fmb-1831-01-24-01
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Rom, 24. Januar 1831
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Der Brief ist an Dich, weil Du bedankt sein mußt für den Nordlichtsbrief, dessen Urheberinn Du warst, und sonst aus 100 Gründen. Mir ist, wenn ich die Briefe lese, wo so manche Zeit und Veränderung dazwischen liegt, als sey jetzt erst die eigentliche Reise angefangen, und die Entfernung ist doch gar so groß; aber wie lange dauert es, so näheren wir uns einander wieder und bedenke ich die länger werdenden Tage und die Blumen überall, so wird mir sonderbar zu Muthe und es fehlt mir ein Winter, der pfeilschnell verflogen ist; ich habe mich in diesen Tagen wieder recht hineingearbeitet und vielleicht wirst Du es dem Briefe anmerken, denn es ist wenig aus der letzten Woche zu beschreiben, und da ich jetzt mir alle möglichen Gesellschaften, einheimische und fremde, vornehme und gebildete (die ersten sind langweilig) angesehn und ausgekostet habe, so weiß ich was dran ist, wie es darin aussieht, und kann ohne Gewissensangst ein Paar Abende ruhig auf meinem Zimmer bleiben. Ich habe für diese Woche 3 Bälle abgesagt, bewundre mich; und wie ich nun die Wagen jetzt eben hinrasseln höre, während ich im alten bekannten blauen Überrocke mirs bequem mache, so denke ich an Alles Liebe und Heitere, und es wird mir wohl; da schreibe ich denn also an Dich.
Ein breiter Wagen von zwei kleinen schwarzen Büffeln mit ihren runden Hörnern und thränenden Augen gezogen, auf dem Wagen liegt ein reicher, wohlgekleideter Pächter, der eben stillhalten läßt, und dem neben ihm stehenden braunen Kerl im gelben Strohhut befiehlt das Zelt, was er in der Hand hält, an diesem Platze aufzuschlagen, neben dem Zeltträger die geschmückte Frau des Pächters mit dem Kind auf dem Arm, unten zwei Büffelführer, der eine reitend, der andre zwischen den wilden Thieren stehend indem er sich auf das eine lehnt, und das andre beim Horne packt, um still zu halten; links kommen Bäuerinnen mit Garben dem Besitzer entgegen, rechts tanzen ein Paar Männer mit Sicheln und Dudelsack, und die Mädchen sehen sich aus dem Kornfeld im Hintergrunde nach dem tollen Geschnarre um, eine breite Sonnenebne mit Feldern auf der das Ganze vorgeht, und ein klarer sonnig blauer Himmel, an dem sich die Gestalten auf dem Wagen scharf und duftig absetzen, vor diesem Bilde ein kleiner bescheidener Mann, der die Engländer auf französ. bittet, ihm ihre Bemerkungen mitzutheilen, worauf die dann durch dick und dünn unsinnig hineinurtheilen, und den Mann belehren was er eigentlich hätte machen sollen, was der Mann dann einsieht, für très juste erklärt, und sich doch wohl insgeheim drüber ärgert – das ist
Rom d. 24 Jan. 31Mein liebes Beckchen Der Brief ist an Dich, weil Du bedankt sein mußt für den Nordlichtsbrief, dessen Urheberinn Du warst, und sonst aus 100 Gründen. Mir ist, wenn ich die Briefe lese, wo so manche Zeit und Veränderung dazwischen liegt, als sey jetzt erst die eigentliche Reise angefangen, und die Entfernung ist doch gar so groß; aber wie lange dauert es, so näheren wir uns einander wieder und bedenke ich die länger werdenden Tage und die Blumen überall, so wird mir sonderbar zu Muthe und es fehlt mir ein Winter, der pfeilschnell verflogen ist; ich habe mich in diesen Tagen wieder recht hineingearbeitet und vielleicht wirst Du es dem Briefe anmerken, denn es ist wenig aus der letzten Woche zu beschreiben, und da ich jetzt mir alle möglichen Gesellschaften, einheimische und fremde, vornehme und gebildete (die ersten sind langweilig) angesehn und ausgekostet habe, so weiß ich was dran ist, wie es darin aussieht, und kann ohne Gewissensangst ein Paar Abende ruhig auf meinem Zimmer bleiben. Ich habe für diese Woche 3 Bälle abgesagt, bewundre mich; und wie ich nun die Wagen jetzt eben hinrasseln höre, während ich im alten bekannten blauen Überrocke mirs bequem mache, so denke ich an Alles Liebe und Heitere, und es wird mir wohl; da schreibe ich denn also an Dich. Meine Weihnachtsmusik ist in den nächsten Tagen fertig, dann kommen noch zwei andre Luthersche Lieder „Wir glauben all“ und „Verleih uns Frieden“ mit denen ich so Gott will in etwa 8 Tagen zu Ende zu kommen denke, dann habe ich noch die beiden Sinfonien und etwas fürs Clavier zu machen, und wenn ich das Alles in 2 Monaten fertig bringen will, so muß ich mich dran halten, sogar auch wenn ich nur eine von den Sinfonien (die schottische ) hier aufschreibe. Einen Carnaval wird es wohl nicht geben, die Cardinäle können nicht einig werden, es ist mir auch ziemlich gleichgültig, denn ich habe nun die aller angenehmsten Bekanntschaften in Menge gemacht, in mir selbst habe ich zu thun vollauf, und um mich her liegt Rom, woran man sich dann wohl ebenso wenig in einem Leben satt genießen kann, wie an den Menschen oder an der Musik. Wie sich nun dies dreies kaum vereinigen läßt, weil jedes Einzelne zu reichhaltig ist, wie ich mich vom Einen mit Mühe losreißen muß um zum Andern zu gehen, das ebenso fesselt, und wie nun also bald die Gesellschaften (wie vorige Woche) bald das Arbeiten (wie diese) bald das Besehn und Umherstreifen (wie vielleicht nächste Woche) vorherrschend ist – so bildet mir das ganze ein ernsthaftes, reiches Leben, das ich selten oder wohl nie so genossen habe. Kommt nur noch dazu, wie ich Euch schon neulich schrieb, daß es mir an der eigentlichen Mittheilung ganz und gar fehlt, und daß ich entweder gesellschaftlich lebe oder burschikos (mit Emil, Hildebrandt, etc. ) was am Ende beides noch nicht ins Innerste geht, so ertappe ich mich zuweilen drauf, daß es mir im Kopf entsetzlich brummt von tausend verschiedenen Gestalten und Bildern, damit ich wenigstens mit mir selbst über alles dies Congreß halte, was ich nach außen hin verschweigen muß. Ich habe auch versuchen wollen mir Euer Nordlicht zu denken, und habe nach Fannys Vorschrift in bmoll mit einer Seite nach Nordlichtern getappt, es ist aber hier zu warm dazu, und ich weiß nicht wie es aussehen mag. Aber wie denn Du, liebstes Beckchen, in Deinem Briefe eine Einleitung zu Goethes Versen suchst, und dann doch damit hineinfällst, weil es auch keine Vorbereitung braucht, so geht es mir fast auch heut; Du siehst allem Vorigen an, daß ich etwas zu sagen habe, und nicht weiß wie; denn ich wollte zwar eigentlich auf einzelne Briefe und Worte in so weiter Entfernung nichts antworten, weil die Stimmungen verflogen sind und nur von neuem wieder vorgerufen werden, wenn die Antwort ankommt, aber Du sagst mir, ich solle Dich wieder einmal durchwärmen und durchwalken, und das thue ich denn gern nach Kräften. Wenn Dich es durchwärmen kann, daß dahier eben ein junger Musiker lebt, der Dein eigen ist so weißt Du es ja, und was habe ich sonst aber Durchwärmendes weiter zu sagen? Und gar zum Walken ist keine Gelegenheit da, denn Du bist ganz recht. Bleibe Du nur ganz so, wie ich Dich liebe, und dann haben wir wenig anders zu wünschen, und das wäre das einzige Wort, wogegen ich sprechen möchte, wenn Du sagst, Du thätest Alles um Dich von Dir zu entfernen. Das Gegentheil soll sein, Du sollst Alles thun um recht zu Dir zu kommen und bey Dir zu bleiben, und wie unnütz ist es daß ich es gar sage, während ichs schreibe und während der Brief geht hast Du längst schon so gemacht, wie ich hier es weise anrathe. Du brauchst meine Predigten nicht, und ich sage also blos, wie es kommen wird: es ist mal in diesem Jahre Dir das Leben ein wenig näher getreten, und hat Dich fühlen lassen daß es fortschreitet, und sich bewegt, und wenn das nun Dein Wesen verändern könnte und Dich aus Deinem Gange, aus Dir selbst hinaus nehmen, da wäre es schlimm. Wie Du früher mit uns und mit Dir warst, so hatte nie sich etwas in den Weg gelegt, wenn das nun aber auch kommen sollte, so wäre eben die Frage, ob Du Dich nun trotz alles dessen ebenso erhieltest? Dies alles ist übrigens sehr dumm, denn ich weiß nicht recht, wovon ich spreche, und was sich in den Weg legt? Zwei Körbe machen den Kohl nicht mager, und so wäre denn nur die Entfernung von Betty P. was eine wirkliche Veränderung hervorbrächte, und mich hat in dem Puncte Dein Brief sehr gerührt. Aber Du weißt, was wir mit einander ausmachten, wenn wir Congreß hielten: so reich und glücklich begabt, wie wir Alle, sind wohl nie Menschen gewesen, und wenn wir das recht lebhaft fühlen, so ist es das rechte Dankgebet, und der einzige Undank, wenn wir grade nach dem verlangen, was vielleicht versagt ist; Du kannst doch nicht zugleich Papst und Beckchen sein. Auch sage nicht daß ich Stiefeln anhabe, denn erstlich hast Du auch welche an (in der Wirklichkeit und auch bildlich) und zweitens sollte es mir nicht schwer werden eine Menge Stellen Dir anzugeben, wo mir die Stiefeln gerissen sind; da muß man aber gar nicht hinsehen, sondern vorläufig weiterpatschen. Kurz, bleibe was Dein ist, ich kann es nicht besser sagen; bleib sentimental, bleib toll und heiter und ungehäbig, kurz bleib Beckchen, und kommt einmal das entsetzliche Treiben der vielen Menschen draußen Dir auch ein bischen zu nahe, und entfernt sich einmal eine Gestalt, mit der Du noch lange zusammen zu bleiben dachtest, und will sich die ganze Welt einmal ernsthaft und widerhaarig ausnehmen – so denk Du, es ist das Leben, und denk an uns Alle, die wir neben Dir stehen und immer bleiben, und sey heiter. – Es ist halt Welt, wer wollte leben, ohne das? und wie wir auch durch ferne Lande ziehn, da kommt es her, da kehrt es wieder hin. Ich werde auch nächstens wiederkommen. Denn als ich Deine Verse las, sagte ich zu mir: komm Fix &c, aber es braucht es nicht, ich bin kein Italiäner, sondern ein Hamburger, und ich bin kein Kosmopolit, sondern wesentlich das, mich in der Leipz. Str. no. 3 wohlzubefinden, da kommt es her, da wird es wieder satt, da componirt es wieder eins oder das andre – das Uebrige mündlich, wenn es wieder im entresol wohnt; bisjetzt ist hier noch der Spanische Platz, Regenwetter, Rom, und keine Eltern und keine Geren, und nichts dergl. aber doch halt Welt, und wenn nun übermorgen die Briefe kommen, so schäme ich mich der dummen Predigt, die keine ist, aber wir sind einig, und deshalb verstummt der Redner am Orinoco. Hiebey noch ein Bild. Ein breiter Wagen von zwei kleinen schwarzen Büffeln mit ihren runden Hörnern und thränenden Augen gezogen, auf dem Wagen liegt ein reicher, wohlgekleideter Pächter, der eben stillhalten läßt, und dem neben ihm stehenden braunen Kerl im gelben Strohhut befiehlt das Zelt, was er in der Hand hält, an diesem Platze aufzuschlagen, neben dem Zeltträger die geschmückte Frau des Pächters mit dem Kind auf dem Arm, unten zwei Büffelführer, der eine reitend, der andre zwischen den wilden Thieren stehend indem er sich auf das eine lehnt, und das andre beim Horne packt, um still zu halten; links kommen Bäuerinnen mit Garben dem Besitzer entgegen, rechts tanzen ein Paar Männer mit Sicheln und Dudelsack, und die Mädchen sehen sich aus dem Kornfeld im Hintergrunde nach dem tollen Geschnarre um, eine breite Sonnenebne mit Feldern auf der das Ganze vorgeht, und ein klarer sonnig blauer Himmel, an dem sich die Gestalten auf dem Wagen scharf und duftig absetzen, vor diesem Bilde ein kleiner bescheidener Mann, der die Engländer auf französ. bittet, ihm ihre Bemerkungen mitzutheilen, worauf die dann durch dick und dünn unsinnig hineinurtheilen, und den Mann belehren was er eigentlich hätte machen sollen, was der Mann dann einsieht, für très juste erklärt, und sich doch wohl insgeheim drüber ärgert – das ist Robert und seine Ernte. Es ist ganz vollkommen, und macht einen glücklich frohen Eindruck; so heiter, und sonnig und feyertäglich habe ich fast noch nie ein Bild gesehen, und der kleine ungeschickte Maler dabey, der das Ding eben nur so malt, weil er es gar zu oft so gesehen hat, und der immer ist als müsse er sich entschuldigen; daß er solch herrliche Bilder malen kann, das gefällt mir gar zu sehr. Die Herren Maler hier thun entsetzlich vornehm gegen solch ein Genrestück, aber was heißt denn das? Sie sind elend. Gestern Abend spät ging ich die Spanische Treppe herunter, da kam wieder ein ganzer Trupp, und jodelten, und rauchten, und riefen mir Prost zu – mir ist zu Muth, wie unter den Eskimos, das nennen sie aber ein edles Streben. Hieraus ersiehst Du, mein Beckchen, daß es Rüpel giebt, was Dir auch wohl nicht unbekannt sein wird. Sie laufen in den verschiedensten Gestalten, Kleidern und Professionen in der Welt umher, und ärgern einen zuweilen, aber auch nicht lange. Vor einigen Tagen habe ich mein feyerliches Ehrenmitgliedsdiplom bekommen, in welchem mir die artigsten Sachen auf Italiänisch gesagt werden; ich habe auf Französisch geantwortet j’ai senti vivement l’honneur u. s. w., nächstdem habe ich an einem alten Tanzmeister hier einen Freund erworben, er läßt für mich immer die Galopps doppelt so lange dauern, weil ich ein für allemal den ersten Galopp mit meiner Engländerinn tanze, die Lucy heißt; er geht umher und ordnet die Tänze an, und sagt mir dann leise: après ceci la galoppade, Monsieur. Aber ich werde zu frivol, denn eigentlich ist der Brief doch ernsthaft gemeint, da Du ja eine respectable Person bist. Nur noch in Erwiedrung auf den vorigen Brief, daß ich keinen besondern Namen hier habe, liebe Mutter, daß man unter dem Bogen des Septimius nicht zu Pferde halten kann, lieber Hensel, und Dir, lieber Vater, daß ich Kestner und Mde. Bunsen sehr oft sehe, aber nur eben wenig von ihnen zu schreiben wüßte, als daß sie die freundlichsten Leute sind; daß ich mich beim Prinzen nicht vorstellen lasse, weil es die Bürgerlichen gewöhnlich nicht thun, und mir Bunsen sagte, es sey nicht Gebrauch oder wenigstens nicht hergebracht, weil ich die hiesigen Vornehmen endlich vornehmer d. h. langweiliger und stolzer finde als irgendwo sonst (sie haben niemand über sich) weshalb ich mich auch so wenig als möglich vorzudrängen suche, endlich daß Thorwaldsen, als ich einmal versuchte ihm zu sagen, er sey ein großer Mann, solch ein komisches Gesicht machte, daß ichs seitdem aufgegeben habe – nun aber noch an Dich, mein liebes Gerelein, daß Du und die andre Gere zwei so achtbare Leute seid, wie mir nur je auf meinen Reisen aufgestoßen sind, daß Du mir gut bleiben und froh sein sollst, und daß ich mich, wie auch die Welt entzücke, nicht erst zu Dir hinzuwenden brauche, denn es geht immer dahin. Lebt alle wohl. F.
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1831-01-24" xml:id="date_199279e6-fc4f-4008-bc33-98342d498f2c">24. 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Januar 1831<idno type="MWV">A 10</idno><idno type="op"></idno></name></title> <title xml:id="title_c18e87f2-2364-4030-878a-0bb383b51025">Weihnachtsmusik<name key="PSN0112987" style="hidden" type="author">Luther, Martin (1483-1546)</name><name key="CRT0109828" style="hidden" type="literature / music">Vom Himmel hoch, da komm ich her</name></title> ist in den nächsten Tagen fertig, dann kommen noch <title xml:id="title_848ac0d7-9220-4c48-bb60-d01bf880dfea">zwei andre<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_br1aoozm-jfx3-ae3r-wtwl-sgqztaindswn"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100112" style="hidden">Choral »Wir glauben all an einen Gott« für gemischten Chor und Orchester, [Dezember 1830] bis 1. März 1831<idno type="MWV">A 12</idno><idno type="op"></idno></name></title> <title xml:id="title_db7c58ef-9f18-4c10-a00a-9e4863cd6b40">Luthersche Lieder „Wir glauben all“<name key="PSN0112987" style="hidden" type="author">Luther, Martin (1483-1546)</name><name key="CRT0109832" style="hidden" type="literature">Wir glauben all an einen Gott</name></title> <title xml:id="title_bf738d44-bebb-4417-abaa-dfb2869c5527">und<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_1wvsunro-qfu4-rlmi-d30f-nhljhgleljzn"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100111" style="hidden">Choral / Gebet »Verleih uns Frieden« / »Da nobis pacem, Domine« für gemischten Chor, kleines Orchester und Orgel, 10. Februar 1831<idno type="MWV">A 11</idno><idno type="op"></idno></name></title> <title xml:id="title_5dd46c67-a43e-4f84-b603-bd446994c0f4">„Verleih uns Frieden“<name key="PSN0112987" style="hidden" type="author">Luther, Martin (1483-1546)</name><name key="CRT0109827" style="hidden" type="literature / music">Verleih uns Frieden gnädiglich</name></title> mit denen ich so Gott will in etwa 8 Tagen zu Ende zu kommen denke, dann habe ich noch <title xml:id="title_c1defe45-ed9c-485e-8ef7-ffba6e979a5e">die beiden Sinfonien<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_3b2wawxf-xwyn-urmp-dh93-ikoy0zbedkba"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100344" style="hidden">Sinfonie Nr. 3 a-Moll (»Schottische«) für Orchester, 30. Juli 1829; [ca. 1841] bis 20. Januar 1842<idno type="MWV">N 18</idno><idno type="op">56</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_yakckhzr-p6oc-8nvc-4tjw-fsq63d5mfd75"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100342" style="hidden">Sinfonie A-Dur (»Italienische«) für Orchester, [Ende 1830] bis 13. März 1833; [Juni 1834 bis Anfang 1835]<idno type="MWV">N 16</idno><idno type="op">90</idno></name></title> und etwas fürs Clavier zu machen, und wenn ich das Alles in 2 Monaten fertig bringen will, so muß ich mich dran halten, sogar auch wenn ich nur eine von den Sinfonien (<title xml:id="title_55e8681c-3064-4355-811b-bb199e5739b9">die schottische<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_jlvpvlnx-nuaz-rt96-sq9m-vu2tjxyuss5o"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100344" style="hidden">Sinfonie Nr. 3 a-Moll (»Schottische«) für Orchester, 30. Juli 1829; [ca. 1841] bis 20. Januar 1842<idno type="MWV">N 18</idno><idno type="op">56</idno></name></title>) hier aufschreibe. Einen Carnaval wird es wohl nicht geben, die Cardinäle können nicht einig werden, es ist mir auch ziemlich gleichgültig, denn ich habe nun die aller angenehmsten Bekanntschaften in Menge gemacht, in mir selbst habe ich zu thun vollauf, und um mich her liegt Rom, woran man sich dann wohl ebenso wenig in einem Leben satt genießen kann, wie an den Menschen oder an der Musik. Wie sich nun dies dreies kaum vereinigen läßt, weil jedes Einzelne zu reichhaltig ist, wie ich mich vom Einen mit Mühe losreißen muß um zum Andern zu gehen, das ebenso fesselt, und wie nun also bald die Gesellschaften (wie vorige Woche) bald das Arbeiten (wie diese) bald das Besehn und Umherstreifen (wie vielleicht nächste Woche) vorherrschend ist – so bildet mir das ganze ein ernsthaftes, reiches Leben, das ich selten oder wohl nie so genossen habe. Kommt nur noch dazu, wie ich Euch schon neulich schrieb, daß es mir an der eigentlichen Mittheilung ganz und gar fehlt, und daß ich entweder gesellschaftlich lebe oder burschikos (mit <persName xml:id="persName_4c0690f3-57f3-45b1-baa3-48beb4078740">Emil<name key="PSN0109807" style="hidden">Bendemann, Emil Franz Leopold (1807-1882)</name></persName>, <persName xml:id="persName_6f01d3a5-e088-42dc-9c47-94b67e063059">Hildebrandt<name key="PSN0111982" style="hidden">Hildebrandt, Ferdinand Theodor (1804-1874)</name></persName>, etc.) was am Ende beides noch nicht ins Innerste geht, so ertappe ich mich zuweilen drauf, daß es mir im Kopf entsetzlich brummt von tausend verschiedenen Gestalten und Bildern, damit ich wenigstens mit mir selbst über alles dies Congreß halte, was ich nach außen hin verschweigen muß. Ich habe auch versuchen wollen mir Euer Nordlicht zu denken, und habe nach <persName xml:id="persName_b042a5d9-9dd1-48ee-8f60-07d8b0ada5d0">Fannys<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> Vorschrift in bmoll mit einer Seite nach Nordlichtern getappt, es ist aber hier zu warm dazu, und ich weiß nicht wie es aussehen mag. Aber wie denn Du, liebstes <persName xml:id="persName_e6c8d78e-a1d8-47f8-8a97-0f427a975c83">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>, in Deinem Briefe eine Einleitung zu <persName xml:id="persName_99184fc6-6041-4565-9b38-c7373e8a1a40">Goethes<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> Versen suchst, und dann doch damit hineinfällst, weil es auch keine Vorbereitung braucht, so geht es mir fast auch heut; Du siehst allem Vorigen an, daß ich etwas zu sagen habe, und nicht weiß wie; denn ich wollte zwar eigentlich auf einzelne Briefe und Worte in so weiter Entfernung nichts antworten, weil die Stimmungen verflogen sind und nur von neuem wieder vorgerufen werden, wenn die Antwort ankommt, aber Du sagst mir, ich solle Dich wieder einmal durchwärmen und durchwalken, und das thue ich denn gern nach Kräften. Wenn Dich es durchwärmen kann, daß dahier eben ein junger Musiker lebt, der Dein eigen ist so weißt Du es ja, und was habe ich sonst aber Durchwärmendes weiter zu sagen? Und gar zum Walken ist keine Gelegenheit da, denn Du bist ganz recht. Bleibe Du nur ganz so, wie ich Dich liebe, und dann haben wir wenig anders zu wünschen, und das wäre das einzige Wort, wogegen ich sprechen möchte, wenn Du sagst, Du thätest Alles um Dich von Dir zu entfernen. Das Gegentheil soll sein, Du sollst Alles thun um recht zu Dir zu kommen und bey Dir zu bleiben, und wie unnütz ist es daß ich es gar sage, während ichs schreibe und während der Brief geht hast Du längst schon so gemacht, wie ich hier es weise anrathe. Du brauchst meine Predigten nicht, und ich sage also blos, wie es kommen wird: es ist mal in diesem Jahre Dir das Leben ein wenig näher getreten, und hat Dich fühlen lassen daß es fortschreitet, und sich bewegt, und wenn das nun Dein Wesen verändern könnte und Dich aus Deinem Gange, aus Dir selbst hinaus nehmen, da wäre es schlimm. Wie Du früher mit uns und mit Dir warst, so hatte nie sich etwas in den Weg gelegt, wenn das nun aber auch kommen sollte, so wäre eben die Frage, ob Du Dich nun trotz alles dessen ebenso erhieltest? Dies alles ist übrigens sehr dumm, denn ich weiß nicht recht, wovon ich spreche, und was sich in den Weg legt? Zwei Körbe machen den Kohl nicht mager, und so wäre denn nur die Entfernung von <persName xml:id="persName_b6d4002e-ea25-4d62-a001-fccd0f960152">Betty P.<name key="PSN0113887" style="hidden">Pistor, Friederike Dorothea Elisabeth (Betty) (1808-1887)</name></persName> was eine wirkliche Veränderung hervorbrächte, und mich hat in dem Puncte Dein Brief sehr gerührt. Aber Du weißt, was wir mit einander ausmachten, wenn wir Congreß hielten: so reich und glücklich begabt, wie wir Alle, sind wohl nie Menschen gewesen, und wenn wir das recht lebhaft fühlen, so ist es das rechte Dankgebet, und der einzige Undank, wenn wir grade nach dem verlangen, was vielleicht versagt ist; Du kannst doch nicht zugleich Papst und <persName xml:id="persName_7a5ab54b-0b1b-4f23-9193-6cd93f050d85">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> sein. Auch sage nicht daß ich Stiefeln anhabe, denn erstlich hast Du auch welche an (in der Wirklichkeit und auch bildlich) und zweitens sollte es mir nicht schwer werden eine Menge Stellen Dir anzugeben, wo mir die Stiefeln gerissen sind; da muß man aber gar nicht hinsehen, sondern vorläufig weiterpatschen. Kurz, bleibe was Dein ist, ich kann es nicht besser sagen; bleib sentimental, bleib toll und heiter und ungehäbig, kurz bleib <persName xml:id="persName_5083eb6f-2923-412c-b4f2-fa05bf35fe6c">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>, und kommt einmal das entsetzliche Treiben der vielen Menschen draußen Dir auch ein bischen zu nahe, und entfernt sich einmal eine Gestalt, mit der Du noch lange zusammen zu bleiben dachtest, und will sich die ganze Welt einmal ernsthaft und widerhaarig ausnehmen – so denk Du, es ist das Leben, und denk an uns Alle, die wir neben Dir stehen und immer bleiben, und sey heiter. – Es ist halt <title xml:id="title_35683eb3-ad9b-47e4-a19d-692491fa6979">Welt<name key="PSN0114173" style="hidden" type="author">Richter, Johann Paul Friedrich (Pseud.: Jean Paul) (1763-1825)</name><name key="CRT0110457" style="hidden" type="literature">Leben Fibels</name></title>, wer wollte leben, ohne das? und wie wir auch durch ferne Lande ziehn, da kommt es her, da kehrt es wieder hin. Ich werde auch nächstens wiederkommen. Denn als ich Deine Verse las, sagte ich zu mir: komm Fix &c, aber es braucht es nicht, ich bin kein Italiäner, sondern ein Hamburger, und ich bin kein Kosmopolit, sondern wesentlich das, mich in der Leipz. Str. no. 3 wohlzubefinden, da kommt es her, da wird es wieder satt, da componirt es wieder eins oder das andre – das Uebrige mündlich, wenn es wieder im entresol wohnt; bisjetzt ist hier noch der Spanische Platz, Regenwetter, Rom, und keine <persName xml:id="persName_f6b43175-e5c3-4079-9da1-b7591b4a8244">Eltern<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name><name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> und keine <persName xml:id="persName_2c68bc94-892a-4157-8189-31fce55fa8e6">Geren<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName>, und nichts dergl. aber doch halt <title xml:id="title_52f41116-650e-4666-b51e-8835e199ed0f">Welt<name key="PSN0114173" style="hidden" type="author">Richter, Johann Paul Friedrich (Pseud.: Jean Paul) (1763-1825)</name><name key="CRT0110457" style="hidden" type="literature">Leben Fibels</name></title>, und wenn nun übermorgen die Briefe kommen, so schäme ich mich der dummen Predigt, die keine ist, aber wir sind einig, und deshalb verstummt der Redner am Orinoco. Hiebey noch <title xml:id="title_d2f4d2b6-4722-487e-a275-522cb56b4c36">ein Bild<name key="PSN0114234" style="hidden" type="author">Robert, Louis Léopold (1794-1835)</name><name key="CRT0110531" style="hidden" type="art">L’arrivée des moissonneurs dans les marais pontins</name></title>. </p><p>Ein breiter Wagen von zwei kleinen schwarzen Büffeln mit ihren runden Hörnern und thränenden Augen gezogen, auf dem Wagen liegt ein reicher, wohlgekleideter Pächter, der eben stillhalten läßt, und dem neben ihm stehenden braunen Kerl im gelben Strohhut befiehlt das Zelt, was er in der Hand hält, an diesem Platze aufzuschlagen, neben dem Zeltträger die geschmückte Frau des Pächters mit dem Kind auf dem Arm, unten zwei Büffelführer, der eine reitend, der andre zwischen den wilden Thieren stehend indem er sich auf das eine lehnt, und das andre beim Horne packt, um still zu halten; links kommen Bäuerinnen mit Garben dem Besitzer entgegen, rechts tanzen ein Paar Männer mit Sicheln und Dudelsack, und die Mädchen sehen sich aus dem Kornfeld im Hintergrunde nach dem tollen Geschnarre um, eine breite Sonnenebne mit Feldern auf der das Ganze vorgeht, und ein klarer sonnig blauer Himmel, an dem sich die Gestalten auf dem Wagen scharf und duftig absetzen, vor diesem Bilde ein kleiner bescheidener Mann, der die Engländer auf französ. bittet, ihm ihre Bemerkungen mitzutheilen, worauf die dann durch dick und dünn unsinnig hineinurtheilen, und den Mann belehren was er eigentlich hätte machen sollen, was der Mann dann einsieht, für très juste erklärt, und sich doch wohl insgeheim drüber ärgert – das ist <title xml:id="title_79639a1c-db59-41da-8a0e-b6c68c34d41f">Robert und seine Ernte<name key="PSN0114234" style="hidden" type="author">Robert, Louis Léopold (1794-1835)</name><name key="CRT0110531" style="hidden" type="art">L’arrivée des moissonneurs dans les marais pontins</name></title>. Es ist ganz vollkommen, und macht einen glücklich frohen Eindruck; so heiter, und sonnig und feyertäglich habe ich fast noch nie ein Bild gesehen, und der kleine ungeschickte Maler dabey, der das Ding eben nur so malt, weil er es gar zu oft so gesehen hat, und der immer ist als müsse er sich entschuldigen; daß er solch herrliche Bilder malen kann, das gefällt mir gar zu sehr. Die Herren Maler hier thun entsetzlich vornehm gegen solch ein Genrestück, aber was heißt denn das? Sie sind elend. Gestern Abend spät ging ich die Spanische Treppe herunter, da kam wieder ein ganzer Trupp, und jodelten, und rauchten, und riefen mir Prost zu – mir ist zu Muth, wie unter den Eskimos, das nennen sie aber ein edles Streben. Hieraus ersiehst Du, mein <persName xml:id="persName_e78386ba-592f-40cd-a472-6cae816f1106">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>, daß es Rüpel giebt, was Dir auch wohl nicht unbekannt sein wird. Sie laufen in den verschiedensten Gestalten, Kleidern und Professionen in der Welt umher, und ärgern einen zuweilen, aber auch nicht lange. Vor einigen Tagen habe ich mein <placeName xml:id="placeName_aba4f069-6666-419d-bbbb-5a01e3cd58ca">feyerliches Ehrenmitgliedsdiplom<name key="NST0100262" style="hidden" subtype="" type="institution">Accademia Filarmonica Romana</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> bekommen, in welchem mir die artigsten Sachen auf Italiänisch gesagt werden; ich habe auf Französisch geantwortet j’ai senti vivement l’honneur u. s. w., nächstdem habe ich an einem alten Tanzmeister hier einen Freund erworben, er läßt für mich immer die Galopps doppelt so lange dauern, weil ich ein für allemal den ersten Galopp mit meiner Engländerinn tanze, die <persName xml:id="persName_bd56bd41-ba1f-4d3e-90b1-01294df8656b">Lucy<name key="PSN0112964" style="hidden">Lucy</name></persName> heißt; er geht umher und ordnet die Tänze an, und sagt mir dann leise: après ceci la galoppade, Monsieur. Aber ich werde zu frivol, denn eigentlich ist der Brief doch ernsthaft gemeint, da Du ja eine respectable Person bist. Nur noch in Erwiedrung auf den vorigen Brief, daß ich keinen besondern Namen hier habe, liebe <persName xml:id="persName_7ccdb77f-e34e-4eb2-8f11-3d5b525ee43c">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, daß man unter dem Bogen des <persName xml:id="persName_149e7b02-3638-49cf-8823-1888d43d3b15">Septimius<name key="PSN0114867" style="hidden">Septimius Severus, Lucius (146-211)</name></persName> nicht zu Pferde halten kann, lieber <persName xml:id="persName_bbc539b5-0a56-4e18-b7ac-7a038e36dbb6">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName>, und Dir, <persName xml:id="persName_0f8870a2-6af8-4f09-8eae-49c45370952c">lieber Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName>, daß ich <persName xml:id="persName_4e82eae4-9867-4d43-9a70-2a36abb9e880">Kestner<name key="PSN0112364" style="hidden">Kestner, Georg August Christian (1777-1853)</name></persName> und <persName xml:id="persName_d1165b17-7eb4-4808-b472-fa49dca507b3">Mde. Bunsen<name key="PSN0110197" style="hidden">Bunsen, Frances (seit 1858) Freifrau von (1791-1876)</name></persName> sehr oft sehe, aber nur eben wenig von ihnen zu schreiben wüßte, als daß sie die freundlichsten Leute sind; daß ich mich beim <persName xml:id="persName_887fac3b-ed93-4792-8029-632a9bcc47b2">Prinzen<name key="PSN0113987" style="hidden">Preußen, Friedrich Heinrich Karl Prinz von (1781-1846)</name></persName> nicht vorstellen lasse, weil es die Bürgerlichen gewöhnlich nicht thun, und mir <persName xml:id="persName_c58b5ba6-5d63-4192-85aa-d3b44a220681">Bunsen<name key="PSN0110195" style="hidden">Bunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860)</name></persName> sagte, es sey nicht Gebrauch oder wenigstens nicht hergebracht, weil ich die hiesigen Vornehmen endlich vornehmer d. h. langweiliger und stolzer finde als irgendwo sonst (sie haben niemand über sich) weshalb ich mich auch so wenig als möglich vorzudrängen suche, endlich daß <persName xml:id="persName_3889a729-d92f-4ddb-900a-d8a9f7315193">Thorwaldsen<name key="PSN0115321" style="hidden">Thorvaldsen, Bertel (Alberto) (1770-1844)</name></persName>, als ich einmal versuchte ihm zu sagen, er sey ein großer Mann, solch ein komisches Gesicht machte, daß ichs seitdem aufgegeben habe – nun aber noch an Dich, <persName xml:id="persName_e0a1d11f-e49b-4da9-808f-91206f4b379e">mein liebes Gerelein<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>, daß Du und die andre <persName xml:id="persName_aa5b37cd-d3d3-487d-b8b8-f62b625d732a">Gere<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> zwei so achtbare Leute seid, wie mir nur je auf meinen Reisen aufgestoßen sind, daß Du mir gut bleiben und froh sein sollst, und daß ich mich, wie auch die Welt entzücke, nicht erst zu Dir hinzuwenden brauche, denn es geht immer dahin. <seg type="closer" xml:id="seg_3cd76dc1-495f-44fc-b231-f25c61855df2">Lebt alle wohl.</seg></p><signed rend="right">F.</signed></div></body> </text></TEI>