fmb-1830-07-17-01
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München, 16. und 17. Juli 1830
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, 1 Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
o3.
Verzeiht mir, meine Lieben, daß ich wieder so lange geschwiegen habe; ich mag Euch nicht schreiben, wenn mir nicht ganz danach zu Muth ist, wenn ich irgend etwas anders ebenso gut thun könnte, als Euch schreiben, und da gab es manches, das mich zerstreute, beschäftigte, nicht dazu kommen ließ: namentlich hat die Nachricht von
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abmacht, so denkt der Mann doch sehr an Dich und läßt sich von reisenden Italiänischen Miniaturmalern manches über Dich erzählen. Grahl ist sehr nett; so viel ich mich seiner von damals her erinnere, gar nicht verändert, und er behauptet, wenn man schlechtweg sage: die
einabwesendes Geschwister, ich aber 3. In Ober Ammergau, tief im Gebirge, wird seit 200 Jahren, alle 10 Jahre die Passionsgeschichte im Freien mit großer Orchestermusik, Chören, Decorationen aufgeführt. Es soll das Herrlichste sein das man sich denken kann. z. B. beim Einzug in Jerusalem kommen gegen 400 Menschen einen großen Chor mit Trompeten singend [den] Hügel herunter und man sieht und hört sie von der größesten Ferne aus, bis alles deutlicher und näher kommt und in die Stadt einzieht, die vorne vorgestellt ist. Von dort aus schreibe ich Dir, o
P. S. Verbrennt diesen Brief; es sind verbotne Anspielungen drin.
München d. 16 July 1830. Verzeiht mir, meine Lieben, daß ich wieder so lange geschwiegen habe; ich mag Euch nicht schreiben, wenn mir nicht ganz danach zu Muth ist, wenn ich irgend etwas anders ebenso gut thun könnte, als Euch schreiben, und da gab es manches, das mich zerstreute, beschäftigte, nicht dazu kommen ließ: namentlich hat die Nachricht von Marxens Abreise und die fortwährende Erwartung ihn plötzlich hier zu sehen mich ganz unruhig gemacht, ich möchte nun erst von ihm die lebendigsten Erzählungen über das Kind und Euch Alle hören, und denke, so wie ich in mein Zimmer zurückkomme, ob er nicht vielleicht auf meinem Sopha sitzen mag; bisjetzt ist nichts gekommen, aber morgen trifft der Nürnberger Eilwagen ein und da ist vieles möglich. Auch bin ich den ganzen Tag und bis spät in die Nacht unter Leuten, da ich in der nächsten Woche abreisen will und unglaublich viel Bekanntschaften gemacht habe: München ist eigentlich das kleinstädtischeste Nest in der Welt; man hat es aber doch lieb und gefällt sich da, weil Alles gar zu freundlich ist. Eigentlich habe ich mich ein bischen geärgert über ein abermaliges Brief-Misverständniß, wie es über den Canal weg, einige gegeben hat; daß ich Euch nämlich des Breitesten erzähle, wie ich fast immer fort Musik mache, mich überall umhertreibe, unter Adligen sehr vornehm bin, wie das Orchester meinetwegen eine Versammlung hält und meine Sinfonie probirt (nächsten Montag ist es, ich schreibe noch darüber von hier) wie ich heut ein Wunderkind von 8, morgen eins von 10 Jahren, und übermorgen gar eine ganze Anstalt (zum Glück von lauter Mädchen) muß Clavierspielen hören, wie ich dann guten Rath ertheile und die Gelenke lose zu halten ermahne: alles das habe ich ausgemalt, und im nächsten Antwortbriefe heißt es: daß ich ruhig und still hier lebte, und mich in meinem kleinen Kreise gut amüsirte – ich glaube ein Bayerscher Keferstein ist da gewesen, und hat mich mit der Schechner ins Gerede gebracht, da die Malibran von hier aus unwahrscheinlich wäre. Da habe ich dann gleich an Vater nach Paris einen Brief geschrieben, um mich zu rechtfertigen, und bin so wieder nicht zum Schreiben an Euch gekommen. Lieber Hensel! Dir müssen in diesen Tagen die Ohren recht geklungen haben: Grahl war hier, ist gestern abgereis’t und wenn Dein Rabenschwager Dir auch zu Deinem Geburtstag nicht einmal gratulirt, weil er Data schlecht behält (cf. eine Geschichte von vor 9 Jahren in Weimar) sondern das Alles nachträglich mit einem: sey glücklich und geh vorwärts, Herr Bruder d. 17ten. abmacht, so denkt der Mann doch sehr an Dich und läßt sich von reisenden Italiänischen Miniaturmalern manches über Dich erzählen. Grahl ist sehr nett; so viel ich mich seiner von damals her erinnere, gar nicht verändert, und er behauptet, wenn man schlechtweg sage: die Paulskirche so meine man die in Rom, weil sie die erste sey. Dem widerspricht aber Hr. Oppenheim geradezu, samt seiner Frau und Tochter; mit denen reis’t Grahl nämlich und wird auch wohl mit ihnen nach Berlin kommen; ich habe mit ihnen zusammen die Schleisheimer Gallerie gesehen, allwo mich Grahl auf mehrere stupende Motive aufmerksam machte, dann aber wieder auf Bilder die nur a la Prim gewichst wären, den letzten Abend vor ihrer Abreise besuchte mich die ganze – Familie auf meinem Zimmer in der krummen Burggasse und ich mußte ihnen vorspielen, ach Gott, wenn ich nur nicht alles Prophezeien verschworen hätte, ich könnte vielerley behaupten und mich von Mutter schelten lassen, wie damals; denn wer kann läugnen, daß Hübner wirklich geheirathet hat? Aber ich schweige und überlasse Euch das Selbstprüfen. – Du schreibst, liebe Mutter, Zelter finde es Unrecht, daß ich nicht dem König mich habe vorstellen lassen, da der Mann indessen gar nicht in München ist, und hier nur 6 Tage zwischen seiner Italiänischen und dieser Reise zubrachte, in welchen er natürlich mit Festen, Theater u. dgl. erdrückt war, da es mir ferner um eine gleichgültige Audienz gar nicht zu thun ist, und ich keineswegs genug sein Bewundrer bin, um etwa blos den Klang seiner Stimme hören zu wollen, da im Gegentheil er und manches von ihm das ich hier gehört und gesehen habe mir gar nicht zusagt – so weiß ich nicht, weshalb ich mich darum hätte bemühen sollen, um so mehr da es unmöglich war. Aber Herz – meinen Herz habe ich gesehen und für das ewige Leben genug an ihm; – er ist der elendeste Mensch, so weit ich ihn kenne, und ich halte ihn für gleich bös, leer und dumm. Als ich zufällig erfuhr, es lebe hier ein Herr Herz so dachte ich, es sey der, den ich kürzlich in Berlin gesehn hatte, erkundigte mich nach seiner Wohnung, und besuchte ihn. Da fand ich denn, daß es der ehemalige Viehte war, unverändert, noch immer mit seinem Talent einem in 2 Worten eine Tiefe der Misere, eine Leerheit im Innern zu zeigen, vor der man sich entsetzen muß. Gleich als ich hereinkam frug er mich fast verschämt: ob ich ihn noch hübsch fände – und da ich vor Bestürzung nicht antwortete, sagte er, er merke schon ich fände ihn gewiß häßlich geworden. Er ist 19 – 20 Jahre alt. – Da ich frug, was er werden wolle, sagte er: er wisse es nicht, und man brauche ja nicht gerade was zu werden. Als ich frug, was er hier mache, sagte er: Gar nichts; seine Eltern hätten ihn hieher geschickt, weil sie es zu Hause mit ihm nicht mehr hätten aushalten können vor seiner Unart. (Ich möchte ihn noch lieber prügeln, als Saphir. ) Er kam einmal zu spät zur table d’hote und entschuldigte sich bei seinen Nachbarn, der Friseur habe ihn sitzen lassen. Urtheilt, ob ich wieder zu ihm hingegangen bin, und ob Du Recht gehabt hast, o Beckchen, die Du behauptest, ich werde ihn en canaille behandeln. Du hast einen herrlichen Brief geschrieben, o Beckchen, nachdem Du Dich als Motiv auf der Erde wälzetest; ich theilte Deinen Grimm, aber 8 Tage später, also fast ohne Erfolg; nur wundre ich mich über das bunte Tuch, das Du im Portrait umnehmen sollst. Ach, und sage doch dem Maler malermir er solle Dich, bei meinem Zorn, nicht stylisiren, auch Dich nicht aussehen machen, als seyst Du 6 Schuh lang, sondern in der Stellung, wie Du auf der Hauptprobe eine ziemlich augenauskratzende Bewegung machtest: „seid ihr bald fertig. “ Ich spiele zuweilen aus jenem Liederspiel, das Du gern hast, und bemühe mich allein das Terzett nur elend zu singen; es macht sich aber nicht. Auch denke ich zuweilen, wenn ich meine Sinfonie ansehe, wie Mama, Fanny ein Cantorgesicht machte und davon sagte: „Hu, das Thier“. Sie hat nicht ganz Unrecht, aber ich möchte gern wissen, ob die Partitur noch nicht von Leipzig angekommen ist; auch bin ich auf den magern Brief den Marx bringen soll, etwas begierig, und wann ist Taufe? Und wer repräsentirt mich? Was wird dabey gegessen? Wer tauft? Wer hält? Was habe ich immer von Maurice Schlesinger gesagt? Wenn ich die Charlottenburger Geschichte erlebt hätte, ich glaube ich hätte Gans in Brand gesteckt – er brennt aber ohnedies lichterloh; Nun gut so hätte ich H. Beer gefordert – aber ich will ihn gar nicht haben; es ist gegen die Leute nichts zu thun; ich wollt’ aber –. Somit gut. Mir ist jetzt weniger schreiberig zu Muthe, als je; daher hab’ ich Dir o Paul noch nicht einen Brief geantwortet; nimm es aber nicht genau mit mir, und schreibe immer eine Zeile mit, wenn die andern den Brief fortschicken, sieh! Du hast nur ein abwesendes Geschwister, ich aber 3. In Ober Ammergau, tief im Gebirge, wird seit 200 Jahren, alle 10 Jahre die Passionsgeschichte im Freien mit großer Orchestermusik, Chören, Decorationen aufgeführt. Es soll das Herrlichste sein das man sich denken kann. z. B. beim Einzug in Jerusalem kommen gegen 400 Menschen einen großen Chor mit Trompeten singend den Hügel herunter und man sieht und hört sie von der größesten Ferne aus, bis alles deutlicher und näher kommt und in die Stadt einzieht, die vorne vorgestellt ist. Von dort aus schreibe ich Dir, o Paul, und beschreibe Alles; willst Du aber einen Vorschmack haben, wie es dort aussieht, so betrachte einmal den Steindruck nach Peter Hess, der unter den Linden immer aushängt, und das Dorf Partenkirch mit der Zugspitz vorstellt. Einer der Chöre fängt an: „Gerechte Rache säume nicht – Ihr Donner, Blitze stürzet nieder – zermalmt den Bösewicht. “ Der Anfangschor des zweiten Theils heißt: „O kommet all – kommet denn und seht mit mir die Leiden an. “ Und so finden sich merkwürdige Anklänge im Textbuch; ich bin sehr gespannt darauf. Das Ganze ist entstanden als 1633 in Partenkirch eine Pest herrschte, zu deren Ende man das Gelübde that, das nun wieder in diesem Jahre erfüllt wird. – Sobald Marx hier ist, schreibe ich besser; kommt er heut, so schreibe ich morgen. Grüßt mir meinen Horn, ich will ihm bald antworten und für seine Zeilen danken; bittet ihn doch aber auch um einen Brief für mich. An Alb. Heydemann lasse ich sagen, daß Dr. Lehmann abgereis’t ist, und daß ich neulich bei der table d’hote Dr. Jakobson mir gegenübersitzen sah; wir wechselten wenig Worte, fade Schwimmscherze brachte ich natürlich wieder vor, und so gingen wir aus einander und haben uns nicht wieder gesehn. Das Bindemittel fehlte. Überhaupt – die Zeit fliegt; die Welt ist eigentlich hübsch aber sehr veränderlich; aber was thut’s? Ich weiß was ich mir dabey denke und daß ich Euch lieb habe. Das Uebrige, sobald es geschieht. F P. S. Verbrennt diesen Brief; es sind verbotne Anspielungen drin.
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Dir müssen in diesen Tagen die Ohren recht geklungen haben: <persName xml:id="persName_fe47eb48-ed02-42c1-b84e-3a30c66f2f65">Grahl<name key="PSN0111507" style="hidden">Grahl, August (1791-1868)</name></persName> war hier, ist gestern abgereis’t und wenn Dein Rabenschwager Dir auch zu Deinem Geburtstag nicht einmal gratulirt, weil er Data schlecht behält (cf. eine Geschichte von vor 9 Jahren in Weimar) sondern das Alles nachträglich mit einem: <seg type="closer" xml:id="seg_1ddef964-5bb5-47bc-98bd-1ca7fde062fa">sey glücklich und geh vorwärts, Herr Bruder</seg></p></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_ea6cdf39-883e-4449-8384-ee1bd35b951c"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="left">d. <date cert="high" when="1830-07-17" xml:id="date_adfe6310-4261-4264-a406-8a21d2a44e23">17<hi rend="superscript">ten</hi></date>.</dateline><p style="paragraph_without_indent">abmacht, so denkt der Mann doch sehr an Dich und läßt sich von reisenden Italiänischen Miniaturmalern manches über Dich erzählen. Grahl ist sehr nett; so viel ich mich seiner von damals her erinnere, gar nicht verändert, und er behauptet, wenn man schlechtweg sage: die <placeName xml:id="placeName_eb745f3e-1cdb-44df-a9bd-2a0d1f31f05c">Paulskirche<name key="SGH0100229" style="hidden" subtype="" type="sight">San Pietro in Vaticano (Petersdom)</name><settlement key="STM0100177" style="hidden" type="">Rom</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> so meine man die in Rom, weil sie die erste sey. Dem widerspricht aber <persName xml:id="persName_ad9777d0-9944-4c64-be82-9e09877e8efa">Hr. Oppenheim<name key="PSN0113679" style="hidden">Oppenheim, Martin Wilhelm (Wolff) (1781-1863)</name></persName> geradezu, samt <persName xml:id="persName_15245e05-8623-4dea-a34b-23adf5819250">seiner Frau<name key="PSN0113681" style="hidden">Oppenheim, Rosa (1792-1849)</name></persName> und <persName xml:id="persName_f4ab32b2-945e-4f02-ab61-b84aaf21465a">Tochter<name key="PSN0113677" style="hidden">Oppenheim, Elisabeth Julie (1813-1905)</name></persName>; mit denen reis’t <persName xml:id="persName_8f636de2-d50f-498f-8f92-114dc38d2a2e">Grahl<name key="PSN0111507" style="hidden">Grahl, August (1791-1868)</name></persName> nämlich und wird auch wohl mit ihnen nach Berlin kommen; ich habe mit ihnen zusammen die <placeName xml:id="placeName_b0f615c3-e1c5-4eef-b8f8-07eda0220bec">Schleisheimer Gallerie<name key="SGH0100231" style="hidden" subtype="" type="sight">Schloss Schleißheim</name><settlement key="STM0100230" style="hidden" type="">Oberschleißheim</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> gesehen, allwo mich <persName xml:id="persName_5a0b9631-9eea-4c84-9fcd-c90408e8efa9">Grahl<name key="PSN0111507" style="hidden">Grahl, August (1791-1868)</name></persName> auf mehrere stupende Motive aufmerksam machte, dann aber wieder auf Bilder die nur a la Prim gewichst wären, den letzten Abend vor ihrer Abreise besuchte mich die ganze – <persName xml:id="persName_95fb640a-0421-4295-8b5c-dc83429ba6ad">Familie<name key="PSN0113681" style="hidden">Oppenheim, Rosa (1792-1849)</name><name key="PSN0113679" style="hidden">Oppenheim, Martin Wilhelm (Wolff) (1781-1863)</name><name key="PSN0113677" style="hidden">Oppenheim, Elisabeth Julie (1813-1905)</name></persName> auf meinem Zimmer in der krummen Burggasse und ich mußte ihnen vorspielen, ach Gott, wenn ich nur nicht alles Prophezeien verschworen hätte, ich könnte vielerley behaupten und mich von <persName xml:id="persName_da722bfb-f26b-4cec-bb89-5c62bc217a43">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> schelten lassen, wie damals; denn wer kann läugnen, daß <persName xml:id="persName_342adecf-46da-472b-bf8c-9785237f37e9">Hübner<name key="PSN0112130" style="hidden">Hübner, Rudolph Julius Benno (1806-1882)</name></persName> wirklich geheirathet hat? Aber ich schweige und überlasse Euch das Selbstprüfen. – Du schreibst, liebe <persName xml:id="persName_9d2a4133-b0b2-41f6-b488-7e801f816732">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, <persName xml:id="persName_36412c7c-b345-4864-8327-5d9b185c6565">Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> finde es Unrecht, daß ich nicht dem <persName xml:id="persName_7cc32884-2b2a-4fb0-8fce-db9ae43c0743">König<name key="PSN0109721" style="hidden">Bayern, Ludwig I. Karl August von (1786-1868)</name></persName> mich habe vorstellen lassen, da der Mann indessen gar nicht in München ist, und hier nur 6 Tage zwischen seiner Italiänischen und dieser Reise zubrachte, in welchen er natürlich mit Festen, Theater u. dgl. erdrückt war, da es mir ferner um eine gleichgültige Audienz gar nicht zu thun ist, und ich keineswegs genug sein Bewundrer bin, um etwa blos den Klang seiner Stimme hören zu wollen, da im Gegentheil er und manches von ihm das ich hier gehört und gesehen habe mir gar nicht zusagt – so weiß ich nicht, weshalb ich mich darum hätte bemühen sollen, um so mehr da es unmöglich war. Aber <persName xml:id="persName_191d9adb-7738-4fa9-bb33-b9660e74e97c">Herz<name key="PSN0111938" style="hidden">Hertz, David (Daniel?) (1816-1858)</name></persName> – meinen Herz habe ich gesehen und für das ewige Leben genug an ihm; – er ist der elendeste Mensch, so weit ich ihn kenne, und ich halte ihn für gleich bös, leer und dumm. Als ich zufällig erfuhr, es lebe hier ein Herr Herz so dachte ich, es sey der, den ich kürzlich in Berlin gesehn hatte, erkundigte mich nach seiner Wohnung, und besuchte ihn. Da fand ich denn, daß es der ehemalige Viehte war, unverändert, noch immer mit seinem Talent einem in 2 Worten eine Tiefe der Misere, eine Leerheit im Innern zu zeigen, vor der man sich entsetzen muß. Gleich als ich hereinkam frug er mich fast verschämt: ob ich ihn noch hübsch fände – und da ich vor Bestürzung nicht antwortete, sagte er, er merke schon ich fände ihn gewiß häßlich geworden. Er ist 19 – 20 Jahre alt. – Da ich frug, was er werden wolle, sagte er: er wisse es nicht, und man brauche ja nicht gerade was zu werden. Als ich frug, was er hier mache, sagte er: Gar nichts; seine Eltern hätten ihn hieher geschickt, weil sie es zu Hause mit ihm nicht mehr hätten aushalten können vor seiner Unart. (Ich möchte ihn noch lieber prügeln, als <persName xml:id="persName_02f618cb-5047-487a-a972-43384bdf4ad0">Saphir<name key="PSN0114460" style="hidden">Saphir, Karl Friedrich Moritz Gottlieb Georg (eigtl. Moses) (1795-1858)</name></persName>.) Er kam einmal zu spät zur table d’hote und entschuldigte sich bei seinen Nachbarn, der Friseur habe ihn sitzen lassen. Urtheilt, ob ich wieder zu ihm hingegangen bin, und ob Du Recht gehabt hast, o <persName xml:id="persName_cf7107b5-713a-44fc-839d-3e0bf152836a">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>, die Du behauptest, ich werde ihn en canaille behandeln. Du hast einen herrlichen Brief geschrieben, o Beckchen, nachdem Du Dich als Motiv auf der Erde wälzetest; ich theilte Deinen Grimm, aber 8 Tage später, also fast ohne Erfolg; nur wundre ich mich über das bunte Tuch, das Du im <title xml:id="title_e11f8ea4-4dc4-4c16-98a5-669a73fa781b">Portrait<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name><name key="CRT0109203" style="hidden" type="art">Rebecka Mendelssohn Bartholdy (Ölgemälde 1830)</name></title> umnehmen sollst. Ach, und sage doch dem <persName xml:id="persName_ed30009e-1366-4dad-820a-ac9af1fcc948">Maler malermir<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> er solle Dich, bei meinem Zorn, nicht stylisiren, auch Dich nicht aussehen machen, als seyst Du 6 Schuh lang, sondern in der Stellung, wie Du auf der Hauptprobe eine ziemlich augenauskratzende Bewegung machtest: <title xml:id="title_05f104af-65cf-411b-b1de-6f2ce32e61d1">„seid ihr bald fertig.“<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_rknrwlcl-fbyf-rk1z-hvtd-y4jnapykdjpn"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="singspiels_and_operas" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100325" style="hidden">Aus der Fremde (»Heimkehr aus der Fremde«), Ein Liederspiel, [September 1829] bis 19. Dezember 1829<idno type="MWV">L 6</idno><idno type="op">89</idno></name></title> Ich spiele zuweilen <title xml:id="title_fba783e5-a1e7-45ac-9625-ec75238036bd">aus jenem Liederspiel<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_6ap9av40-9ai9-a3te-2kcb-0njt35apajzg"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="singspiels_and_operas" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100325" style="hidden">Aus der Fremde (»Heimkehr aus der Fremde«), Ein Liederspiel, [September 1829] bis 19. Dezember 1829<idno type="MWV">L 6</idno><idno type="op">89</idno></name></title>, das Du gern hast, und bemühe mich allein das Terzett nur elend zu singen; es macht sich aber nicht. Auch denke ich zuweilen, wenn ich <title xml:id="title_45d18905-9010-4252-a16c-bcde7cf64d3c">meine Sinfonie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_94asq4hg-8sdg-g7ad-4yw3-ctzstlul4ufx"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100341" style="hidden">Sinfonie d-Moll (»Reformations-Sinfonie«) für Orchester, [1829] bis 12. Mai 1830; 11. November 1832<idno type="MWV">N 15</idno><idno type="op">107</idno></name></title> ansehe, wie <persName xml:id="persName_5ad8ddcd-a9c0-468a-a4d6-0978a70ceefb">Mama<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName>, <persName xml:id="persName_3305f79c-b7d4-4456-b92d-82dd4d55d957">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> ein Cantorgesicht machte und davon sagte: „Hu, das Thier“. Sie hat nicht ganz Unrecht, aber ich möchte gern wissen, ob die Partitur noch nicht von Leipzig angekommen ist; auch bin ich auf den magern Brief den <persName xml:id="persName_f192e240-88a7-4a18-8287-1777040d8e3c">Marx<name key="PSN0113108" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</name></persName> bringen soll, etwas begierig, und wann ist Taufe? Und wer repräsentirt mich? Was wird dabey gegessen? Wer tauft? Wer hält? Was habe ich immer von Maurice <persName xml:id="persName_fa2a2a0c-94fc-44c4-b957-e2067ec7e526">Schlesinger<name key="PSN0114582" style="hidden">Schlesinger, Moritz Adolf (Maurice) (vorh. Mora Abraham) (1798-1871)</name></persName> gesagt? Wenn ich die Charlottenburger Geschichte erlebt hätte, ich glaube ich hätte <persName xml:id="persName_043a2684-f208-4b58-bd55-b2fd43495ff7">Gans<name key="PSN0111279" style="hidden">Gans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839)</name></persName> in Brand gesteckt – er brennt aber ohnedies lichterloh; Nun gut so hätte ich <persName xml:id="persName_0580cdde-9bd3-4648-a9fc-2f4d1c975d27">H. Beer<name key="PSN0109766" style="hidden">Beer, Heinrich (Henoch, Hans) (1794-1842)</name></persName> gefordert – aber ich will ihn gar nicht haben; es ist gegen die Leute nichts zu thun; ich wollt’ aber –. Somit gut. Mir ist jetzt weniger schreiberig zu Muthe, als je; daher hab’ ich Dir o <persName xml:id="persName_60c42c47-7033-426d-a4be-d991caffe50e">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> noch nicht einen Brief geantwortet; nimm es aber nicht genau mit mir, und schreibe immer eine Zeile mit, wenn die andern den Brief fortschicken, sieh! Du hast nur <hi rend="underline">ein </hi>abwesendes Geschwister, ich aber 3. In Ober Ammergau, tief im Gebirge, wird seit 200 Jahren, alle 10 Jahre die Passionsgeschichte im Freien mit großer Orchestermusik, Chören, Decorationen aufgeführt. Es soll das Herrlichste sein das man sich denken kann. z. B. beim Einzug in Jerusalem kommen gegen 400 Menschen einen großen Chor mit Trompeten singend [den] Hügel herunter und man sieht und hört sie von der größesten Ferne aus, bis alles deutlicher und näher kommt und in die Stadt einzieht, die vorne vorgestellt ist. Von dort aus schreibe ich Dir, o <persName xml:id="persName_5c169a88-7de7-45b9-be52-998c30f838af">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName>, und beschreibe Alles; willst Du aber einen Vorschmack haben, wie es dort aussieht, so betrachte einmal den <title xml:id="title_3719918b-d87d-415c-b777-05f9e7acd19c">Steindruck nach Peter Hess<name key="PSN0111946" style="hidden" type="author">Hess, Peter Heinrich Lambert von (1792-1871)</name><name key="CRT0109247" style="hidden" type="art">Morgen in Partenkirchen</name></title>, der unter den Linden immer aushängt, und das Dorf Partenkirch mit der Zugspitz vorstellt. Einer der Chöre fängt an: „Gerechte Rache säume nicht – Ihr Donner, Blitze stürzet nieder – zermalmt den Bösewicht.“ Der Anfangschor des zweiten Theils heißt: „O kommet all – kommet denn und seht mit mir die Leiden an.“ Und so finden sich merkwürdige Anklänge im Textbuch; ich bin sehr gespannt darauf. Das Ganze ist entstanden als 1633 in Partenkirch eine Pest herrschte, zu deren Ende man das Gelübde that, das nun wieder in diesem Jahre erfüllt wird. – Sobald <persName xml:id="persName_e0367ada-642d-4e2b-9d3b-747034ac7bed">Marx<name key="PSN0113108" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</name></persName> hier ist, schreibe ich besser; kommt er heut, so schreibe ich morgen. Grüßt mir meinen <persName xml:id="persName_7c8e98d2-0068-4bcf-972d-d08c1d6d4095">Horn<name key="PSN0112093" style="hidden">Horn, Wilhelm Theodor (seit 1865) von (1803-1871)</name></persName>, ich will ihm bald antworten und für seine Zeilen danken; bittet ihn doch aber auch um einen Brief für mich. An <persName xml:id="persName_c770ad93-a4d2-41d9-bdac-338c0e8a11b3">Alb. Heydemann<name key="PSN0111960" style="hidden">Heydemann, Albert Gustav (1808-1877)</name></persName> lasse ich sagen, daß <persName xml:id="persName_97788e8a-88fa-4558-a837-5c49b75b5951">Dr. Lehmann<name key="PSN0112753" style="hidden">Lehmann, Lorenz (?-1852)</name></persName> abgereis’t ist, und daß ich neulich bei der table d’hote <persName xml:id="persName_cd58afa7-7b61-4e93-b4d3-b33f263f9eed">Dr. Jakobson<name key="PSN0112193" style="hidden">Jacobson, Herrmann (1801-1892)</name></persName> mir gegenübersitzen sah; wir wechselten wenig Worte, fade Schwimmscherze brachte ich natürlich wieder vor, und so gingen wir aus einander und haben uns nicht wieder gesehn. Das Bindemittel fehlte. Überhaupt – die Zeit fliegt; die Welt ist eigentlich hübsch aber sehr veränderlich; aber was thut’s? <seg type="closer" xml:id="seg_b0415ed1-59b0-4a6f-8ea1-cf32b784b652">Ich weiß was ich mir dabey denke und daß ich Euch lieb habe. Das Uebrige, sobald es geschieht.</seg></p><signed rend="right">F</signed></div><div n="3" type="act_of_writing" xml:id="div_1be86b40-eac8-4d69-8dd1-185af74209ee"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p style="paragraph_without_indent">P. S. Verbrennt diesen Brief; es sind verbotne Anspielungen drin.</p></div></body> </text></TEI>