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fmb-1830-06-08-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Ottilie von Goethe in Weimar <lb></lb>zwischen dem 3. und 8. Juni 1830 Ich habe gestern Deinen Brief erhalten, mein liebes Kind, und der Entschluß, den Du mir darin mittheilst, hat mich in die größte Verwunderung, Bestürzung und Sorge versetzt. – Nach Weimar willst Du reisen, und zwar Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 1, 304

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Deutschland Berlin D-B Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Musikabteilung N. Mus. ep. 837. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Ottilie von Goethe in Weimar; zwischen dem 3. und 8. Juni 1830 Ich habe gestern Deinen Brief erhalten, mein liebes Kind, und der Entschluß, den Du mir darin mittheilst, hat mich in die größte Verwunderung, Bestürzung und Sorge versetzt. – Nach Weimar willst Du reisen, und zwar

4 beschr. S.; Adresse.

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Chaos, 1. Jg., 1829/30, Nr. 36, Repr. Bern 1968, S. 142 f.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

zwischen dem 3. und 8. Juni 1830 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Unbekannter Schreibeort Unbekannt Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872) Weimar Deutschland deutsch
An eine verehrliche Redaction des Chaos in Weimar a/I. franco
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)An Therese P… in RudolstadtKölleda, d. 18 Januar 182..

Ich habe gestern Deinen Brief erhalten, mein liebes Kind, und der Entschluß, den Du mir darin mittheilst, hat mich in die größte Verwunderung, Bestürzung und Sorge versetzt. – Nach Weimar willst Du reisen, und zwar um dort Englisch zu lernen und verlangst sogar noch meine Einwilligung zu diesem Unternehmen? Freilich; Du kennst mich als Deine gute alte nachsichtige Tante, Du weißt, wie gern ich bei jeder Gelegenheit der Begeisterung, die Dich so leicht ergreift, und Deinem jugendlichen Feuer das Wort rede, wie ich Dich stets entschuldige, wenn auch Alles gegen Dich spricht. Als Du Byron’sByron (gen. Lord Byron), George Gordon Noel (seit 1794) 6th Baron (1788-1824) Portrait auf eine Fußbank stüktest – als Du aus Enthusiasmus für NapoléonFrankreich, Napoléon I. Bonaparte von (1769-1821) in einem dreifarbigen Kleide auf den Rathhausball gingst – als Du später, Deine Gesinnung ändertest und an WellingtonWellesley, Arthur (seit 1814) 1st Duke of Wellington (1769-1852) einen nachträglichen Gratulationsbrief zu seinem Siege bei Waterloo schriebst – als Du neulich noch ein Sonnett auf den alten O’ConnellO’Connell, Daniel (Dónall Ó Conaill) (1775-1847) in der Dorfzeitung drucken ließest – immer vertheidigte Dich da die alte Tante. Ja selbst als Du uns Damen zu einem Frühstück einludest und uns lauter Schottisches und Scottisches Essen vorsetztest, lächelte und hungerte ich blos, während die andre monde unbarmherzig herzog über Dein fahles Graupenbrod, die trocknen Fische und den rauchigen Brantwein. Nun aber willst Du nach Weimar, mein Kind? Das ist zu viel, und ich würde strafbar, wenn ich noch länger nachsichtig wäre. Denn ich kenne Weimar!

Das Aergste ist, daß man alle Gefahren, von denen man dort umgeben wird, durchaus nicht merken kann, so lange man selbst darin begriffen ist; im Gegentheil haben diese Gefahren so viel Verlockendes, daß man sich nicht wieder fort wünscht, von Tage zu Tage das verderbliche Leben lieber gewinnt, und zuletzt gar am liebsten für immer da bliebe. Die Damen in Weimar, statt von Kuchenrecepten, von Tischzeug, von Eingemachtem, oder den Geburtstagen ihrer Nachbarn zu reden, unterhalten sich ordentlich wie andre Menschen, und zwar wie vernünftige, was mir zumal bei einem jungen Mädchen unerträglich ist. Ja sie geben sogar eine Zeitung heraus. (Styx, Hölle oder Chaos heißt sie, denk’ ich) deren Mitarbeiter sämmtlich in einem geheimen Bunde stehen und sich nur bald durch allerley unverständliche Gedichte und Zeichen höchst verdächtig gemacht haben. Seitdem erfuhr ich, daß mein Argwohn völlig gegründet war, und denke Dir, daß die Tendenz dieses Blattes keine geringere ist, als die, den Schottischen PrätendentenStuart, Charles Edward (1720-1788), dessen Unternehmung im Jahre 45 so unglücklich ablief, wieder auf seinen Thron zu erheben. Wenigstens sagt mir das der Schwager meiner Schwester, der es einigen Weimaranerinnen von den Augen will abgesehen haben. Darum war StuartStuart, Charles Edward (1720-1788) selbst in Weimar, und hat später seinen Bruder geschickt, um den Redacteur in seinem Interesse zu erhalten, und in der Zeitschrift wird nun unaufhörlich auf den Prätendenten angespielt: zuweilen ganz direct; so z. B. in dem Gedicht in No. 32 „der Preuße an seinen Grenzadler“, in n°. 35 „l’éclat de ton regard aurait trop ébloui“ wo mit der Aufschrift à J... sein Vorname James offenbar gemeint ist und in No. 34 A Tyrants death (was zu einem Kriegslied bestimmt scheint) an andern Stellen aber nur indirect und tropisch und das sind die gefährlichsten z. B. das Gedicht in no. 28 „Einsam auf und nieder, armes kleines Thier[“], in no. 27 „aimer toujours, telle est ma vie[“], in no. 31 stances à une mère u. v. a. Eine eigne Correspondenz zwischen Ida und Bernex hatte sogar zum Zweck durch Schmeicheleyen für die Franzosen auch Frankreich mit in die Sache hineinzuziehen. Dafür haben sich aber nun wieder die Engländer ihrerseits zum Verderben Weimars verschworen, und schicken alle furchtbaren Männer, alle Uebelthäter ihres Landes nach dieser armen Stadt, in der nun niemand seines Lebens mehr sicher ist. Alle Kirchen werden niedergerissen werden, denn der fanatische KnoxKnox, John (?-1572) hat jetzt in Weimar seinen Wohnplatz aufgeschlagen, und wird gewiß nächstens seine Bilderstürmerey zu predigen anfangen; Robin der Rothe, jener kühne Räuber, der Schrecken seines Landes, der nach Walter Scott<name key="PSN0114821" style="hidden" type="author">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name><name key="CRT0110834" style="hidden" type="literature">Rob Roy</name> immer unter dem Namen Campbell reis’t, lebt jetzt in Weimar (zum Glück, wie ich höre, ohne seine blutdürstige Gemahlinn); der wilde Seecapitain ParryParry, (seit 1829) Sir William Edward (1790-1855) ist mit seinem Hecla, seinem Frost, seinen Eisbären nach Weimar gezogen; Robinson, der sich auf der wüsten Insel mit den wilden Thieren nicht fein ausgebildet haben mag, gehört in Weimar zum guten Ton, und wer allen diesen entgeht der fällt unvermeidlich dem boshaften Satyriker SwiftSwift, Jonathan (1667-1745) in die Hände. O meine Tochter, ich warne Dich vor Weimar!

Deine immer nur Dein Bestes im Auge habende TanteSophie Stbrn.
            An Therese P… in Rudolstadt
Kölleda, d. 18 Januar 182. .Ich habe gestern Deinen Brief erhalten, mein liebes Kind, und der Entschluß, den Du mir darin mittheilst, hat mich in die größte Verwunderung, Bestürzung und Sorge versetzt. – Nach Weimar willst Du reisen, und zwar um dort Englisch zu lernen und verlangst sogar noch meine Einwilligung zu diesem Unternehmen? Freilich; Du kennst mich als Deine gute alte nachsichtige Tante, Du weißt, wie gern ich bei jeder Gelegenheit der Begeisterung, die Dich so leicht ergreift, und Deinem jugendlichen Feuer das Wort rede, wie ich Dich stets entschuldige, wenn auch Alles gegen Dich spricht. Als Du Byron’s Portrait auf eine Fußbank stüktest – als Du aus Enthusiasmus für Napoléon in einem dreifarbigen Kleide auf den Rathhausball gingst – als Du später, Deine Gesinnung ändertest und an Wellington einen nachträglichen Gratulationsbrief zu seinem Siege bei Waterloo schriebst – als Du neulich noch ein Sonnett auf den alten O’Connell in der Dorfzeitung drucken ließest – immer vertheidigte Dich da die alte Tante. Ja selbst als Du uns Damen zu einem Frühstück einludest und uns lauter Schottisches und Scottisches Essen vorsetztest, lächelte und hungerte ich blos, während die andre monde unbarmherzig herzog über Dein fahles Graupenbrod, die trocknen Fische und den rauchigen Brantwein. Nun aber willst Du nach Weimar, mein Kind? Das ist zu viel, und ich würde strafbar, wenn ich noch länger nachsichtig wäre. Denn ich kenne Weimar!
Das Aergste ist, daß man alle Gefahren, von denen man dort umgeben wird, durchaus nicht merken kann, so lange man selbst darin begriffen ist; im Gegentheil haben diese Gefahren so viel Verlockendes, daß man sich nicht wieder fort wünscht, von Tage zu Tage das verderbliche Leben lieber gewinnt, und zuletzt gar am liebsten für immer da bliebe. Die Damen in Weimar, statt von Kuchenrecepten, von Tischzeug, von Eingemachtem, oder den Geburtstagen ihrer Nachbarn zu reden, unterhalten sich ordentlich wie andre Menschen, und zwar wie vernünftige, was mir zumal bei einem jungen Mädchen unerträglich ist. Ja sie geben sogar eine Zeitung heraus. (Styx, Hölle oder Chaos heißt sie, denk’ ich) deren Mitarbeiter sämmtlich in einem geheimen Bunde stehen und sich nur bald durch allerley unverständliche Gedichte und Zeichen höchst verdächtig gemacht haben. Seitdem erfuhr ich, daß mein Argwohn völlig gegründet war, und denke Dir, daß die Tendenz dieses Blattes keine geringere ist, als die, den Schottischen Prätendenten, dessen Unternehmung im Jahre 45 so unglücklich ablief, wieder auf seinen Thron zu erheben. Wenigstens sagt mir das der Schwager meiner Schwester, der es einigen Weimaranerinnen von den Augen will abgesehen haben. Darum war Stuart selbst in Weimar, und hat später seinen Bruder geschickt, um den Redacteur in seinem Interesse zu erhalten, und in der Zeitschrift wird nun unaufhörlich auf den Prätendenten angespielt: zuweilen ganz direct; so z. B. in dem Gedicht in No. 32 „der Preuße an seinen Grenzadler“, in n°. 35 „l’éclat de ton regard aurait trop ébloui“ wo mit der Aufschrift à J. .. sein Vorname James offenbar gemeint ist und in No. 34 A Tyrants death (was zu einem Kriegslied bestimmt scheint) an andern Stellen aber nur indirect und tropisch und das sind die gefährlichsten z. B. das Gedicht in no. 28 „Einsam auf und nieder, armes kleines Thier“, in no. 27 „aimer toujours, telle est ma vie“, in no. 31 stances à une mère u. v. a. Eine eigne Correspondenz zwischen Ida und Bernex hatte sogar zum Zweck durch Schmeicheleyen für die Franzosen auch Frankreich mit in die Sache hineinzuziehen. Dafür haben sich aber nun wieder die Engländer ihrerseits zum Verderben Weimars verschworen, und schicken alle furchtbaren Männer, alle Uebelthäter ihres Landes nach dieser armen Stadt, in der nun niemand seines Lebens mehr sicher ist. Alle Kirchen werden niedergerissen werden, denn der fanatische Knox hat jetzt in Weimar seinen Wohnplatz aufgeschlagen, und wird gewiß nächstens seine Bilderstürmerey zu predigen anfangen; Robin der Rothe, jener kühne Räuber, der Schrecken seines Landes, der nach Walter Scott immer unter dem Namen Campbell reis’t, lebt jetzt in Weimar (zum Glück, wie ich höre, ohne seine blutdürstige Gemahlinn) ; der wilde Seecapitain Parry ist mit seinem Hecla, seinem Frost, seinen Eisbären nach Weimar gezogen; Robinson, der sich auf der wüsten Insel mit den wilden Thieren nicht fein ausgebildet haben mag, gehört in Weimar zum guten Ton, und wer allen diesen entgeht der fällt unvermeidlich dem boshaften Satyriker Swift in die Hände. O meine Tochter, ich warne Dich vor Weimar!
Deine immer nur Dein Bestes im Auge habende TanteSophie Stbrn.          
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Die Damen in Weimar, statt von Kuchenrecepten, von Tischzeug, von Eingemachtem, oder den Geburtstagen ihrer Nachbarn zu reden, unterhalten sich ordentlich wie andre Menschen, und zwar wie vernünftige, was mir zumal bei einem jungen Mädchen unerträglich ist. Ja sie geben sogar eine Zeitung heraus. (Styx, Hölle oder Chaos heißt sie, denk’ ich) deren Mitarbeiter sämmtlich in einem geheimen Bunde stehen und sich nur bald durch allerley unverständliche Gedichte und Zeichen höchst verdächtig gemacht haben. Seitdem erfuhr ich, daß mein Argwohn völlig gegründet war, und denke Dir, daß die Tendenz dieses Blattes keine geringere ist, als die, den <persName xml:id="persName_fe09d21c-ac75-4d48-8ac8-b870200cb10a">Schottischen Prätendenten<name key="PSN0115186" style="hidden">Stuart, Charles Edward (1720-1788)</name></persName>, dessen Unternehmung im Jahre 45 so unglücklich ablief, wieder auf seinen Thron zu erheben. 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B. das Gedicht in no. 28 „Einsam auf und nieder, armes kleines Thier[“], in no. 27 „aimer toujours, telle est ma vie[“], in no. 31 stances à une mère u. v. a. Eine eigne Correspondenz zwischen Ida und Bernex hatte sogar zum Zweck durch Schmeicheleyen für die Franzosen auch Frankreich mit in die Sache hineinzuziehen. Dafür haben sich aber nun wieder die Engländer ihrerseits zum Verderben Weimars verschworen, und schicken alle furchtbaren Männer, alle Uebelthäter ihres Landes nach dieser armen Stadt, in der nun niemand seines Lebens mehr sicher ist. Alle Kirchen werden niedergerissen werden, denn der fanatische <persName xml:id="persName_b96f43d6-e42c-4fe3-a6bf-1e405b1b0d33">Knox<name key="PSN0112455" style="hidden">Knox, John (?-1572)</name></persName> hat jetzt in Weimar seinen Wohnplatz aufgeschlagen, und wird gewiß nächstens seine Bilderstürmerey zu predigen anfangen; <title xml:id="title_6a82c8c6-f11e-4085-992a-de65c67a5ab7">Robin der Rothe, jener kühne Räuber, der Schrecken seines Landes, der nach Walter Scott<name key="PSN0114821" style="hidden" type="author">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name><name key="CRT0110834" style="hidden" type="literature">Rob Roy</name></title> immer unter dem Namen Campbell reis’t, lebt jetzt in Weimar (zum Glück, wie ich höre, ohne seine blutdürstige Gemahlinn); der wilde <persName xml:id="persName_2bdcf65f-2a3b-431c-a229-f9888347b373">Seecapitain Parry<name key="PSN0113755" style="hidden">Parry, (seit 1829) Sir William Edward (1790-1855)</name></persName> ist mit seinem Hecla, seinem Frost, seinen Eisbären nach Weimar gezogen; Robinson, der sich auf der wüsten Insel mit den wilden Thieren nicht fein ausgebildet haben mag, gehört in Weimar zum guten Ton, und wer allen diesen entgeht der fällt unvermeidlich dem boshaften <persName xml:id="persName_f1c3a24e-5612-4296-8099-f3839b973e33">Satyriker Swift<name key="PSN0115223" style="hidden">Swift, Jonathan (1667-1745)</name></persName> in die Hände. O meine Tochter, ich warne Dich vor Weimar!</p><closer rend="right" xml:id="closer_c232d10c-0752-4041-a79e-5107a30eb657">Deine immer nur Dein Bestes im Auge habende Tante</closer><signed rend="right">Sophie Stbrn.</signed></div></body> </text></TEI>