fmb-1831-02-08-01
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Rom, 8. Februar 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Das Jahr ergibt sich aus der Angabe »Rom« in Felix Mendelssohn Bartholdys Datierung.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Der ten Februar saß
Wie die Veränderung der Beleuchtung des ganzen [Geb]äudes in einem Augenblick wirkt laßt
Rom d. 8 Febr. mitten im Carneval. Der Papst ist gewählt, der Papst ist gekrönt, Sonntag hat er im Sct. Peter die Messe gelesen und den Segen gegeben, Abends war Kuppelbeleuchtung und Girandola zugleich, Sonnabend hat der Carneval angefangen, und rauscht in den buntesten Gestalten fort, jeden Abend war die Stadt illuminirt, gestern Abend war bey dem französ. Gesandten Ball, heut giebt der spanische sein großes Fest, neben meinem Hause verkaufen sie Confetti und schreien – und nun könnte ich eigentlich aufhören, denn warum beschreiben, was unbeschreiblich ist? Diese göttlichen Feste, die an Pracht und Glanz und Lebendigkeit Alles übertreffen, was sich die Einbildungskraft hervorbringt, die laßt Euch mündlich von Hensel ausmalen, mit der kalten Feder kann ichs nicht. Und wie sich denn Alles in den 8 Tagen gewendet hat, so scheint die mildeste, wärmste Sonne, man bleibt bis Sonnenuntergang auf den Balkons im Freien – o könnte ich Euch nur eine Viertelstunde von dieser Lust im Briefe mitschicken oder mittheilen, wie das Leben ordentlich fliegt, und jeder Augenblick seine eigne unvergeßliche Freude bringt; sie haben gut Feste geben hier, beleuchten sie die einfachen Architecturlinien so steht der St. Petersdom brennend in der dunkeln, veilchenblauen Luft und glimmt ganz still, geben sie ein Feuerwerk so erhellt das die uralten, dicken Mauern der Engelsburg und fährt in die Tiber nieder, fangen sie ihre tollen Feste im Februar an, so schaut die hellste Sonne drauf nieder und verschönt Alles – es ist ein unglaubliches Land. Aber beschreiben muß ich doch, wie es mit meinem Geburtstag so ganz anders kam, als ich dachte; nur kürzlich aber, denn in einer Stunde gehts auf den Corso in den Carneval. Es gab Vorfeier, Feier, und Nachfeier. Am 2ten Februar saß Santini morgens auf meiner Stube, und sagte auf meine ungeduldigen Fragen nach dem Conclave mit diplomatischer Miene vor Ostern würde es schwerlich einen Papst geben. Herr Brisbane kam dazu, erzählte, wie er seit Berlin auch in Constantinopel, Smyrna u. sw. gewesen sey, frug nach allen Bekannten; da fällt auf einmal ein Kanonenschuß und noch einer, und die Leute stürzen über den Spanischen Platz und schreien aus voller Kehle, wir drei stieben aus einander, Gott weiß wie, außer Athem aufs Quirinal und eben ging der Mann wieder hinein, der aus dem durchbrochnen Fenster gerufen hatte: annuncio vobis gaudium magnum; habemus papam. R. E. dominum Capellari, qui nomen assumsit Gregorius XVI; (Ihr seht, daß wir es mit unserm Camaldolensercardinal durchgesetzt haben; ) nun drangen aber alle Cardinäle auf den Balkon nach, und schöpften frische Luft, und lachten unter einander, und kamen seit 50 Tagen zum ersten Augenblick ins Freye, und sahen so lustig aus, und die rothen Käppchen glänzten hell in der Sonne; der ganze Platz war mit Menschen gefüllt, an den Obelisken und die Pferde des Phidias kletterten sie, aber die Statuen ragten weit über Alles in die Luft, nun kam Wagen bei Wagen und sie drängten sich und schrien, dann erschien der neue Papst, vor ihm her das goldne Kreuz, und er segnete die ganze Volksmenge zum erstenmale, während die Leute zugleich beteten und Juchhe schrien, alle Glocken in Rom läuteten, dazu Kanonenschüsse, Trommeln und Militairmusik – das war nur die Vorfeier. Aber als ich den folgenden Morgen früh der Menschenmasse die lange Straße hinunterfolgte, und auf den Petersplatz kam, der schön war, wie ich ihn nie gesehn hatte: von der Sonne hell beschienen, die Wagen hin und herschwärmend, die rothen Cardinalskutschen im höchsten Staat nach der Sakristey zu rollend mit gestickten Bedienten hinten auf, und die zahllosen Menschen aller Nationen, aus allen Ständen und Lagen, und als über dem allem die Kuppel und die Kirche ganz bläulich schwebten, denn es war starker Duft in der Morgenluft, so dachte ich mir wohl Capellari würde das auf sich beziehen, wenn er es sähe, aber ich wußte es besser – das war eben die Geburtstagsfeier, und die ganze Papstwahl und die Huldigung ein Schauspiel mir zu Ehren. Aber es war gut gespielt und sehr natürlich und ich werde es mein Lebelang nicht vergessen. Die Peterskirche war gedrängt voll, der Papst mit den Pfauenwedeln wurde hineingetragen, auf den großen Altar gesetzt, und die päpstlichen Sänger intonirten tu es sacerdos magnus, ich habe nur zwei oder 3 Akkorde gehört, aber es braucht eben gar nicht mehr; nur den Klang. Dann kam ein Cardinal nach dem andern und küßten ihm den Fuß und die Hände und dann umarmte er sie. Wenn man so ein Weilchen zugesehn hat, und steht gedrängt unter Menschen, und kann sich nicht bewegen, und wenn man dann auf einmal in die Höhe sieht in die Kuppel bis zur Laterne hinauf, das giebt ein sonderbares Gefühl. Ich stand mit Herrn Diodati mitten unter einem Rudel Capuzinern; die heil. Männer sind aber gar nicht andächtig, bei so etwas und sehr unappetitlich. Aber ich muß eilen; es wird Carnevalszeit und von dem darf ich nichts verlieren: Abends zu meinem Geburtstage verbrannten sie Pechsonnen auf allen Straßen, und erleuchteten die propaganda, wie die Leute glaubten, weil es des Papsts ehemalige Wohnung ist, wie ich glaube, weil sie mir gegenüber steht, und ich mich nur aus dem Fenster legen durfte um Alles zu genießen. Dann kam der Ball von Torlonia, und überall guckten rothe Käppchen oben und rothe Strümpfe unten vor. Den folgenden Tag arbeiteten sie mit allen Kräften an Gerüsten, Verschlägen, Bühnen für den Carneval, die Leute schlugen Edicte an übers Pferderennen, Maskenproben wurden ausgehängt, und als Nachfeier die Kuppelbeleuchtung und Girandola auf Sonntag angesagt. Sonnabend ging man aufs Capitol, um zu erleben, wie die Juden sich ausbitten, wieder ein Jahr in der heil. Stadt geduldet zu werden, und wie man es ihnen am Fuß des Hügels erst abschlägt, und dann oben nach wiederholter Bitte gewährt und ihnen den Ghetto anweis’t; das Ding war sehr langweilig, man wartete 2 Stunden und verstand endlich die Rede der Juden ebensowenig wie die Antwort des Christen. Ich ging verdrießlich herunter und meinte der Carneval finge schlecht an, so kam ich in den Corso, und dachte an nichts, als ich auf einmal mit Zuckererbsen beregnet bin; ich sehe auf, so sind es junge Mädchen, die ich auf Bällen zuweilen wohl gesehn hatte, aber wenig gekannt, und wie ich in meiner Verlegenheit den Hut abnehme und grüßen will, gehts Werfen erst recht an. Der Wagen rollt vorüber und im folgenden sitzt Miss Torin eine zarte, schöne Engländerinn, ich will wieder grüßen, aber sie wirft auch. Nun wurde ich wild, nahm Confetti und grüßte tapfer, es wimmelte von Bekannten, der blaue Überrock sahe müllermäßig aus, auf einem Balkon standen Bendemanns und hagelten herunter faustdicht, und so mit Werfen und geworfen werden, unter tausend Neckereien, in mitten der tollsten Masken, mit dem Pferderennen ging der Tag zu Ende. Den folgenden Tag war kein Carneval, aber zum Ersatz gab der Papst den Segen aus der loggia am Petersplatz, wurde in der Kirche zum Bischof geweiht, und Abends war Kuppelbeleuchtung und Girandola. Wie die Veränderung der Beleuchtung des ganzen Gebäudes in einem Augenblick wirkt laßt Hensel zeichnen oder erzählen, wie er will. Mir war besonders das plötzliche überraschende Zeichen der Gegenwart so vieler 100 Menschen, die man nicht sieht, und die da in der Luft herumsteigen und wirken, ganz betäubend, und die göttliche Girandola! Aber wer mags fassen? Und nun gehts wieder los, lebt wohl, ich beschreibe nächstens weiter. Gestern auf dem Carneval wurde schon mit Blumen und Bonbons geworfen, und ich bekam von einer Maske ein Bouquet und Prügel, die ich mir getrocknet habe, um sie Euch mitzubringen. An Arbeiten ist jetzt nicht zu denken, ein kleines Lied hab ich gemacht; in der Fasten will ich wieder fleißig werden, wer denkt jetzt an Schreiben und Noten? Ich muß nun hinaus; lebt mir wohl, Ihr Lieben. F.
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Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> mit den Pfauenwedeln wurde hineingetragen, auf den großen Altar gesetzt, und die <placeName xml:id="placeName_5a87990a-03e2-41a0-96f9-744464d26fa8">päpstlichen Sänger<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> intonirten <title xml:id="title_fc6d1007-868f-40d1-94ef-8925b25051e1">tu es sacerdos magnus<name key="PSN0113727" style="hidden" type="author">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name><name key="CRT0110285" style="hidden" type="music">Tu es Petrus</name></title>, ich habe nur zwei oder 3 Akkorde gehört, aber es braucht eben gar nicht mehr; nur den Klang. Dann kam ein Cardinal nach dem andern und küßten ihm den Fuß und die Hände und dann umarmte er sie. Wenn man so ein Weilchen zugesehn hat, und steht gedrängt unter Menschen, und kann sich nicht bewegen, und wenn man dann auf einmal in die Höhe sieht in die Kuppel bis zur Laterne hinauf, das giebt ein sonderbares Gefühl. Ich stand mit Herrn <persName xml:id="persName_0b0d6ff3-3d0b-4d24-8ae3-249c906b8cfb">Diodati<name key="PSN0110661" style="hidden">Diodati, Alexandre Amédée Edouard (1787-1860)</name></persName> mitten unter einem Rudel Capuzinern; die heil. Männer sind aber gar nicht andächtig, bei so etwas und sehr unappetitlich. Aber ich muß eilen; es wird Carnevalszeit und von dem darf ich nichts verlieren: Abends zu meinem Geburtstage verbrannten sie Pechsonnen auf allen Straßen, und erleuchteten die propaganda, wie die Leute glaubten, weil es des Papsts ehemalige Wohnung ist, wie ich glaube, weil sie mir gegenüber steht, und ich mich nur aus dem Fenster legen durfte um Alles zu genießen. Dann kam der Ball von <persName xml:id="persName_5b28ab4c-bd5b-4f07-8f5c-a15e233f5fdc">Torlonia<name key="PSN0115359" style="hidden">Torlonia, Alessandro Raffaele Principe di Musignano (1800-1886)</name></persName>, und überall guckten rothe Käppchen oben und rothe Strümpfe unten vor. Den folgenden Tag arbeiteten sie mit allen Kräften an Gerüsten, Verschlägen, Bühnen für den Carneval, die Leute schlugen Edicte an übers Pferderennen, Maskenproben wurden ausgehängt, und als Nachfeier die Kuppelbeleuchtung und Girandola auf Sonntag angesagt. Sonnabend ging man aufs <placeName xml:id="placeName_3f425988-c8a7-407f-88df-8776d638de9e">Capitol<name key="SGH0100252" style="hidden" subtype="" type="sight">Kapitol</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, um zu erleben, wie die Juden sich ausbitten, wieder ein Jahr in der heil. Stadt geduldet zu werden, und wie man es ihnen am Fuß des Hügels erst abschlägt, und dann oben nach wiederholter Bitte gewährt und ihnen den Ghetto anweis’t; das Ding war sehr langweilig, man wartete 2 Stunden und verstand endlich die Rede der Juden ebensowenig wie die Antwort des Christen. Ich ging verdrießlich herunter und meinte der Carneval finge schlecht an, so kam ich in den Corso, und dachte an nichts, als ich auf einmal mit Zuckererbsen beregnet bin; ich sehe auf, so sind es junge Mädchen, die ich auf Bällen zuweilen wohl gesehn hatte, aber wenig gekannt, und wie ich in meiner Verlegenheit den Hut abnehme und grüßen will, gehts Werfen erst recht an. Der Wagen rollt vorüber und im folgenden sitzt <persName xml:id="persName_e78f3c88-0412-48a4-99e0-350d42e13e00">Miss Torin<name key="PSN0115358" style="hidden">Torin, Ms.</name></persName> eine zarte, schöne Engländerinn, ich will wieder grüßen, aber sie wirft auch. Nun wurde ich wild, nahm Confetti und grüßte tapfer, es wimmelte von Bekannten, der blaue Überrock sahe müllermäßig aus, auf einem Balkon standen <persName xml:id="persName_76420a1a-531c-439e-99b3-f1430cb2a1c1">Bendemanns<name key="PSN0109803" style="hidden">Bendemann, Familie von → Anton Heinrich B.</name></persName> und hagelten herunter faustdicht, und so mit Werfen und geworfen werden, unter tausend Neckereien, in mitten der tollsten Masken, mit dem Pferderennen ging der Tag zu Ende. Den folgenden Tag war kein Carneval, aber zum Ersatz gab der <persName xml:id="persName_d9633a32-a1cc-42b8-932a-a4aaa6e37746">Papst<name key="PSN0111521" style="hidden">Gregor XVI. (eigtl. Bartolomeo Alberto [Mauro] Cappellari) (1765-1846)</name></persName> den Segen aus der loggia am Petersplatz, wurde in der Kirche zum Bischof geweiht, und Abends war Kuppelbeleuchtung und Girandola. </p><p>Wie die Veränderung der Beleuchtung des ganzen [Geb]äudes in einem Augenblick wirkt laßt <persName xml:id="persName_3d3a2699-a0ad-435d-8d4a-05fc497adbf0">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> zeichnen oder erzählen, wie er will. Mir war besonders das plötzliche überraschende Zeichen der Gegenwart so vieler 100 Menschen, die man nicht sieht, und die da in der Luft herumsteigen und wirken, ganz betäubend, und die göttliche Girandola! Aber wer mags fassen? Und nun gehts wieder los, lebt wohl, ich beschreibe nächstens weiter. Gestern auf dem Carneval wurde schon mit Blumen und Bonbons geworfen, und ich bekam von einer Maske ein Bouquet und Prügel, die ich mir getrocknet habe, um sie Euch mitzubringen. An Arbeiten ist jetzt nicht zu denken, <title xml:id="title_b56857e4-d8cb-48d5-bd5d-1491695b1bec">ein kleines Lied<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_xljj6h8w-yuy4-h0k3-rv7a-svcxozlhyeyk"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100111" style="hidden">Choral / Gebet »Verleih uns Frieden« / »Da nobis pacem, Domine« für gemischten Chor, kleines Orchester und Orgel, 10. Februar 1831<idno type="MWV">A 11</idno><idno type="op"></idno></name></title> hab ich gemacht; in der Fasten will ich wieder fleißig werden, wer denkt jetzt an Schreiben und Noten? <seg type="closer" xml:id="seg_bb753d43-5dfd-40e3-8915-54a3f4b89eb6">Ich muß nun hinaus; lebt mir wohl, Ihr Lieben.</seg></p><signed rend="right">F.</signed></div></body> </text></TEI>