen vergessen, nämlich, daß es ein Ganzes ist. Das ist auch das Einzige, weshalb ich davon erzählen will; sonstige Beschreibungen möchten
Am Palmsonntag ist die erste Ceremonie; der Zulauf von Menschen war so groß, daß ich nicht ganz ins Innre auf die sogenannte Prälatenbank, wo mein gewöhnlicher Sitz war, dringen konnte, sondern unter der Ehrengarde stehen bleiben mußte, wo ich die Feierlichkeit zwar gut sah, aber doch nicht dem Gesang recht folgen konnte, da sie die Worte undeutlich sprachen und ich den Tag noch kein Buch hatte. So kam es, daß nur diesen ersten Tag die verschiedenen Antiphonen, Evangelien- und Psalmmelodien, die Art des singenden Lesens, was nun dort in der Urgestalt alles vorkommt, den verwirrtesten sonderbarsten Eindruck machte, ich hatte keinen rechten Begriff nach welcher Regel die sonderbaren Ton- und Schlußfälle sich richteten, und diese Regel mir nun nach und nach herauszusuchen gab ich mir Mühe, und es gelang mir auch so gut, daß ich am Ende der heil. Woche hätte mitsingen können. Dadurch entging ich auch der Langeweile über die man sich allgemein während der unaufhörlichen Psalmen vor dem miserere beklagt: denn indem ich auf die Verschiedenheit in der Monotonie merkte, und einen Tonfall, den ich sicher hörte gleich aufschrieb, bekam ich nach und nach, wie es auch richtig war, 8 Psalmmelodien heraus, notirte mir die Antiphonen u. dgl. und war fortwährend beschäftigt und gespannt. Den ersten Sonntag aber, wie gesagt, konnte ich mich in Alles das nicht finden und weiß nur, daß sie auf dem Chor „Hosanna in exc.“ sangen und mehrere Hymnen intonirten, während dem was sie singen und freut sich nur des Klanges. Dem
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wiesie wollen, so macht es eine herrliche Wirkung; und wenn es auch wahr ist, daß es sehr einförmige ja sogar unförmliche Hymnen sind, all’ unisono ohne rechten Zusammenhang und ganz fortissimo durch, so berufe ich mich auf den Eindruck, und den muß es auf jeden machen. Nach der Prozession kam das Evangelium im sonderbarsten Ton vorgetragen, (cf.
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teApril geworden und morgen mit dem frühsten sitze ich im Wagen und fahre nach Neapel, da geht wieder eine neue Schönheit für mich auf. Ihr werdet es dem Ende des Briefes ansehen, daß ich eilig geworden bin; es ist der letzte Tag, und so manches noch zu besorgen; ich mache deshalb den
Rom d. 4 Apr. 31. Die heilige Woche ist vorüber, mein Paß nach Neapel besorgt, mein Zimmer fängt an leer auszusehen, und der Winter in Rom gehört zu den Erinnerungen. In einigen Tagen denke ich abzureisen, und mein nächster Brief ist, will’s Gott, aus Neapel. Wie heiter und erquicklich der Winter nun war, so hat er mit einer unvergeßlichen Woche geschlossen, denn was ich gesehn und gehört habe hat meine Erwartungen weit übertroffen, und weil es denn das Ende war, so will ich versuchen in meinem letzten Brief aus Rom Euch eine Beschreibung davon zu geben. – Die Leute haben viel gelobt und getadelt über die Ceremonien der heil. Woche und haben, wie es wohl oft geht, immer die Hauptsache zu sagen vergessen, nämlich, daß es ein Ganzes ist. Das ist auch das Einzige, weshalb ich davon erzählen will; sonstige Beschreibungen möchten Vater wieder an Mde. de Rumford erinnern, die am Ende nur dasselbe that was die meisten thun, die über Musik und Kunst schreiben, indem sie mit einer heisern, prosaischen Stimme bei Tische uns einen Begriff von dem klaren schönen Chor in der päpstlichen Capelle machen wollte. Viele andre haben wieder die bloße Musik abgesondert und sind dann darüber hergefallen, weil sie der Äußerlichkeit bedürfe, um zu wirken; die mögen Recht haben; so lange aber diese nothwendige Äußerlichkeit da ist und zwar in ihrer ganzen Vollkommenheit, so lange wirkt sie doch eben, und so gewiß ich überzeugt bin daß Ort, Zeit, Anordnung, die große Menschenmenge die in größter Stille den Augenblick des Anfangs erwarten, das ihrige zum Eindruck beitragen, so verhaßt ist es mir doch, das, was einmal zusammengehört absichtlich zu sondern, um einen Theil zu erhalten, den man geringschätzen könne. Es müßte ein unglücklicher Mensch sein, auf den die Andacht und Ehrfurcht einer großen Versammlung nicht auch einen andächtigen, ehrfürchtigen Eindruck machte, und wenn sie auch das goldne Kalb anbeteten; denn nur der darfs zerschlagen, der was besseres dafür hinstellen kann. Ob das nun einer dem andern nachsagt, ob es der einmal erlangte große Ruf thut, ob es bloß in der Einbildung liegt, ist mir ganz einerley; genug, man hat ein vollkommnes Ganze, was einen mächtigen Eindruck seit Jahrhunderten ausgeübt hat, und noch jedesmal ausübt, und davor hab’ ich Ehrfurcht, wie überhaupt vor jeder wirklichen Vollkommenheit. Die Sphäre zu beurtheilen möchte ich den Theologen überlassen, denn was man darüber so hinsagt, kann doch nicht tief gehen, mit der bloßen Ceremonie u. sw. ist es nicht abgethan; mir ist es genug, wie gesagt, daß in irgend einer Sphäre etwas mit Treue und Gewissenhaftigkeit nach Kräften vollkommen ausgeführt werde, um Respect davor zu haben und um mich daran zu freuen. – Deshalb also erwartet nicht von mir eine abgemessene Kritik über den Gesang, ob sie rein oder falsch intonirt haben, gesunken sind oder nicht, und ob die Compositionen schön sind – ich will lieber versuchen Euch zu erzählen, wie das Ganze einen großen Eindruck machen muß, wie da Alles dazu mitwirkt, und so wenig ich in der vorigen Woche Musik, Ceremonie, Formen, u. s. w. abgesondert habe, sondern Alles auf einmal genoß, eben so wenig will ich es in diesen Zeilen thun; das Technische auf das ich natürlich auch sehr aufmerksam gewesen bin, werde ich besonders an Zelter berichten. Am Palmsonntag ist die erste Ceremonie; der Zulauf von Menschen war so groß, daß ich nicht ganz ins Innre auf die sogenannte Prälatenbank, wo mein gewöhnlicher Sitz war, dringen konnte, sondern unter der Ehrengarde stehen bleiben mußte, wo ich die Feierlichkeit zwar gut sah, aber doch nicht dem Gesang recht folgen konnte, da sie die Worte undeutlich sprachen und ich den Tag noch kein Buch hatte. So kam es, daß nur diesen ersten Tag die verschiedenen Antiphonen, Evangelien- und Psalmmelodien, die Art des singenden Lesens, was nun dort in der Urgestalt alles vorkommt, den verwirrtesten sonderbarsten Eindruck machte, ich hatte keinen rechten Begriff nach welcher Regel die sonderbaren Ton- und Schlußfälle sich richteten, und diese Regel mir nun nach und nach herauszusuchen gab ich mir Mühe, und es gelang mir auch so gut, daß ich am Ende der heil. Woche hätte mitsingen können. Dadurch entging ich auch der Langeweile über die man sich allgemein während der unaufhörlichen Psalmen vor dem miserere beklagt: denn indem ich auf die Verschiedenheit in der Monotonie merkte, und einen Tonfall, den ich sicher hörte gleich aufschrieb, bekam ich nach und nach, wie es auch richtig war, 8 Psalmmelodien heraus, notirte mir die Antiphonen u. dgl. und war fortwährend beschäftigt und gespannt. Den ersten Sonntag aber, wie gesagt, konnte ich mich in Alles das nicht finden und weiß nur, daß sie auf dem Chor „Hosanna in exc. “ sangen und mehrere Hymnen intonirten, während dem Papste die schön geflochtnen Palmen gereicht wurden, die er an die Cardinäle vertheilte. Es sind lange, mit vielen Zierrathen, Knöpfen, Kreuzen und Kronen verzierte Stäbe, doch ganz von trocknen Palmblättern gemacht, und das giebt ihnen ein Ansehn als seyn sie von Gold. Die Cardinäle, die im Innern der Capelle im Viereck umhersitzen, mit den Abbaten zu ihren Füßen, kommen nun einzeln und erhalten ihren Palmenstab mit dem sie zu ihrem Platz zurückkehren, dann kommen die Bischöfe, Mönche, Äbte, alle sonstigen Geistlichen, die päpstl. Sänger, die Ehrencavaliere und was sonst dazu gehört, und erhalten einen Oelzweig mit Palmenblättern gebunden. Das giebt eine lange Prozession, während deren der Chor immerfort singt, die Abbaten halten die langen Palmen ihrer Cardinäle, wie die Lanzen von Schildwachen, und strecken sie dann alle auf die Erde vor sich hin, und es ist in dem Augenblick eine Farbenpracht in der Capelle, wie ich sie nie bey einer Ceremonie gesehn habe. Die Cardinäle in den goldgewirkten Gewändern mit den rothen Käppchen, vor ihnen die violetten Abbaten mit den goldnen Palmen in der Hand, weiterhin die bunten Diener des Papstes, die griechischen Priester, die Patriarchen in schönster Pracht, die Capuziner mit langen weißen Bärten, alle die andern Mönche, dann wieder die Schweizer mit ihren Papageyuniformen, alle mit grünen Oelzweigen in den Händen und dazu Gesang – wahrlich man hört kaum heraus, was sie singen und freut sich nur des Klanges. Dem Papste wird dann sein Thronsessel gebracht, auf dem er bei allen Prozessionen getragen wird, und auf dem ich am Tage meiner Ankunft in Rom Pius VIII hatte thronen sehen, (vide Heliodor von Raphael, wo er abgebildet) Die Cardinäle zwei um zwei mit ihren Palmen beginnen den Zug, die Flügelthüren der Capelle werden geöffnet, und so geht es langsam hinaus, der Gesang der einen bisher immerfort wie ein Element umgiebt, wird nach und nach schwächer, denn die Sänger gehn mit, und endlich hört man ihn in der Ferne von draußen her nur noch ganz leise. Dann frägt auf einmal ein Chor in der Capelle sehr stark, und der aus großer Ferne antwortet, und so geht es ein Weilchen bis die Prozession wieder näher kommt und die Chöre sich wieder vereinigen. Auch hier mögen sie singen was und wie sie wollen, so macht es eine herrliche Wirkung; und wenn es auch wahr ist, daß es sehr einförmige ja sogar unförmliche Hymnen sind, all’ unisono ohne rechten Zusammenhang und ganz fortissimo durch, so berufe ich mich auf den Eindruck, und den muß es auf jeden machen. Nach der Prozession kam das Evangelium im sonderbarsten Ton vorgetragen, (cf. Zelters Brief) und dann die Messe. Da muß ich denn auch meines Lieblingsmoments erwähnen, nämlich das Credo. Der Priester stellt sich zum erstenmale mitten vor den Altar und intonirt nach einer kleinen Pause mit seiner heisern, alten Stimme das Seb. Bachsche Credo; so wie er fertig ist, stehn alle Geistlichen auf, die Cardinäle verlassen ihre Sitze und treten in die Mitte der Capelle, bilden einen Kreis und alle sprechen ganz laut die Fortsetzung: patrem omnipotentem etc., zugleich fällt der Chor ein, und singt dieselben Worte. Als ich das erstemal mein wohlbekanntes hörte, und alle die ernsten Mönche um mich her so eifrig und laut zu sprechen anfingen, erschrak ich ordentlich, und es ist noch immer mein Lieblingsmoment. Nach der Ceremonie schenkte mir Santini seinen Oelzweig, mit dem in der Hand ich dann den ganzen Tag spazieren ging, denn schön Wetter war’s. Das Stabat mater, welches sie nach dem Credo einlegten, machte am wenigsten Eindruck, sie sangen es unsicher, falsch, kürzten es ab, die Sing-Akademie singt es ungleich besser. Montag und Dinstag ist nichts, und Mittwoch um 1 2 5 fingen die Nocturnen an. Die Psalmen werden Vers um Vers von 2 Chören gesungen, doch nur immer von einer Art Stimmen Bässe oder Tenören. So hört man anderthalb Stunden lang die eintönigste Musik; nur einmal werden die Psalmen durch die Lamentationen unterbrochen, und das ist das erstemal seit langer Zeit, daß man wieder einen vollkommnen Akkord hört, dieser Akkord wird sehr sanft eingesetzt und überhaupt das ganze Stück pp. gesungen, während die Psalmen so stark als möglich geschrien werden müssen, und zwar immer nur auf einen Ton, auf den die Worte in großer Schnelligkeit abgesprochen werden und dem am Ende jedes Verses ein Schlußfall angesetzt ist, welcher das Unterscheidungszeichen der verschiednen Melodien ausmacht; da ist es wieder kein Wunder wenn der bloße sanfte Klang (g dur) der ersten Lamentazion einen weich stimmt. Es geht nun wieder eintönig fort, bei jedem Psalmverse wird eine Kerze ausgelöscht, so daß nach anderthalb Stunden die 15 um den Altar brennenden aus sind, es bleiben noch 6 große, die ganz hoch über dem Eingang brennen, der ganze Chor mit Alten, Sopranen etc. intonirt fortiss. und unisono eine neue Psalmmelodie, den Canticum Zachariae in dmoll, singen ihn sehr langsam und feyerlich in die tiefe Dämmerung hinein, die letzten Kerzen gehn dann aus, der Papst verläßt seinen Thron und wirft sich vor dem Altar auf die Knie, alle mit ihm, sie sagen ein sogenanntes paternoster sub silentio d. h. es entsteht eine Pause, während derer man weiß, daß jeder Katholik das Vaterunser betet und sogleich nachher fängt das miserere an, pianissimo so: das ist für mich eigentlich der schönste Moment des Ganzen, was nachher folgt könnt Ihr Euch leicht denken, diesen Anfang aber nicht wohl. Die Folge des miserere von Allegri ist eine einfache Akkordfolge, auf die entweder Tradition oder was mir wahrscheinlicher scheint ein geschickter maestro Verzierungen für einige schöne Stimmen, und namentlich für einen sehr hohen Sopran, den er hatte, gegründet hat. Diese Verzierungen kehren bei denselben Akkorden in gleicher Weise wieder, und da sie gut ausgedacht und sehr schön für die Stimmen gelegt sind, so freut man sich immer sie wieder zu hören: Das Unbegreifliche, Überirdische habe ich nicht finden können, es ist mir auch ganz genug, wenn es begreiflich und irdisch schön ist. Dich, liebste Fanny, verweise ich hier wieder auf Zelters Brief. Sie sangen den ersten Tag das miserere von Baini. Donnerstag früh um 9 fing die Function wieder an und dauerte bis 1. Es war große Messe, dann Prozession, der Papst gab den Segen aus der loggia des Quirinals, wusch dann 12 Priestern die Füße, welche die Pilger vorstellen sollen, und in weißen Kleidern mit weißen Mützen in einer Reihe sitzen, und sich vom Papst ihre Füße küssen und waschen lassen müssen, das Gedränge von Engländerinnen war ungeheuer, mir misfiel das Ganze; die Pilger wurden dann gespeis’t; Nachmittags fingen die Psalmen wieder an, und es dauerte diesmal bis 1 2 8, einige Stücke des mis. waren von Bai, die meisten von Allegri, es war schon ganz dunkel in der Capelle, als das mis. anfing; und ich kletterte auf eine große Leiter, die zufällig da stand, und hatte nun die ganze Capelle voll Menschen und den knieenden Papst mit seinen Cardinälen und die Musik unter mir; das machte sich prächtig. Am Freitag Vormittag war die Capelle von allem Schmuck entblößt, Papst und Cardinäle in Trauer, es wird die Leidensgeschichte nach dem Ev. Joh. von Vittoria componirt gesungen, dann kommen die Improperien von Palestrina, während deren der Papst und alle andern mit abgezognen Schuhen zum Kreuz gehen und es anbeten, Abends war das mis. von Bai, welches sie am besten sangen; Sonnabend früh im Lateran wurden Heiden, Juden und Muhamedaner, alle von einem kleinen Kinde repräsentirt, welches quäkte, im Battisterium des Laterans getauft und dann jungen Priestern die erste Weihe gegeben. Sonntag sang der Papst selbst die Messe im Quirinal, gab dann die Benediction ans Volk, und so war es aus. Und so ist es Sonnabend d. 9te April geworden und morgen mit dem frühsten sitze ich im Wagen und fahre nach Neapel, da geht wieder eine neue Schönheit für mich auf. Ihr werdet es dem Ende des Briefes ansehen, daß ich eilig geworden bin; es ist der letzte Tag, und so manches noch zu besorgen; ich mache deshalb den Zelterschen Brief nicht fertig, sondern schicke ihn erst aus Neapel, die Beschreibung soll vernünftig sein, und die Abreise macht gar so zerstreut. Dir, lieber Vater, muß ich melden, daß ich nun mit Valentini meine Rechnung abgeschlossen habe, da er wegen der einzelnen Posten, die ich von ihm nahm, nicht nach Deutschland schreiben wollte, sondern sich Alles nur notirte. Ich habe von ihm seit meiner Ankunft im Novemb. mit dem Reisegeld für Neapel (incl. ) jetzt 321 scudi 8 baj. erhoben; einen Creditbrief für Neapel wollte er mir nicht geben, weil die Commission wieder mehr koste, und rieth mir im Falle ich nicht auskäme, mir einen Wechsel von ihm kommen zu lassen, wie ich auch thun werde, wenn ich mehr brauche. Es sind nun noch in diesen letzten Tagen so manche Ausgaben gekommen, so daß ich noch zu den monatl. 50 scudi zunehmen mußte; ich glaube nicht, daß ich zuviel hier ausgegeben habe, es thut mir nur leid, daß ich in meinem ersten Briefe so renommirte und gar nichts brauchen wollte; doch wirst Du mir das wohl verzeihen, lieber Vater, ich wußte eben nicht, was das Leben hier kostet, und da ich jetzt meine Rechnungen für dies verfloßne Jahr mache, so freue ich mich doch zu sehen daß ich wenigstens 100 rt weniger gebraucht haben werde, als Du mir ausgesetzt. Im nächsten Monat schicke ich Dir die Liste meiner Ausgaben dieses Jahrs, und da ich im Anfang etwas toll wirthschaftete und sehr schnell und viel Extra reis’te, so hoffe ich im nächsten, wo das nicht der Fall sein soll, noch weniger zu brauchen. Dir, liebe Mutter, melde ich daß mein Bild von Horace Vernet fertig ist, es wird Euch, glaub’ ich, nicht sehr gefallen, und Hensels ist wohl viel besser; indeß kann ich mir doch einen Vernet in meine Stube hängen, und das Bild wird immer eine meiner angenehmsten Erinnerungen sein. Die Leute sollen leben. Als ich neulich gegen Horace eine Partie Schach verlor, schoß er vor Freuden Kobold. Heut Abend bin ich noch bei ihnen. Euch, liebe Geren, grüße ich nun und sage Euch aus Rom Lebewohl. Hensel wird Euch nicht mehr alles verdollmetschen können, und beschreiben und ergänzen. Und somit nach Neapel; das Wetter klärt sich auf, die Sonne scheint wieder seit einigen Tagen zum erstenmale, da ist der Paß, der Wagen bestellt, und so sehe ich nun den Frühlingsmonaten entgegen. Lebt Ihr wohl F
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Wie heiter und erquicklich der Winter nun war, so hat er mit einer unvergeßlichen Woche geschlossen, denn was ich gesehn und gehört habe hat meine Erwartungen weit übertroffen, und weil es denn das Ende war, so will ich versuchen in meinem letzten Brief aus Rom Euch eine Beschreibung davon zu geben. – Die Leute haben viel gelobt und getadelt über die Ceremonien der heil. Woche und haben, wie es wohl oft geht, immer die Hauptsache zu sagen vergessen, nämlich, daß es ein Ganzes ist. Das ist auch das Einzige, weshalb ich davon erzählen will; sonstige Beschreibungen möchten <persName xml:id="persName_dd07dfee-ba91-4775-ad8f-d8f8f0431986">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> wieder an <persName xml:id="persName_c5a34d15-756d-4d83-9114-99d40ff2c4cf">Mde. de Rumford<name key="PSN0115315" style="hidden">Thompson, Marie Anne Pierrette Comtesse de Rumford (1758-1836)</name></persName> erinnern, die am Ende nur dasselbe that was die meisten thun, die über Musik und Kunst schreiben, indem sie mit einer heisern, prosaischen Stimme bei Tische uns einen Begriff von dem klaren schönen <placeName xml:id="placeName_e2905ca4-deee-47ca-9f83-4fe0806ebcd4">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> in der <placeName xml:id="placeName_a499f33e-648c-4509-b001-1441456cdbe5">päpstlichen Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> machen wollte. Viele andre haben wieder die bloße Musik abgesondert und sind dann darüber hergefallen, weil sie der Äußerlichkeit bedürfe, um zu wirken; die mögen Recht haben; so lange aber diese nothwendige Äußerlichkeit da ist und zwar in ihrer ganzen Vollkommenheit, so lange wirkt sie doch eben, und so gewiß ich überzeugt bin daß Ort, Zeit, Anordnung, die große Menschenmenge die in größter Stille den Augenblick des Anfangs erwarten, das ihrige zum Eindruck beitragen, so verhaßt ist es mir doch, das, was einmal zusammengehört absichtlich zu sondern, um einen Theil zu erhalten, den man geringschätzen könne. Es müßte ein unglücklicher Mensch sein, auf den die Andacht und Ehrfurcht einer großen Versammlung nicht auch einen andächtigen, ehrfürchtigen Eindruck machte, und wenn sie auch das goldne Kalb anbeteten; denn nur der darfs zerschlagen, der was besseres dafür hinstellen kann. Ob das nun einer dem andern nachsagt, ob es der einmal erlangte große Ruf thut, ob es bloß in der Einbildung liegt, ist mir ganz einerley; genug, man hat ein vollkommnes Ganze, was einen mächtigen Eindruck seit Jahrhunderten ausgeübt hat, und noch jedesmal ausübt, und davor hab’ ich Ehrfurcht, wie überhaupt vor jeder wirklichen Vollkommenheit. Die Sphäre zu beurtheilen möchte ich den Theologen überlassen, denn was man darüber so hinsagt, kann doch nicht tief gehen, mit der bloßen Ceremonie u.sw. ist es nicht abgethan; mir ist es genug, wie gesagt, daß in irgend einer Sphäre etwas mit Treue und Gewissenhaftigkeit nach Kräften vollkommen ausgeführt werde, um Respect davor zu haben und um mich daran zu freuen. – Deshalb also erwartet nicht von mir eine abgemessene Kritik über den Gesang, ob sie rein oder falsch intonirt haben, gesunken sind oder nicht, und ob die Compositionen schön sind – ich will lieber versuchen Euch zu erzählen, wie das Ganze einen großen Eindruck machen muß, wie da Alles dazu mitwirkt, und so wenig ich in der vorigen Woche Musik, Ceremonie, Formen, u. s. w. abgesondert habe, sondern Alles auf einmal genoß, eben so wenig will ich es in diesen Zeilen thun; das Technische auf das ich natürlich auch sehr aufmerksam gewesen bin, werde ich besonders an <persName xml:id="persName_bf000a2a-af88-41e4-a003-4d5880d49f8a">Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> berichten.</p><p>Am Palmsonntag ist die erste Ceremonie; der Zulauf von Menschen war so groß, daß ich nicht ganz ins Innre auf die sogenannte Prälatenbank, wo mein gewöhnlicher Sitz war, dringen konnte, sondern unter der Ehrengarde stehen bleiben mußte, wo ich die Feierlichkeit zwar gut sah, aber doch nicht dem Gesang recht folgen konnte, da sie die Worte undeutlich sprachen und ich den Tag noch kein Buch hatte. So kam es, daß nur diesen ersten Tag die verschiedenen Antiphonen, Evangelien- und Psalmmelodien, die Art des singenden Lesens, was nun dort in der Urgestalt alles vorkommt, den verwirrtesten sonderbarsten Eindruck machte, ich hatte keinen rechten Begriff nach welcher Regel die sonderbaren Ton- und Schlußfälle sich richteten, und diese Regel mir nun nach und nach herauszusuchen gab ich mir Mühe, und es gelang mir auch so gut, daß ich am Ende der heil. Woche hätte mitsingen können. Dadurch entging ich auch der Langeweile über die man sich allgemein während der unaufhörlichen Psalmen vor dem miserere beklagt: denn indem ich auf die Verschiedenheit in der Monotonie merkte, und einen Tonfall, den ich sicher hörte gleich aufschrieb, bekam ich nach und nach, wie es auch richtig war, 8 Psalmmelodien heraus, notirte mir die Antiphonen u. dgl. und war fortwährend beschäftigt und gespannt. Den ersten Sonntag aber, wie gesagt, konnte ich mich in Alles das nicht finden und weiß nur, daß sie auf dem Chor „Hosanna in exc.“ sangen und mehrere Hymnen intonirten, während dem <persName xml:id="persName_b5d74f05-1e41-42bf-9ce9-554f6ec07c3a">Papste<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> die schön geflochtnen Palmen gereicht wurden, die er an die Cardinäle vertheilte. Es sind lange, mit vielen Zierrathen, Knöpfen, Kreuzen und Kronen verzierte Stäbe, doch ganz von trocknen Palmblättern gemacht, und das giebt ihnen ein Ansehn als seyn sie von Gold. Die Cardinäle, die im Innern der <placeName xml:id="placeName_d5d30b68-f8d2-42fb-9808-4aef19ecef96">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> im Viereck umhersitzen, mit den Abbaten zu ihren Füßen, kommen nun einzeln und erhalten ihren Palmenstab mit dem sie zu ihrem Platz zurückkehren, dann kommen die Bischöfe, Mönche, Äbte, alle sonstigen Geistlichen, die <placeName xml:id="placeName_2822dc46-9124-41cc-a94c-9f9c1c43d315">päpstl. Sänger<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, die Ehrencavaliere und was sonst dazu gehört, und erhalten einen Oelzweig mit Palmenblättern gebunden. Das giebt eine lange Prozession, während deren der <placeName xml:id="placeName_598eaf66-f023-493d-8705-32d7595e4116">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> immerfort singt, die Abbaten halten die langen Palmen ihrer Cardinäle, wie die Lanzen von Schildwachen, und strecken sie dann alle auf die Erde vor sich hin, und es ist in dem Augenblick eine Farbenpracht in der <placeName xml:id="placeName_da45d4e8-073d-476f-8e08-4873d348c7f0">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, wie ich sie nie bey einer Ceremonie gesehn habe. Die Cardinäle in den goldgewirkten Gewändern mit den rothen Käppchen, vor ihnen die violetten Abbaten mit den goldnen Palmen in der Hand, weiterhin die bunten Diener des <persName xml:id="persName_6b100522-1bc3-4d70-a1b0-c93c749ee838">Papstes<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName>, die griechischen Priester, die Patriarchen in schönster Pracht, die Capuziner mit langen weißen Bärten, alle die andern Mönche, dann wieder die Schweizer mit ihren Papageyuniformen, alle mit grünen Oelzweigen in den Händen und dazu Gesang – wahrlich man hört kaum heraus, <hi rend="underline">was</hi> sie singen und freut sich nur des Klanges. Dem <persName xml:id="persName_1971fe02-7fd8-4aaa-a900-b4f4728765d6">Papste<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> wird dann sein Thronsessel gebracht, auf dem er bei allen Prozessionen getragen wird, und auf dem ich am Tage meiner Ankunft in Rom <persName xml:id="persName_d94c070b-1b98-4c80-8ea6-1fbdf27f63b7">Pius VIII<name key="PSN0113892" style="hidden">Pius VIII. (eigtl. Francesco Saverio Graf Castiglioni) (1761-1830)</name></persName> hatte thronen sehen, (<title xml:id="title_ffd9293d-d808-49b3-8510-f959d8869dcc">vide Heliodor von Raphael<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110407" style="hidden" type="art">Die Vertreibung des Heliodor</name></title>, wo er abgebildet) Die Cardinäle zwei um zwei mit ihren Palmen beginnen den Zug, die Flügelthüren der <placeName xml:id="placeName_a9057d3f-50a0-488b-b1e3-23f63b6790cd">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> werden geöffnet, und so geht es langsam hinaus, der Gesang der einen bisher immerfort wie ein Element umgiebt, wird nach und nach schwächer, denn die <placeName xml:id="placeName_f31ca549-7489-461c-bd34-916de5f4913d">Sänger<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> gehn mit, und endlich hört man ihn in der Ferne von draußen her nur noch ganz leise. Dann frägt auf einmal ein Chor in der <placeName xml:id="placeName_641ef11b-8add-4aff-8d2c-c09b9dfe3c81">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> sehr stark, und der aus großer Ferne antwortet, und so geht es ein Weilchen bis die Prozession wieder näher kommt und die Chöre sich wieder vereinigen. Auch hier mögen sie singen <hi rend="underline">was</hi> und <hi rend="underline">wie</hi> sie wollen, so macht es eine herrliche Wirkung; und wenn es auch wahr ist, daß es sehr einförmige ja sogar unförmliche Hymnen sind, all’ unisono ohne rechten Zusammenhang und ganz fortissimo durch, so berufe ich mich auf den Eindruck, und den muß es auf jeden machen. Nach der Prozession kam das Evangelium im sonderbarsten Ton vorgetragen, (cf. <persName xml:id="persName_442d1610-b61b-4dcc-b3bd-e48f4a27946c">Zelters<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> Brief) und dann die Messe. Da muß ich denn auch meines Lieblingsmoments erwähnen, nämlich das Credo. Der Priester stellt sich zum erstenmale mitten vor den Altar und intonirt nach einer kleinen Pause mit seiner heisern, alten Stimme das <title xml:id="title_d38c75b6-abd1-476e-bca8-9c0c08f364db">Seb. Bachsche Credo<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107802" style="hidden" type="music">Messe h-Moll, BWV 232</name></title>; so wie er fertig ist, stehn alle Geistlichen auf, die Cardinäle verlassen ihre Sitze und treten in die Mitte der <placeName xml:id="placeName_669ff214-e500-444c-b5dd-f85696d60b4a">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, bilden einen Kreis und alle sprechen ganz laut die Fortsetzung: patrem omnipotentem etc., zugleich fällt der <placeName xml:id="placeName_8d340589-e8d5-4d18-8e0c-c6deae242d25">Chor<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> ein, und singt dieselben Worte. Als ich das erstemal mein wohlbekanntes <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_9ac28708-3eb3-f2c77-cbf2f-29416bc8829b" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> hörte, und alle die ernsten Mönche um mich her so eifrig und laut zu sprechen anfingen, erschrak ich ordentlich, und es ist noch immer mein Lieblingsmoment. Nach der Ceremonie schenkte mir <persName xml:id="persName_784b5173-ac76-4ef6-abab-7779eb06c9d2">Santini<name key="PSN0114459" style="hidden">Santini, Fortunato (1778-1861)</name></persName> seinen Oelzweig, mit dem in der Hand ich dann den ganzen Tag spazieren ging, denn schön Wetter war’s. Das <title xml:id="title_4dcc2e3d-652f-4c5f-a995-3f72178da07b">Stabat mater<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110284" style="hidden" type="music">Stabat mater</name></title>, welches sie nach dem Credo einlegten, machte am wenigsten Eindruck, <placeName xml:id="placeName_528bcee1-4e4b-455b-ac40-f08996e2dfce">sie sangen<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> es unsicher, falsch, kürzten es ab, die <placeName xml:id="placeName_a2dafab9-2319-4228-bec9-61a9664d8983">Sing-Akademie<name key="NST0100203" style="hidden" subtype="" type="institution">Sing-Akademie</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> singt es ungleich besser. Montag und Dinstag ist nichts, und Mittwoch um <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> 5 fingen die Nocturnen an. Die Psalmen werden Vers um Vers von 2 Chören gesungen, doch nur immer von einer Art Stimmen Bässe oder Tenören. So hört man anderthalb Stunden lang die eintönigste Musik; nur einmal werden die Psalmen durch die <title xml:id="title_9caea12b-5f02-4f0f-b1de-6c8da1fff70d">Lamentationen<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110275" style="hidden" type="music">Lamentationes Jeremiae Prophetae</name></title> unterbrochen, und das ist das erstemal seit langer Zeit, daß man wieder einen vollkommnen Akkord hört, dieser Akkord wird sehr sanft eingesetzt und überhaupt das ganze Stück pp. gesungen, während die Psalmen so stark als möglich geschrien werden müssen, und zwar immer nur auf einen Ton, auf den die Worte in großer Schnelligkeit abgesprochen werden und dem am Ende jedes Verses ein Schlußfall angesetzt ist, welcher das Unterscheidungszeichen der verschiednen Melodien ausmacht; da ist es wieder kein Wunder wenn <title xml:id="title_18cf5748-3299-4852-a8cc-4a410c961896">der bloße sanfte Klang (g dur) der ersten Lamentazion<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110275" style="hidden" type="music">Lamentationes Jeremiae Prophetae</name></title> einen weich stimmt. Es geht nun wieder eintönig fort, bei jedem Psalmverse wird eine Kerze ausgelöscht, so daß nach anderthalb Stunden die 15 um den Altar brennenden aus sind, es bleiben noch 6 große, die ganz hoch über dem Eingang brennen, der ganze Chor mit Alten, Sopranen etc. intonirt fortiss. und unisono eine neue Psalmmelodie, den Canticum Zachariae in dmoll, singen ihn sehr langsam und feyerlich in die tiefe Dämmerung hinein, die letzten Kerzen gehn dann aus, der <persName xml:id="persName_2688b92f-051a-42f7-a80a-c61f8e1f1ebc">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> verläßt seinen Thron und wirft sich vor dem Altar auf die Knie, alle mit ihm, sie sagen ein sogenanntes paternoster sub silentio d. h. es entsteht eine Pause, während derer man weiß, daß jeder Katholik das Vaterunser betet und sogleich nachher fängt das <title xml:id="title_4cf66777-5e9f-459b-bfe0-adcf64ef9374">miserere<name key="PSN0109439" style="hidden" type="author">Allegri, Gregorio (1582-1652)</name><name key="CRT0107632" style="hidden" type="music">Miserere mei Deus g-Moll</name></title> an, pianissimo so: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_7bef6935-e461-0b729-5ffe7-e8170cec7b68" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> das ist für mich eigentlich der schönste Moment des Ganzen, was nachher folgt könnt Ihr Euch leicht denken, diesen Anfang aber nicht wohl. Die <title xml:id="title_696ee497-627a-4f0b-b47e-37370e7a2a6e">Folge des miserere von Allegri<name key="PSN0109439" style="hidden" type="author">Allegri, Gregorio (1582-1652)</name><name key="CRT0107632" style="hidden" type="music">Miserere mei Deus g-Moll</name></title> ist eine einfache Akkordfolge, auf die entweder Tradition oder was mir wahrscheinlicher scheint ein geschickter maestro Verzierungen für einige schöne Stimmen, und namentlich für einen sehr hohen Sopran, den er hatte, gegründet hat. Diese Verzierungen kehren bei denselben Akkorden in gleicher Weise wieder, und da sie gut ausgedacht und sehr schön für die Stimmen gelegt sind, so freut man sich immer sie wieder zu hören: Das Unbegreifliche, Überirdische habe ich nicht finden können, es ist mir auch ganz genug, wenn es begreiflich und irdisch schön ist. Dich, liebste <persName xml:id="persName_2b501f2c-1499-46be-bb26-1a2a8f24d45f">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName>, verweise ich hier wieder auf <persName xml:id="persName_484018a5-91ae-4220-be63-d4cd0349e523">Zelters<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> Brief. Sie sangen den ersten Tag das <title xml:id="title_7bf042ad-0f39-46de-bfd5-4de1a5e23f54">miserere von Baini<name key="PSN0109643" style="hidden" type="author">Baini, Giuseppe Giacobbe Baldassar(r)e (1775-1844)</name><name key="CRT0107933" style="hidden" type="music">Miserere</name></title>. Donnerstag früh um 9 fing die Function wieder an und dauerte bis 1. Es war große Messe, dann Prozession, der <persName xml:id="persName_0936716d-29e6-4f1b-8deb-5b480de228ef">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> gab den Segen aus der loggia des <placeName xml:id="placeName_4aec7137-6c4f-4093-9adc-d90d0ce542c0">Quirinals<name key="SGH0100254" style="hidden" subtype="" type="sight">Palazzo Quirinale</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, wusch dann 12 Priestern die Füße, welche die Pilger vorstellen sollen, und in weißen Kleidern mit weißen Mützen in einer Reihe sitzen, und sich vom <persName xml:id="persName_de641282-05d0-4571-a1a3-be421198070e">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> ihre Füße küssen und waschen lassen müssen, das Gedränge von Engländerinnen war ungeheuer, mir misfiel das Ganze; die Pilger wurden dann gespeis’t; Nachmittags fingen die Psalmen wieder an, und es dauerte diesmal bis <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> 8, <title xml:id="title_768f5bb0-d7f5-435a-b509-be61f08f2b1d">einige Stücke des mis. waren von Bai<name key="PSN0109644" style="hidden" type="author">Baj, Tommaso (?-1714)</name><name key="CRT0107934" style="hidden" type="music">Miserere</name></title>, <title xml:id="title_33c86e86-54a8-4c5e-86d3-566accc605bb">die meisten von Allegri<name key="PSN0109439" style="hidden" type="author">Allegri, Gregorio (1582-1652)</name><name key="CRT0107632" style="hidden" type="music">Miserere mei Deus g-Moll</name></title>, es war schon ganz dunkel in der <placeName xml:id="placeName_5364b8fd-1bc2-421c-b111-6c36a4bfeff6">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, als das mis. anfing; und ich kletterte auf eine große Leiter, die zufällig da stand, und hatte nun die ganze <placeName xml:id="placeName_558c4671-56f5-42da-ab9d-bdd75ea6487c">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> voll Menschen und den knieenden Papst mit seinen Cardinälen und die Musik unter mir; das machte sich prächtig. Am Freitag Vormittag war die <placeName xml:id="placeName_698b4802-bcf9-45cf-88b7-84e907ecd036">Capelle<name key="SGH0100582" style="hidden" subtype="" type="sight">Cappella Sistina (Sixtinische Kapelle)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="locality">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> von allem Schmuck entblößt, <persName xml:id="persName_f9359666-e15e-4da8-bfe0-f9d646c10b52">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> und Cardinäle in Trauer, es wird die <title xml:id="title_c4ee4785-79ba-4415-9fc1-d25f50987a7b">Leidensgeschichte nach dem Ev. Joh. von Vittoria<name key="PSN0115513" style="hidden" type="author">Victoria, Tomás Luis de (?-1611)</name><name key="CRT0111200" style="hidden" type="music">Johannes-Passion</name></title> componirt gesungen, dann kommen die <title xml:id="title_64a36be3-964e-4408-802e-2ceeafabd9f5">Improperien von Palestrina<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110283" style="hidden" type="music">Popule meus</name></title>, während deren der <persName xml:id="persName_a67a4e5b-ebe2-4a43-aa6e-977fc310cc9e">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> und alle andern mit abgezognen Schuhen zum Kreuz gehen und es anbeten, Abends war das mis. von Bai, welches sie am besten sangen; Sonnabend früh im <placeName xml:id="placeName_45dd966f-6a20-4fcb-b667-63f70dc678d1">Lateran<name key="SGH0100259" style="hidden" subtype="" type="sight">Lateran</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> wurden Heiden, Juden und Muhamedaner, alle von einem kleinen Kinde repräsentirt, welches quäkte, im Battisterium des <placeName xml:id="placeName_05b1e745-77bd-4535-a7fe-f0defa931189">Laterans<name key="SGH0100259" style="hidden" subtype="" type="sight">Lateran</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> getauft und dann jungen Priestern die erste Weihe gegeben. Sonntag sang der <persName xml:id="persName_065b9f8a-abdd-4a0d-a85c-588512f2f8f5">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> selbst die Messe im <placeName xml:id="placeName_b8efbfff-5ac8-4f7c-b0d0-6e57c7961f67">Quirinal<name key="SGH0100254" style="hidden" subtype="" type="sight">Palazzo Quirinale</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, gab dann die Benediction ans Volk, und so war es aus. Und so ist es Sonnabend d. 9<hi rend="superscript">te</hi> April geworden und morgen mit dem frühsten sitze ich im Wagen und fahre nach Neapel, da geht wieder eine neue Schönheit für mich auf. Ihr werdet es dem Ende des Briefes ansehen, daß ich eilig geworden bin; es ist der letzte Tag, und so manches noch zu besorgen; ich mache deshalb den <persName xml:id="persName_c0e53aec-6cae-4887-9de3-2be5d726b391">Zelterschen<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> Brief nicht fertig, sondern schicke ihn erst aus Neapel, die Beschreibung soll vernünftig sein, und die Abreise macht gar so zerstreut. Dir, lieber <persName xml:id="persName_d4b1c02f-d4ce-4c8c-a084-25b785b56b7e">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName>, muß ich melden, daß ich nun mit <persName xml:id="persName_3e412252-72c2-4041-ba57-43a1a174e3d7">Valentini<name key="PSN0115441" style="hidden">Valentini, Vincenzo (1751-1842)</name></persName> meine Rechnung abgeschlossen habe, da er wegen der einzelnen Posten, die ich von ihm nahm, nicht nach Deutschland schreiben wollte, sondern sich Alles nur notirte. Ich habe von ihm seit meiner Ankunft im Novemb. mit dem Reisegeld für Neapel (incl.) jetzt 321 scudi 8 baj. erhoben; einen Creditbrief für Neapel wollte er mir nicht geben, weil die Commission wieder mehr koste, und rieth mir im Falle ich nicht auskäme, mir einen Wechsel von ihm kommen zu lassen, wie ich auch thun werde, wenn ich mehr brauche. Es sind nun noch in diesen letzten Tagen so manche Ausgaben gekommen, so daß ich noch zu den monatl. 50 scudi zunehmen mußte; ich glaube nicht, daß ich zuviel hier ausgegeben habe, es thut mir nur leid, daß ich in meinem ersten Briefe so renommirte und gar nichts brauchen wollte; doch wirst Du mir das wohl verzeihen, lieber Vater, ich wußte eben nicht, was das Leben hier kostet, und da ich jetzt meine Rechnungen für dies verfloßne Jahr mache, so freue ich mich doch zu sehen daß ich wenigstens 100 rt weniger gebraucht haben werde, als Du mir ausgesetzt. Im nächsten Monat schicke ich Dir die Liste meiner Ausgaben dieses Jahrs, und da ich im Anfang etwas toll wirthschaftete und sehr schnell und viel Extra reis’te, so hoffe ich im nächsten, wo das nicht der Fall sein soll, noch weniger zu brauchen. Dir, liebe <persName xml:id="persName_a44a45f6-ae25-42fb-ad7a-22ef60478e6d">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, melde ich daß <title xml:id="title_b8352889-76e9-4a4a-9de8-ca1e95ae7dde">mein Bild<name key="PSN0115495" style="hidden" type="author">Vernet, Emile Jean Horace (1789-1863)</name><name key="CRT0111186" style="hidden" type="art">Felix Mendelssohn Bartholdy (Ölgemälde 1831)</name></title> von Horace Vernet fertig ist, es wird Euch, glaub’ ich, nicht sehr gefallen, und <title xml:id="title_e287a9f4-32f7-46d6-a70b-432dd1d09e5e">Hensels<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name><name key="CRT0109171" style="hidden" type="art">Felix Mendelssohn Bartholdy (Ölgemälde 1829, verschollen)</name></title> ist wohl viel besser; indeß kann ich mir doch einen Vernet in meine Stube hängen, und das Bild wird immer eine meiner angenehmsten Erinnerungen sein. Die Leute sollen leben. Als ich neulich gegen Horace eine Partie Schach verlor, schoß er vor Freuden Kobold. Heut Abend bin ich noch bei ihnen. Euch, liebe <persName xml:id="persName_42762ee7-2142-4227-b0e4-5cf91ececc78">Geren<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName>, grüße ich nun und sage Euch aus Rom Lebewohl. <persName xml:id="persName_9d5ac8f8-de35-4a4c-975b-55a7935dc84d">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> wird Euch nicht mehr alles verdollmetschen können, und beschreiben und ergänzen. Und somit nach Neapel; das Wetter klärt sich auf, die Sonne scheint wieder seit einigen Tagen zum erstenmale, da ist der Paß, der Wagen bestellt, und so sehe ich nun den Frühlingsmonaten entgegen. <seg type="closer" xml:id="seg_5856f77f-87b7-4803-9aa8-7f547452d9ae">Lebt Ihr wohl</seg></p><signed rend="right">F</signed></div></body> </text></TEI>