fmb-1831-03-29-01
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Rom, 29. März 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
3 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Mitten in der heiligen Woche. Morgen höre ich zum erstenmale das
tenerhalten habe, in dem Du, liebe
tenApril bis 15
tenMay ist die schönste Jahreszeit in Italien – wer kann es mir da verdenken, daß ich nicht in die Schottische Nebelstimmung mich zurückversetzen kann? Ich habe
wollen, da bin ich aber gar nicht Deiner Meinung: ich glaube, er will sich verheirathen, und ist eigentlich schlimmer, wie die andern, weil er affectirter ist, ich mag diesen nach außen gekehrten Enthusiasmus, diese den Damen präsentirte Verzweiflung, und die Genialität in Fractur schwarz auf weiß ein für allemal nicht ausstehen, und wenn er nicht ein Franzose wäre, mit denen es sich immer angenehm leben läßt und die immer was zu sagen und zu interessiren wissen, so wäre es nicht zum Aushalten. – Heut über 8 Tage also schreibe ich wahrscheinlich den letzten Brief aus Rom und dann aus Neapel; ob ich nach Sicilien gehe, ist noch sehr ungewiß, und ich zweifle sehr daran, da ich auf keinen Fall anders als mit dem Dampfboot reisen würde, und da es noch nicht einmal bestimmt ist, ob das abgeht. Der Brief ist matt, aber ich möchte hinaus, weil das Wetter gar zu schön ist, und muß auch nach
Rom d. 29 März 1831Mitten in der heiligen Woche. Morgen höre ich zum erstenmale das miserere, und während Ihr Sonntag die Passion aufführtet, bekamen hier die Cardinäle und alle Geistlichen schöne geflochtene Palmen und Oelzweige, das stabat mater von Palestrina wurde gesungen, es gab eine große Prozession u. s. w. Ich kann das Alles besser und ruhiger genießen, da ich den Brief vom 10ten erhalten habe, in dem Du, liebe Mutter, mir ankündigst, daß Vater mich wahrscheinlich nicht aus Italien wegrufen werde, da mein Brief Euch über den Gedanken daß ich mich in die Politik hier mischen könne, beruhigt zu haben scheint; dennoch werde ich meine Reise ganz so einrichten, wie ich im vorigen Briefe schrieb, und hoffe nur nach erhaltener Antwort noch einige Zeit in Neapel zusetzen zu können. Bunsen, den ich gestern zum erstenmal wieder gesprochen habe, meint man sey jetzt nirgend in der Welt so sicher und so vor dem Hineinziehen in polit: Händel geschützt als hier, und er ist auch überzeugt, daß es bey jedem Ereignisse so bleiben würde. Aber mit dem Arbeiten geht es schlimm seit ein Paar Tagen: Der Frühling ist in seiner Blüthe, ein warmer blauer Himmel draußen wie man bei uns höchstens davon träumt, und die Reise nach Neapel in allen Gedanken, da fehlt die rechte Ruhe zum Schreiben. Canitz, der sonst ganz pomadig ist, hat mir einen betrunkenen Brief aus Neapel geschrieben, die trockensten Menschen werden poetisch, wenn sie davon reden, vom 15ten April bis 15ten May ist die schönste Jahreszeit in Italien – wer kann es mir da verdenken, daß ich nicht in die Schottische Nebelstimmung mich zurückversetzen kann? Ich habe die Sinfonie deshalb für jetzt zurücklegen müssen, und wünsche nur noch die Walpurgisnacht hier aufschreiben zu können, das geht auch, wenn ich heut und Morgen gute Tage habe und wo möglich schlechtes Wetter, denn das schöne ist gar zu verführerisch; sobald es einen Augenblick nicht gehen will, denkt man das findet sich Alles draußen, und geht hinaus, und denkt an Alles andre, als ans Arbeiten, und dämmert umher, und wenn sie auf einmal von allen Kirchen läuten, so ist es Ave Maria geworden. Doch fehlt mir nur noch ein Stück Einleitung, wenn mir das einfällt, so ist das Ding zusammen und ich schreibe es in ein Paar Tagen hin; dann lasse ich alle Noten und das leere Notenpapier dazu hier und reise nach Neapel und thue, so Gott will, gar nichts. Die beiden Franzosen haben mich auch noch in diesen Tagen zum flaner verführt, wenn man die zwei Leute neben einander sieht, so ist es wie ein Lust- oder Trauerspiel, wie man will: Berlioz, verzerrt, ohne einen Funken Talent, im Finstern herumtappend, der sich dabey für den Schöpfer einer neuen Welt hält, die gräßlichsten Sachen schreibt, und nichts träumt und denkt als Beethoven, Schiller und Goethe, zugleich von einer grenzenlosen Eitelkeit und auf Mozart und Haydn hinabsehend, so daß mir sein ganzer Enthusiasmus sehr zweifelhaft wird: und Montfort, der seit 3 Monaten an einem kleinen Rondo auf ein portugiesisches Thema arbeitet, alles recht nett und brillant und in der Regel zusammensetzt, sich nachher ans Componiren von 6 Walzern machen will, und vor Vergnügen sterben möchte, wenn ich ihm nun eine Menge Wiener Walzer vorspiele, der Beethoven sehr achtet, aber Rossini auch und Bellini ebenso, und Auber gewiß, und so Alles: dazwischen dann mich, der ich Berlioz todt beißen möchte, bis er auf einmal wieder über Gluck schwärmt, wo ich dann einstimmen muß und der ich doch mit beiden gern spazieren gehe, weil es die einzigen Musiker hier und sehr angenehme, liebenswürdige Leute sind – das macht Alles den komischsten Contrast. Du sagst liebe Mutter, Berlioz müsse etwas wollen, da bin ich aber gar nicht Deiner Meinung: ich glaube, er will sich verheirathen, und ist eigentlich schlimmer, wie die andern, weil er affectirter ist, ich mag diesen nach außen gekehrten Enthusiasmus, diese den Damen präsentirte Verzweiflung, und die Genialität in Fractur schwarz auf weiß ein für allemal nicht ausstehen, und wenn er nicht ein Franzose wäre, mit denen es sich immer angenehm leben läßt und die immer was zu sagen und zu interessiren wissen, so wäre es nicht zum Aushalten. – Heut über 8 Tage also schreibe ich wahrscheinlich den letzten Brief aus Rom und dann aus Neapel; ob ich nach Sicilien gehe, ist noch sehr ungewiß, und ich zweifle sehr daran, da ich auf keinen Fall anders als mit dem Dampfboot reisen würde, und da es noch nicht einmal bestimmt ist, ob das abgeht. Der Brief ist matt, aber ich möchte hinaus, weil das Wetter gar zu schön ist, und muß auch nach Vernets Attelier, wo wieder ein neues Bild angefangen sein soll. Mein Portrait wird in dieser Woche fertig, und ich werde es dann schicken auf die Art, die er angiebt. – Die Hauptsache vergaß ich aber: o Beckchen, der Reisesack ist angekommen, und ist wunderschön, er hängt hier eben in Parade aus und alle Leute freuen sich daran, sey tausendmal bedankt und glaube mir, daß ich ihn ganz schabig und schmutzig wiederbringen will, denn brauchen werd’ ich ihn: er ist viel zu schön, um nicht gebraucht zu werden. An Caroline Heine mache meinen Dank (cf. Hegel) und laß mich wissen, welche Seite von ihr und welche von Dir gearbeitet ist: ich habe es, wie Beaumontian rathen wollen, aus Farbenwahl, Arbeit, u. dgl. aber es ging nicht, ihr hättet Zettel ankleben sollen. Der soll mich dann also begleiten nach Neapel, und wenn er zurückkommt wird er von fremden Ländern erzählen. – Lebt aber wohl, ich muß an die Walpurg. nacht denken und hinausgehen; daß Du Dich auf besagte Cantate freust, liebste Fanny, ist sehr schön von Dir, ich will mich nach Kräften bemühen, mich und sie niedlich zu machen. Ich schreibe von der heil. Woche nichts, weil das Alles in einen langen, officiellen Bericht zusammenkommt. Lebt wohl. Euer eiligerF.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-03-29" xml:id="date_084bc717-a5b3-45ef-a343-b627c6466476">29. 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Januar 1842<idno type="MWV">N 18</idno><idno type="op">56</idno></name></title> deshalb für jetzt zurücklegen müssen, und wünsche nur noch <title xml:id="title_d967e9be-791d-427b-8bf3-67ccde9f2fd0">die Walpurgisnacht<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_0snq1wjk-ar3s-bruv-xk5m-jdoawyanu7dx"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_secular_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100172" style="hidden">Die erste Walpurgisnacht, Ballade für Solostimmen, gemischten Chor und Orchester, [1830] bis 13. Februar 1832; Herbst 1840 bis Dezember 1842; 15. Juli 1843<idno type="MWV">D 3</idno><idno type="op">60</idno></name></title> hier aufschreiben zu können, das geht auch, wenn ich heut und Morgen gute Tage habe und wo möglich schlechtes Wetter, denn das schöne ist gar zu verführerisch; sobald es einen Augenblick nicht gehen will, denkt man das findet sich Alles draußen, und geht hinaus, und denkt an Alles andre, als ans Arbeiten, und dämmert umher, und wenn sie auf einmal von allen Kirchen läuten, so ist es Ave Maria geworden. Doch fehlt mir nur noch ein Stück Einleitung, wenn mir das einfällt, so ist das Ding zusammen und ich schreibe es in ein Paar Tagen hin; dann lasse ich alle Noten und das leere Notenpapier dazu hier und reise nach Neapel und thue, so Gott will, gar nichts. Die beiden Franzosen haben mich auch noch in diesen Tagen zum flaner verführt, wenn man die zwei Leute neben einander sieht, so ist es wie ein Lust- oder Trauerspiel, wie man will: <persName xml:id="persName_d4f5cd34-a532-4a2a-81a5-86c1a915e0b4">Berlioz<name key="PSN0109886" style="hidden">Berlioz, Louis Hector (1803-1869)</name></persName>, verzerrt, ohne einen Funken Talent, im Finstern herumtappend, der sich dabey für den Schöpfer einer neuen Welt hält, die gräßlichsten Sachen schreibt, und nichts träumt und denkt als <persName xml:id="persName_6f7338af-3b3e-4241-bef4-6b5261699fc4">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName>, <persName xml:id="persName_932230a2-4526-49f6-a9fd-8cfcc401fbe6">Schiller<name key="PSN0114545" style="hidden">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name></persName> und <persName xml:id="persName_350c16eb-800f-4e7e-b0fb-99f936846f8d">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName>, zugleich von einer grenzenlosen Eitelkeit und auf <persName xml:id="persName_dac89bff-86af-4af3-9084-8761025b9614">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName> und <persName xml:id="persName_53d262c4-3da0-47a0-913c-574c14c2e7e2">Haydn<name key="PSN0111789" style="hidden">Haydn, Franz Joseph (1732-1809)</name></persName> hinabsehend, so daß mir sein ganzer Enthusiasmus sehr zweifelhaft wird: und <persName xml:id="persName_fe424560-a741-4e53-b9b6-43cb0666f9f5">Montfort<name key="PSN0113406" style="hidden">Montfort, Alexandre (1803-1856)</name></persName>, der seit 3 Monaten an einem <title xml:id="title_17e44358-a689-459a-a7f3-fa2aef81bd39">kleinen Rondo auf ein portugiesisches Thema arbeitet<name key="PSN0113406" style="hidden" type="author">Montfort, Alexandre (1803-1856)</name><name key="CRT0110004" style="hidden" type="music">Rondo</name></title>, alles recht nett und brillant und in der Regel zusammensetzt, sich nachher ans Componiren von 6 Walzern machen will, und vor Vergnügen sterben möchte, wenn ich ihm nun eine Menge Wiener Walzer vorspiele, der <persName xml:id="persName_b6bfb71e-d948-4cd4-8060-ae7d13660ef4">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> sehr achtet, aber <persName xml:id="persName_9aae5c8b-931b-42bf-983e-2ea62970562d">Rossini<name key="PSN0114299" style="hidden">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> auch und <persName xml:id="persName_e28dd55b-8729-44c8-ac1e-72e911f67938">Bellini<name key="PSN0109794" style="hidden">Bellini, Vincenzo Salvatore Carmelo Francesco (1801-1835)</name></persName> ebenso, und <persName xml:id="persName_916c5bac-d014-487b-b7c4-275639b1903f">Auber<name key="PSN0109578" style="hidden">Auber, Daniel-François-Esprit (1782-1871)</name></persName> gewiß, und so Alles: dazwischen dann mich, der ich <persName xml:id="persName_ed22d796-500a-4a67-bf7f-51bb9be2dcc8">Berlioz<name key="PSN0109886" style="hidden">Berlioz, Louis Hector (1803-1869)</name></persName> todt beißen möchte, bis er auf einmal wieder über <persName xml:id="persName_56ab5a62-7b00-4661-aff2-162a4f214937">Gluck<name key="PSN0111405" style="hidden">Gluck, Christoph Willibald (seit 1756) Ritter von (1714-1787)</name></persName> schwärmt, wo ich dann einstimmen muß und der ich doch mit beiden gern spazieren gehe, weil es die einzigen Musiker hier und sehr angenehme, liebenswürdige Leute sind – das macht Alles den komischsten Contrast. Du sagst liebe <persName xml:id="persName_174c7d53-6587-4ce7-b1c0-127785057e24">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, <persName xml:id="persName_5284ae36-56ae-4dfb-a798-8be6b99654b7">Berlioz<name key="PSN0109886" style="hidden">Berlioz, Louis Hector (1803-1869)</name></persName> müsse etwas <hi rend="underline">wollen</hi>, da bin ich aber gar nicht Deiner Meinung: ich glaube, er will sich verheirathen, und ist eigentlich schlimmer, wie die andern, weil er affectirter ist, ich mag diesen nach außen gekehrten Enthusiasmus, diese den Damen präsentirte Verzweiflung, und die Genialität in Fractur schwarz auf weiß ein für allemal nicht ausstehen, und wenn er nicht ein Franzose wäre, mit denen es sich immer angenehm leben läßt und die immer was zu sagen und zu interessiren wissen, so wäre es nicht zum Aushalten. – Heut über 8 Tage also schreibe ich wahrscheinlich den letzten Brief aus Rom und dann aus Neapel; ob ich nach Sicilien gehe, ist noch sehr ungewiß, und ich zweifle sehr daran, da ich auf keinen Fall anders als mit dem Dampfboot reisen würde, und da es noch nicht einmal bestimmt ist, ob das abgeht. Der Brief ist matt, aber ich möchte hinaus, weil das Wetter gar zu schön ist, und muß auch nach <persName xml:id="persName_99a142d7-466c-41e5-b5d2-484826ca1c93">Vernets<name key="PSN0115495" style="hidden">Vernet, Emile Jean Horace (1789-1863)</name></persName> Attelier, wo wieder ein neues Bild angefangen sein soll. <title xml:id="title_180bbd5c-0fe1-416f-bc20-1c36cf3b94bf">Mein Portrait<name key="PSN0115495" style="hidden" type="author">Vernet, Emile Jean Horace (1789-1863)</name><name key="CRT0111186" style="hidden" type="art">Felix Mendelssohn Bartholdy (Ölgemälde 1831)</name></title> wird in dieser Woche fertig, und ich werde es dann schicken auf die Art, die er angiebt. – Die Hauptsache vergaß ich aber: o <persName xml:id="persName_29c24da7-0502-45a3-896d-5e9b7cd35bcc">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>, der Reisesack ist angekommen, und ist wunderschön, er hängt hier eben in Parade aus und alle Leute freuen sich daran, sey tausendmal bedankt und glaube mir, daß ich ihn ganz schabig und schmutzig wiederbringen will, denn brauchen werd’ ich ihn: er ist viel zu schön, um nicht gebraucht zu werden. An <persName xml:id="persName_33d78b69-7692-4367-b372-1f53c48c5a6b">Caroline Heine<name key="PSN0111814" style="hidden">Heine, Caroline Friederike (1811-1888)</name></persName> mache meinen Dank (cf. <persName xml:id="persName_6b3d1268-1492-407b-9fa3-25eec9e970fd">Hegel<name key="PSN0111804" style="hidden">Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831)</name></persName>) und laß mich wissen, welche Seite von ihr und welche von Dir gearbeitet ist: ich habe es, wie <persName xml:id="persName_15fcf297-cc93-4525-9f50-40e5a6fa24e8">Beaumontian<name key="PSN0109735" style="hidden">Beaumont, Francis (1584-1616)</name></persName> rathen wollen, aus Farbenwahl, Arbeit, u. dgl. aber es ging nicht, ihr hättet Zettel ankleben sollen. Der soll mich dann also begleiten nach Neapel, und wenn er zurückkommt wird er von fremden Ländern erzählen. – Lebt aber wohl, ich muß an <title xml:id="title_dc209068-039d-4696-abf6-38b1928002b7">die Walpurg.nacht<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_p7etluri-6kth-6cbi-ivoo-ij9qu7seghry"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_secular_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100172" style="hidden">Die erste Walpurgisnacht, Ballade für Solostimmen, gemischten Chor und Orchester, [1830] bis 13. Februar 1832; Herbst 1840 bis Dezember 1842; 15. Juli 1843<idno type="MWV">D 3</idno><idno type="op">60</idno></name></title> denken und hinausgehen; daß Du Dich auf besagte Cantate freust, liebste <persName xml:id="persName_9ac4e727-8bef-4015-a2eb-7700ead056e5">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName>, ist sehr schön von Dir, ich will mich nach Kräften bemühen, mich und sie niedlich zu machen. Ich schreibe von der heil. Woche nichts, weil das Alles in einen langen, officiellen Bericht zusammenkommt. <seg type="closer" xml:id="seg_828dcc92-446f-480c-9eaf-6962ce9897fd">Lebt wohl.</seg></p><closer rend="right" xml:id="closer_1ea8be79-b045-4b00-b863-7482fb8efd61">Euer eiliger</closer><signed rend="right">F.</signed></div></body> </text></TEI>