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fmb-1830-12-11-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Abraham Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb>Rom, 10. und 11. Dezember 1830 dem Tage nach ist es heute ein Jahr, daß wir Deinen Geburtstag bei Hensels feyerten, und da laß mich thun, als wär es jetzt wieder so, und laß mich Dir einiges aus Rom erzählen, wie Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 2, 381

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 13, fol. 27-30. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Abraham Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Rom, 10. und 11. Dezember 1830 dem Tage nach ist es heute ein Jahr, daß wir Deinen Geburtstag bei Hensels feyerten, und da laß mich thun, als wär es jetzt wieder so, und laß mich Dir einiges aus Rom erzählen, wie

8 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.

Felix Mendelssohn Bartholdy

Green Books

Mendelssohn, Reisebriefe, S. 72-83 (Teildruck). Sutermeister, Briefe einer Reise, S. 81-93.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

10. und 11. Dezember 1830 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Rom Italien Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) Berlin Deutschland deutsch
À Mr. Mr. A. Mendelssohn Bartholdy Berlin (Leipziger Strasse Nr. 3)
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Rom d. 10 Dec. 1830Lieber Vater

dem Tage nach ist es heute ein Jahr, daß wir Deinen Geburtstag bei HenselsHensel, Familie von → Wilhelm H. feyerten, und da laß mich thun, als wär es jetzt wieder so, und laß mich Dir einiges aus Rom erzählen, wie damals aus London. Als Geschenk denke ich morgen meine alte Ouvertüre zur einsamen Insel<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_vio8kvy2-vhq5-hcpm-trwj-r3zkkal9wrqj"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="overtures_and_other_orchestral_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100363" style="hidden">Konzert-Ouvertüre Nr. 2 Die Hebriden / The Isles of Fingal (Zur einsamen Insel) h-Moll (»Fingals Höhle«), 7. August 1829 bis 16. Dezember 1830; Umarbeitung bis 20. Juni 1832<idno type="MWV">P 7</idno><idno type="op">26</idno></name> fertig zu schreiben, und wenn ich dann darunter setze den 11 Dec. und das Heft in die Hand nehme so ist mir als sollte ich es Dir gleich geben; Du würdest dann freilich wohl sagen: Du könnest es nicht lesen, aber ich hätte Dir doch das Beste gebracht, was ich machen kann, und wenn mir an jedem Tage wohl schon so ist, als müßte ich das thun, so ist es doch mit einem Geburtstag was Eignes; ich wollte, ich wäre da. Von meinem Glückwunsch laß mich schweigen; Du weißt ihn ja und weißt, wie ich und wir Alle an Dein Glück und Deine Heiterkeit gebunden sind und daß ich Dir nichts wünschen kann, was uns nicht Allen doppelt zu Theil würde. Heute ist Feyertag, ich freue mich, wenn ich denke, wie froh es bei Euch aussehen muß. Und indem ich Dir erzähle, wie glücklich ich hier lebe, ist es mir auch, als brächte ich Dir einen Glückwunsch. Wirklich ist für mich eine Zeit, wie diese, wo sich Ernst und Annehmlichkeit vereinigen, sehr erquickend und wohlthuend. Jedesmal wenn ich in mein Zimmer trete, freue ich mich von neuen daß ich nicht den folgenden Tag weiter muß, daß ich so Manches ruhig auf Morgen verschieben darf, daß ich in Rom bin. Was mir die Zeit her durch den Kopf fuhr, wurde gleich wieder von Anderem verdrängt und die Eindrücke jagten einander, während sich hier Alles gehörig ausbreiten kann. Ich glaube, daß ich noch nie mit so vieler Lust gearbeitet habe, und wenn ich Alles ausführen soll, was ich mir vornehme, so muß ich den ganzen Winter dabey bleiben. Freilich entbehre ich die große Freude, das Fertige einem mitzutheilen, der sich daran freut und darauf eingeht, aber das treibt mich gerade wieder zum Arbeiten, weil mir selbst Alles am besten gefällt, so lange ich mitten drin bin. Und nun verknüpft sich das mit den vielen Feierlichkeiten, Festen aller Art die für ein Paar Tage einmal das Arbeiten verdrängen, und da ich mir vorgenommen habe soviel ich kann alles zu sehen und zu genießen lasse ich mich durch die Arbeit nicht hindern, und komme dann desto frischer wieder dazu zurück. Es ist wahrlich ein herrliches Leben. Mit der Gesundheit geht es mir ganz wohl, nur greift mir die warme Luft namentlich der Scirocco die Nerven sehr an und ich muß mich hüten Abends spät und viel Clavier zu spielen, auch wird es mir jetzt leicht für ein Paar Tage dem zu entgehen, weil ich in den vorigen Wochen fast jeden Abend habe spielen müssen. BunsenBunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860), der mich immer ermahnt ja nicht zu spielen, wenn es mir nicht gut wäre, gab gestern eine große Gesellschaft und da mußte ich doch heran. Es war mir auch lieb, weil ich mehrere angenehme Bekanntschaften dadurch gemacht habe, und weil namentlich ThorwaldsenThorvaldsen, Bertel (Alberto) (1770-1844) sich so freundlich gegen mich ausgesprochen hat, daß ich ganz stolz darauf bin, da ich ihn als einen der größten Männer verehre und immer bewunderte. Er ist ein Mensch wie ein Löwe, und es erquickt mich, wenn ich nur sein Gesicht ansehe: man weiß da gleich, daß er ein herrlicher Künstler sein muß und er sieht so klar aus den Augen, als müsse sich Alles gleich in ihm zu Form und Bild gestalten. Dazu ist er ganz sanft und freundlich und mild, weil er so sehr hoch steht, und doch glaub’ ich, daß er sich an jeder Kleinigkeit erfreuen kann; es ist für mich ein wirklicher Genuß einen großen Mann zu sehen, und zu denken daß der Urheber von Dingen, die ewig bleiben sollen, in seinem Leben und mit seiner Eigenthümlichkeit vor mir steht, und ein Mensch ist, wie die andern eben auch.

Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)

den 11ten Morgens. Nun ist der eigentliche Geburtstag; es sind mir eben ein Paar Noten dazu eingefallen<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_gw7cwwfc-befh-gffv-612j-pzk2kicntx8a"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100429" style="hidden">Andante maestoso F-Dur (Gemeinschaftskomposition mit Fanny Hensel), 11. Dezember 1830<idno type="MWV">U 81</idno><idno type="op"></idno></name>, und wenn sie auch nichts taugen, so war gewöhnlich an meinem Glückwunsch auch nicht viel, FannyHensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) mag den zweiten Theil dazu machen, ich schreibe nur was mir in den Sinn kam, als ich eben wieder in die Stube trat, wo die Sonne wieder schien, und Dein Geburtstag war<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_vopqndmo-dn8w-pbiu-g5ni-mqbfqratauuv"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100429" style="hidden">Andante maestoso F-Dur (Gemeinschaftskomposition mit Fanny Hensel), 11. Dezember 1830<idno type="MWV">U 81</idno><idno type="op"></idno></name>:

Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.

Ich will aber in meiner Erzählung fortfahren; die soirée bei BunsenBunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860) war überhaupt sonderbar und ganz mit Erinnerungen angefüllt; erstlich gab er mir Deinen Brief vom 22sten als ich hereintrat, den las ich nun ruhig im Zimmer, wo die Bilder, Kupferstiche und Zeitungen für die Gesellschaft ausgebreitet liegen, und als ich damit fertig war, schlug ich ein elegantes großes Etui auf, um zu sehen was es enthielte; darin fand ich eine wunderhübsche Zeichnung von Bunsens Familie<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name><name key="CRT0109165" style="hidden" type="art">Christian Carl Josias Bunsen mit seiner Familie (Zeichnung 1827)</name>, und ich wußte sehr genau wer sie gemacht hatte, wenn auch nicht das Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe. in einer Ecke gestanden hätte, die Gesichter sehen alle so hübsch und fein aus, und waren so mancherley Beziehungen darin; dann wollte ich in der Staatszeitung blättern, aber das erste was mir darin auffiel, war daß MarxMarx, Adolph Bernhard (1795-1866) Professor geworden sey; nun kam Frau v: LottumWylich und Lottum, Clotilde Gräfin von (1809-1894) herein, und RitzRietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832), der mich nicht zu ihr unter den Linden lassen wollte, muß nun erleben daß ich ihre Bekanntschaft auf dem CapitolKapitolRomItalien mache; von Mlle. CarlCarl, Henriette Bertha (1805-1890) die von ihrer Correspondentinn, der PastaPasta, Angiola Maria Costanza Giuditta (1797-1865) und von ihrem Freund RubiniRubini, Giovanni Battista (1794-1854) viel zu erzählen wußte, schweige ich lieber; endlich wurde ich einem jungen Musiker aus Kopenhagen, Herrn LüdersLüders, Heinrich Conrad Julius (1801-1856) vorgestellt und der brachte mir viele Grüße von Delphine SchaurothSchauroth, Delphine (Adolphine) von (1814-1887), BärmannBaermann, Heinrich Joseph (1784-1847) und andern Münchener Freunden, die er vor einigen Wochen noch gesehen hatte; es war ein seltsames Zusammentreffen so vieler Umstände, die mich zugleich an meine Entfernung und an die frohe Zeit, die ich an so verschiedenen Orten erlebt habe, erinnerten; wenn ich an die Menschen denke, die ich seit zwei Jahren kennen gelernt, und in deren Kreisen ich mich wohl gefühlt habe, und wenn ich dann erfahre, wie sie immer in derselben Art seitdem fortgelebt haben und sich meiner auch noch erinnern, so ist das ein ganz wunderliches Gefühl; mir kommt zuweilen dann diese ganze Reise wie ein bunter Traum vor. Ich sollte Dir wohl dergleichen nicht schreiben, lieber Vater, denn ich glaube, Du liebst es nicht, aber mir ist gerade so zu Muthe und da geht die Feder davon über. Eben war BunsenBunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860) hier, und läßt Dich sehr grüßen und Alles Glück Dir wünschen. Er ist gegen mich die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit selbst und ich denke wir vertragen uns sehr gut, da Du mich danach fragtest. PölchauPoelchau, Georg Johann Daniel (1773-1836) hast Du mir mit den Paar Worten in seiner ganzen Unliebenswürdigkeit wieder ins Gedächtniß gerufen; freilich ist der abbate SantiniSantini, Fortunato (1778-1861) gegen ihn ein obscurer Mann, denn er macht sich nicht durch Ungefälligkeit und Wichtigthuerey bedeutender, als er ist; gerade aber wie PölchauPoelchau, Georg Johann Daniel (1773-1836) einer von jenen Sammlern ist, die einem die Gelehrsamkeit und die Bibliotheken durch ihre Engherzigkeit zuwider machen, so ist Santini ein rechter Sammler im besten Sinne des Worts; ob seine Sachen großen Werth an Gelde haben ist ihm einerley, drum giebt er Alles ohne Unterschied gern weg, und sucht nur immer Neues zu bekommen, denn ihm liegt nur an Vollständigkeit und der dadurch möglichen Verbreitung und allgemeinen Kenntniß seiner alten Musik. Ich habe ihn noch nicht seitdem gesehn, weil er jetzt alle Morgen ex officio in seinem violetten Kleide in St. PeterSan Pietro in Vaticano (Petersdom)RomItalien figuriren muß; aber wenn er sich eines alten Textes bedient hat, wird er es ohne Weiteres sagen, denn es liegt ihm sehr wenig daran der Erste zu sein: er ist eigentlich ein beschränkter Mensch, und das halte ich in einem Sinne für ein großes Lob, denn wie er kein musikalisches oder sonstiges lumen ist und auch außerdem mit dem Klosterbruder<name key="PSN0112804" style="hidden" type="author">Lessing, Gotthold Ephraim (1729-1781)</name><name key="CRT0109737" style="hidden" type="dramatic_work">Nathan der Weise</name> der ergründen will, viele Ähnlichkeit hat, so weiß er sich genau auf seine Sphäre zu beschränken, die Musik interessirt ihn eigentlich nicht viel, sobald sie nur in seinem Schranke steht, und er ist und hält sich für nichts als einen ruhigen fleißigen Arbeiter. Daß er langweilig ist und auch zuweilen nicht ohne einige Schärfe muß man freilich zugeben; wenn aber ein Mensch eine bestimmte Richtung hat und verfolgt, sie nach Kräften ausbildet, und damit den andern Menschen zu nützen und die Sache weiterzubringen sucht, so habe ich ihn lieb, und glaube, daß ihn ein jeder achten soll, einerley, ob er langweilig oder angenehm sey. Ich wollte, Du läsest das PölchauPoelchau, Georg Johann Daniel (1773-1836) vor. Mich macht es jedesmal innerlichst grimmig, wenn Menschen, die gar keine Richtung haben, sich damit abgeben wollen, über andre zu urtheilen, die etwas wollen, und sey es das Kleinste, und ich habe deshalb einem Musiker hier neulich in einer Gesellschaft nach Kräften gedient. Der wollte nun gar über MozartMozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791) sprechen, und heißt Herr GeorgGeorg, Johann Gerhard, und weil BunsenBunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860) und seine SchwesterBunsen, Marie Christiane (1772-1850) PalestrinaPalestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594) lieben, suchte er sich bei ihnen dadurch einzuschmeicheln, daß er mich z. B. fragte: was ich denn über den guten MozartMozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791) mit seinen Sünden dächte? Ich antwortete ihm aber: ich meines Theils ließe gleich meine Tugenden im Stich und nähme seine Sünden dafür, wie tugendhaft er sey könne ich aber freilich nicht bestimmen. Die Leute fingen entsetzlich an zu lachen und hatten ihre Freude daran. Daß solch Volk sich nicht einmal vor den großen Namen scheuen will; indeß ist es ein Trost, daß es in allen Künsten dasselbe ist, da die Maler es hier nicht besser machen. Es sind furchtbare Leute, wenn man sie in ihrem Café GrecoCaffé GrecoRomItalien sitzen sieht; ich gehe auch nie hin, weil mich zu sehr vor ihnen graut und vor ihrem Lieblingsort; das ist ein kleines finstres Zimmer, etwa 8 Schritt breit, und auf einer Seite der Stube darf man Taback rauchen, auf der andern aber nicht, und 8 Schritt ist es breit; da sitzen sie denn auf den Bänken umher mit den breiten Hüten auf, große Schlächterhunde neben sich, Hals, Backen, das ganze Gesicht mit Haaren zugedeckt, machen einen entsetzlichen Qualm (nur auf der einen Seite) schreien Deutsch sagen einander Grobheiten, die Hunde sorgen für Verbreitung von Ungeziefer, eine Halsbinde, ein Frack, wären Neuerungen, was der Bart vom Gesicht frey läßt, das versteckt die Brille – furchtbar sehen die Künstler aus; und so trinken sie Caffee und sprechen von TitianTizian (eigtl. Tiziano Vecellio) und PordenonePordenone (eigtl. Giovanni Antonio de’ Sacchi) (?-1539), als säßen die neben ihnen und trügen auch Bärte und Sturmhüte. Dazu machen sie so kranke Madonnen, schwächliche Heilige, Milchbärte von Helden, daß ich mitunter Lust bekomme sie zu prügeln, um zu sehen, welches eigentlich ihr Ernst ist. Auch das Bild von Titian<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111091" style="hidden" type="art">Madonna mit Kind und Heiligen</name> im VaticanPalazzo VaticanoRomItalien, nach dem Du mich frägst, schonen die Höllenrichter nicht, es hat ja keinen Gegenstand und keine Bedeutung sagen sie, und daß ein Meister, der sich lange Zeit voll Liebe und Andacht mit einem Bilde beschäftigt, doch wohl so weit müßte gesehn haben, als sie mit ihren bunten Brillen, das fällt keinem ein. Und wenn ich mein Lebelang nichts weiter thun könnte, so wollte ich allen denen die vor ihren Meistern keinen Respect haben die herzlichsten Grobheiten sagen, dann hätt’ ich schon ein gutes Werk gethan. So stehn sie aber und sehen diese Pracht der Erscheinungen, von der sie keine Ahndung haben, und wagen dann sie zu beurtheilen; auf dem Bilde sind drei Stufen, oder Stadien oder wie Du es sonst nennen willst, angenommen (wie auf der Transfiguration<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110404" style="hidden" type="art">La Trasfigurazione</name> auch) unten stehen Märtyrer und Heilige, alle leidend, duldend und gedrückt vorgestellt, es liegt auf allen Gesichtern Schwermuth fast Ungeduld, einer in einem reichen Bischofskleide blickt sogar mit der lebhaftesten schmerzlichen Sehnsucht in die Höhe, als ob er weinte, und doch kann er nicht sehen, was über ihnen allen schon schwebt, und was wir wissen, die wir vor dem Bilde stehen; über ihnen nämlich in einer Wolke sitzt die Maria mit dem Kinde<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111091" style="hidden" type="art">Madonna mit Kind und Heiligen</name> voll Heiterkeit und von Engeln umgeben, die viele Kränze gewunden haben, und das Jesuskind hält einen davon und es ist als möchte es die Heiligen unten gleich bekränzen und als hielte die Mutter es für den Augenblick noch zurück. Der Contrast von dem Schmerz und Leiden unten, wo der heil. Sebastian so finster und fast gleichgültig aus dem Bilde heraussieht, gegen die hohe ungetrübte Heiterkeit in den Wolken, wo ihnen die Kränze schon bereit sind, thut ganz herrlich; hoch über der Gruppe der Maria schwebt noch der heil. Geist, von dem ein helles, strahlendes Licht sich ausbreitet, und so macht er den Schlußstein des Ganzen<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111091" style="hidden" type="art">Madonna mit Kind und Heiligen</name>. Eben fällt mir noch ein, daß Goethe im Anfang seines ersten Aufenthalts in Rom das Bild beschreibt und bewundert<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108829" style="hidden" type="literature">Italienische Reise</name>. Doch habe ich das Buch nicht mehr hier und kann es also nicht nachlesen, in wie fern es mit meiner Erzählung stimmt; er spricht ausführlich davon; es war damals im QuirinalPalazzo QuirinaleRomItalien und ist erst später nach dem VaticanPalazzo VaticanoRomItalien gekommen. Ob es nun auf Bestellung gemacht ist, wie jene behaupten, oder weshalb sonst, ist ganz einerley; er hat seinen Sinn und seine Poesie hinein gelegt und so ist es sein eigen geworden. SchadowSchadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862), mit dem ich oft und gern zusammen bin, weil er überhaupt und namentlich in seinem Fache sehr mild klar und ruhig urtheilt, und mit Bescheidenheit Alles Große erkennt, meinte neulich TitianTizian (eigtl. Tiziano Vecellio) habe nie ein gleichgültiges und nie ein langweiliges Bild gemalt, und ich glaube er hat Recht; denn Leben und Begeisterung und die gesundeste Kraft sprüht aus Allem, was er dargestellt hat, und wo die sind, da ist’s gut sein. – Das ist nun aber das Schöne und Einzige hier: daß man lauter Sachen sieht, die tausendmal beschrieben, besprochen, gemalt, beurtheilt sind, gut und schlecht, von den größten Meistern und den kleinsten Schülern, lobend und tadelnd; und daß die Sachen dennoch einen so frischen und erhebenden Eindruck machen, daß sie jeden nach seiner Eigenthümlichkeit anders anregen. Man kann sich hier von den Menschen immer an den Umgebungen erholen, wie in Berlin oft umgekehrt. – Eben empfange ich Deinen Brief vom 29sten v. M. und es freut mich herzlich manches was Du darin frägst schon beantwortet zu haben. Namentlich warnst Du mich „vor dem wüsten Kneipen und dem Caffeehausleben der deutschen Künstler“ hier, und es ist hübsch, daß ich gerade zufällig auf der vorigen Seite darüber mein Herz ausgeschüttet habe; was ich über den Titian<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111091" style="hidden" type="art">Madonna mit Kind und Heiligen</name> im VatikanPalazzo VaticanoRomItalien denke, werde ich in den nächsten Tagen nach Weimar schreiben, vorher noch (hoffentlich übermorgen) an ZelterZelter, Carl Friedrich (1758-1832) mit den verlangten Berichten. Was die Lieder betrifft, so möchte ich Dich bitten sie, falls sie noch nicht fortgeschickt sind, mir aufzuheben, bis ich Euch einmal wieder näher komme, der Plan der Sinfonie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_izijjgrp-yk70-stir-a0fj-tz4wopwwz8my"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="works_not_executed" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100714" style="hidden">Revolutionssinfonie<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name> ist bey mir noch sehr in weitem Felde und durch die neue Revolution gerade so sehr verrückt, daß ich nicht weiß wie und ob ich je dazu kommen werde, zunächst stehen mir noch zwei andre Sinfonien, eine aus Schottland<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_hoye8eqx-nwxr-avnc-qpyw-rrgr22c9ieex"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100344" style="hidden">Sinfonie Nr. 3 a-Moll (»Schottische«) für Orchester, 30. Juli 1829; [ca. 1841] bis 20. Januar 1842<idno type="MWV">N 18</idno><idno type="op">56</idno></name>, eine aus Italien<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_dkdbnhxj-samc-r9ye-0fgi-i8utgevtt8gp"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100342" style="hidden">Sinfonie A-Dur (»Italienische«) für Orchester, [Ende 1830] bis 13. März 1833; [Juni 1834 bis Anfang 1835]<idno type="MWV">N 16</idno><idno type="op">90</idno></name> vor und selbst ehe ich zu denen komme habe ich noch viel zu thun; auch die Briefe haben gar keine Eile, ich habe fast mehr Bekanntschaften gemacht, als mir lieb ist, weil das späte Aufbleiben und Musiciren mir zu Rom gar nicht paßt, und so kann ich sie nun mit Geduld erwarten; es ließ sich früher nicht so an, und daher bat ich so dringend darum. Nur was Du mir von den Cotterien sagst, denen ich nun entwachsen sey, kann ich nicht recht verstehen, denn ich weiß, daß ich und wir alle immer das, was man gewöhnlich so nennt, eine abgeschlossene, an Äußerlichkeiten klebende, leere Geselligkeit von Herzen gehaßt und gefürchtet haben; es ist aber wohl fast natürlich daß sich unter Menschen, die sich täglich sehen ohne daß ihr Interesse sich verändert, denen auch die Theilnahme an dem Öffentlichen fehlen muß, wie es denn in Berlin, das Theater ausgenommen, wohl der Fall ist daß sich bei denen eine lustige, heitere, eigne Art über Dinge zu sprechen leicht bildet, und daß so eine besondre, vielleicht auch einförmige Sprache entsteht; aber das kann noch keine Cotterie machen, und ich glaube gewiß, daß ich nie zu einer Cotterie gehören werde, ich mag nun in Rom oder in Wittenberg sein; es freut mich, daß das letzte Wort welches ich schrieb ehe Dein Brief kam war, daß man sich in Berlin von den Umgebungen an den Menschen erholen müsse, und das zeigt wohl, daß ich nicht dem Cotteriengeist das Wort reden möchte, da der die Menschen gerade von sich entfernt. Es thäte mir leid, wenn Du von mir oder irgend einem von uns so etwas anders als augenblicklich bemerken könntest. – Verzeihe mir, lieber Vater, wenn ich mich so heftig dagegen vertheidige, aber mir ist schon das Wort im Innersten zuwider, und Du schreibst mir ja selbst in dem Briefe, ich solle immer gerade heraus reden, wie es mir zu Muth ist; da nimm mir es denn nicht übel. Es ist mir lieb, daß SchubringSchubring, Karl Julius (1806-1889) mit seinem Instrumente zufrieden ist, und ich muß Dich bei dieser Gelegenheit bitten mir einen Gefallen zu thun. Du weißt, daß die Herzoginn von DessauAnhalt-Dessau, Friederike Wilhelmina Louise Amalia Herzogin von (1796-1850) mir mündlich Auftrag gegeben hat, ihr Abschrift von Italiänischen alten Kirchensachen zu verschaffen, deren Titel sie mir aufschrieb und mitgab. Ich habe nun durch SantiniSantini, Fortunato (1778-1861), der alle diese Werke ohne Ausnahme besitzt, Gelegenheit die Copien zu bekommen und er verlangt dafür nur einen höheren Copierlohn, nämlich für 8 Seiten 3 Paoli; bei genauerer Besichtigung des Catalogs finde ich aber, daß sie meist große Werke: Messen, Sammlungen von Duetten, Terzetten, u. dgl. verlangt, und nach einer Überlegung mit SantiniSantini, Fortunato (1778-1861) würden die Copien von den Sachen, die sie mir aufgeschrieben hat, mehr als 100 scudi kosten. Für eine so hohe Summe nun will ich nichts ohne schriftlichen Auftrag bestellen, und bitte Dich daher, dies doch an SchubringSchubring, Karl Julius (1806-1889) zu melden, und mir ein Paar Worte schriftlich von der HerzoginnAnhalt-Dessau, Friederike Wilhelmina Louise Amalia Herzogin von (1796-1850) zu verschaffen; ihn auch zugleich wissen zu lassen, daß ich um keine Zeit zu verlieren (weil die ganze Copie schwerlich bis zu meiner Abreise nach Neapel wird fertig sein können) schon einige Copien habe anfertigen lassen, doch habe ich als Grenze des Lohns 20 scudi gesetzt, und wenn dafür geschrieben ist, so laß ich nicht weiter fortfahren, bis ich den schriftlichen Auftrag habe. Ich würde Dich damit nicht belästigen, doch habe ich auf einen früheren Brief an SchubringSchubring, Karl Julius (1806-1889) noch keine Antwort, und hoffe durch Dich den Bescheid genauer und schneller zu erhalten; auch stehst Du ja in Correspondenz mit ihm, wie Du mir schreibst. – Eine Post, die 11 Tage geht, existirt jetzt nicht, die kürzeste Zeit braucht (nach BunsenBunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860)) die vom Dinstag, deren Briefe Montag ankommen, während die vom Sonnabend und Donnerstag erst denselben Tag in der 2ten Woche. Die Einrichtung, die wir jetzt befolgen, ist wohl auf jeden Fall die beste. – Noch muß ich hinzusetzen, daß ich Dir eine falsche Meldung in einigen meiner vorigen Briefe gemacht habe, wenn ich sagte ich brauchte 30 scudi monatlich; nach den ersten Wochen glaubte ich so, doch sehe ich jetzt, daß ich wohl damit nicht auskommen und wohl 40 brauchen werde. Doch kann ich es erst bestimmt melden, wenn ich den Durchschnitt von diesen beiden Monaten wissen werde, und schreibe es dann gleich. Verzeihe die Voreiligkeit. – Heut früh war ich im Sct. PeterSan Pietro in Vaticano (Petersdom)RomItalien, wo die großen Feierlichkeiten, Absolutionen genannt, für den PapstPius VIII. (eigtl. Francesco Saverio Graf Castiglioni) (1761-1830) angefangen haben, und bis Dienstag, wo die Cardinäle ins Conclave gehen, dauern werden. Das Gebäude ist über alle Vorstellung, mir kommt es immer vor, wie irgend ein großes Naturwerk, ein Wald, Felsmassen oder dgl. denn die Idee eines Menschenwerks verliere ich immer dabey; man sieht nach der Decke ebensowenig, wie sonst nach dem Himmel, man verläuft sich darin, geht darin spazieren und geht sich bald sehr müde; es wird Gottesdienst darin gehalten und gesungen, man merkt es aber erst wenn man in die Nähe kommt; die Taufengel sind ungeschlachte Riesen, die Tauben colossale Raubvögel, man verliert alle Idee von Augenmaaß und Verhältniß; und doch wird einem jedesmal das Herz weit, wenn man unter der Kuppel steht und bis hinauf in einem Blicke sieht. Nun ist heut im Schiff ein ungeheurer Catafalk aufgerichtet, der etwa diese Form hat: Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe. in der Mitte unter den Säulen steht der Sarg; geschmacklos ist das Ding und doch macht es einen tollen Effect; das obere Rund a b ist nämlich dicht mit Lichtern besetzt, eben so die Verzierungen darauf; das untere Rund c d ebenfalls, und über dem Sarg hängt eine brennende Ampel; unter den Statuen brennen unzählige Lichter; dazu ist das Ganze über 100 Fuß hoch, und steht einem gerade entgegen wenn man hereintritt. Nun ziehn die Ehrengarde und die Schweizer ein Viereck umher, in jede Ecke setzt sich ein Cardinal in tiefer Trauer mit seinen Dienern, die große brennende Fackeln halten, und dann fängt der Gesang an mit den Responsorien, so einfach und einförmig, wie Ihr ihn kennt. Es ist das Einzigemal, daß mitten in der Kirche gesungen wird, und thut eine wunderbare Wirkung; schon blos, wenn man unter den Sängern steht (ich darf das) und sie ansieht, hat man einen prächtigen Eindruck, denn da stehn sie alle um ihr colossales Buch aus dem sie singen, und das Buch ist wieder von einer colossalen Fackel erleuchtet, die davor brennt, und wie sie sich alle in ihrem Ornat drängen, um gut zu sehn und zu singen, und BainiBaini, Giuseppe Giacobbe Baldassar(r)e (1775-1844), mit seinem Mönchsgesicht, der den Takt mit der Hand schlägt und dann und wann einmal gewaltig dazwischen brüllt, dann alle die verschiedenen Italiänischen Gesichter zu beobachten es ist eine Freude. Und wie man dann hier nur immer von einem Genuß zum andern zu eilen hat, so ist es auch in ihren Kirchen, namentlich im Sct. PeterSan Pietro in Vaticano (Petersdom)RomItalien, wo ein paar Schritte gleich die ganze Scene verändern: ich ging ans äußerste Ende und da war ein wunderbarer Anblick: Durch die gewundnen Säulen des Hochaltars, der bekanntlich so hoch wie das Berliner Schloß ist, und über den Raum der Kuppel hinweg, sah man perspectivisch verkleinert den ganzen Catafalk mit seinen Lichterchen und die vielen kleinen Menschen, die sich umher drängten; fängt nun die Musik an, so kommen die Töne viel später bis dahin, verhallen und vermischen sich im unermeßlichen Raume, so daß man die seltsamsten unbestimmten Harmonien vernimmt. Ändert man nun wieder die Stellung, und stellt sich vorn an den Catafalk hin, so hat man hinter der Gluth der vielen Lichter und der glänzenden Pracht gleich die dämmrige Kuppel voll blauen Duft, und das ist gar erst unbeschreiblich. – Es ist eben Rom.

Der Brief ist lang geworden, ich will ihn schließen; er wird gerade zu Weihnachten ankommen; ein fröhliches Fest dann Euch Allen! Ich schicke aber auch Geschenke, die gehen übermorgen ab, und kommen zum Tage der silbernen Hochzeit an: es sind da viel frohe Feiertage dicht zusammen, und ich weiß nun nicht recht, ob ich mich heut zu Euch hindenken soll, und Dir, lieber Vater, Glück wünschen, oder ob ich mit dem Brief denke und zu Weihnachten ankomme und von MutterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) nicht durch die gelbe Stube gelassen werde. Beim Denken muß es nun bleiben. Lebt aber alle wohl, und seyd glücklich.

Felix
            Rom d. 10 Dec. 1830Lieber Vater
dem Tage nach ist es heute ein Jahr, daß wir Deinen Geburtstag bei Hensels feyerten, und da laß mich thun, als wär es jetzt wieder so, und laß mich Dir einiges aus Rom erzählen, wie damals aus London. Als Geschenk denke ich morgen meine alte Ouvertüre zur einsamen Insel fertig zu schreiben, und wenn ich dann darunter setze den 11 Dec. und das Heft in die Hand nehme so ist mir als sollte ich es Dir gleich geben; Du würdest dann freilich wohl sagen: Du könnest es nicht lesen, aber ich hätte Dir doch das Beste gebracht, was ich machen kann, und wenn mir an jedem Tage wohl schon so ist, als müßte ich das thun, so ist es doch mit einem Geburtstag was Eignes; ich wollte, ich wäre da. Von meinem Glückwunsch laß mich schweigen; Du weißt ihn ja und weißt, wie ich und wir Alle an Dein Glück und Deine Heiterkeit gebunden sind und daß ich Dir nichts wünschen kann, was uns nicht Allen doppelt zu Theil würde. Heute ist Feyertag, ich freue mich, wenn ich denke, wie froh es bei Euch aussehen muß. Und indem ich Dir erzähle, wie glücklich ich hier lebe, ist es mir auch, als brächte ich Dir einen Glückwunsch. Wirklich ist für mich eine Zeit, wie diese, wo sich Ernst und Annehmlichkeit vereinigen, sehr erquickend und wohlthuend. Jedesmal wenn ich in mein Zimmer trete, freue ich mich von neuen daß ich nicht den folgenden Tag weiter muß, daß ich so Manches ruhig auf Morgen verschieben darf, daß ich in Rom bin. Was mir die Zeit her durch den Kopf fuhr, wurde gleich wieder von Anderem verdrängt und die Eindrücke jagten einander, während sich hier Alles gehörig ausbreiten kann. Ich glaube, daß ich noch nie mit so vieler Lust gearbeitet habe, und wenn ich Alles ausführen soll, was ich mir vornehme, so muß ich den ganzen Winter dabey bleiben. Freilich entbehre ich die große Freude, das Fertige einem mitzutheilen, der sich daran freut und darauf eingeht, aber das treibt mich gerade wieder zum Arbeiten, weil mir selbst Alles am besten gefällt, so lange ich mitten drin bin. Und nun verknüpft sich das mit den vielen Feierlichkeiten, Festen aller Art die für ein Paar Tage einmal das Arbeiten verdrängen, und da ich mir vorgenommen habe soviel ich kann alles zu sehen und zu genießen lasse ich mich durch die Arbeit nicht hindern, und komme dann desto frischer wieder dazu zurück. Es ist wahrlich ein herrliches Leben. Mit der Gesundheit geht es mir ganz wohl, nur greift mir die warme Luft namentlich der Scirocco die Nerven sehr an und ich muß mich hüten Abends spät und viel Clavier zu spielen, auch wird es mir jetzt leicht für ein Paar Tage dem zu entgehen, weil ich in den vorigen Wochen fast jeden Abend habe spielen müssen. Bunsen, der mich immer ermahnt ja nicht zu spielen, wenn es mir nicht gut wäre, gab gestern eine große Gesellschaft und da mußte ich doch heran. Es war mir auch lieb, weil ich mehrere angenehme Bekanntschaften dadurch gemacht habe, und weil namentlich Thorwaldsen sich so freundlich gegen mich ausgesprochen hat, daß ich ganz stolz darauf bin, da ich ihn als einen der größten Männer verehre und immer bewunderte. Er ist ein Mensch wie ein Löwe, und es erquickt mich, wenn ich nur sein Gesicht ansehe: man weiß da gleich, daß er ein herrlicher Künstler sein muß und er sieht so klar aus den Augen, als müsse sich Alles gleich in ihm zu Form und Bild gestalten. Dazu ist er ganz sanft und freundlich und mild, weil er so sehr hoch steht, und doch glaub’ ich, daß er sich an jeder Kleinigkeit erfreuen kann; es ist für mich ein wirklicher Genuß einen großen Mann zu sehen, und zu denken daß der Urheber von Dingen, die ewig bleiben sollen, in seinem Leben und mit seiner Eigenthümlichkeit vor mir steht, und ein Mensch ist, wie die andern eben auch.
den 11ten Morgens. Nun ist der eigentliche Geburtstag; es sind mir eben ein Paar Noten dazu eingefallen, und wenn sie auch nichts taugen, so war gewöhnlich an meinem Glückwunsch auch nicht viel, Fanny mag den zweiten Theil dazu machen, ich schreibe nur was mir in den Sinn kam, als ich eben wieder in die Stube trat, wo die Sonne wieder schien, und Dein Geburtstag war :
Ich will aber in meiner Erzählung fortfahren; die soirée bei Bunsen war überhaupt sonderbar und ganz mit Erinnerungen angefüllt; erstlich gab er mir Deinen Brief vom 22sten als ich hereintrat, den las ich nun ruhig im Zimmer, wo die Bilder, Kupferstiche und Zeitungen für die Gesellschaft ausgebreitet liegen, und als ich damit fertig war, schlug ich ein elegantes großes Etui auf, um zu sehen was es enthielte; darin fand ich eine wunderhübsche Zeichnung von Bunsens Familie, und ich wußte sehr genau wer sie gemacht hatte, wenn auch nicht das in einer Ecke gestanden hätte, die Gesichter sehen alle so hübsch und fein aus, und waren so mancherley Beziehungen darin; dann wollte ich in der Staatszeitung blättern, aber das erste was mir darin auffiel, war daß Marx Professor geworden sey; nun kam Frau v: Lottum herein, und Ritz, der mich nicht zu ihr unter den Linden lassen wollte, muß nun erleben daß ich ihre Bekanntschaft auf dem Capitol mache; von Mlle. Carl die von ihrer Correspondentinn, der Pasta und von ihrem Freund Rubini viel zu erzählen wußte, schweige ich lieber; endlich wurde ich einem jungen Musiker aus Kopenhagen, Herrn Lüders vorgestellt und der brachte mir viele Grüße von Delphine Schauroth, Bärmann und andern Münchener Freunden, die er vor einigen Wochen noch gesehen hatte; es war ein seltsames Zusammentreffen so vieler Umstände, die mich zugleich an meine Entfernung und an die frohe Zeit, die ich an so verschiedenen Orten erlebt habe, erinnerten; wenn ich an die Menschen denke, die ich seit zwei Jahren kennen gelernt, und in deren Kreisen ich mich wohl gefühlt habe, und wenn ich dann erfahre, wie sie immer in derselben Art seitdem fortgelebt haben und sich meiner auch noch erinnern, so ist das ein ganz wunderliches Gefühl; mir kommt zuweilen dann diese ganze Reise wie ein bunter Traum vor. Ich sollte Dir wohl dergleichen nicht schreiben, lieber Vater, denn ich glaube, Du liebst es nicht, aber mir ist gerade so zu Muthe und da geht die Feder davon über. Eben war Bunsen hier, und läßt Dich sehr grüßen und Alles Glück Dir wünschen. Er ist gegen mich die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit selbst und ich denke wir vertragen uns sehr gut, da Du mich danach fragtest. Pölchau hast Du mir mit den Paar Worten in seiner ganzen Unliebenswürdigkeit wieder ins Gedächtniß gerufen; freilich ist der abbate Santini gegen ihn ein obscurer Mann, denn er macht sich nicht durch Ungefälligkeit und Wichtigthuerey bedeutender, als er ist; gerade aber wie Pölchau einer von jenen Sammlern ist, die einem die Gelehrsamkeit und die Bibliotheken durch ihre Engherzigkeit zuwider machen, so ist Santini ein rechter Sammler im besten Sinne des Worts; ob seine Sachen großen Werth an Gelde haben ist ihm einerley, drum giebt er Alles ohne Unterschied gern weg, und sucht nur immer Neues zu bekommen, denn ihm liegt nur an Vollständigkeit und der dadurch möglichen Verbreitung und allgemeinen Kenntniß seiner alten Musik. Ich habe ihn noch nicht seitdem gesehn, weil er jetzt alle Morgen ex officio in seinem violetten Kleide in St. Peter figuriren muß; aber wenn er sich eines alten Textes bedient hat, wird er es ohne Weiteres sagen, denn es liegt ihm sehr wenig daran der Erste zu sein: er ist eigentlich ein beschränkter Mensch, und das halte ich in einem Sinne für ein großes Lob, denn wie er kein musikalisches oder sonstiges lumen ist und auch außerdem mit dem Klosterbruder der ergründen will, viele Ähnlichkeit hat, so weiß er sich genau auf seine Sphäre zu beschränken, die Musik interessirt ihn eigentlich nicht viel, sobald sie nur in seinem Schranke steht, und er ist und hält sich für nichts als einen ruhigen fleißigen Arbeiter. Daß er langweilig ist und auch zuweilen nicht ohne einige Schärfe muß man freilich zugeben; wenn aber ein Mensch eine bestimmte Richtung hat und verfolgt, sie nach Kräften ausbildet, und damit den andern Menschen zu nützen und die Sache weiterzubringen sucht, so habe ich ihn lieb, und glaube, daß ihn ein jeder achten soll, einerley, ob er langweilig oder angenehm sey. Ich wollte, Du läsest das Pölchau vor. Mich macht es jedesmal innerlichst grimmig, wenn Menschen, die gar keine Richtung haben, sich damit abgeben wollen, über andre zu urtheilen, die etwas wollen, und sey es das Kleinste, und ich habe deshalb einem Musiker hier neulich in einer Gesellschaft nach Kräften gedient. Der wollte nun gar über Mozart sprechen, und heißt Herr Georg, und weil Bunsen und seine Schwester Palestrina lieben, suchte er sich bei ihnen dadurch einzuschmeicheln, daß er mich z. B. fragte: was ich denn über den guten Mozart mit seinen Sünden dächte? Ich antwortete ihm aber: ich meines Theils ließe gleich meine Tugenden im Stich und nähme seine Sünden dafür, wie tugendhaft er sey könne ich aber freilich nicht bestimmen. Die Leute fingen entsetzlich an zu lachen und hatten ihre Freude daran. Daß solch Volk sich nicht einmal vor den großen Namen scheuen will; indeß ist es ein Trost, daß es in allen Künsten dasselbe ist, da die Maler es hier nicht besser machen. Es sind furchtbare Leute, wenn man sie in ihrem Café Greco sitzen sieht; ich gehe auch nie hin, weil mich zu sehr vor ihnen graut und vor ihrem Lieblingsort; das ist ein kleines finstres Zimmer, etwa 8 Schritt breit, und auf einer Seite der Stube darf man Taback rauchen, auf der andern aber nicht, und 8 Schritt ist es breit; da sitzen sie denn auf den Bänken umher mit den breiten Hüten auf, große Schlächterhunde neben sich, Hals, Backen, das ganze Gesicht mit Haaren zugedeckt, machen einen entsetzlichen Qualm (nur auf der einen Seite) schreien Deutsch sagen einander Grobheiten, die Hunde sorgen für Verbreitung von Ungeziefer, eine Halsbinde, ein Frack, wären Neuerungen, was der Bart vom Gesicht frey läßt, das versteckt die Brille – furchtbar sehen die Künstler aus; und so trinken sie Caffee und sprechen von Titian und Pordenone, als säßen die neben ihnen und trügen auch Bärte und Sturmhüte. Dazu machen sie so kranke Madonnen, schwächliche Heilige, Milchbärte von Helden, daß ich mitunter Lust bekomme sie zu prügeln, um zu sehen, welches eigentlich ihr Ernst ist. Auch das Bild von Titian im Vatican, nach dem Du mich frägst, schonen die Höllenrichter nicht, es hat ja keinen Gegenstand und keine Bedeutung sagen sie, und daß ein Meister, der sich lange Zeit voll Liebe und Andacht mit einem Bilde beschäftigt, doch wohl so weit müßte gesehn haben, als sie mit ihren bunten Brillen, das fällt keinem ein. Und wenn ich mein Lebelang nichts weiter thun könnte, so wollte ich allen denen die vor ihren Meistern keinen Respect haben die herzlichsten Grobheiten sagen, dann hätt’ ich schon ein gutes Werk gethan. So stehn sie aber und sehen diese Pracht der Erscheinungen, von der sie keine Ahndung haben, und wagen dann sie zu beurtheilen; auf dem Bilde sind drei Stufen, oder Stadien oder wie Du es sonst nennen willst, angenommen (wie auf der Transfiguration auch) unten stehen Märtyrer und Heilige, alle leidend, duldend und gedrückt vorgestellt, es liegt auf allen Gesichtern Schwermuth fast Ungeduld, einer in einem reichen Bischofskleide blickt sogar mit der lebhaftesten schmerzlichen Sehnsucht in die Höhe, als ob er weinte, und doch kann er nicht sehen, was über ihnen allen schon schwebt, und was wir wissen, die wir vor dem Bilde stehen; über ihnen nämlich in einer Wolke sitzt die Maria mit dem Kinde voll Heiterkeit und von Engeln umgeben, die viele Kränze gewunden haben, und das Jesuskind hält einen davon und es ist als möchte es die Heiligen unten gleich bekränzen und als hielte die Mutter es für den Augenblick noch zurück. Der Contrast von dem Schmerz und Leiden unten, wo der heil. Sebastian so finster und fast gleichgültig aus dem Bilde heraussieht, gegen die hohe ungetrübte Heiterkeit in den Wolken, wo ihnen die Kränze schon bereit sind, thut ganz herrlich; hoch über der Gruppe der Maria schwebt noch der heil. Geist, von dem ein helles, strahlendes Licht sich ausbreitet, und so macht er den Schlußstein des Ganzen. Eben fällt mir noch ein, daß Goethe im Anfang seines ersten Aufenthalts in Rom das Bild beschreibt und bewundert. Doch habe ich das Buch nicht mehr hier und kann es also nicht nachlesen, in wie fern es mit meiner Erzählung stimmt; er spricht ausführlich davon; es war damals im Quirinal und ist erst später nach dem Vatican gekommen. Ob es nun auf Bestellung gemacht ist, wie jene behaupten, oder weshalb sonst, ist ganz einerley; er hat seinen Sinn und seine Poesie hinein gelegt und so ist es sein eigen geworden. Schadow, mit dem ich oft und gern zusammen bin, weil er überhaupt und namentlich in seinem Fache sehr mild klar und ruhig urtheilt, und mit Bescheidenheit Alles Große erkennt, meinte neulich Titian habe nie ein gleichgültiges und nie ein langweiliges Bild gemalt, und ich glaube er hat Recht; denn Leben und Begeisterung und die gesundeste Kraft sprüht aus Allem, was er dargestellt hat, und wo die sind, da ist’s gut sein. – Das ist nun aber das Schöne und Einzige hier: daß man lauter Sachen sieht, die tausendmal beschrieben, besprochen, gemalt, beurtheilt sind, gut und schlecht, von den größten Meistern und den kleinsten Schülern, lobend und tadelnd; und daß die Sachen dennoch einen so frischen und erhebenden Eindruck machen, daß sie jeden nach seiner Eigenthümlichkeit anders anregen. Man kann sich hier von den Menschen immer an den Umgebungen erholen, wie in Berlin oft umgekehrt. – Eben empfange ich Deinen Brief vom 29sten v. M. und es freut mich herzlich manches was Du darin frägst schon beantwortet zu haben. Namentlich warnst Du mich „vor dem wüsten Kneipen und dem Caffeehausleben der deutschen Künstler“ hier, und es ist hübsch, daß ich gerade zufällig auf der vorigen Seite darüber mein Herz ausgeschüttet habe; was ich über den Titian im Vatikan denke, werde ich in den nächsten Tagen nach Weimar schreiben, vorher noch (hoffentlich übermorgen) an Zelter mit den verlangten Berichten. Was die Lieder betrifft, so möchte ich Dich bitten sie, falls sie noch nicht fortgeschickt sind, mir aufzuheben, bis ich Euch einmal wieder näher komme, der Plan der Sinfonie ist bey mir noch sehr in weitem Felde und durch die neue Revolution gerade so sehr verrückt, daß ich nicht weiß wie und ob ich je dazu kommen werde, zunächst stehen mir noch zwei andre Sinfonien, eine aus Schottland, eine aus Italien vor und selbst ehe ich zu denen komme habe ich noch viel zu thun; auch die Briefe haben gar keine Eile, ich habe fast mehr Bekanntschaften gemacht, als mir lieb ist, weil das späte Aufbleiben und Musiciren mir zu Rom gar nicht paßt, und so kann ich sie nun mit Geduld erwarten; es ließ sich früher nicht so an, und daher bat ich so dringend darum. Nur was Du mir von den Cotterien sagst, denen ich nun entwachsen sey, kann ich nicht recht verstehen, denn ich weiß, daß ich und wir alle immer das, was man gewöhnlich so nennt, eine abgeschlossene, an Äußerlichkeiten klebende, leere Geselligkeit von Herzen gehaßt und gefürchtet haben; es ist aber wohl fast natürlich daß sich unter Menschen, die sich täglich sehen ohne daß ihr Interesse sich verändert, denen auch die Theilnahme an dem Öffentlichen fehlen muß, wie es denn in Berlin, das Theater ausgenommen, wohl der Fall ist daß sich bei denen eine lustige, heitere, eigne Art über Dinge zu sprechen leicht bildet, und daß so eine besondre, vielleicht auch einförmige Sprache entsteht; aber das kann noch keine Cotterie machen, und ich glaube gewiß, daß ich nie zu einer Cotterie gehören werde, ich mag nun in Rom oder in Wittenberg sein; es freut mich, daß das letzte Wort welches ich schrieb ehe Dein Brief kam war, daß man sich in Berlin von den Umgebungen an den Menschen erholen müsse, und das zeigt wohl, daß ich nicht dem Cotteriengeist das Wort reden möchte, da der die Menschen gerade von sich entfernt. Es thäte mir leid, wenn Du von mir oder irgend einem von uns so etwas anders als augenblicklich bemerken könntest. – Verzeihe mir, lieber Vater, wenn ich mich so heftig dagegen vertheidige, aber mir ist schon das Wort im Innersten zuwider, und Du schreibst mir ja selbst in dem Briefe, ich solle immer gerade heraus reden, wie es mir zu Muth ist; da nimm mir es denn nicht übel. Es ist mir lieb, daß Schubring mit seinem Instrumente zufrieden ist, und ich muß Dich bei dieser Gelegenheit bitten mir einen Gefallen zu thun. Du weißt, daß die Herzoginn von Dessau mir mündlich Auftrag gegeben hat, ihr Abschrift von Italiänischen alten Kirchensachen zu verschaffen, deren Titel sie mir aufschrieb und mitgab. Ich habe nun durch Santini, der alle diese Werke ohne Ausnahme besitzt, Gelegenheit die Copien zu bekommen und er verlangt dafür nur einen höheren Copierlohn, nämlich für 8 Seiten 3 Paoli; bei genauerer Besichtigung des Catalogs finde ich aber, daß sie meist große Werke: Messen, Sammlungen von Duetten, Terzetten, u. dgl. verlangt, und nach einer Überlegung mit Santini würden die Copien von den Sachen, die sie mir aufgeschrieben hat, mehr als 100 scudi kosten. Für eine so hohe Summe nun will ich nichts ohne schriftlichen Auftrag bestellen, und bitte Dich daher, dies doch an Schubring zu melden, und mir ein Paar Worte schriftlich von der Herzoginn zu verschaffen; ihn auch zugleich wissen zu lassen, daß ich um keine Zeit zu verlieren (weil die ganze Copie schwerlich bis zu meiner Abreise nach Neapel wird fertig sein können) schon einige Copien habe anfertigen lassen, doch habe ich als Grenze des Lohns 20 scudi gesetzt, und wenn dafür geschrieben ist, so laß ich nicht weiter fortfahren, bis ich den schriftlichen Auftrag habe. Ich würde Dich damit nicht belästigen, doch habe ich auf einen früheren Brief an Schubring noch keine Antwort, und hoffe durch Dich den Bescheid genauer und schneller zu erhalten; auch stehst Du ja in Correspondenz mit ihm, wie Du mir schreibst. – Eine Post, die 11 Tage geht, existirt jetzt nicht, die kürzeste Zeit braucht (nach Bunsen) die vom Dinstag, deren Briefe Montag ankommen, während die vom Sonnabend und Donnerstag erst denselben Tag in der 2ten Woche. Die Einrichtung, die wir jetzt befolgen, ist wohl auf jeden Fall die beste. – Noch muß ich hinzusetzen, daß ich Dir eine falsche Meldung in einigen meiner vorigen Briefe gemacht habe, wenn ich sagte ich brauchte 30 scudi monatlich; nach den ersten Wochen glaubte ich so, doch sehe ich jetzt, daß ich wohl damit nicht auskommen und wohl 40 brauchen werde. Doch kann ich es erst bestimmt melden, wenn ich den Durchschnitt von diesen beiden Monaten wissen werde, und schreibe es dann gleich. Verzeihe die Voreiligkeit. – Heut früh war ich im Sct. Peter, wo die großen Feierlichkeiten, Absolutionen genannt, für den Papst angefangen haben, und bis Dienstag, wo die Cardinäle ins Conclave gehen, dauern werden. Das Gebäude ist über alle Vorstellung, mir kommt es immer vor, wie irgend ein großes Naturwerk, ein Wald, Felsmassen oder dgl. denn die Idee eines Menschenwerks verliere ich immer dabey; man sieht nach der Decke ebensowenig, wie sonst nach dem Himmel, man verläuft sich darin, geht darin spazieren und geht sich bald sehr müde; es wird Gottesdienst darin gehalten und gesungen, man merkt es aber erst wenn man in die Nähe kommt; die Taufengel sind ungeschlachte Riesen, die Tauben colossale Raubvögel, man verliert alle Idee von Augenmaaß und Verhältniß; und doch wird einem jedesmal das Herz weit, wenn man unter der Kuppel steht und bis hinauf in einem Blicke sieht. Nun ist heut im Schiff ein ungeheurer Catafalk aufgerichtet, der etwa diese Form hat: in der Mitte unter den Säulen steht der Sarg; geschmacklos ist das Ding und doch macht es einen tollen Effect; das obere Rund a b ist nämlich dicht mit Lichtern besetzt, eben so die Verzierungen darauf; das untere Rund c d ebenfalls, und über dem Sarg hängt eine brennende Ampel; unter den Statuen brennen unzählige Lichter; dazu ist das Ganze über 100 Fuß hoch, und steht einem gerade entgegen wenn man hereintritt. Nun ziehn die Ehrengarde und die Schweizer ein Viereck umher, in jede Ecke setzt sich ein Cardinal in tiefer Trauer mit seinen Dienern, die große brennende Fackeln halten, und dann fängt der Gesang an mit den Responsorien, so einfach und einförmig, wie Ihr ihn kennt. Es ist das Einzigemal, daß mitten in der Kirche gesungen wird, und thut eine wunderbare Wirkung; schon blos, wenn man unter den Sängern steht (ich darf das) und sie ansieht, hat man einen prächtigen Eindruck, denn da stehn sie alle um ihr colossales Buch aus dem sie singen, und das Buch ist wieder von einer colossalen Fackel erleuchtet, die davor brennt, und wie sie sich alle in ihrem Ornat drängen, um gut zu sehn und zu singen, und Baini, mit seinem Mönchsgesicht, der den Takt mit der Hand schlägt und dann und wann einmal gewaltig dazwischen brüllt, dann alle die verschiedenen Italiänischen Gesichter zu beobachten es ist eine Freude. Und wie man dann hier nur immer von einem Genuß zum andern zu eilen hat, so ist es auch in ihren Kirchen, namentlich im Sct. Peter, wo ein paar Schritte gleich die ganze Scene verändern: ich ging ans äußerste Ende und da war ein wunderbarer Anblick: Durch die gewundnen Säulen des Hochaltars, der bekanntlich so hoch wie das Berliner Schloß ist, und über den Raum der Kuppel hinweg, sah man perspectivisch verkleinert den ganzen Catafalk mit seinen Lichterchen und die vielen kleinen Menschen, die sich umher drängten; fängt nun die Musik an, so kommen die Töne viel später bis dahin, verhallen und vermischen sich im unermeßlichen Raume, so daß man die seltsamsten unbestimmten Harmonien vernimmt. Ändert man nun wieder die Stellung, und stellt sich vorn an den Catafalk hin, so hat man hinter der Gluth der vielen Lichter und der glänzenden Pracht gleich die dämmrige Kuppel voll blauen Duft, und das ist gar erst unbeschreiblich. – Es ist eben Rom.
Der Brief ist lang geworden, ich will ihn schließen; er wird gerade zu Weihnachten ankommen; ein fröhliches Fest dann Euch Allen! Ich schicke aber auch Geschenke, die gehen übermorgen ab, und kommen zum Tage der silbernen Hochzeit an: es sind da viel frohe Feiertage dicht zusammen, und ich weiß nun nicht recht, ob ich mich heut zu Euch hindenken soll, und Dir, lieber Vater, Glück wünschen, oder ob ich mit dem Brief denke und zu Weihnachten ankomme und von Mutter nicht durch die gelbe Stube gelassen werde. Beim Denken muß es nun bleiben. Lebt aber alle wohl, und seyd glücklich.
Felix          
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Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 2, 381</idno></publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_bfb7c7a4-bb07-438c-8d83-fd57ec1e1e9e"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 13, fol. 27-30.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1830-12-11-01" type="letter" xml:id="title_d9d24282-6474-40fa-adb6-55ab8033de58">Felix Mendelssohn Bartholdy an Abraham Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Rom, 10. und 11. Dezember 1830</title> <incipit>dem Tage nach ist es heute ein Jahr, daß wir Deinen Geburtstag bei Hensels feyerten, und da laß mich thun, als wär es jetzt wieder so, und laß mich Dir einiges aus Rom erzählen, wie</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>8 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Mendelssohn, Reisebriefe, S. 72-83 (Teildruck).</bibl> <bibl type="printed_letter">Sutermeister, Briefe einer Reise, S. 81-93.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1830-12-10" xml:id="date_6d6eeb8f-09b5-46de-8bd1-f43adcd15d2a">10.</date> und <date cert="high" when="1830-12-11" xml:id="date_d1500247-4cf7-44b1-83b0-d7c8712f0546">11. Dezember 1830</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_6cc972c5-c3d1-4bc8-aa97-0d5d77f7cf86">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_fa002363-a2c9-4804-acbb-f505238321b0"> <settlement key="STM0100177">Rom</settlement> <country>Italien</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113247" resp="receiver" xml:id="persName_0a4cd8d7-7b71-4649-9649-df2374b53ff5">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_c876d30c-2fad-4cae-bcfa-b889ef0ea3c9"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_d08f70f7-dd08-4016-8f38-bc1c8a7fbdcf"> <head> <address> <addrLine>À Mr.</addrLine> <addrLine>Mr. A. Mendelssohn Bartholdy</addrLine> <addrLine>Berlin</addrLine> <addrLine>(Leipziger Strasse Nr. 3)</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_a48ce369-dd2a-40b4-8283-717a7cc337f1"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Rom d. <date cert="high" when="1830-12-10" xml:id="date_c8ea2ae5-dd6e-4988-bf0f-24308f422bcf">10 Dec. 1830</date></dateline><salute rend="left">Lieber Vater</salute><p style="paragraph_without_indent">dem Tage nach ist es heute ein Jahr, daß wir Deinen Geburtstag bei <persName xml:id="persName_6d53ae8e-85ff-49a9-b1d7-2e01a6f14b2b">Hensels<name key="PSN0111890" style="hidden">Hensel, Familie von → Wilhelm H.</name></persName> feyerten, und da laß mich thun, als wär es jetzt wieder so, und laß mich Dir einiges aus Rom erzählen, wie damals aus London. Als Geschenk denke ich morgen <title xml:id="title_348d16b8-628b-4562-b4ac-78be792dfd02">meine alte Ouvertüre zur einsamen Insel<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_vio8kvy2-vhq5-hcpm-trwj-r3zkkal9wrqj"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="overtures_and_other_orchestral_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100363" style="hidden">Konzert-Ouvertüre Nr. 2 Die Hebriden / The Isles of Fingal (Zur einsamen Insel) h-Moll (»Fingals Höhle«), 7. August 1829 bis 16. Dezember 1830; Umarbeitung bis 20. Juni 1832<idno type="MWV">P 7</idno><idno type="op">26</idno></name></title> fertig zu schreiben, und wenn ich dann darunter setze den 11 Dec. und das Heft in die Hand nehme so ist mir als sollte ich es Dir gleich geben; Du würdest dann freilich wohl sagen: Du könnest es nicht lesen, aber ich hätte Dir doch das Beste gebracht, was ich machen kann, und wenn mir an jedem Tage wohl schon so ist, als müßte ich das thun, so ist es doch mit einem Geburtstag was Eignes; ich wollte, ich wäre da. Von meinem Glückwunsch laß mich schweigen; Du weißt ihn ja und weißt, wie ich und wir Alle an Dein Glück und Deine Heiterkeit gebunden sind und daß ich Dir nichts wünschen kann, was uns nicht Allen doppelt zu Theil würde. Heute ist Feyertag, ich freue mich, wenn ich denke, wie froh es bei Euch aussehen muß. Und indem ich Dir erzähle, wie glücklich ich hier lebe, ist es mir auch, als brächte ich Dir einen Glückwunsch. Wirklich ist für mich eine Zeit, wie diese, wo sich Ernst und Annehmlichkeit vereinigen, sehr erquickend und wohlthuend. Jedesmal wenn ich in mein Zimmer trete, freue ich mich von neuen daß ich nicht den folgenden Tag weiter muß, daß ich so Manches ruhig auf Morgen verschieben darf, daß ich in Rom bin. Was mir die Zeit her durch den Kopf fuhr, wurde gleich wieder von Anderem verdrängt und die Eindrücke jagten einander, während sich hier Alles gehörig ausbreiten kann. Ich glaube, daß ich noch nie mit so vieler Lust gearbeitet habe, und wenn ich Alles ausführen soll, was ich mir vornehme, so muß ich den ganzen Winter dabey bleiben. Freilich entbehre ich die große Freude, das Fertige einem mitzutheilen, der sich daran freut und darauf eingeht, aber das treibt mich gerade wieder zum Arbeiten, weil mir selbst Alles am besten gefällt, so lange ich mitten drin bin. Und nun verknüpft sich das mit den vielen Feierlichkeiten, Festen aller Art die für ein Paar Tage einmal das Arbeiten verdrängen, und da ich mir vorgenommen habe soviel ich kann alles zu sehen und zu genießen lasse ich mich durch die Arbeit nicht hindern, und komme dann desto frischer wieder dazu zurück. Es ist wahrlich ein herrliches Leben. Mit der Gesundheit geht es mir ganz wohl, nur greift mir die warme Luft namentlich der Scirocco die Nerven sehr an und ich muß mich hüten Abends spät und viel Clavier zu spielen, auch wird es mir jetzt leicht für ein Paar Tage dem zu entgehen, weil ich in den vorigen Wochen fast jeden Abend habe spielen müssen. <persName xml:id="persName_c957eabb-8a28-49b2-a906-9c6ab137fe3f">Bunsen<name key="PSN0110195" style="hidden">Bunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860)</name></persName>, der mich immer ermahnt ja nicht zu spielen, wenn es mir nicht gut wäre, gab gestern eine große Gesellschaft und da mußte ich doch heran. Es war mir auch lieb, weil ich mehrere angenehme Bekanntschaften dadurch gemacht habe, und weil namentlich <persName xml:id="persName_8c45324f-9355-4a34-8d24-aa7e80ff3316">Thorwaldsen<name key="PSN0115321" style="hidden">Thorvaldsen, Bertel (Alberto) (1770-1844)</name></persName> sich so freundlich gegen mich ausgesprochen hat, daß ich ganz stolz darauf bin, da ich ihn als einen der größten Männer verehre und immer bewunderte. Er ist ein Mensch wie ein Löwe, und es erquickt mich, wenn ich nur sein Gesicht ansehe: man weiß da gleich, daß er ein herrlicher Künstler sein muß und er sieht so klar aus den Augen, als müsse sich Alles gleich in ihm zu Form und Bild gestalten. Dazu ist er ganz sanft und freundlich und mild, weil er so sehr hoch steht, und doch glaub’ ich, daß er sich an jeder Kleinigkeit erfreuen kann; es ist für mich ein wirklicher Genuß einen großen Mann zu sehen, und zu denken daß der Urheber von Dingen, die ewig bleiben sollen, in seinem Leben und mit seiner Eigenthümlichkeit vor mir steht, und ein Mensch ist, wie die andern eben auch. </p></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_2fa8fc6a-c29d-47d4-a926-81fb74d98f7f"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><seg type="inline">den <date cert="high" when="1830-12-11" xml:id="date_30dfa71b-8995-4d23-945f-5f25e834b591">11</date></seg><date cert="high" when="1830-12-11" xml:id="date_2620b9a3-68f8-41a7-a5ff-f8274492ec5b"><hi rend="superscript">ten</hi><seg type="inline"> Morgens.</seg></date> Nun ist der eigentliche Geburtstag; es sind mir eben <title xml:id="title_60b91376-ee82-4f2c-96ad-a1850b5e7dbf">ein Paar Noten dazu eingefallen<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_gw7cwwfc-befh-gffv-612j-pzk2kicntx8a"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100429" style="hidden">Andante maestoso F-Dur (Gemeinschaftskomposition mit Fanny Hensel), 11. Dezember 1830<idno type="MWV">U 81</idno><idno type="op"></idno></name></title>, und wenn sie auch nichts taugen, so war gewöhnlich an meinem Glückwunsch auch nicht viel, <persName xml:id="persName_abfb25c4-ec1b-49d6-9a15-ac5f0489f850">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> mag den zweiten Theil dazu machen, ich schreibe nur was mir in den Sinn kam, als ich eben wieder in die Stube trat, wo die Sonne wieder schien, und <title xml:id="title_e5474eac-225e-4a1f-8ce2-0fcae991f43f">Dein Geburtstag war<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_vopqndmo-dn8w-pbiu-g5ni-mqbfqratauuv"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100429" style="hidden">Andante maestoso F-Dur (Gemeinschaftskomposition mit Fanny Hensel), 11. Dezember 1830<idno type="MWV">U 81</idno><idno type="op"></idno></name></title>:</p><p style="paragraph_without_indent"> <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_347d8b48-8273-16a03-715b4-12ea707c331d" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe. </note></p><p style="paragraph_without_indent">Ich will aber in meiner Erzählung fortfahren; die soirée bei <persName xml:id="persName_19fc43ec-e834-4771-97c6-66d2699f684b">Bunsen<name key="PSN0110195" style="hidden">Bunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860)</name></persName> war überhaupt sonderbar und ganz mit Erinnerungen angefüllt; erstlich gab er mir Deinen Brief vom 22<hi rend="superscript">sten</hi> als ich hereintrat, den las ich nun ruhig im Zimmer, wo die Bilder, Kupferstiche und Zeitungen für die Gesellschaft ausgebreitet liegen, und als ich damit fertig war, schlug ich ein elegantes großes Etui auf, um zu sehen was es enthielte; darin fand ich <title xml:id="title_c43f9725-ca09-4306-9696-60e4efc670b4">eine wunderhübsche Zeichnung von Bunsens Familie<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name><name key="CRT0109165" style="hidden" type="art">Christian Carl Josias Bunsen mit seiner Familie (Zeichnung 1827)</name></title>, und ich wußte sehr genau wer sie gemacht hatte, wenn auch nicht das <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_3c7e1dfa-aa71-f3b05-997c4-8801583768b7" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> in einer Ecke gestanden hätte, die Gesichter sehen alle so hübsch und fein aus, und waren so mancherley Beziehungen darin; dann wollte ich in der Staatszeitung blättern, aber das erste was mir darin auffiel, war daß <persName xml:id="persName_3b56d192-7c59-4b67-82e9-e780bff7b348">Marx<name key="PSN0113108" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</name></persName> Professor geworden sey; nun kam <persName xml:id="persName_a6fe1166-077b-47d9-919b-f1036197a562">Frau v: Lottum<name key="PSN0115901" style="hidden">Wylich und Lottum, Clotilde Gräfin von (1809-1894)</name></persName> herein, und <persName xml:id="persName_4396e550-9808-4950-b59a-34bdd1f6517e">Ritz<name key="PSN0114202" style="hidden">Rietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832)</name></persName>, der mich nicht zu ihr unter den Linden lassen wollte, muß nun erleben daß ich ihre Bekanntschaft auf dem <placeName xml:id="placeName_afe616a0-4ae8-4563-9c69-cb01943e6b71">Capitol<name key="SGH0100252" style="hidden" subtype="" type="sight">Kapitol</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> mache; von <persName xml:id="persName_ac018051-a344-4431-ad13-2708db588994">Mlle. Carl<name key="PSN0110283" style="hidden">Carl, Henriette Bertha (1805-1890)</name></persName> die von ihrer Correspondentinn, der <persName xml:id="persName_97a22f70-a495-4fbf-8d51-08dc4f4ee480">Pasta<name key="PSN0113764" style="hidden">Pasta, Angiola Maria Costanza Giuditta (1797-1865)</name></persName> und von <persName xml:id="persName_7a042950-08b3-42fb-b683-89845b255470">ihrem Freund Rubini<name key="PSN0114343" style="hidden">Rubini, Giovanni Battista (1794-1854)</name></persName> viel zu erzählen wußte, schweige ich lieber; endlich wurde ich <persName xml:id="persName_d54b78f1-d9d2-469a-808c-828d7f6ae4de">einem jungen Musiker aus Kopenhagen, Herrn Lüders<name key="PSN0112965" style="hidden">Lüders, Heinrich Conrad Julius (1801-1856)</name></persName> vorgestellt und der brachte mir viele Grüße von <persName xml:id="persName_3b0d1f2c-f7c3-427c-ab67-2f90393c3442">Delphine Schauroth<name key="PSN0114515" style="hidden">Schauroth, Delphine (Adolphine) von (1814-1887)</name></persName>, <persName xml:id="persName_20cbb197-d828-432e-8637-6ef290b48ef9">Bärmann<name key="PSN0109633" style="hidden">Baermann, Heinrich Joseph (1784-1847)</name></persName> und andern Münchener Freunden, die er vor einigen Wochen noch gesehen hatte; es war ein seltsames Zusammentreffen so vieler Umstände, die mich zugleich an meine Entfernung und an die frohe Zeit, die ich an so verschiedenen Orten erlebt habe, erinnerten; wenn ich an die Menschen denke, die ich seit zwei Jahren kennen gelernt, und in deren Kreisen ich mich wohl gefühlt habe, und wenn ich dann erfahre, wie sie immer in derselben Art seitdem fortgelebt haben und sich meiner auch noch erinnern, so ist das ein ganz wunderliches Gefühl; mir kommt zuweilen dann diese ganze Reise wie ein bunter Traum vor. Ich sollte Dir wohl dergleichen nicht schreiben, lieber Vater, denn ich glaube, Du liebst es nicht, aber mir ist gerade so zu Muthe und da geht die Feder davon über. Eben war <persName xml:id="persName_cbc8039a-fa8d-4dfb-96f5-6414d1b600d6">Bunsen<name key="PSN0110195" style="hidden">Bunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860)</name></persName> hier, und läßt Dich sehr grüßen und Alles Glück Dir wünschen. Er ist gegen mich die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit selbst und ich denke wir vertragen uns sehr gut, da Du mich danach fragtest. <persName xml:id="persName_fa69d255-6522-4ddf-9e1e-09f122664ffd">Pölchau<name key="PSN0113916" style="hidden">Poelchau, Georg Johann Daniel (1773-1836)</name></persName> hast Du mir mit den Paar Worten in seiner ganzen Unliebenswürdigkeit wieder ins Gedächtniß gerufen; freilich ist der abbate <persName xml:id="persName_19658e87-5767-4994-9e3f-5b1835281599">Santini<name key="PSN0114459" style="hidden">Santini, Fortunato (1778-1861)</name></persName> gegen ihn ein obscurer Mann, denn er macht sich nicht durch Ungefälligkeit und Wichtigthuerey bedeutender, als er ist; gerade aber wie <persName xml:id="persName_ef09e69e-0e71-4839-8028-69a854aa1407">Pölchau<name key="PSN0113916" style="hidden">Poelchau, Georg Johann Daniel (1773-1836)</name></persName> einer von jenen Sammlern ist, die einem die Gelehrsamkeit und die Bibliotheken durch ihre Engherzigkeit zuwider machen, so ist Santini ein rechter Sammler im besten Sinne des Worts; ob seine Sachen großen Werth an Gelde haben ist ihm einerley, drum giebt er Alles ohne Unterschied gern weg, und sucht nur immer Neues zu bekommen, denn ihm liegt nur an Vollständigkeit und der dadurch möglichen Verbreitung und allgemeinen Kenntniß seiner alten Musik. Ich habe ihn noch nicht seitdem gesehn, weil er jetzt alle Morgen ex officio in seinem violetten Kleide in <placeName xml:id="placeName_77d808d6-d405-49f5-9fb5-ab1a4aa9ec51">St. Peter<name key="SGH0100229" style="hidden" subtype="" type="sight">San Pietro in Vaticano (Petersdom)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> figuriren muß; aber wenn er sich eines alten Textes bedient hat, wird er es ohne Weiteres sagen, denn es liegt ihm sehr wenig daran der Erste zu sein: er ist eigentlich ein beschränkter Mensch, und das halte ich in einem Sinne für ein großes Lob, denn wie er kein musikalisches oder sonstiges lumen ist und auch außerdem mit dem <title xml:id="title_78e61085-efdb-4460-9a03-fb3f3ecfd6b5">Klosterbruder<name key="PSN0112804" style="hidden" type="author">Lessing, Gotthold Ephraim (1729-1781)</name><name key="CRT0109737" style="hidden" type="dramatic_work">Nathan der Weise</name></title> der ergründen will, viele Ähnlichkeit hat, so weiß er sich genau auf seine Sphäre zu beschränken, die Musik interessirt ihn eigentlich nicht viel, sobald sie nur in seinem Schranke steht, und er ist und hält sich für nichts als einen ruhigen fleißigen Arbeiter. Daß er langweilig ist und auch zuweilen nicht ohne einige Schärfe muß man freilich zugeben; wenn aber ein Mensch eine bestimmte Richtung hat und verfolgt, sie nach Kräften ausbildet, und damit den andern Menschen zu nützen und die Sache weiterzubringen sucht, so habe ich ihn lieb, und glaube, daß ihn ein jeder achten soll, einerley, ob er langweilig oder angenehm sey. Ich wollte, Du läsest das <persName xml:id="persName_886bf773-72e0-4d5a-a635-8a3bcde0cba4">Pölchau<name key="PSN0113916" style="hidden">Poelchau, Georg Johann Daniel (1773-1836)</name></persName> vor. Mich macht es jedesmal innerlichst grimmig, wenn Menschen, die gar keine Richtung haben, sich damit abgeben wollen, über andre zu urtheilen, die etwas wollen, und sey es das Kleinste, und ich habe deshalb einem Musiker hier neulich in einer Gesellschaft nach Kräften gedient. Der wollte nun gar über <persName xml:id="persName_f3eccc23-2338-4593-bd82-8b364e91e6d6">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName> sprechen, und heißt <persName xml:id="persName_772843d7-9d4e-4d22-a547-ab0866593a7e">Herr Georg<name key="PSN0111341" style="hidden">Georg, Johann Gerhard</name></persName>, und weil <persName xml:id="persName_8c30b69b-f314-4d7c-b6ff-8d90de7f890b">Bunsen<name key="PSN0110195" style="hidden">Bunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860)</name></persName> <persName xml:id="persName_d4ebabf9-b73d-4da0-bc49-dd6f1d0baeeb">und seine Schwester<name key="PSN0110199" style="hidden">Bunsen, Marie Christiane (1772-1850)</name></persName> <persName xml:id="persName_d064485c-6f60-429d-90a8-44b4dbc9d355">Palestrina<name key="PSN0113727" style="hidden">Palestrina, Giovanni Pierluigi da (?-1594)</name></persName> lieben, suchte er sich bei ihnen dadurch einzuschmeicheln, daß er mich z. B. fragte: was ich denn über den guten <persName xml:id="persName_b322d2ae-834f-4c83-8f5b-b004417ec4ba">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName> mit seinen Sünden dächte? Ich antwortete ihm aber: ich meines Theils ließe gleich meine Tugenden im Stich und nähme seine Sünden dafür, wie tugendhaft <hi rend="underline">er</hi> sey könne ich aber freilich nicht bestimmen. Die Leute fingen entsetzlich an zu lachen und hatten ihre Freude daran. Daß solch Volk sich nicht einmal vor den großen Namen scheuen will; indeß ist es ein Trost, daß es in allen Künsten dasselbe ist, da die Maler es hier nicht besser machen. Es sind furchtbare Leute, wenn man sie in ihrem <placeName xml:id="placeName_8246e36b-11f1-49aa-819d-5a88a3bba25b">Café Greco<name key="NST0100276" style="hidden" subtype="" type="institution">Caffé Greco</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> sitzen sieht; ich gehe auch nie hin, weil mich zu sehr vor ihnen graut und vor ihrem Lieblingsort; das ist ein kleines finstres Zimmer, etwa 8 Schritt breit, und auf einer Seite der Stube darf man Taback rauchen, auf der andern aber nicht, und 8 Schritt ist es breit; da sitzen sie denn auf den Bänken umher mit den breiten Hüten auf, große Schlächterhunde neben sich, Hals, Backen, das ganze Gesicht mit Haaren zugedeckt, machen einen entsetzlichen Qualm (nur auf der einen Seite) schreien Deutsch sagen einander Grobheiten, die Hunde sorgen für Verbreitung von Ungeziefer, eine Halsbinde, ein Frack, wären Neuerungen, was der Bart vom Gesicht frey läßt, das versteckt die Brille – furchtbar sehen die Künstler aus; und so trinken sie Caffee und sprechen von <persName xml:id="persName_395c57e8-f308-4347-8560-e9eb485a1252">Titian<name key="PSN0115347" style="hidden">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name></persName> und <persName xml:id="persName_d5e02c07-4c1d-475a-8258-4c46d7119cfc">Pordenone<name key="PSN0113952" style="hidden">Pordenone (eigtl. Giovanni Antonio de’ Sacchi) (?-1539)</name></persName>, als säßen die neben ihnen und trügen auch Bärte und Sturmhüte. Dazu machen sie so kranke Madonnen, schwächliche Heilige, Milchbärte von Helden, daß ich mitunter Lust bekomme sie zu prügeln, um zu sehen, welches eigentlich ihr Ernst ist. Auch das <title xml:id="title_d1ffa09c-d04a-45bb-82c7-5b7e63ea470a">Bild von Titian<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111091" style="hidden" type="art">Madonna mit Kind und Heiligen</name></title> im <placeName xml:id="placeName_350de9eb-ce37-4809-afd0-3bf8dc5b9109">Vatican<name key="SGH0100256" style="hidden" subtype="" type="sight">Palazzo Vaticano</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, nach dem Du mich frägst, schonen die Höllenrichter nicht, es hat ja keinen Gegenstand und keine Bedeutung sagen sie, und daß ein Meister, der sich lange Zeit voll Liebe und Andacht mit einem Bilde beschäftigt, doch wohl so weit müßte gesehn haben, als sie mit ihren bunten Brillen, das fällt keinem ein. Und wenn ich mein Lebelang nichts weiter thun könnte, so wollte ich allen denen die vor ihren Meistern keinen Respect haben die herzlichsten Grobheiten sagen, dann hätt’ ich schon ein gutes Werk gethan. So stehn sie aber und sehen diese Pracht der Erscheinungen, von der sie keine Ahndung haben, und wagen dann sie zu beurtheilen; auf dem Bilde sind drei Stufen, oder Stadien oder wie Du es sonst nennen willst, angenommen (wie auf der <title xml:id="title_a59cb4f5-57ec-409b-9421-bd263b3e881f">Transfiguration<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110404" style="hidden" type="art">La Trasfigurazione</name></title> auch) unten stehen Märtyrer und Heilige, alle leidend, duldend und gedrückt vorgestellt, es liegt auf allen Gesichtern Schwermuth fast Ungeduld, einer in einem reichen Bischofskleide blickt sogar mit der lebhaftesten schmerzlichen Sehnsucht in die Höhe, als ob er weinte, und doch kann er nicht sehen, was über ihnen allen schon schwebt, und was wir wissen, die wir vor dem Bilde stehen; über ihnen nämlich in einer Wolke sitzt die <title xml:id="title_54d90575-6615-4495-8561-2e98c62e82a2">Maria mit dem Kinde<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111091" style="hidden" type="art">Madonna mit Kind und Heiligen</name></title> voll Heiterkeit und von Engeln umgeben, die viele Kränze gewunden haben, und das Jesuskind hält einen davon und es ist als möchte es die Heiligen unten gleich bekränzen und als hielte die Mutter es für den Augenblick noch zurück. Der Contrast von dem Schmerz und Leiden unten, wo der heil. Sebastian so finster und fast gleichgültig aus dem Bilde heraussieht, gegen die hohe ungetrübte Heiterkeit in den Wolken, wo ihnen die Kränze schon bereit sind, thut ganz herrlich; hoch über der Gruppe der Maria schwebt noch der heil. Geist, von dem ein helles, strahlendes Licht sich ausbreitet, und so <title xml:id="title_e4cc14fc-2be4-4339-957d-445732a3621e">macht er den Schlußstein des Ganzen<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111091" style="hidden" type="art">Madonna mit Kind und Heiligen</name></title>. Eben fällt mir noch ein, daß Goethe im Anfang <title xml:id="title_a3a5e3e3-98f2-41ce-bb4e-2206b2548612">seines ersten Aufenthalts in Rom das Bild beschreibt und bewundert<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108829" style="hidden" type="literature">Italienische Reise</name></title>. Doch habe ich das Buch nicht mehr hier und kann es also nicht nachlesen, in wie fern es mit meiner Erzählung stimmt; er spricht ausführlich davon; es war damals im <placeName xml:id="placeName_35b223a2-1f70-4ac2-816f-78500cf71beb">Quirinal<name key="SGH0100254" style="hidden" subtype="" type="sight">Palazzo Quirinale</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> und ist erst später nach dem <placeName xml:id="placeName_9e57140a-93ab-40b0-ae94-34b112241241">Vatican<name key="SGH0100256" style="hidden" subtype="" type="sight">Palazzo Vaticano</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> gekommen. Ob es nun auf Bestellung gemacht ist, wie jene behaupten, oder weshalb sonst, ist ganz einerley; er hat seinen Sinn und seine Poesie hinein gelegt und so ist es sein eigen geworden. <persName xml:id="persName_ed03810a-7298-4c3c-abf1-f4b3712ce6a8">Schadow<name key="PSN0114494" style="hidden">Schadow, Friedrich Wilhelm (seit 1843) von Godenhaus (1788-1862)</name></persName>, mit dem ich oft und gern zusammen bin, weil er überhaupt und namentlich in seinem Fache sehr mild klar und ruhig urtheilt, und mit Bescheidenheit Alles Große erkennt, meinte neulich <persName xml:id="persName_d317552a-ef47-43d7-b52a-d9362939be18">Titian<name key="PSN0115347" style="hidden">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name></persName> habe nie ein gleichgültiges und nie ein langweiliges Bild gemalt, und ich glaube er hat Recht; denn Leben und Begeisterung und die gesundeste Kraft sprüht aus Allem, was er dargestellt hat, und wo die sind, da ist’s gut sein. – Das ist nun aber das Schöne und Einzige hier: daß man lauter Sachen sieht, die tausendmal beschrieben, besprochen, gemalt, beurtheilt sind, gut und schlecht, von den größten Meistern und den kleinsten Schülern, lobend und tadelnd; und daß die Sachen dennoch einen so frischen und erhebenden Eindruck machen, daß sie jeden nach seiner Eigenthümlichkeit anders anregen. Man kann sich hier von den Menschen immer an den Umgebungen erholen, wie in Berlin oft umgekehrt. – Eben empfange ich Deinen Brief vom 29<hi rend="superscript">sten</hi> v. M. und es freut mich herzlich manches was Du darin frägst schon beantwortet zu haben. Namentlich warnst Du mich „vor dem wüsten Kneipen und dem Caffeehausleben der deutschen Künstler“ hier, und es ist hübsch, daß ich gerade zufällig auf der vorigen Seite darüber mein Herz ausgeschüttet habe; was ich über den <title xml:id="title_bb72da40-b8d0-481c-8bfa-5ecb5ed64121">Titian<name key="PSN0115347" style="hidden" type="author">Tizian (eigtl. Tiziano Vecellio)</name><name key="CRT0111091" style="hidden" type="art">Madonna mit Kind und Heiligen</name></title> im <placeName xml:id="placeName_e44974c8-1043-4aa9-a810-ad2238f5d476">Vatikan<name key="SGH0100256" style="hidden" subtype="" type="sight">Palazzo Vaticano</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> denke, werde ich in den nächsten Tagen nach Weimar schreiben, vorher noch (hoffentlich übermorgen) an <persName xml:id="persName_c11bd24c-af43-435d-8d94-e4aaba4a36d8">Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> mit den verlangten Berichten. Was die Lieder betrifft, so möchte ich Dich bitten sie, falls sie noch nicht fortgeschickt sind, mir aufzuheben, bis ich Euch einmal wieder näher komme, der <title xml:id="title_f16becfd-90fb-4df6-a3e6-22de9a9d7869">Plan der Sinfonie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_izijjgrp-yk70-stir-a0fj-tz4wopwwz8my"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="works_not_executed" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100714" style="hidden">Revolutionssinfonie<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title> ist bey mir noch sehr in weitem Felde und durch die neue Revolution gerade so sehr verrückt, daß ich nicht weiß wie und ob ich je dazu kommen werde, zunächst stehen mir noch zwei andre Sinfonien, <title xml:id="title_8236bd05-7447-41a4-a55f-eddf8fa7492b">eine aus Schottland<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_hoye8eqx-nwxr-avnc-qpyw-rrgr22c9ieex"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100344" style="hidden">Sinfonie Nr. 3 a-Moll (»Schottische«) für Orchester, 30. Juli 1829; [ca. 1841] bis 20. Januar 1842<idno type="MWV">N 18</idno><idno type="op">56</idno></name></title>, <title xml:id="title_33409cec-dce7-49a5-9f24-f2d5f4de0d3c">eine aus Italien<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_dkdbnhxj-samc-r9ye-0fgi-i8utgevtt8gp"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100342" style="hidden">Sinfonie A-Dur (»Italienische«) für Orchester, [Ende 1830] bis 13. März 1833; [Juni 1834 bis Anfang 1835]<idno type="MWV">N 16</idno><idno type="op">90</idno></name></title> vor und selbst ehe ich zu denen komme habe ich noch viel zu thun; auch die Briefe haben gar keine Eile, ich habe fast mehr Bekanntschaften gemacht, als mir lieb ist, weil das späte Aufbleiben und Musiciren mir zu Rom gar nicht paßt, und so kann ich sie nun mit Geduld erwarten; es ließ sich früher nicht so an, und daher bat ich so dringend darum. Nur was Du mir von den Cotterien sagst, denen ich nun entwachsen sey, kann ich nicht recht verstehen, denn ich weiß, daß ich und wir alle immer das, was man gewöhnlich so nennt, eine abgeschlossene, an Äußerlichkeiten klebende, leere Geselligkeit von Herzen gehaßt und gefürchtet haben; es ist aber wohl fast natürlich daß sich unter Menschen, die sich täglich sehen ohne daß ihr Interesse sich verändert, denen auch die Theilnahme an dem Öffentlichen fehlen muß, wie es denn in Berlin, das Theater ausgenommen, wohl der Fall ist daß sich bei denen eine lustige, heitere, eigne Art über Dinge zu sprechen leicht bildet, und daß so eine besondre, vielleicht auch einförmige Sprache entsteht; aber das kann noch keine Cotterie machen, und ich glaube gewiß, daß ich nie zu einer Cotterie gehören werde, ich mag nun in Rom oder in Wittenberg sein; es freut mich, daß das letzte Wort welches ich schrieb ehe Dein Brief kam war, daß man sich in Berlin von den Umgebungen an den Menschen erholen müsse, und das zeigt wohl, daß ich nicht dem Cotteriengeist das Wort reden möchte, da der die Menschen gerade von sich entfernt. Es thäte mir leid, wenn Du von mir oder irgend einem von uns so etwas anders als augenblicklich bemerken könntest. – Verzeihe mir, lieber Vater, wenn ich mich so heftig dagegen vertheidige, aber mir ist schon das Wort im Innersten zuwider, und Du schreibst mir ja selbst in dem Briefe, ich solle immer gerade heraus reden, wie es mir zu Muth ist; da nimm mir es denn nicht übel. Es ist mir lieb, daß <persName xml:id="persName_efd9b8c3-4fcd-4dfd-8084-8e94000ca3b2">Schubring<name key="PSN0114732" style="hidden">Schubring, Karl Julius (1806-1889)</name></persName> mit seinem Instrumente zufrieden ist, und ich muß Dich bei dieser Gelegenheit bitten mir einen Gefallen zu thun. Du weißt, daß die <persName xml:id="persName_b3af74d1-b9ce-4f0f-89d5-c4175bd7f638">Herzoginn von Dessau<name key="PSN0109499" style="hidden">Anhalt-Dessau, Friederike Wilhelmina Louise Amalia Herzogin von (1796-1850)</name></persName> mir mündlich Auftrag gegeben hat, ihr Abschrift von Italiänischen alten Kirchensachen zu verschaffen, deren Titel sie mir aufschrieb und mitgab. Ich habe nun durch <persName xml:id="persName_5f61b99a-cfc4-4fc7-8008-ac48c873b4bf">Santini<name key="PSN0114459" style="hidden">Santini, Fortunato (1778-1861)</name></persName>, der alle diese Werke ohne Ausnahme besitzt, Gelegenheit die Copien zu bekommen und er verlangt dafür nur einen höheren Copierlohn, nämlich für 8 Seiten 3 Paoli; bei genauerer Besichtigung des Catalogs finde ich aber, daß sie meist große Werke: Messen, Sammlungen von Duetten, Terzetten, u. dgl. verlangt, und nach einer Überlegung mit <persName xml:id="persName_ea3ad7cd-b0f3-4998-b5ff-7c3753b4b9ba">Santini<name key="PSN0114459" style="hidden">Santini, Fortunato (1778-1861)</name></persName> würden die Copien von den Sachen, die sie mir aufgeschrieben hat, mehr als 100 scudi kosten. Für eine so hohe Summe nun will ich nichts ohne <hi rend="underline">schriftlichen</hi> Auftrag bestellen, und bitte Dich daher, dies doch an <persName xml:id="persName_d328c029-41e0-4a49-927a-01ab1464da19">Schubring<name key="PSN0114732" style="hidden">Schubring, Karl Julius (1806-1889)</name></persName> zu melden, und mir ein Paar Worte schriftlich von der <persName xml:id="persName_fc114e69-05dd-4b01-ad1a-d12e1f964856">Herzoginn<name key="PSN0109499" style="hidden">Anhalt-Dessau, Friederike Wilhelmina Louise Amalia Herzogin von (1796-1850)</name></persName> zu verschaffen; ihn auch zugleich wissen zu lassen, daß ich um keine Zeit zu verlieren (weil die ganze Copie schwerlich bis zu meiner Abreise nach Neapel wird fertig sein können) schon einige Copien habe anfertigen lassen, doch habe ich als Grenze des Lohns 20 scudi gesetzt, und wenn dafür geschrieben ist, so laß ich nicht weiter fortfahren, bis ich den schriftlichen Auftrag habe. Ich würde Dich damit nicht belästigen, doch habe ich auf einen früheren Brief an <persName xml:id="persName_3733dccf-973c-4818-918c-6666fccb94b9">Schubring<name key="PSN0114732" style="hidden">Schubring, Karl Julius (1806-1889)</name></persName> noch keine Antwort, und hoffe durch Dich den Bescheid genauer und schneller zu erhalten; auch stehst Du ja in Correspondenz mit ihm, wie Du mir schreibst. – Eine Post, die 11 Tage geht, existirt jetzt nicht, die kürzeste Zeit braucht (nach <persName xml:id="persName_2cdd6c8b-59fa-4f50-8eb9-2f36f445fa0b">Bunsen<name key="PSN0110195" style="hidden">Bunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860)</name></persName>) die vom Dinstag, deren Briefe Montag ankommen, während die vom Sonnabend und Donnerstag erst denselben Tag in der 2<hi rend="superscript">ten</hi> Woche. Die Einrichtung, die wir jetzt befolgen, ist wohl auf jeden Fall die beste. – Noch muß ich hinzusetzen, daß ich Dir eine falsche Meldung in einigen meiner vorigen Briefe gemacht habe, wenn ich sagte ich brauchte 30 scudi monatlich; nach den ersten Wochen glaubte ich so, doch sehe ich jetzt, daß ich wohl damit nicht auskommen und wohl 40 brauchen werde. Doch kann ich es erst bestimmt melden, wenn ich den Durchschnitt von diesen beiden Monaten wissen werde, und schreibe es dann gleich. Verzeihe die Voreiligkeit. – Heut früh war ich im <placeName xml:id="placeName_3d98519f-0586-4395-9403-9681c0e8bcaf">Sct. Peter<name key="SGH0100229" style="hidden" subtype="" type="sight">San Pietro in Vaticano (Petersdom)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, wo die großen Feierlichkeiten, Absolutionen genannt, für den <persName xml:id="persName_68749c00-a765-49de-ae9c-b876ef3ef11f">Papst<name key="PSN0113892" style="hidden">Pius VIII. (eigtl. Francesco Saverio Graf Castiglioni) (1761-1830)</name></persName> angefangen haben, und bis Dienstag, wo die Cardinäle ins Conclave gehen, dauern werden. Das Gebäude ist über alle Vorstellung, mir kommt es immer vor, wie irgend ein großes Naturwerk, ein Wald, Felsmassen oder dgl. denn die Idee eines Menschenwerks verliere ich immer dabey; man sieht nach der Decke ebensowenig, wie sonst nach dem Himmel, man verläuft sich darin, geht darin spazieren und geht sich bald sehr müde; es wird Gottesdienst darin gehalten und gesungen, man merkt es aber erst wenn man in die Nähe kommt; die Taufengel sind ungeschlachte Riesen, die Tauben colossale Raubvögel, man verliert alle Idee von Augenmaaß und Verhältniß; und doch wird einem jedesmal das Herz weit, wenn man unter der Kuppel steht und bis hinauf in einem Blicke sieht. Nun ist heut im Schiff ein ungeheurer Catafalk aufgerichtet, der etwa diese Form hat: <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_c4b2e2bc-907a-e3d33-ae0e1-25c74c9aa056" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> in der Mitte unter den Säulen steht der Sarg; geschmacklos ist das Ding und doch macht es einen tollen Effect; das obere Rund a b ist nämlich dicht mit Lichtern besetzt, eben so die Verzierungen darauf; das untere Rund c d ebenfalls, und über dem Sarg hängt eine brennende Ampel; unter den Statuen brennen unzählige Lichter; dazu ist das Ganze über 100 Fuß hoch, und steht einem gerade entgegen wenn man hereintritt. Nun ziehn die Ehrengarde und die Schweizer ein Viereck umher, in jede Ecke setzt sich ein Cardinal in tiefer Trauer mit seinen Dienern, die große brennende Fackeln halten, und dann fängt der Gesang an mit den Responsorien, so einfach und einförmig, wie Ihr ihn kennt. Es ist das Einzigemal, daß mitten in der Kirche gesungen wird, und thut eine wunderbare Wirkung; schon blos, wenn man unter den Sängern steht (ich darf das) und sie ansieht, hat man einen prächtigen Eindruck, denn da stehn sie alle um ihr colossales Buch aus dem sie singen, und das Buch ist wieder von einer colossalen Fackel erleuchtet, die davor brennt, und wie sie sich alle in ihrem Ornat drängen, um gut zu sehn und zu singen, und <persName xml:id="persName_0e079d82-38e5-4061-bb67-2915a39e4d4b">Baini<name key="PSN0109643" style="hidden">Baini, Giuseppe Giacobbe Baldassar(r)e (1775-1844)</name></persName>, mit seinem Mönchsgesicht, der den Takt mit der Hand schlägt und dann und wann einmal gewaltig dazwischen brüllt, dann alle die verschiedenen Italiänischen Gesichter zu beobachten es ist eine Freude. Und wie man dann hier nur immer von einem Genuß zum andern zu eilen hat, so ist es auch in ihren Kirchen, namentlich im <placeName xml:id="placeName_0bd7604f-8869-47ae-9d6f-1cabdbe714c5">Sct. Peter<name key="SGH0100229" style="hidden" subtype="" type="sight">San Pietro in Vaticano (Petersdom)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, wo ein paar Schritte gleich die ganze Scene verändern: ich ging ans äußerste Ende und da war ein wunderbarer Anblick: Durch die gewundnen Säulen des Hochaltars, der bekanntlich so hoch wie das Berliner Schloß ist, und über den Raum der Kuppel hinweg, sah man perspectivisch verkleinert den ganzen Catafalk mit seinen Lichterchen und die vielen kleinen Menschen, die sich umher drängten; fängt nun die Musik an, so kommen die Töne viel später bis dahin, verhallen und vermischen sich im unermeßlichen Raume, so daß man die seltsamsten unbestimmten Harmonien vernimmt. Ändert man nun wieder die Stellung, und stellt sich vorn an den Catafalk hin, so hat man hinter der Gluth der vielen Lichter und der glänzenden Pracht gleich die dämmrige Kuppel voll blauen Duft, und das ist gar erst unbeschreiblich. – Es ist eben Rom.</p><p>Der Brief ist lang geworden, ich will ihn schließen; er wird gerade zu Weihnachten ankommen; ein fröhliches Fest dann Euch Allen! Ich schicke aber auch Geschenke, die gehen übermorgen ab, und kommen zum Tage der silbernen Hochzeit an: es sind da viel frohe Feiertage dicht zusammen, und ich weiß nun nicht recht, ob ich mich heut zu Euch hindenken soll, und Dir, lieber Vater, Glück wünschen, oder ob ich mit dem Brief denke und zu Weihnachten ankomme und von <persName xml:id="persName_e8cb72e2-9feb-418c-bdfc-96cea6a7b8a7">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> nicht durch die gelbe Stube gelassen werde. Beim Denken muß es nun bleiben. <seg type="closer" xml:id="seg_0015a114-a0cd-45a6-8ec9-534e39a1822b">Lebt aber alle wohl, und seyd glücklich. </seg></p><signed rend="right">Felix</signed></div></body> </text></TEI>