fmb-1830-12-07-01
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Rom, 7. Dezember 1830
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
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Felix Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Gestern kam Euer Brief vom 23sten v. M. und he[ute ist es] ein Jahr, daß ich in einer kleinen Postchaise durch den Schnee Carriere zu Euch fuhr, und Chokolade aß weil i[ch zu] anderem keine Zeit hatte. Es wäre mir lieb, wenn Weihnachten, Neujahr und mein Geburtstag diesmal ausfielen, denn mich graut sehr davor; zum ausführlichen Brief, den ich schreiben wollte komm ich auch heut nicht; Gott weiß, wie die Zeit hier verfliegt. Vielen Dank für
tendas Conclave anfängt, und also mit den Ceremonien der Beerdigung und denen der Erhebung des neuen Papstes ein großer Theil des Winters hingeht und für alle Musik und größre Gesellschaften verloren wird, so zweifle ich fast, daß ich hier zu einer ordentlichen öffentlichen Unternehmung kommen werde; bin auch wenig betrübt darüber, denn innerlich genieße ich hier so viel und mannichfaches, daß es wohl wenig Schade ist, wenn ich es eine Weile mit mir herumtrage und zu verarbeiten suche. Die Aufführung der
muß, den lebendigen Sinn der Leute werden sie nicht ergreifen und nicht entzünden; aber es ist damit nicht schlechter als mit dem Sinn für alle andern Künste, eher noch besser; denn wenn man einen
N. S. Die Post geht Mittags, darum ist der Brief so kurz und eilig. Lebt mir nun alle wohl; ich will ein bischen spazieren gehen: es ist warme Mailuft draußen, ich hoffe wir werden unvermerkt über den Winter uns fortschleichen, der kürzeste Tag ist bald da, sie läuten um 5 Ave Maria. Laßt Euch von
Rom 7 Dec. 30. Ihr Lieben Gestern kam Euer Brief vom 23sten v. M. und heute ist es ein Jahr, daß ich in einer kleinen Postchaise durch den Schnee Carriere zu Euch fuhr, und Chokolade aß weil ich zu anderem keine Zeit hatte. Es wäre mir lieb, wenn Weihnachten, Neujahr und mein Geburtstag diesmal ausfielen, denn mich graut sehr davor; zum ausführlichen Brief, den ich schreiben wollte komm ich auch heut nicht; Gott weiß, wie die Zeit hier verfliegt. Vielen Dank für Rösels Brief und herzliche Grüße an ihn, bei dem Schlüsselloch im Priorat von Malta und bey dem Springbrunnen auf dem monte pincio vor der villa Medicis wird immer sehr an ihn gedacht. In dieser Woche habe ich mehrere sehr liebenswürdige (auch schöne) Englische Familien kennen gelernt, die mir auch wieder vergnügte Abende im Winter versprechen; mit Bunsen bin ich sehr viel; auch Baini denke ich recht auszukosten, er ist der pfiffigste Pfaff, den man sich denken kann, der beliebteste Beichtvater in Rom zugleich, macht einen künstlichen Heiligenschein um sich her, und ich glaube er hält mich für einen bruttissimo tedesco, so daß ich ihn ganz prächtig kennen lernen kann; mit seinen Compositionen freilich ist es nicht weit her, und so überhaupt mit der ganzen Musik hier. Am Sinne möchte es wohl nicht fehlen, aber es fehlt an den Mitteln gänzlich: die Orchester unter allem Begriff, weder Clavierspieler noch Claviere, als prima donna assoluta ist Mlle. Carl für die ganze saison an den beiden Haupttheatern engagirt, ist schon eingetroffen und fängt an la pluie & le beau tems zu machen, die päpstlichen Sänger werden alt, sind fast ganz unmusikalisch, treffen sogar selbst die herkömmlichen Stücke nicht richtig, und der ganze Chor besteht aus 32 Sängern, die aber nie zusammen sind, Concerte werden in der sogenannten philharmonischen Gesellschaft gegeben, aber nur am Clavier, Orchester ist nicht dabey und als sie neulich versuchen wollten die Schöpfung von Haydn zu geben, so hielten es die Instrumente für unmöglich, sie zu spielen; wie die Blaseinstrumente gar klingen davon hat man in Deutschland nirgends eine Ahndung. Da nun der Papst gestorben ist, den 14ten das Conclave anfängt, und also mit den Ceremonien der Beerdigung und denen der Erhebung des neuen Papstes ein großer Theil des Winters hingeht und für alle Musik und größre Gesellschaften verloren wird, so zweifle ich fast, daß ich hier zu einer ordentlichen öffentlichen Unternehmung kommen werde; bin auch wenig betrübt darüber, denn innerlich genieße ich hier so viel und mannichfaches, daß es wohl wenig Schade ist, wenn ich es eine Weile mit mir herumtrage und zu verarbeiten suche. Die Aufführung der Graunschen Passion in Neapel und namentlich die Übersetzung von Seb. Bach zeigen nur, wie das Rechte dennoch durchdringen muß, den lebendigen Sinn der Leute werden sie nicht ergreifen und nicht entzünden; aber es ist damit nicht schlechter als mit dem Sinn für alle andern Künste, eher noch besser; denn wenn man einen Theil der Logen von Raphael durch eine unsägliche Rohheit und einen unbegreiflichen Barbarismus weggekratzt sieht, um Inschriften mit Bleistift Platz zu machen, wenn der ganze Anfang der aufsteigenden Arabesken völlig vernichtet ist, weil Italiäner mit Messern und Gott weiß wie ihre erbärmlichen Namen eingeschnitten haben, wenn einer unter den Apoll von Belvedere mit großer Emphase und noch größern Buchstaben hinmalt: Christus! wenn mitten vor dem jüngsten Gericht von MichelAngelo ein Altar aufgerichtet ist, so groß, daß er grade die Mitte des Bildes überdeckt und so das Ganze stört, wenn durch die herrlichen Säle der villa Madama, wo Giulio Romano die Wände gemalt hat, das Vieh getrieben und Kraut darin aufbewahrt wird, blos aus Gleichgültigkeit des Volks, so ist das wohl noch viel schlimmer, als schlechte Orchester und Maler muß das mehr schmerzen, als mich erbärmliche Musik. Das Volk ist wohl innerlich angegriffen und zerstreut: sie haben eine Religion und glauben sie nicht, sie haben einen Papst und Vorgesetzte und verlachen sie, sie haben eine glänzend helle Vorzeit und sie steht ihnen fern: da ist es kein Wunder, wenn sie sich nicht an der Kunst erfreuen, wenn ihnen sogar Alles Ernstere gleichgültig ist. Die Indifferenz bei dem Tode des Papstes, die unziemliche Lustigkeit bei den Ceremonien ist wirklich entsetzlich: ich habe die Leiche auf dem Paradebett gesehen und die Geistlichen die umherstanden flüsterten fortwährend mit einander und lachten dann auf, jetzt wo für seine Seele Messen gelesen werden zimmern sie in derselben Kirche fortwährend am Gerüste des Katafalks, so daß man vor dem Hallen der Beilschläge, vor dem Lärmen der Arbeitsleute, vom Gottesdienst nichts hören kann; sobald die Cardinäle im Conclave sind kommen die Satyren auf sie heraus, wo sie dann z. B. die Litaney parodiren und statt der Übel um deren Ende sie bitten, immer die Eigenschaften der wohlbekannten Cardinäle nennen oder wo sie eine ganze Oper von Cardinälen aufführen lassen, wo einer der primo amoroso, ein andrer tiranno assoluto, ein dritter Lampenputzer ist u. s. f. So kann es nicht sein, wo die Leute sich an Kunst erquicken sollen; früher war es nicht besser, aber sie haben daran geglaubt, und das macht den Unterschied. Die Natur aber und die warme Decemberluft und die Linien vom Albanerberge bis ins Meer hinunter das ist Alles noch so geblieben, da können sie keine Namen einschneiden und keine Inschriften dichten – das genießt jeder frisch und für sich allein, und das ist es, woran ich mich halte. Ein Mensch fehlt mir hier, dem ich Alles sehr offen mittheilen könnte, der meine Musik im Entstehen läse und mir doppelt lieb machte, bei dem ich mich so recht vollkommen erholen und ausruhen und recht aufrichtig von ihm lernen könnte, (er brauchte darum gar nicht ein sehr weiser Mann zu sein) da aber die Bäume nicht in den Himmel wachsen sollen, wie es heißt, so wird der Mensch wohl sich hier nicht finden und ein Glück, was ich sonst überall in sehr reichem Maaße hatte, wird mir gerade hier fehlen. Muß also hier für mich brummen, und es wird schon so recht sein. Am nächsten Sonnabend ist Dein Geburtstag, lieber Vater; ein Geschenk werde ich Dir diesmal nicht bringen können, und wie mein Glückwunsch täglich zu Dir geht, weißt Du, an dem Tage nun freilich wohl noch eigentlicher, weil ich ihn bisjetzt immer mündlich gebracht hatte. Es ist aber dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. F. N. S. Die Post geht Mittags, darum ist der Brief so kurz und eilig. Lebt mir nun alle wohl; ich will ein bischen spazieren gehen: es ist warme Mailuft draußen, ich hoffe wir werden unvermerkt über den Winter uns fortschleichen, der kürzeste Tag ist bald da, sie läuten um 5 Ave Maria. Laßt Euch von Hensel St. Onofrio beschreiben; es ist mein Lieblingsplatz, weil alle Zeiten da sich vereinigen: die neue repräsentirt sich im Frack. Lebt wohl und froh und mir eingedenk!!
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1830-12-07" xml:id="date_b883af15-b95a-44c8-aa21-ac690ff75394">7. 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Am Sinne möchte es wohl nicht fehlen, aber es fehlt an den Mitteln gänzlich: die Orchester unter allem Begriff, weder Clavierspieler noch Claviere, als prima donna assoluta ist <persName xml:id="persName_52097aed-4692-43d4-a710-846567cb0fe2">Mlle. Carl<name key="PSN0110283" style="hidden">Carl, Henriette Bertha (1805-1890)</name></persName> für die ganze saison an <placeName xml:id="placeName_aa26b29a-3f6f-46d6-9c75-aefb299fa4ea">den beiden Haupttheatern<name key="NST0100274" style="hidden" subtype="" type="institution">Teatro Argentina</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country><name key="NST0100263" style="hidden" subtype="" type="institution">Teatro della Valle</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> engagirt, ist schon eingetroffen und fängt an la pluie & le beau tems zu machen, die <placeName xml:id="placeName_7b5903f0-4f14-4219-8877-bf6df1dbc06f">päpstlichen Sänger<name key="NST0100258" style="hidden" subtype="" type="institution">Cappella Musicale Pontificia »Sistina«</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> werden alt, sind fast ganz unmusikalisch, treffen sogar selbst die herkömmlichen Stücke nicht richtig, und der ganze Chor besteht aus 32 Sängern, die aber nie zusammen sind, Concerte werden in der sogenannten <placeName xml:id="placeName_fab0c0f1-8e85-40a3-86a3-6dad53861be5">philharmonischen Gesellschaft<name key="NST0100262" style="hidden" subtype="" type="institution">Accademia Filarmonica Romana</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> gegeben, aber nur am Clavier, Orchester ist nicht dabey und als sie neulich versuchen wollten die <title xml:id="title_bdcac4d7-4902-4ae8-b440-3691a37682e6">Schöpfung von Haydn<name key="PSN0111789" style="hidden" type="author">Haydn, Franz Joseph (1732-1809)</name><name key="CRT0109080" style="hidden" type="music">Die Schöpfung Hob. 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Bach<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107903" style="hidden" type="music">Singet dem Herrn ein neues Lied BWV 225</name></title> zeigen nur, wie das Rechte dennoch durchdringen <hi rend="underline">muß</hi>, den lebendigen Sinn der Leute werden sie nicht ergreifen und nicht entzünden; aber es ist damit nicht schlechter als mit dem Sinn für alle andern Künste, eher noch besser; denn wenn man einen <title xml:id="title_5820ec00-2118-4c2b-b6af-b409fb11c289">Theil der Logen von Raphael<name key="PSN0114060" style="hidden" type="author">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name><name key="CRT0110385" style="hidden" type="art">Fresken (Rom, Villa Farnesina)</name></title> durch eine unsägliche Rohhe[it] und einen unbegreiflichen Barbarismus weggekratzt sieht, um Inschriften mit Bleistift Platz zu machen, wenn der ganze Anfang der aufsteigenden Arabesken völlig vernichtet ist, weil Italiäner mit Messern und Gott weiß wie ihre erbärmlichen Namen eingeschnitten haben, wenn einer unter den <placeName xml:id="placeName_52e993bc-0dd1-4beb-9894-6eb0b9087720">Apoll von Belvedere<name key="SGH0100270" style="hidden" subtype="" type="sight">Palazzo Vaticano</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> mit großer Emphase und noch größern Buchstaben hinmalt: Christus! wenn mitten vor <title xml:id="title_ee301a05-2a42-4f76-ac98-f7acb0fb06c5">dem jüngsten Gericht von MichelAngelo<name key="PSN0113332" style="hidden" type="author">Michelangelo Buonarroti (1475-1564)</name><name key="CRT0109981" style="hidden" type="art">Das jüngste Gericht</name></title> ein Altar aufgerichtet ist, so groß, daß er grade die Mit[te des] Bildes überdeckt und so das Ganze stört, wenn durch die herrlichen Säle der <placeName xml:id="placeName_526b0c3c-13e8-4815-8a0a-f68fe4223377">villa Madama<name key="SGH0100269" style="hidden" subtype="" type="sight">Villa Madama</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, wo <title xml:id="title_f0c88805-947b-4b5c-8133-0b87109bbbdb">Giulio [Romano]<name key="PSN0114270" style="hidden" type="author">Romano, Giulio (eigtl. Giulio di Pietro Gianuzzi) (1499-1546)</name><name key="CRT0110544" style="hidden" type="art">Fresken (Rom, Villa Madama)</name></title> die Wände gemalt hat, das Vieh getrieben und Kraut darin aufbewahrt wird, blos aus Gleichgültigkeit des [Volks, so ist] das wohl noch viel schlimmer, als schlechte Orchester und Maler muß das mehr schmerzen, als mich erbärmliche Musik. Das V[olk] ist wohl innerlich angegriffen und zerst[reut]: sie haben eine Religion und glauben sie nicht, sie haben einen Papst und Vorgesetzte und verlachen sie, sie haben eine glänzend helle Vorzeit und sie steht ihnen fern: da ist es kein Wunder, wenn sie sich nicht an der Kunst erfreuen, wenn ihnen sogar Alles Ernstere gleichgültig ist. Die Indifferenz bei dem Tode des <persName xml:id="persName_d87cd1a0-6362-45af-95a7-9c9083705d96">Papstes<name key="PSN0113892" style="hidden">Pius VIII. (eigtl. Francesco Saverio Graf Castiglioni) (1761-1830)</name></persName>, die unziemliche Lustigkeit bei den Ceremonien ist wirklich entsetzlich: ich habe die Leiche auf dem Paradebett gesehen und die Geistlichen die umherstanden flüsterten fortwährend mit einander und lachten dann auf, jetzt wo für seine Seele Messen gelesen werden zimmern sie in derselben Kirche fortwährend am Gerüste des Katafalks, so daß man vor dem Hallen der Beilschläge, vor dem Lärmen der Arbeitsleute, vom Gottesdienst nichts hören kann; sobald die Cardinäle im Conclave sind kommen die Satyren auf sie heraus, wo sie dann z. B. die Litaney parodiren und statt der Übel um deren Ende sie bitten, immer die Eigenschaften der wohlbekannten Cardinäle nennen oder wo sie eine ganze Oper von Cardinälen aufführen lassen, wo einer der primo amoroso, ein andrer tiranno assoluto, ein dritter Lampenputzer ist u. s. f. So kann es nicht sein, wo die Leute sich an Kunst erquicken sollen; früher war es nicht besser, aber sie haben daran geglaubt, und das macht den Unterschied. Die Natur aber und die warme Decemberluft und die Linien vom Albanerberge bis ins Meer hinunter das ist Alles noch so geblieben, da können sie keine Namen einschneiden und keine Inschriften dichten – das genießt jeder frisch und für sich allein, und das ist es, woran ich mich halte. Ein Mensch fehlt mir hier, dem ich Alles sehr offen mittheilen könnte, der meine Musik im Entstehen läse und mir doppelt lieb machte, bei dem ich mich so recht vollkommen erholen und ausruhen und recht aufrichtig von ihm lernen könnte, (er brauchte darum gar nicht ein sehr weiser Mann zu sein) da aber die <title xml:id="title_adf9a63d-325d-4380-89ca-49b75a37d992">Bäume nicht in den Himmel wachsen sollen<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108799" style="hidden" type="literature">Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit</name></title>, wie es heißt, so wird der Mensch wohl sich hier nicht finden und ein Glück, was ich sonst überall in sehr reichem Maaße hatte, wird mir gerade hier fehlen. Muß also hier für mich brummen, und es wird schon so recht sein. Am nächsten Sonnabend ist Dein Geburtstag, lieber <persName xml:id="persName_993ee706-8759-4107-a06a-8a53e7bd404f">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName>; ein Geschenk werde ich Dir diesmal nicht bringen können, und wie mein Glückwunsch täglich zu Dir geht, weißt Du, an dem Tage nun freilich wohl noch eigentlicher, weil ich ihn bisjetzt immer mündlich gebracht hatte. Es ist aber dafür gesorgt, daß <title xml:id="title_15c6ba27-aa1e-47eb-8ec7-c1037ee2658c">die Bäume nicht in den Himmel wachsen<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108799" style="hidden" type="literature">Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit</name></title>.</p> <signed rend="right">F.</signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_a428a215-7c43-4173-afa6-2ac8ce5ea66e"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_0e7972dd-2f76-4db6-aada-5711a7e142d2">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_7a72298c-351e-45cc-bef2-562da1116067">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">N. S. Die Post geht Mittags, darum ist der Brief so kurz und eilig. Lebt mir nun alle wohl; ich will ein bischen spazieren gehen: es ist warme Mailuft draußen, ich hoffe wir werden unvermerkt über den Winter uns fortschleichen, der kürzeste Tag ist bald da, sie läuten um 5 Ave Maria. Laßt Euch von <persName xml:id="persName_6b1d3955-04c2-477f-b39a-44df0c10ac70">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> <placeName xml:id="placeName_e7ddb785-645b-4213-8c2b-b1c06459eb89">St. Onofrio<name key="NST0100266" style="hidden" subtype="" type="institution">Sant’Onofrio (Kloster)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> beschreiben; es ist mein Lieblingsplatz, weil alle Zeiten da sich vereinigen: die neue repräsentirt sich im Frack<seg type="closer" xml:id="seg_29c3e298-e0f1-4db8-9eb2-935d254878ca">. Lebt wohl und froh und mir eingedenk!!</seg></p> </div> </body> </text></TEI>