fmb-1830-09-15-01
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Wien, 15. September 1830
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
2 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Vermerk von fremder Hand auf der Adressenseite: »Arnstein & Eskeles.«
Felix Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Schubring
Wohl längst hätte ich Dir auf Deinen freundlichen Brief, den mir müßte; nimm also den inhaltslosen Brief nicht übel, sondern bedenke, daß er nur deshalb in der Welt ist um Dir anzuzeigen, daß vorgestern ein funkelnagelneues Flügelein, verfertiget vom hochberümbten
Wien 15 Sept. 30. Lieber Schubring Wohl längst hätte ich Dir auf Deinen freundlichen Brief, den mir Marx nach München brachte, danken und Dir eine Antwort schreiben sollen, aber ich hatte außen und innen zu viel zu erleben, als daß ich zum Schreiben und Erzählen hätte aufgelegt sein können. Auch jetzt geht es mir noch so und ich würde nicht wissen Anfang, Mitte und Ende zu finden, wenn ich Dir nicht geschäftsmäßig schreiben müßte; nimm also den inhaltslosen Brief nicht übel, sondern bedenke, daß er nur deshalb in der Welt ist um Dir anzuzeigen, daß vorgestern ein funkelnagelneues Flügelein, verfertiget vom hochberümbten K. K. Hofinstrumentenmacher Conrad Graf, an Dich nach Dessau abgesendet worden ist. Du hattest mir aufgetragen eins auszusuchen, und dennoch habe ich 14 Tage lang zwischen Streicher, Leschen und Graf hin und hergeschwankt (im bildlichen Sinne) ohne mich zu entscheiden. Da ich indeß bei Graf diesen Flügel fand, der mir in Spielart und Ton ungemein zusagte, der im leisesten Piano eben so genau anspricht, als wenn man ihn mit ganzer Kraft angreift, und der auch äußerlich hübsch ist, so legte ich Beschlag darauf, schrieb meinen Namen mit Bleistift hinein und daß er für Dich sey, und hoffe Du wirst damit zufrieden sein. Es kommt mir vor, wie das beste Instrument, das ich seit England gespielt. Zudem ist Graf hier allgemein, als der beste bekannt, und gilt bei allen Musikern für den ersten, auch machen sie in Leipzig und Berlin von ihm das größte Wesen, verkaufen seine Instrumente noch einmal so theuer, als die der anderen, kurz ich denke meine Wahl rechtfertigen zu können, und freue mich schon in Gedanken wie Dich Mde. Pozzo, oder wie sie heißt, besuchen muß, um Dein Piano zu versuchen. Es kostet 300 Gulden C. M. hier; 12 Gulden Emballage und dann noch die Fracht und den Eingangszoll, so daß es Dich im ganzen etwa 360–70 fl. zu stehen kommen wird. Ich glaube nicht, daß Du irgend eins vom großen Umfang hier wohlfeiler bekommen kannst, in Leipzig nehmen sie 400 Thaler für solch ein Instrument. Wie Du nun das Geld an Graf zahlen willst und auf welchem Wege, ist einerley, glaub’ ich; er erwartet es nicht eher, als nach Empfang des Pianos; ich dächte, das Beste wäre, Du schriebst umgehend an ihn (Herrn Conr. Graf, KK. Hofinstrumentenmacher, auf der Wieden, im Mondschein) und befrägest ihn darüber, ob Du es ihm in einem Wechsel, oder etwa über Berlin durch ein Handlungshaus, oder wie sonst schicken sollest. Nun wünsche ich Dir schöne Musik dabei, und Freude daran, und Lust darauf zu spielen, wie Dir es ums Herz ist, und so hab’ ich Wand nun mehr mein Part gemachet gut, denn gefallen wird es Dir, dafür stehe ich. – Soll ich Dir nun von mir erzählen; da giebt es viel oder wenig zu sagen; viel, wenn ich vom Einzelnen sprechen soll, wenn ich Dir das lustige, heitere Leben in München voll Musik und Bildern und Leuten, die mich lieb hatten, und dann die Reise mit Marx durch’s Bairische Gebirge, über Salzburg, das Salzkammergut, die eilige Donau herunter nach Wien, und endlich Wien, das liederliche, genußmüde Eß- und Trinknest ausführlich beschreiben soll; wenig, wenn ich sage, daß ich gesund, froh, mit Musik, die mir im Kopfe schwirrt, und mit warmer Freude an der Welt und an jedem heiteren Tag, der uns gesendet wird, vor den Thoren von Italien stehe, und übermorgen, so Gott will, mich auf den Weg dahin zu machen gedenke; füg’ ich dann noch hinzu, daß ich weiß, wie mancherley ich zu thun und zu sagen habe, und also ruhig auf die Gelegenheit dazu warte, so daß es mich nicht verwundern wird, wenn sie kommt, und nicht schmerzen, wenn sie ausbleibt, daß ich mit Leib und Leben liebe, was ich für recht und wahr halte, und daß ich recht warm verabscheue, was ich als verwerflich und gelogen kenne, daß ich endlich hier etwas seltner im Volksgarten war, wo Mädchen aller Art und so theuer man nur verlangt umherstreifen, und daß ich statt dessen eine kleine Kirchenmusik componirt habe, – so wirst Du ungefähr wissen, daß ich derselbe bin, der ich von jeher war. Ich glaube auch nicht, daß es sich je sehr ändern wird, zum Hofmann bin ich verdorben. Die beißige, niedergeschlagne Stimmung, die ich Dir in Dessau Abends am Fenster entfaltete, und die Du darauf in Deinem Briefe wieder zu bekämpfen suchtest, ist gleich nachher gewichen, sobald ich nur Berlin, das infame Loch alias meine theure Vaterstadt aus den Gliedern hatte; solange mein Wagendeichsel nicht wieder dahin sich kehrt, kommt sie auch nicht wieder auf, und Du brauchst Dich nicht meinetwegen deshalb zu ängstigen; ist aber einmal meine Reisezeit um, und wohne ich wieder in Berlin, so schlage ich sie durch anhaltendes Arbeiten todt, falls sie wieder spuken will, und durch Erquickung an meiner lieben Familie. Dann soll es doch ein frohes Leben werden, und wenn sich Berlin und Berliner auf den Kopf stellen. So weit meine Plane und Hoffnungen; Du hast mir wenig von den Deinigen geschrieben; und was macht denn die (wie Goethe sagt) Trilogie der Leidenschaft? Hör mal, sie sagen in Berlin Du seyest verliebt. Ich hab es Dir schon im Freundschaftstempel während des Regens wieder gesagt, und Du hast Dich mit schwachen Gegenbeschuldigungen herausreden wollen. Ich wollte Du schriebst an mich, und adressirtest entweder nach Rom, an den Geh. Rath Bunsen für mich, oder schicktest den Brief nach Berlin, auch wollte ich Du wärst recht munter und dächtest zuweilen an mich, bei guter Musik und hübschen Liedern oder jungen Mädchen u. dgl. Die drei Sachen kann ich gut leiden. Nun wünsche ich Dir, was Glückliches Dich erfreuen und beleben kann, und Erhaltung und Gedeihen aller der Deinigen, Erinnerung an vergangne frohe Stunden, und Hoffnung auf zukünftige. Leb wohl Felix MB
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1830-09-15" xml:id="date_3dbba323-740d-47b1-aa1c-ced1e1de3a4f">15. 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Zudem ist <persName xml:id="persName_be6a0693-67c4-414d-a756-e88b1b8ec950">Graf<name key="PSN0111505" style="hidden">Graf, Conrad (1782-1851)</name></persName> hier allgemein, als der beste bekannt, und gilt bei allen Musikern für den ersten, auch machen sie in Leipzig und Berlin von ihm das größte Wesen, verkaufen seine Instrumente noch einmal so theuer, als die der anderen, kurz ich denke meine Wahl rechtfertigen zu können, und freue mich schon in Gedanken wie Dich <persName xml:id="persName_834d6eb5-27c6-46a9-96ee-189af871e579">Mde. Pozzo<name key="PSN0113970" style="hidden">Pozzi, Franziska Johanna Wilhelmina (1795-1875)</name></persName>, oder wie sie heißt, besuchen muß, um Dein Piano zu versuchen. Es kostet 300 Gulden C. M. hier; 12 Gulden Emballage und dann noch die Fracht und den Eingangszoll, so daß es Dich im ganzen etwa 360–70 fl. zu stehen kommen wird. 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Nun wünsche ich Dir schöne Musik dabei, und Freude daran, und Lust darauf zu spielen, wie Dir es ums Herz ist, und <title xml:id="title_a40dd4f6-d943-46d1-9963-8aed3db5e5db">so hab’ ich Wand nun<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564-1616)</name><name key="CRT0110856" style="hidden" type="dramatic_work">Ein Sommernachtstraum (A Midsummer Night’s Dream)</name></title> mehr mein Part gemachet gut, denn gefallen wird es Dir, dafür stehe ich. – Soll ich Dir nun von mir erzählen; da giebt es viel oder wenig zu sagen; viel, wenn ich vom Einzelnen sprechen soll, wenn ich Dir das lustige, heitere Leben in München voll Musik und Bildern und Leuten, die mich lieb hatten, und dann die Reise mit <persName xml:id="persName_93424ecf-9444-404d-afba-cada9afd258a">Marx<name key="PSN0113108" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</name></persName> durch’s Bairische Gebirge, über Salzburg, das Salzkammergut, die eilige Donau herunter nach Wien, und endlich Wien, das liederliche, genußmüde Eß- und Trinknest ausführlich beschreiben soll; wenig, wenn ich sage, daß ich gesund, froh, mit Musik, die mir im Kopfe schwirrt, und mit warmer Freude an der Welt und an jedem heiteren Tag, der uns gesendet wird, vor den Thoren von Italien stehe, und übermorgen, so Gott will, mich auf den Weg dahin zu machen gedenke; füg’ ich dann noch hinzu, daß ich weiß, wie mancherley ich zu thun und zu sagen habe, und also ruhig auf die Gelegenheit dazu warte, so daß es mich nicht verwundern wird, wenn sie kommt, und nicht schmerzen, wenn sie ausbleibt, daß ich mit Leib und Leben liebe, was ich für recht und wahr halte, und daß ich recht warm verabscheue, was ich als verwerflich und gelogen kenne, daß ich endlich hier etwas seltner im Volksgarten war, wo Mädchen aller Art und so theuer man nur verlangt umherstreifen, und daß ich statt dessen eine <title xml:id="title_761fd112-d52c-448c-8d2d-7bec166c882e">kleine Kirchenmusik<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_zq6gzbbw-muvs-hjat-etnq-1i8ign8tuurt"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100108" style="hidden">Choral »O Haupt voll Blut und Wunden« für Bariton solo, gemischten Chor und Orchester, 22. 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Rath Bunsen<name key="PSN0110195" style="hidden">Bunsen, Christian Carl Josias (seit 1858) Freiherr von (1791-1860)</name></persName> für mich, oder schicktest den Brief nach Berlin, auch wollte ich Du wärst recht munter und dächtest zuweilen an mich, bei guter Musik und hübschen Liedern oder jungen Mädchen u. dgl. Die drei Sachen kann ich gut leiden<seg type="closer" xml:id="seg_2ddfa242-319a-4ae4-b96d-8f44de2c0641">. Nun wünsche ich Dir, was Glückliches Dich erfreuen und beleben kann, und Erhaltung und Gedeihen aller der Deinigen, Erinnerung an vergangne frohe Stunden, und Hoffnung auf zukünftige. Leb wohl</seg></p><signed rend="right">Felix MB</signed></div></body> </text></TEI>