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fmb-1830-06-07-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy<lb></lb>München, 6. und 7. Juni 1830 Lange ist es nun her, daß ich Euch nicht geschrieben habe, und Ihr habt wohl gar Sorge deswegen gehabt, nehmt es nur nicht übel, ich konnte wahrlich nichts dafür, habe mich genug geängstigt deswegen, und Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 1, 305

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 13, fol. 5. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy; München, 6. und 7. Juni 1830 Lange ist es nun her, daß ich Euch nicht geschrieben habe, und Ihr habt wohl gar Sorge deswegen gehabt, nehmt es nur nicht übel, ich konnte wahrlich nichts dafür, habe mich genug geängstigt deswegen, und

3 beschr. S.; Adresse, 1 Poststempel.

Felix Mendelssohn Bartholdy

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Mendelssohn, Reisebriefe, S. 10-13 (Teildruck). Sietz, Leben in Briefen, S. 55-58. Sutermeister, Briefe einer Reise, S. 23-29.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

6. und 7. Juni 1830 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) München Deutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy Berlin Deutschland deutsch
Herrn Herrn A. Mendelssohn Bartholdy Wohlgeb Berlin Leipziger Str. no. 3.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) München d. 6 Juny 30.

Lange ist es nun her, daß ich Euch nicht geschrieben habe, und Ihr habt wohl gar Sorge deswegen gehabt, nehmt es nur nicht übel, ich konnte wahrlich nichts dafür, habe mich genug geängstigt deswegen, und meine Reise beschleunigt, wie es gehn wollte, und mich nach Schnellposten überall erkundigt, und bin überall falsch berichtet worden, bin nun eine Nacht durchgereist, um mit der heutigen Post schreiben zu können, von der ich in Nürnberg erfuhr, und da ich endlich hier ankomme, geht heut gar keine Post ab; ich möchte toll werden, und Deutschland mit seinen kleinen Fürstenthümern, und seinem verschiedenen Gelde, und seinen Fahrposten, die 5 4 Stunde zur Meile brauchen, und seinem Thüringer Walde, wo es regnet und stürmt, ja sogar mit seinem Fidelio<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108010" style="hidden" type="music">Fidelio op. 72</name> heut Abend hier, kann sich hängen lassen. Denn so todtmüde ich bin, muß ich nun doch pflichtschuldigst hinein gehen, und möchte viel lieber schlafen. Seid nur nicht böse auf mich und scheltet mich auch nicht, wegen des langen Verzugs; ich kann Euch sagen, daß ich heut Nacht während des Fahrens immer aus den Wolken den Zopf oder die Nase kucken sah, die ich hier bekommen würde; nun komme ich an, und finde statt no. 4 Eurer Briefe no. 5 vor, in der ich erfahre, daß FannyHensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) wieder ganz wohl sey, ich habe vom Unwohlsein ja kein Wort gewußt, und mir die Möglichkeit davon auf der ganzen Reise hieher gedacht, und da ist es dann auf der einen Seite recht gut, daß ich die Beruhigung empfangen habe, ohne den Grund zur Sorge; andererseits aber möchte ich Euch doch nun himmelhoch bitten, mir wenn es sein kann nach Empfang dieses Briefes 2 mal wöchentlich wenn auch nur kleine Zettelchen über ihr Befinden zu schicken; ich habe ihr versprochen, im Monat Juny oder July zweimal zu schreiben, und da ich nun nicht mehr weiß in welchem der beiden Monate sie es eigentlich gemeint hat, so werde ich von jetzt anfangen, um nicht zu fehlen. So Gott will, ist sie nun munter, froh und frisch und geht im Garten, denn es ist ein gar schöner Tag. Schelten dürft Ihr mich aber nun auch nicht sehr, denn dies ist doch mein vierter Brief in der 4ten Woche, und ich habe von Dir, liebster Vater, noch keine einzige Zeile bekommen; wenn ich nur eben die Handschrift sähe, so braucht ja weiter nichts drin zu stehen als Guten Morgen, s’ist doch ein großer Unterschied zwischen einem Wort und dem Schweigen; dann kann ich doch sehen, daß Du wohl bist oder es wenigstens damals warst, so muß ich mir es immer erst beweisen. Liebste FannyHensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)! Liebstes BeckchenMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)! Da wären wir denn in Süd-Deutschland; es ist Sonntag, die Leute strömen unter dem Glockengeläute spazieren; wenn Ihr nur recht wohl und froh seid! – Doch bin ich noch ganz wild, sehe ich, und möchte eigentlich lieber schreiben wie ich heut Nacht gefahren bin, nämlich rasend schnell; dafür gibt mir aber kein Mensch Trinkgeld, und so will ich denn auch in den gewöhnlichen, postmäßigen Trab verfallen, und Euch erzählen, warum ich Euch so spät schreibe. Einige Tage nach meinem letzten Briefe aus Weimar wollte ich, wie ich Euch geschrieben hatte, hieher abreisen, und sagte das auch an GoetheGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) bei Tisch, der dazu ganz still war. Nach Tische aber zog er aus der Gesellschaft OttilienGoethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872) in ein Fenster und sagte ihr: Du machst, daß er hier bleibt. Die versuchte dann nun mich zu bereden, ging mit mir in dem Garten auf und ab ich aber wollte einen festen Mann sein, und blieb bei meinem Entschlusse. Da kam der alte HerrGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) selbst und sagte: Das wäre ja nichts mit dem Eilen, er hätte mir noch viel zu erzählen, ich ihm noch viel vorzuspielen, und was ich ihm da vom Zweck meiner Reise sagte, das sey gar nichts und Weimar sey eigentlich jetzt das Ziel meiner Reise gewesen, und was ich hier entbehrte, das ich an meinen table d’hôte’s finden würde, könne er nicht einsehen; ich solle noch viel Gasthäuser zu sehen bekommen. – So ging’s weiter, und da mich das etwas rührte, und da nun OttilieGoethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872) und UlrikePogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875) auch noch halfen, und mir begreiflich machten, wie der alte HerrGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) niemals die Leute zum Bleiben und nur desto öfter zum Gehen nöthigte, und wie keinem die Zahl der frohen Tage so bestimmt vorgeschrieben sey, als daß er ein Paar sichre frohe wegwerfen dürfe, und wie sie mich denn bis Jena zu GriesGries, Johann Diederich (1775-1842) und FrommansFrommann, Familie von → Carl Friedrich Ernst F. begleiten würden, so wollte ich wieder nicht einen festen Mann sein, und blieb. – Selten in meinem Leben habe ich einen Entschluß so wenig bereut, wie diesen; denn der folgende Tag war der allerschönste, den ich je dort im Hause erlebt habe; nach einer Spazierfahrt des Morgens, fand ich den alten GoetheGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) sehr heiter, er kam ins Erzählen hinein, gerieth von der Stummen von Portici<name key="PSN0109578" style="hidden" type="author">Auber, Daniel-François-Esprit (1782-1871)</name><name key="CRT0107680" style="hidden" type="music">La Muette de Portici (auch: Masaniello) AWV 16</name> auf Walter ScottScott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832), von dem auf die hübschen Mädchen in Weimar (namentlich gefällt ihm die Grf. PappenheimPappenheim, Jenny Gräfin von (1811-1890) gar zu sehr; diesmal meinte er, sie sey so reizend und unbewußt wie ein Glühwurm; ich lobte sie denn auch, und zwar mit gutem Gewissen, denn Ach –) von den Mädchen auf die Studenten, auf die Räuber und so auf SchillerSchiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805); und nun sprach er wohl über eine Stunde ununterbrochen heiter fort, über SchillerSchiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)’s Leben über seine Schriften und seine Stellung in Weimar, so gerieth er auf den sel. GroßherzogSachsen-Weimar-Eisenach, Carl August von (1757-1828) zu sprechen, und auf das Jahr 1775, das er einen geistigen Frühling in Deutschland nannte, und von dem er meinte, es würde es kein Mensch so schön beschreiben können wie er; dazu sey auch der 2te Band<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108799" style="hidden" type="literature">Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit</name> seines Lebens bestimmt, aber man käme ja nicht dazu, „vor Botanik, und Wetterkunde und all’ dem andren dummen Zeug, das einem kein Mensch danken will“ erzählte dann Geschichten aus der Zeit seiner Theaterdirection, als ich ihm danken wollte meinte er „ist ja nur zufällig; das kam Alles nur so beiläufig zum Vorschein, hervorgerufen durch Ihre liebe Gegenwart“. Die Worte klangen mir wundersüß, kurz es war eins von den Gesprächen, die man in seinem Leben nie vergessen kann. Den andern Tag schenkte er mir einen Bogen seines Manuscripts von Faust<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108814" style="hidden" type="dramatic_work">Faust. Der Tragödie erster Theil</name>, und hatte darunter geschrieben: Dem lieben jungen Freunde F. M. B., Kräftig zarter Beherrscher des Pianos, zur freundlichen Erinnerung froher Maytage 1830. JW v GoetheGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832), und gab mir dann noch die Empfehlungen hieher: an StielerStieler, Joseph Karl (1781-1858), BoisseréeBoisserée, Johann Sulpiz Melchior Dominikus (1783-1854) und an Hrn. v. MartiusMartius, Karl Friedrich Philipp (seit 1820) von (1794-1868); an die Frau v. MartiusMartius, Franziska (1805-1881), die sehr hübsch und angenehm sein soll, gab mir OttilieGoethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872) einen Brief mit – fänge nur der fatale Fidelio<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108010" style="hidden" type="music">Fidelio op. 72</name> nicht bald an, so könnte ich noch manches erzählen, so aber nur noch den Abschied des alten HerrenGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832). Ganz im Anfang meines Aufenthaltes in Weimar hatte ich von einer betenden Bauernfamilie von Adr. v. Ostade<name key="PSN0113694" style="hidden" type="author">Ostade, Adriaen Janszoon van (1610-1685)</name><name key="CRT0110248" style="hidden" type="art">Das Tischgebet</name> gesprochen, die vor 9 Jahren großen Eindruck auf mich gemacht habe. Als ich nun Morgens hinein komme, um mich ihm zu empfehlen, sitzt er vor einer großen Mappe und meint: ja, ja, da ginge man nun fort; wollen sehen, daß wir uns aufrecht erhalten bis zur Rückkunft, aber ohne Frömmigkeit wollen wir hier nicht auseinander gehen, und da müssen wir uns drum das Gebet noch einmal zusammen ansehen. – Dann sagte er mir, ich solle ihm zuweilen schreiben (Muth, Muth! Ich thue es von hier aus) und dann küßte er mich, und da fuhren wir weg, nach Jena, wo mich FrommannsFrommann, Familie von → Carl Friedrich Ernst F. ungemein freundlich aufnahmen und wo ich Abends auch von UlrikePogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875) und OttilieGoethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872) Abschied nahm; wurde von Alwine FrommannFrommann, Alwine (Allwina) (1800-1875) mit Eingemachtem auf den Weg bepackt, und so ging es denn hieher.

Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)

Um 9 Uhr. Nun ist Fidelio<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108010" style="hidden" type="music">Fidelio op. 72</name> vorüber, und in Erwartung des Abendessens noch ein Paar Worte. Die SchechnerSchechner-Waagen, Nanette (Anna) (1806-1860) hat wahrhaftig sehr verloren, der Ansatz der Stimme ist bedeckt, sie hat oft bedeutend heruntergezogen, und dennoch kommt in manchen Momenten die Innerlichkeit so rührend wieder hervor, daß ich in meiner Art zuweilen weinte, und zu einem Engländer neben mir zu wiederholten Malen clever murmelte; alle übrigen waren schlecht, und so war auch vieles an der Aufführung zu tadeln, doch sind vortreffliche Mittel im Orchester, und die Ouvertüre ging in der Art wie sie sie geben, sehr gut. Ist aber doch mein Deutschland ein närrisches Land; es kann die großen Leute hervorbringen und achtet sie nicht, es hat große Sänger genug, viel denkende Künstler, aber keinen untergeordneten, treu und anspruchslos wiedergebende; Marzelline ziert und verziert ihre Rolle, Jaquino ist ein Tölpel, und der Minister ein Schaf, und wenn ein Deutscher wie BeethovenBeethoven, Ludwig van (1770-1827) eine Oper geschrieben hat, so streicht ein Deutscher wie StuntzStuntz, Joseph Hartmann (1793-1859), oder PoißlPoißl, Johann Nepomuk Freiherr von (1783-1865) (oder wer es sonst gethan hat) die Ritornelle u. dgl. Unnützes darin, ein andrer Deutscher setzt Posaunen zu seinen Sinfonien, ein dritter sagt dann B. sey überladen und dann ist ein großer Mann vorbey. – Es ist aber hübsch, daß GoetheGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) davon eine Ausnahme macht. d. 7ten. Nun hat es sehr gewittert in der Nacht, ich will ein Bad nehmen, dann einen Regenschirm kaufen, und dann anfangen meine Briefe abzugeben, mit der Empfehlung von Dir, lieber Vater, an KerstorffKerstorf, Heinrich Sigmund Friedrich (bis 1816 Heymann Salomon Pappenheimer) Edler von (1769-1832) und mit denen von HumboldtHumboldt, Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander Freiherr von (1769-1859) und GoetheGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) will ich mich die Paar Wochen hier schon ganz gut unterhalten. H. Beer’sBeer, Heinrich (Henoch, Hans) (1794-1842) Empfehlung des goldnen Hirsches habe ich honorirt und sitze darin, aber zu meinem Leidwesen, denn ich finde es hier so schlecht, daß ich heut oder morgen ausziehe in eine Privatwohnung. Adressirt nur immer an KerstorffKerstorf, Heinrich Sigmund Friedrich (bis 1816 Heymann Salomon Pappenheimer) Edler von (1769-1832). Die andern Empfehlungen von BeerBeer, Heinrich (Henoch, Hans) (1794-1842) will ich morgen abgeben; ebenso die von RellstabRellstab, Heinrich Friedrich Ludwig (Louis) (1799-1860). DevrientsDevrient, Philipp Eduard (1801-1877) Brief an FörsterFörster, Ernst Joachim (1800-1885) wird mir, fürcht’ ich, nichts nützen, denn F. soll auf einige Zeit seyn; auf Hermann’sHermann, Carl Heinrich (1802-1880) Bekanntschaft aber freue ich mich sehr. À propos, das Wichtigste hätte ich beinahe vergessen: ich kriege eine braune Nase. Eine braune, sag’ ich; heißt das nicht Sympathie? Und wenn freilich ein Hochzeitsmoment dazu nicht angenehm ist, so ist doch ein Kleks auf dem Gesicht eben auch nicht sehr empfehlend zu Visiten bei ersten Sängerinnen und dergleichen, oder bei Staatsministern und so fort. Zu Charlotte HagnHagn, Charlotte von (1809-1891) gehe ich nicht mit der braunen Nase; lieber will ich sie gar nicht sehen, und unbestimmt schmachten, als sie sehen mit einer braunen Nase, die ich habe. Es ist betrübt, RellstabRellstab, Heinrich Friedrich Ludwig (Louis) (1799-1860)! – Noch eins, wenn nächstens aus Weimar ein dickes Packet mit Drucksachen kommt, adressirt an mich, so macht es nicht auf; ich mußte Verschwiegenheit schwören; sondern legt es in irgend einen sichern Sekretair, bis ich komme; es ist das Chaos, in das ich mich mit einigen entsetzlichen Tollheiten gewagt habe; ZelterZelter, Carl Friedrich (1758-1832) habe ich darin neulich an einem Aufsatz über die SontagSontag (eigtl. Sonntag), Henriette Gertrude Walpurgis (seit 1831) Freiin von Lauenstein (1806-1854) auch erkannt; es wird mir mit Gelegenheit hierher geschickt von jetzt an für die nächsten Wochen, weil ich mich gern gedruckt sehen möchte, und zwar neben einigen GoetheschenGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) Gedichten, wie es der Zufall gewollt hat. Lest also nicht, und bezwingt die Neugierde, die Ihr immer an mir mit Recht tadelt. Von einer allerliebsten Handarbeit, die mir UlrikePogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875) geschenkt hat, von einem Empfehl.sbriefe den Emma FroriepFroriep, Emma Charlotte Luise (1805-1872) mir für Ihren BruderFroriep, Robert Friedrich (1804-1861) geschrieben hat, von Frh. v. SpiegelSpiegel von und zu Pickelsheim (Peckelsheim), Carl Emil Freiherr (1782-1849) und RiemerRiemer, Friedrich Wilhelm (1774-1845) nächstens ausführliche Beschreibungen: Das fatale Papier! ZelterZelter, Carl Friedrich (1758-1832) habe ich Sünder noch nicht geschrieben; bin Tag für Tag nicht dazu gekommen; entschuldigt mich nur, so gut ihr könnt, in dieser Woche geschieht es. – Lebt denn wohl, und seid sehr gesund und fröhlich und glücklich, und vergeßt nicht mir viel über FannyHensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) zu schreiben, und mögen alle meine Herzenswünsche für Euch in Erfüllung gehen!

F.
            München d. 6 Juny 30. Lange ist es nun her, daß ich Euch nicht geschrieben habe, und Ihr habt wohl gar Sorge deswegen gehabt, nehmt es nur nicht übel, ich konnte wahrlich nichts dafür, habe mich genug geängstigt deswegen, und meine Reise beschleunigt, wie es gehn wollte, und mich nach Schnellposten überall erkundigt, und bin überall falsch berichtet worden, bin nun eine Nacht durchgereist, um mit der heutigen Post schreiben zu können, von der ich in Nürnberg erfuhr, und da ich endlich hier ankomme, geht heut gar keine Post ab; ich möchte toll werden, und Deutschland mit seinen kleinen Fürstenthümern, und seinem verschiedenen Gelde, und seinen Fahrposten, die 5 4 Stunde zur Meile brauchen, und seinem Thüringer Walde, wo es regnet und stürmt, ja sogar mit seinem Fidelio heut Abend hier, kann sich hängen lassen. Denn so todtmüde ich bin, muß ich nun doch pflichtschuldigst hinein gehen, und möchte viel lieber schlafen. Seid nur nicht böse auf mich und scheltet mich auch nicht, wegen des langen Verzugs; ich kann Euch sagen, daß ich heut Nacht während des Fahrens immer aus den Wolken den Zopf oder die Nase kucken sah, die ich hier bekommen würde; nun komme ich an, und finde statt no. 4 Eurer Briefe no. 5 vor, in der ich erfahre, daß Fanny wieder ganz wohl sey, ich habe vom Unwohlsein ja kein Wort gewußt, und mir die Möglichkeit davon auf der ganzen Reise hieher gedacht, und da ist es dann auf der einen Seite recht gut, daß ich die Beruhigung empfangen habe, ohne den Grund zur Sorge; andererseits aber möchte ich Euch doch nun himmelhoch bitten, mir wenn es sein kann nach Empfang dieses Briefes 2 mal wöchentlich wenn auch nur kleine Zettelchen über ihr Befinden zu schicken; ich habe ihr versprochen, im Monat Juny oder July zweimal zu schreiben, und da ich nun nicht mehr weiß in welchem der beiden Monate sie es eigentlich gemeint hat, so werde ich von jetzt anfangen, um nicht zu fehlen. So Gott will, ist sie nun munter, froh und frisch und geht im Garten, denn es ist ein gar schöner Tag. Schelten dürft Ihr mich aber nun auch nicht sehr, denn dies ist doch mein vierter Brief in der 4ten Woche, und ich habe von Dir, liebster Vater, noch keine einzige Zeile bekommen; wenn ich nur eben die Handschrift sähe, so braucht ja weiter nichts drin zu stehen als Guten Morgen, s’ist doch ein großer Unterschied zwischen einem Wort und dem Schweigen; dann kann ich doch sehen, daß Du wohl bist oder es wenigstens damals warst, so muß ich mir es immer erst beweisen. Liebste Fanny! Liebstes Beckchen! Da wären wir denn in Süd-Deutschland; es ist Sonntag, die Leute strömen unter dem Glockengeläute spazieren; wenn Ihr nur recht wohl und froh seid! – Doch bin ich noch ganz wild, sehe ich, und möchte eigentlich lieber schreiben wie ich heut Nacht gefahren bin, nämlich rasend schnell; dafür gibt mir aber kein Mensch Trinkgeld, und so will ich denn auch in den gewöhnlichen, postmäßigen Trab verfallen, und Euch erzählen, warum ich Euch so spät schreibe. Einige Tage nach meinem letzten Briefe aus Weimar wollte ich, wie ich Euch geschrieben hatte, hieher abreisen, und sagte das auch an Goethe bei Tisch, der dazu ganz still war. Nach Tische aber zog er aus der Gesellschaft Ottilien in ein Fenster und sagte ihr: Du machst, daß er hier bleibt. Die versuchte dann nun mich zu bereden, ging mit mir in dem Garten auf und ab ich aber wollte einen festen Mann sein, und blieb bei meinem Entschlusse. Da kam der alte Herr selbst und sagte: Das wäre ja nichts mit dem Eilen, er hätte mir noch viel zu erzählen, ich ihm noch viel vorzuspielen, und was ich ihm da vom Zweck meiner Reise sagte, das sey gar nichts und Weimar sey eigentlich jetzt das Ziel meiner Reise gewesen, und was ich hier entbehrte, das ich an meinen table d’hôte’s finden würde, könne er nicht einsehen; ich solle noch viel Gasthäuser zu sehen bekommen. – So ging’s weiter, und da mich das etwas rührte, und da nun Ottilie und Ulrike auch noch halfen, und mir begreiflich machten, wie der alte Herr niemals die Leute zum Bleiben und nur desto öfter zum Gehen nöthigte, und wie keinem die Zahl der frohen Tage so bestimmt vorgeschrieben sey, als daß er ein Paar sichre frohe wegwerfen dürfe, und wie sie mich denn bis Jena zu Gries und Frommans begleiten würden, so wollte ich wieder nicht einen festen Mann sein, und blieb. – Selten in meinem Leben habe ich einen Entschluß so wenig bereut, wie diesen; denn der folgende Tag war der allerschönste, den ich je dort im Hause erlebt habe; nach einer Spazierfahrt des Morgens, fand ich den alten Goethe sehr heiter, er kam ins Erzählen hinein, gerieth von der Stummen von Portici auf Walter Scott, von dem auf die hübschen Mädchen in Weimar (namentlich gefällt ihm die Grf. Pappenheim gar zu sehr; diesmal meinte er, sie sey so reizend und unbewußt wie ein Glühwurm; ich lobte sie denn auch, und zwar mit gutem Gewissen, denn Ach –) von den Mädchen auf die Studenten, auf die Räuber und so auf Schiller; und nun sprach er wohl über eine Stunde ununterbrochen heiter fort, über Schiller’s Leben über seine Schriften und seine Stellung in Weimar, so gerieth er auf den sel. Großherzog zu sprechen, und auf das Jahr 1775, das er einen geistigen Frühling in Deutschland nannte, und von dem er meinte, es würde es kein Mensch so schön beschreiben können wie er; dazu sey auch der 2te Band seines Lebens bestimmt, aber man käme ja nicht dazu, „vor Botanik, und Wetterkunde und all’ dem andren dummen Zeug, das einem kein Mensch danken will“ erzählte dann Geschichten aus der Zeit seiner Theaterdirection, als ich ihm danken wollte meinte er „ist ja nur zufällig; das kam Alles nur so beiläufig zum Vorschein, hervorgerufen durch Ihre liebe Gegenwart“. Die Worte klangen mir wundersüß, kurz es war eins von den Gesprächen, die man in seinem Leben nie vergessen kann. Den andern Tag schenkte er mir einen Bogen seines Manuscripts von Faust, und hatte darunter geschrieben: Dem lieben jungen Freunde F. M. B., Kräftig zarter Beherrscher des Pianos, zur freundlichen Erinnerung froher Maytage 1830. JW v Goethe, und gab mir dann noch die Empfehlungen hieher: an Stieler, Boisserée und an Hrn. v. Martius; an die Frau v. Martius, die sehr hübsch und angenehm sein soll, gab mir Ottilie einen Brief mit – fänge nur der fatale Fidelio nicht bald an, so könnte ich noch manches erzählen, so aber nur noch den Abschied des alten Herren. Ganz im Anfang meines Aufenthaltes in Weimar hatte ich von einer betenden Bauernfamilie von Adr. v. Ostade gesprochen, die vor 9 Jahren großen Eindruck auf mich gemacht habe. Als ich nun Morgens hinein komme, um mich ihm zu empfehlen, sitzt er vor einer großen Mappe und meint: ja, ja, da ginge man nun fort; wollen sehen, daß wir uns aufrecht erhalten bis zur Rückkunft, aber ohne Frömmigkeit wollen wir hier nicht auseinander gehen, und da müssen wir uns drum das Gebet noch einmal zusammen ansehen. – Dann sagte er mir, ich solle ihm zuweilen schreiben (Muth, Muth! Ich thue es von hier aus) und dann küßte er mich, und da fuhren wir weg, nach Jena, wo mich Frommanns ungemein freundlich aufnahmen und wo ich Abends auch von Ulrike und Ottilie Abschied nahm; wurde von Alwine Frommann mit Eingemachtem auf den Weg bepackt, und so ging es denn hieher.
Um 9 Uhr. Nun ist Fidelio vorüber, und in Erwartung des Abendessens noch ein Paar Worte. Die Schechner hat wahrhaftig sehr verloren, der Ansatz der Stimme ist bedeckt, sie hat oft bedeutend heruntergezogen, und dennoch kommt in manchen Momenten die Innerlichkeit so rührend wieder hervor, daß ich in meiner Art zuweilen weinte, und zu einem Engländer neben mir zu wiederholten Malen clever murmelte; alle übrigen waren schlecht, und so war auch vieles an der Aufführung zu tadeln, doch sind vortreffliche Mittel im Orchester, und die Ouvertüre ging in der Art wie sie sie geben, sehr gut. Ist aber doch mein Deutschland ein närrisches Land; es kann die großen Leute hervorbringen und achtet sie nicht, es hat große Sänger genug, viel denkende Künstler, aber keinen untergeordneten, treu und anspruchslos wiedergebende; Marzelline ziert und verziert ihre Rolle, Jaquino ist ein Tölpel, und der Minister ein Schaf, und wenn ein Deutscher wie Beethoven eine Oper geschrieben hat, so streicht ein Deutscher wie Stuntz, oder Poißl (oder wer es sonst gethan hat) die Ritornelle u. dgl. Unnützes darin, ein andrer Deutscher setzt Posaunen zu seinen Sinfonien, ein dritter sagt dann B. sey überladen und dann ist ein großer Mann vorbey. – Es ist aber hübsch, daß Goethe davon eine Ausnahme macht. d. 7ten. Nun hat es sehr gewittert in der Nacht, ich will ein Bad nehmen, dann einen Regenschirm kaufen, und dann anfangen meine Briefe abzugeben, mit der Empfehlung von Dir, lieber Vater, an Kerstorff und mit denen von Humboldt und Goethe will ich mich die Paar Wochen hier schon ganz gut unterhalten. H. Beer’s Empfehlung des goldnen Hirsches habe ich honorirt und sitze darin, aber zu meinem Leidwesen, denn ich finde es hier so schlecht, daß ich heut oder morgen ausziehe in eine Privatwohnung. Adressirt nur immer an Kerstorff. Die andern Empfehlungen von Beer will ich morgen abgeben; ebenso die von Rellstab. Devrients Brief an Förster wird mir, fürcht’ ich, nichts nützen, denn F. soll auf einige Zeit seyn; auf Hermann’s Bekanntschaft aber freue ich mich sehr. À propos, das Wichtigste hätte ich beinahe vergessen: ich kriege eine braune Nase. Eine braune, sag’ ich; heißt das nicht Sympathie? Und wenn freilich ein Hochzeitsmoment dazu nicht angenehm ist, so ist doch ein Kleks auf dem Gesicht eben auch nicht sehr empfehlend zu Visiten bei ersten Sängerinnen und dergleichen, oder bei Staatsministern und so fort. Zu Charlotte Hagn gehe ich nicht mit der braunen Nase; lieber will ich sie gar nicht sehen, und unbestimmt schmachten, als sie sehen mit einer braunen Nase, die ich habe. Es ist betrübt, Rellstab! – Noch eins, wenn nächstens aus Weimar ein dickes Packet mit Drucksachen kommt, adressirt an mich, so macht es nicht auf; ich mußte Verschwiegenheit schwören; sondern legt es in irgend einen sichern Sekretair, bis ich komme; es ist das Chaos, in das ich mich mit einigen entsetzlichen Tollheiten gewagt habe; Zelter habe ich darin neulich an einem Aufsatz über die Sontag auch erkannt; es wird mir mit Gelegenheit hierher geschickt von jetzt an für die nächsten Wochen, weil ich mich gern gedruckt sehen möchte, und zwar neben einigen Goetheschen Gedichten, wie es der Zufall gewollt hat. Lest also nicht, und bezwingt die Neugierde, die Ihr immer an mir mit Recht tadelt. Von einer allerliebsten Handarbeit, die mir Ulrike geschenkt hat, von einem Empfehl. sbriefe den Emma Froriep mir für Ihren Bruder geschrieben hat, von Frh. v. Spiegel und Riemer nächstens ausführliche Beschreibungen: Das fatale Papier! Zelter habe ich Sünder noch nicht geschrieben; bin Tag für Tag nicht dazu gekommen; entschuldigt mich nur, so gut ihr könnt, in dieser Woche geschieht es. – Lebt denn wohl, und seid sehr gesund und fröhlich und glücklich, und vergeßt nicht mir viel über Fanny zu schreiben, und mögen alle meine Herzenswünsche für Euch in Erfüllung gehen!
F.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1830-06-07-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1830-06-07-01" xml:id="title_2857225c-f4c7-41ff-8f93-36e6d7e301c9">Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy<lb></lb>München, 6. und 7. Juni 1830</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_f71f0535-fef4-4b89-b1b2-f5b3944ab304">Lange ist es nun her, daß ich Euch nicht geschrieben habe, und Ihr habt wohl gar Sorge deswegen gehabt, nehmt es nur nicht übel, ich konnte wahrlich nichts dafür, habe mich genug geängstigt deswegen, und</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_33c212de-ca6d-4839-8dc7-a7cd59bedb24">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. 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Juni 1830</title> <incipit>Lange ist es nun her, daß ich Euch nicht geschrieben habe, und Ihr habt wohl gar Sorge deswegen gehabt, nehmt es nur nicht übel, ich konnte wahrlich nichts dafür, habe mich genug geängstigt deswegen, und</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>3 beschr. S.; Adresse, 1 Poststempel.</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Mendelssohn, Reisebriefe, S. 10-13 (Teildruck).</bibl> <bibl type="printed_letter">Sietz, Leben in Briefen, S. 55-58.</bibl> <bibl type="printed_letter">Sutermeister, Briefe einer Reise, S. 23-29.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1830-06-06" xml:id="date_dd767a83-0651-4111-a973-c5e3ae4b7c37">6.</date> und <date cert="high" when="1830-06-07" xml:id="date_441c931e-b320-449d-838b-2f829a29d70f">7. 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Denn so todtmüde ich bin, muß ich nun doch pflichtschuldigst hinein gehen, und möchte viel lieber schlafen. Seid nur nicht böse auf mich und scheltet mich auch nicht, wegen des langen Verzugs; ich kann Euch sagen, daß ich heut Nacht während des Fahrens immer aus den Wolken den Zopf oder die Nase kucken sah, die ich hier bekommen würde; nun komme ich an, und finde statt no. 4 Eurer Briefe no. 5 vor, in der ich erfahre, daß <persName xml:id="persName_9b24a626-a9dd-48e0-81cb-1a43ec8a4b98">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> <hi rend="underline">wieder</hi> ganz wohl sey, ich habe vom Unwohlsein ja kein Wort gewußt, und mir die Möglichkeit davon auf der ganzen Reise hieher gedacht, und da ist es dann auf der einen Seite recht gut, daß ich die Beruhigung empfangen habe, ohne den Grund zur Sorge; andererseits aber möchte ich Euch doch nun himmelhoch bitten, mir wenn es sein kann nach Empfang dieses Briefes 2 mal wöchentlich wenn auch nur kleine Zettelchen über ihr Befinden zu schicken; ich habe ihr versprochen, im Monat Juny oder July zweimal zu schreiben, und da ich nun nicht mehr weiß in welchem der beiden Monate sie es eigentlich gemeint hat, so werde ich von jetzt anfangen, um nicht zu fehlen. So Gott will, ist sie nun munter, froh und frisch und geht im Garten, denn es ist ein gar schöner Tag. Schelten dürft Ihr mich aber nun auch nicht sehr, denn dies ist doch mein vierter Brief in der 4<hi rend="superscript">ten</hi> Woche, und ich habe von Dir, <seg type="salute">liebster Vater</seg>, noch keine einzige Zeile bekommen; wenn ich nur eben die Handschrift sähe, so braucht ja weiter nichts drin zu stehen als Guten Morgen, s’ist doch ein großer Unterschied zwischen einem Wort und dem Schweigen; dann kann ich doch <hi rend="underline">sehen</hi>, daß Du wohl bist oder es wenigstens damals warst, so muß ich mir es immer erst beweisen. Liebste <persName xml:id="persName_b5fffae5-47ff-425f-9d52-08dabf0cdb27">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName>! Liebstes <persName xml:id="persName_c55697b8-9860-4b46-8569-b4c848250b52">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>! Da wären wir denn in Süd-Deutschland; es ist Sonntag, die Leute strömen unter dem Glockengeläute spazieren; wenn Ihr nur recht wohl und froh seid! – Doch bin ich noch ganz wild, sehe ich, und möchte eigentlich lieber schreiben wie ich heut Nacht gefahren bin, nämlich rasend schnell; dafür gibt mir aber kein Mensch Trinkgeld, und so will ich denn auch in den gewöhnlichen, postmäßigen Trab verfallen, und Euch erzählen, warum ich Euch so spät schreibe. Einige Tage nach meinem letzten Briefe aus Weimar wollte ich, wie ich Euch geschrieben hatte, hieher abreisen, und sagte das auch an <persName xml:id="persName_7801be34-80fa-493c-aae5-a82ab94079a0">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> bei Tisch, der dazu ganz still war. Nach Tische aber zog er aus der Gesellschaft <persName xml:id="persName_377a8b57-121b-43dc-bac0-206b1c3a791b">Ottilien<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName> in ein Fenster und sagte ihr: Du machst, daß er hier bleibt. Die versuchte dann nun mich zu bereden, ging mit mir in dem Garten auf und ab ich aber wollte einen festen Mann sein, und blieb bei meinem Entschlusse. Da kam der <persName xml:id="persName_ed47b37c-ef10-4743-8a28-b730d09bffbe">alte Herr<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> selbst und sagte: Das wäre ja nichts mit dem Eilen, er hätte mir noch viel zu erzählen, ich ihm noch viel vorzuspielen, und was ich ihm da vom Zweck meiner Reise sagte, das sey gar nichts und <hi rend="underline">Weimar</hi> sey eigentlich jetzt das Ziel meiner Reise gewesen, und was ich hier entbehrte, das ich an meinen table d’hôte’s finden würde, könne er nicht einsehen; ich solle noch viel Gasthäuser zu sehen bekommen. – So ging’s weiter, und da mich das etwas rührte, und da nun <persName xml:id="persName_d01aec8a-7054-4e18-9270-09b849ba572c">Ottilie<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName> und <persName xml:id="persName_69158457-4fea-441a-9c70-e0e4a6b63c46">Ulrike<name key="PSN0113923" style="hidden">Pogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875)</name></persName> auch noch halfen, und mir begreiflich machten, wie der <persName xml:id="persName_95704ec1-0f85-4513-93dc-749c5574ce73">alte Herr<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> niemals die Leute zum Bleiben und nur desto öfter zum Gehen nöthigte, und wie keinem die Zahl der frohen Tage so bestimmt vorgeschrieben sey, als daß er ein Paar sichre frohe wegwerfen dürfe, und wie sie mich denn bis Jena zu <persName xml:id="persName_085f2e09-2859-40d5-bb9d-0c3d1a2c09c9">Gries<name key="PSN0111547" style="hidden">Gries, Johann Diederich (1775-1842)</name></persName> und <persName xml:id="persName_2d939912-8fb9-49f5-b2d9-3369be70f2d3">Frommans<name key="PSN0116774" style="hidden">Frommann, Familie von → Carl Friedrich Ernst F.</name></persName> begleiten würden, so wollte ich wieder nicht einen festen Mann sein, und blieb. – Selten in meinem Leben habe ich einen Entschluß so wenig bereut, wie diesen; denn der folgende Tag war der allerschönste, den ich je dort im Hause erlebt habe; nach einer Spazierfahrt des Morgens, fand ich den <persName xml:id="persName_a4719394-88fa-44f3-8828-83d4543c9eec">alten Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> sehr heiter, er kam ins Erzählen hinein, gerieth von der <title xml:id="title_43d5474d-9f89-444d-a001-aa634285f00e">Stummen von Portici<name key="PSN0109578" style="hidden" type="author">Auber, Daniel-François-Esprit (1782-1871)</name><name key="CRT0107680" style="hidden" type="music">La Muette de Portici (auch: Masaniello) AWV 16</name></title> auf <persName xml:id="persName_5f997033-f657-4848-abaa-3987cc9deef6">Walter Scott<name key="PSN0114821" style="hidden">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name></persName>, von dem auf die hübschen Mädchen in Weimar (namentlich gefällt ihm die <persName xml:id="persName_86a313ba-c0d6-4e3a-b6e8-d5ed409deb62">Grf. Pappenheim<name key="PSN0113746" style="hidden">Pappenheim, Jenny Gräfin von (1811-1890)</name></persName> gar zu sehr; diesmal meinte er, sie sey so reizend und unbewußt wie ein Glühwurm; ich lobte sie denn auch, und zwar mit gutem Gewissen, denn Ach –) von den Mädchen auf die Studenten, auf die Räuber und so auf <persName xml:id="persName_890e2c52-6b9e-4194-932a-081331956669">Schiller<name key="PSN0114545" style="hidden">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name></persName>; und nun sprach er wohl über eine Stunde ununterbrochen heiter fort, über <persName xml:id="persName_e916cd65-d0dc-4ea4-97f4-b80cf96bc38a">Schiller<name key="PSN0114545" style="hidden">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name></persName>’s Leben über seine Schriften und seine Stellung in Weimar, so gerieth er auf den sel. <persName xml:id="persName_17b0fd50-ee6d-4952-a14b-5a18a7ce8a00">Großherzog<name key="PSN0114413" style="hidden">Sachsen-Weimar-Eisenach, Carl August von (1757-1828)</name></persName> zu sprechen, und auf das Jahr 1775, das er einen geistigen Frühling in Deutschland nannte, und von dem er meinte, es würde es kein Mensch so schön beschreiben können wie er; dazu sey auch der 2<hi rend="superscript">te</hi> <title xml:id="title_23e2241e-9ada-4e7e-b561-37c7623b5440">Band<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108799" style="hidden" type="literature">Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit</name></title> seines Lebens bestimmt, aber man käme ja nicht dazu, „vor Botanik, und Wetterkunde und all’ dem andren dummen Zeug, das einem kein Mensch danken will“ erzählte dann Geschichten aus der Zeit seiner Theaterdirection, als ich ihm danken wollte meinte er „ist ja nur zufällig; das kam Alles nur so beiläufig zum Vorschein, hervorgerufen durch Ihre liebe Gegenwart“. Die Worte klangen mir wundersüß, kurz es war eins von den Gesprächen, die man in seinem Leben nie vergessen kann. Den andern Tag schenkte er mir <title xml:id="title_f88086d1-4983-40d0-be9f-cf42d90e6d07">einen Bogen seines Manuscripts von Faust<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108814" style="hidden" type="dramatic_work">Faust. Der Tragödie erster Theil</name></title>, und hatte darunter geschrieben: Dem lieben jungen Freunde F. M. B., Kräftig zarter Beherrscher des Pianos, zur freundlichen Erinnerung froher Maytage 1830. <persName xml:id="persName_b5a953ca-51bc-4553-8c0e-c48d025b42af">JW v Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName>, und gab mir dann noch die Empfehlungen hieher: an <persName xml:id="persName_ae121a0a-9e16-4f6a-9e5b-b0006868f258">Stieler<name key="PSN0115136" style="hidden">Stieler, Joseph Karl (1781-1858)</name></persName>, <persName xml:id="persName_7c8302f7-f6c2-47bf-9a03-08c1458fa006">Boisserée<name key="PSN0110016" style="hidden">Boisserée, Johann Sulpiz Melchior Dominikus (1783-1854)</name></persName> und an <persName xml:id="persName_8b3a824c-925a-4fc5-be55-7c5e2751ab56">Hrn. v. Martius<name key="PSN0113105" style="hidden">Martius, Karl Friedrich Philipp (seit 1820) von (1794-1868)</name></persName>; an die <persName xml:id="persName_ccbe7a96-a812-4737-a2a4-ebd3acb88837">Frau v. Martius<name key="PSN0113104" style="hidden">Martius, Franziska (1805-1881)</name></persName>, die sehr hübsch und angenehm sein soll, gab mir <persName xml:id="persName_7355c086-78b2-4228-ae19-0c454d88db5e">Ottilie<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName> einen Brief mit – fänge nur <title xml:id="title_52132188-1f40-4aae-97c2-8e9bd38435d7">der fatale Fidelio<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108010" style="hidden" type="music">Fidelio op. 72</name></title> nicht bald an, so könnte ich noch manches erzählen, so aber nur noch den Abschied des <persName xml:id="persName_3f4d218c-7bac-4876-971f-b7cff17d2beb">alten Herren<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName>. Ganz im Anfang meines Aufenthaltes in Weimar hatte ich von einer <title xml:id="title_5c1baf6d-175e-461b-8715-01fc026eb3b4">betenden Bauernfamilie von Adr. v. Ostade<name key="PSN0113694" style="hidden" type="author">Ostade, Adriaen Janszoon van (1610-1685)</name><name key="CRT0110248" style="hidden" type="art">Das Tischgebet</name></title> gesprochen, die vor 9 Jahren großen Eindruck auf mich gemacht habe. Als ich nun Morgens hinein komme, um mich ihm zu empfehlen, sitzt er vor einer großen Mappe und meint: ja, ja, da ginge man nun fort; wollen sehen, daß wir uns aufrecht erhalten bis zur Rückkunft, aber ohne Frömmigkeit wollen wir hier nicht auseinander gehen, und da müssen wir uns drum das Gebet noch einmal zusammen ansehen. – Dann sagte er mir, ich solle ihm zuweilen schreiben (Muth, Muth! Ich thue es von hier aus) und dann küßte er mich, und da fuhren wir weg, nach Jena, wo mich <persName xml:id="persName_661ac76c-0648-4dca-ba26-4290659b5c98">Frommanns<name key="PSN0116774" style="hidden">Frommann, Familie von → Carl Friedrich Ernst F.</name></persName> ungemein freundlich aufnahmen und wo ich Abends auch von <persName xml:id="persName_54533914-a160-4547-846d-72d0779cc9cc">Ulrike<name key="PSN0113923" style="hidden">Pogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875)</name></persName> und <persName xml:id="persName_de6cf922-067c-420a-b7fd-aec13cb9be74">Ottilie<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName> Abschied nahm; wurde von <persName xml:id="persName_c4882900-49ca-4345-88ac-ba2126e8faef">Alwine Frommann<name key="PSN0111246" style="hidden">Frommann, Alwine (Allwina) (1800-1875)</name></persName> mit Eingemachtem auf den Weg bepackt, und so ging es denn hieher.</p> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_adae2c2a-2d78-4660-b848-5d1429e8ec15"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent"> <seg type="inline">Um 9 Uhr.</seg> Nun ist <title xml:id="title_066c82df-98a5-4f2a-a843-5fb5b06080dc">Fidelio<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108010" style="hidden" type="music">Fidelio op. 72</name></title> vorüber, und in Erwartung des Abendessens noch ein Paar Worte. Die <persName xml:id="persName_d46779a4-7a0c-4fa5-b366-cf685d9e2515">Schechner<name key="PSN0114518" style="hidden">Schechner-Waagen, Nanette (Anna) (1806-1860)</name></persName> hat wahrhaftig sehr verloren, der Ansatz der Stimme ist bedeckt, sie hat oft bedeutend heruntergezogen, und dennoch kommt in manchen Momenten die Innerlichkeit so rührend wieder hervor, daß ich in meiner Art zuweilen weinte, und zu einem Engländer neben mir zu wiederholten Malen clever murmelte; alle übrigen waren schlecht, und so war auch vieles an der Aufführung zu tadeln, doch sind vortreffliche Mittel im Orchester, und die Ouvertüre ging in der Art wie sie sie geben, sehr gut. Ist aber doch mein Deutschland ein närrisches Land; es kann die großen Leute hervorbringen und achtet sie nicht, es hat große Sänger genug, viel denkende Künstler, aber keinen untergeordneten, treu und anspruchslos wiedergebende; Marzelline ziert und verziert ihre Rolle, Jaquino ist ein Tölpel, und der Minister ein Schaf, und wenn ein Deutscher wie <persName xml:id="persName_f5a03a33-81dd-4d6c-ad15-59956df5d539">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> eine Oper geschrieben hat, so streicht ein Deutscher wie <persName xml:id="persName_94d85668-1b3a-489b-9e67-2b22b28bbbe3">Stuntz<name key="PSN0115200" style="hidden">Stuntz, Joseph Hartmann (1793-1859)</name></persName>, oder <persName xml:id="persName_c1ccc103-ab99-4ffb-9650-b81e8b3e5b62">Poißl<name key="PSN0113936" style="hidden">Poißl, Johann Nepomuk Freiherr von (1783-1865)</name></persName> (oder wer es sonst gethan hat) die Ritornelle u. dgl. Unnützes darin, ein andrer Deutscher setzt Posaunen zu seinen Sinfonien, ein dritter sagt dann B. sey überladen und dann ist ein großer Mann vorbey. – Es ist aber hübsch, daß <persName xml:id="persName_eba5e4b5-42d3-4771-91e2-13887a0e9b7f">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> davon eine Ausnahme macht. d. <date cert="high" when="1830-06-07" xml:id="date_1e65739e-d465-4935-86ff-67d38151f143">7<hi rend="superscript">ten</hi></date>. Nun hat es sehr gewittert in der Nacht, ich will ein Bad nehmen, dann einen Regenschirm kaufen, und dann anfangen meine Briefe abzugeben, mit der Empfehlung von Dir, lieber Vater, an <persName xml:id="persName_d2a3e6a9-436b-43d8-a041-6e4e237bb668">Kerstorff<name key="PSN0112360" style="hidden">Kerstorf, Heinrich Sigmund Friedrich (bis 1816 Heymann Salomon Pappenheimer) Edler von (1769-1832)</name></persName> und mit denen von <persName xml:id="persName_e8cc0dbc-7858-485c-bddc-69b9d0f65e89">Humboldt<name key="PSN0112143" style="hidden">Humboldt, Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander Freiherr von (1769-1859)</name></persName> und <persName xml:id="persName_3b539b36-f0f4-4a7a-9a73-efbb4ac1289b">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> will ich mich die Paar Wochen hier schon ganz gut unterhalten. <persName xml:id="persName_2e2a9ff6-c7cb-4cc1-bf85-13c005469a01">H. Beer’s<name key="PSN0109766" style="hidden">Beer, Heinrich (Henoch, Hans) (1794-1842)</name></persName> Empfehlung des goldnen Hirsches habe ich honorirt und sitze darin, aber zu meinem Leidwesen, denn ich finde es hier so schlecht, daß ich heut oder morgen ausziehe in eine Privatwohnung. Adressirt nur immer an <persName xml:id="persName_602fb82a-948f-458a-aa64-5af4fb7c4ffa">Kerstorff<name key="PSN0112360" style="hidden">Kerstorf, Heinrich Sigmund Friedrich (bis 1816 Heymann Salomon Pappenheimer) Edler von (1769-1832)</name></persName>. Die andern Empfehlungen von <persName xml:id="persName_547d8cf9-8648-428e-9fa9-71c32cc3bffe">Beer<name key="PSN0109766" style="hidden">Beer, Heinrich (Henoch, Hans) (1794-1842)</name></persName> will ich morgen abgeben; ebenso die von <persName xml:id="persName_769e7e45-0f69-4893-8f96-74ff3930fe39">Rellstab<name key="PSN0114136" style="hidden">Rellstab, Heinrich Friedrich Ludwig (Louis) (1799-1860)</name></persName>. <persName xml:id="persName_92e303de-68b5-4591-8684-7e2c101fae12">Devrients<name key="PSN0110637" style="hidden">Devrient, Philipp Eduard (1801-1877)</name></persName> Brief an <persName xml:id="persName_37faaa66-583d-4fa0-9269-3a2cd10b1dde">Förster<name key="PSN0111097" style="hidden">Förster, Ernst Joachim (1800-1885)</name></persName> wird mir, fürcht’ ich, nichts nützen, denn F. soll auf einige Zeit seyn; auf <persName xml:id="persName_69dfe880-d08a-49dc-bd43-1b6d09449d53">Hermann’s<name key="PSN0111917" style="hidden">Hermann, Carl Heinrich (1802-1880)</name></persName> Bekanntschaft aber freue ich mich sehr. À propos, das Wichtigste hätte ich beinahe vergessen: ich kriege eine braune Nase. Eine braune, sag’ ich; heißt das nicht Sympathie? Und wenn freilich ein Hochzeitsmoment dazu nicht angenehm ist, so ist doch ein Kleks auf dem Gesicht eben auch nicht sehr empfehlend zu Visiten bei ersten Sängerinnen und dergleichen, oder bei Staatsministern und so fort. Zu <persName xml:id="persName_c38f1693-ef8a-4e55-9585-a90005aec04f">Charlotte Hagn<name key="PSN0111663" style="hidden">Hagn, Charlotte von (1809-1891)</name></persName> gehe ich nicht mit der braunen Nase; lieber will ich sie gar nicht sehen, und unbestimmt schmachten, als sie sehen mit einer braunen Nase, die ich habe. Es ist betrübt, <persName xml:id="persName_9c9fb2b0-d255-454d-b75d-05b089bca4cb">Rellstab<name key="PSN0114136" style="hidden">Rellstab, Heinrich Friedrich Ludwig (Louis) (1799-1860)</name></persName>! – Noch eins, wenn nächstens aus Weimar ein dickes Packet mit Drucksachen kommt, adressirt an mich, so macht es nicht auf; ich mußte Verschwiegenheit schwören; sondern legt es in irgend einen sichern Sekretair, bis ich komme; es ist das Chaos, in das ich mich mit einigen entsetzlichen Tollheiten gewagt habe; <persName xml:id="persName_69ad9452-56ad-4335-8a81-c46ff9039c57">Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> habe ich darin neulich an einem Aufsatz über die <persName xml:id="persName_74bfa072-04be-4d69-8211-8c316b0b0c9e">Sontag<name key="PSN0114969" style="hidden">Sontag (eigtl. Sonntag), Henriette Gertrude Walpurgis (seit 1831) Freiin von Lauenstein (1806-1854)</name></persName> auch erkannt; es wird mir mit Gelegenheit hierher geschickt von jetzt an für die nächsten Wochen, weil ich mich gern gedruckt sehen möchte, und zwar neben einigen <persName xml:id="persName_e23687ae-c363-41f1-ba7b-fba98a0275eb">Goetheschen<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> Gedichten, wie es der Zufall gewollt hat. Lest also nicht, und bezwingt die Neugierde, die Ihr immer an mir mit Recht tadelt. Von einer allerliebsten Handarbeit, die mir <persName xml:id="persName_6244f750-da64-4235-a08e-d26e7172130d">Ulrike<name key="PSN0113923" style="hidden">Pogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875)</name></persName> geschenkt hat, von einem Empfehl.sbriefe den <persName xml:id="persName_863d42e5-17a1-4868-875f-eaa5fe5ae971">Emma Froriep<name key="PSN0111249" style="hidden">Froriep, Emma Charlotte Luise (1805-1872)</name></persName> mir für <persName xml:id="persName_2e5f6c9f-0951-4b73-938a-757d4455243b">Ihren Bruder<name key="PSN0111250" style="hidden">Froriep, Robert Friedrich (1804-1861)</name></persName> geschrieben hat, von <persName xml:id="persName_c176af09-b17a-4af1-86e0-51acbb1a2795">Frh. v. Spiegel<name key="PSN0115016" style="hidden">Spiegel von und zu Pickelsheim (Peckelsheim), Carl Emil Freiherr (1782-1849)</name></persName> und <persName xml:id="persName_309d3eab-053c-4d4e-8ded-62f4e9d5455e">Riemer<name key="PSN0114188" style="hidden">Riemer, Friedrich Wilhelm (1774-1845)</name></persName> nächstens ausführliche Beschreibungen: Das fatale Papier! <persName xml:id="persName_4b8e8e46-0327-4594-b6bd-9b71cb3dd7ad">Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> habe ich Sünder noch nicht geschrieben; bin Tag für Tag nicht dazu gekommen; entschuldigt mich nur, so gut ihr könnt, in dieser Woche geschieht es. – <seg type="closer" xml:id="seg_b7735b3a-456e-4550-9178-c35c3ce0a85f">Lebt denn wohl, und seid sehr gesund und fröhlich und glücklich, und vergeßt nicht mir viel über </seg><persName xml:id="persName_909af108-5210-4119-83a5-cbd5c752fb10">Fanny<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName><seg type="closer" xml:id="seg_c89836bc-d929-427f-943e-2e7d541debc2"> zu schreiben, und mögen alle meine Herzenswünsche für Euch in Erfüllung gehen!</seg></p> <signed rend="right">F.</signed> </div> </body> </text></TEI>