fmb-1830-05-24-01
Hilfe zum Zitier-Tool
Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.
Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.
Weimar, 21. und 24. Mai 1830
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
-
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Motto: Lacht mich aus, so viel Ihr wollt, ich schreibe schon wieder (Aus
„Selbst erfinden ist schön; doch glücklich von Andern Gefundnes Fröhlich erkannt und geschätzt, nennst Du das weniger Dein?“
„Halte das Bild der Würdigen fest! Wie leuchtende Sterne Theilte sie aus die Natur durch den unendlichen Raum.“
und so noch mehrere, die ich aus Mangel an Raum verschweige. Als Mitarbeiter bekomm ichs von jetzt an, und theil es Euch mit. Übrigens war ich auch ein ordentlicher Reisender und habe die Bibliothek und
Weimar d. 21 Mai 30. Motto: Lacht mich aus, so viel Ihr wollt, ich schreibe schon wieder (Aus Beckchens ungedruckten Briefen) denn ich muß Euch erzählen, wie himmlisch meine gestrige Fahrt gewesen ist. Ich weiß mich solch eines heitern, frischen Reisetags gar nicht zu entsinnen seit meiner Reisepraxis. Früh Morgens war der Himmel grau und bedeckt, die Sonne kam erst später durch, kühle Luft, und Himmelfahrtstag dazu, die Leute gingen geputzt, und ich sah sie in einem Dorf in die Kirche gehen, in einem andern wieder heraus kommen, wieder in einem andern Kegel spielen; bunte Tulpen gab’s überall in den Gärten, und ich fuhr schnell und sah mir Alles an, in Weißenfels gaben sie mir einen kleinen Korbwagen, und in Naumburg gar eine offne Droschke; die Sachen wurden hinten auf gepackt, sammt dem Hut und Mantel, ich kaufte mir ein Paar Maiblumensträuße und so gings durch das Land, wie auf einer Spazierfahrt; hinter Naumburg kamen Pförtner Primaner und beneideten mich, dann fuhren wir dem Präsidenten Gärtner in einem kleinen Wägelchen, das schwer an ihm zu tragen hatte, vorbei, und seine Töchter, oder Frauen, kurz die 2 Damen die mit ihm waren beneideten mich; den Kösener Berg trabten wir hinauf, denn die Pferde brauchten kaum zu ziehen, und holten eine Menge bepackter Haudrer ein, die beneideten mich gewiß auch; denn ich war wirklich beneidenswerth. Die Gegend sah so frühlingsmäßig und geputzt, bunt, heiter aus, und dann ging die Sonne so ernsthaft hinter den Hügeln unter, und dann fuhr der Russische Gesandte in 2 großen 4 spännigen Wagen so mürrisch und geschäftsmäßig, und ich fuhr in meiner Droschke als Hasenfuß so bald bei ihm vorbey, und Abends bekam ich noch stetische Pferde, damit ein kleiner Verdruß auch nicht fehlte (er gehört nach meiner Theorie zum Plaisir) und ich componirte den ganzen Tag so sehr gar nichts, sondern genoß faul – Die Sache war herrlich, das ist wahr, und wird nicht wegfallen und nicht vergessen werden. Ich schließe diese Beschreibung, mit der Bemerkung daß in Eckartsberga die kleinen Kinder ganz ebenso Ringe Rosenkranz spielen, wie bei uns, und daß sie sich durch den fremden Herrn mit der bunten Binde um den Leib nicht stören ließen, obwohl er vornehm zusah, ich hätte lieber mitgespielt, als Mogul. Gebt’s Alles an Elsholtz und laßt’s drucken. d. 24. – Das schrieb ich, ehe ich zu Goethe ging, Morgens früh nach einem Spaziergange im Park; nun bin ich noch hier, und konnte warlich bis jetzt nicht zur Fortsetzung des Briefes kommen. Ich werde auch vielleicht noch zwei Tage hier bleiben, und es ist nicht Schade darum, denn so heiter und liebenswürdig wie diesmal und so gesprächig und mittheilend habe ich den alten Herren noch nie gefunden; der Grund aber warum ich wohl noch bleiben werde, ist gar nicht übel und macht mich sehr eitel oder vielmehr stolz, auch will ich ihn Euch nicht verschweigen. Er schickte mir gestern an einen hiesigen Maler Schmeller einen Brief, den ich selbst abgeben sollte, und Ottilie vertraute mir an, daß der Auftrag mein Portrait zu zeichnen darin enthalten sey, weil Goethe es zu einer Sammlung Zeichnungen seiner Bekannten, die er seit einiger Zeit angefangen hat, legen wolle. Die Sache machte mir fast Freude (fast im biblischen Sinne) da ich aber den Hrn. Maler „will er wol“ bis jetzt nicht getroffen habe, (er mich also auch nicht) da er nun erst morgen anfangen wird, und da er in Zeichnungen wol schwerlich solch ein fa allegro ist, wie Du, o Hensel, der Du an einem Abend Paganini, Margarete und Hrn. von Schwanenfeldↂ zeichnen könntest, und nachher ein Glas Wein ganz verschluckst – so werde ich wohl Uebermorgen noch bleiben. Es thut mir auch nicht leid, wie gesagt, denn ich lebe ganz prächtig hier, und genieße die Nähe des alten Herrn so recht aus dem Grunde, habe bis jetzt alle Mittage bei ihm gegessen, bin heut Morgen wieder zu ihm beschieden, heut Abend gibt er eine Gesellschaft, wo ich spielen soll, und da spricht er nun über Alles, frägt nach Allem, daß es eine Freude ist. Ich muß aber ordentlich und folgerecht erzählen, damit Ihr alles erfahrt. Des Morgens ging ich zu Ottilie, die ich zwar noch kränklich und zuweilen klagend, aber doch heitrer als früher, und gegen mich so freundlich und liebenswürdig, wie immer fand; wir sind seitdem fast immer zusammen gewesen und ich habe mich sehr gefreut, sie näher kennen zu lernen; Ulrike ist jetzt so angenehm und lieblich, wie noch gar nicht; der Ernst, den sie bekommen, hat sich mit ihrem ganzen Wesen vereinigt, und sie hat eine Sicherheit und Tiefe der Empfindung die sie zu einer der liebenswürdigsten Erscheinungen machen, die ich kenne; die beiden Knaben, Walter und Wolf, die ich sonst nicht sehr gut leiden konnte, sind zu ihrem Vortheil ganz verändert, lebendig, fleißig, und zuthulich, und wenn sie von Großpapas Faust sprechen, so klingt das gar zu nett. Der junge Goethe ist nicht hier; er reist in Italien, um seine Gesundheit, die sehr gelitten haben soll, wieder herzustellen; was ich von ihm hier gehört habe, will nicht recht erfreulich klingen, so daß ich es nicht allzusehr bedaure ihn zu versäumen. – Zur Erzählung wieder zu kommen, schickte ich den Brief von Zelter sogleich hinein zu Goethe, der ließ mich zu Tische bitten; da fand ich ihn denn, im Aeußeren unverändert, Anfangs aber etwas still; und wenig theil nehmend, ich glaube, er wollte mal zusehen, wie ich mich wohl nehmen möchte; mir war es verdrießlich, und ich dachte er sey jetzt immer so, da kam zum Glück die Rede auf die Frauenvereine in Weimar, und auf das Chaos, eine tolle Zeitung, die die Damen unter sich herausgeben, und zu deren Mitarbeiter ich mich aufgeschwungen habe; auf einmal fing der Alte an lustig zu werden, und die beiden Damen zu necken, mit der Wohlthätigkeit und dem Geistreichthum, und den Subscriptionen, und der Krankenpflege, die er ganz besonders zu hassen scheint; forderte mich auf, auch mit loszuziehen, und da ich mir das nicht zweimal sagen ließ, so wurde er erst ganz wieder, wie sonst und dann noch freundlicher und vertraulicher, als ich ihn bis jetzt kannte. Da gings denn über Alles her: von der Räuberbraut von Ries meinte er, die enthielte alles, was ein Künstler jetzt brauche, um glücklich zu leben: einen Räuber und eine Braut; dann schimpfte er auf die allgemeine Sehnsucht der jungen Leute, die so melancholisch wären; dann erzählte er Geschichten, von einer jungen Dame, der er einmal die Cour gemacht hätte, und die auch einiges Interesse an ihm genommen habe; dann kamen die Ausstellungen und der Verkauf von Handarbeiten für Verunglückte daran, wo die Weimaranerinnen die Verkäuferinnen machen, und wo er behauptete, daß man gar nichts bekommen könnte, weil die jungen Leute alles unter sich schon bestimmten, und dann versteckten, bis die rechten Käufer kämen. Ich zog geschwind meine rothe Börse aus der Tasche, und präsentirte sie ihm, als auf ähnlichem Wege erschlichen, er meinte „Hm – sehr nett gemacht – nimmt sich gar gut aus“ – und die Damen bezeugten ihre Zufriedenheit – so ging’s dann weiter in Spaß und Witzen und nach Tisch fing er dann auf einmal an „Gute Kinder – hübsche Kinder – muß immer lustig sein – tolles Volk“ und dazu macht er Augen, wie der alte Löwe, wenn er einschlafen will. Dann mußte ich ihm vorspielen, und er meinte, „wie das so sonderbar sey, daß er so lange keine Musik gehört habe, nun hätten wir die Sache immer weiter geführt, und er wisse nichts davon, ich müsse ihm darüber viel erzählen, „denn wir wollen doch auch einmal vernünftig mit einander sprechen“ Dann sagte er zu Ottilie „Du hast nun schon gewiß Deine weisen Einrichtungen getroffen, das hilft aber nichts gegen meine Befehle, und die sind, daß Du heut hier Deinen Thee machst, damit wir wieder zusammen sind. “ Als die nun frug, ob es nicht zu spät werden würde, da Reimer zu ihm käme und mit ihm arbeiten wolle, so meinte er „Da Du Deinen Kindern heut früh Ihr Latein geschenkt hast, damit sie den Felix spielen hörten, so könntest Du mir doch auch einmal meine Arbeit erlassen. “ Dann lud er mich auf den folgenden Tag wieder zu Tisch ein, und ich spielte ihm Abends viel vor; meine 3 Walliser oder Walliserinnen machen hier viel Glück, und ich suche mein Englisch wieder vor. Da ich Goethe gebeten hatte, mich Du zu nennen, ließ er mir den folgenden Tag durch Ottilie sagen, dann müsse ich aber länger bleiben, als 2 Tage, wie ich gewollt hatte, sonst könne er sich nicht wieder daran gewöhnen. Wie er mir das nun noch selbst sagte, und meinte ich würde wohl nichts versäumen, wenn ich etwas länger blieb, und mich einlud, jeden Tag zum Essen zu kommen, wenn ich nicht anderswo sein wollte, und wie ich das annahm, weil ich außer der table d’hôte keinen Bekannten habe, bei dem ich Mittags sein könnte, wie ich denn nun bis jetzt jeden Tag da war und ihm gestern von Schottland, und Hengstenberg, Spontini und Hegels Aesthetik erzählen mußte, wie er mich dann nach Tiefurth mit den Damen schickte, mir aber verbot nach Berka zu fahren, weil da ein schönes Mädchen wohne, und er mich nicht ins Unglück stürzen wolle, und wie ich dann so dachte, das sey nun der Goethe, von dem die Leute mal behaupten würden, er sey gar nicht eine Person, sondern er bestehe aus mehreren kleinen Goethiden – da wär ich wohl recht toll gewesen, wenn mich die Zeit gereut hätte. Heut soll ich ihm Sachen von Bach, Haydn und Mozart vorspielen, und ihn dann so weiter führen wie jetzt, wie er sagte. Folgende Verse standen neulich im Chaos; von wem sie wohl sein mögen? „Selbst erfinden ist schön; doch glücklich von Andern Gefundnes Fröhlich erkannt und geschätzt, nennst Du das weniger Dein?“ „Halte das Bild der Würdigen fest! Wie leuchtende Sterne Theilte sie aus die Natur durch den unendlichen Raum. “ und so noch mehrere, die ich aus Mangel an Raum verschweige. Als Mitarbeiter bekomm ichs von jetzt an, und theil es Euch mit. Übrigens war ich auch ein ordentlicher Reisender und habe die Bibliothek und Iphigenie in Aulis gesehen. Molke Achill, Mde. Eberwein Klytemnestra, Hummel hat Octaven u. dgl. gestrichen. Antwortet mir nach München, und seyd für hora, Charta, und den Brief herzlich bedankt. Ich schreibe morgen oder übermorgen an Zelter; das bitte ich Euch ihm mitzutheilen; wohl zu leben, ich muß eben fort. Es ist Jahrmarkt und Gewitter draußen. F.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1830-05-24-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1830-05-24-01" xml:id="title_03536633-54f6-433b-bfeb-d8bb1599effb">Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy <lb></lb>Weimar, 21. und 24. Mai 1830</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_85b826ee-31f5-4823-a9e3-505ea72426da">Motto: Lacht mich aus, so viel Ihr wollt, ich schreibe schon wieder (Aus Beckchens ungedruckten Briefen) denn ich muß Euch erzählen, wie himmlisch meine gestrige Fahrt gewesen ist. Ich weiß mich solch eines heitern, frischen</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_fb0a7ae4-ed68-4f78-824c-8b121be24df7">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 1, 301 </idno></publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 13, fol. 2-3.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1830-05-24-01" type="letter" xml:id="title_0a1b29ea-5cd0-41e1-bd0f-20bd909509ce">Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy; Weimar, 21. und 24. Mai 1830</title> <incipit>Motto: Lacht mich aus, so viel Ihr wollt, ich schreibe schon wieder (Aus Beckchens ungedruckten Briefen) denn ich muß Euch erzählen, wie himmlisch meine gestrige Fahrt gewesen ist. Ich weiß mich solch eines heitern, frischen</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Mendelssohn, Reisebriefe, S. 1-6.</bibl> <bibl type="printed_letter">Sietz, Leben in Briefen, S. 48-52.</bibl> <bibl type="printed_letter">Sutermeister, Briefe einer Reise, S. 12-19.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1830-05-21" xml:id="date_5b677a5e-122d-4b6c-88b1-8ecb72f11119">21.</date> und <date cert="high" when="1830-05-24" xml:id="date_3809b335-a335-482b-8c4c-39c7cd967c29">24. Mai 1830</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_cd1f0844-b208-42d4-9629-8eaae5991ed5">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_7a43c740-1985-4a85-bdba-c84dab12ef47"> <settlement key="STM0100134">Weimar</settlement> <country>Deutschland</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113247" resp="receiver" xml:id="persName_68a1811d-3ac0-42e2-900e-a3893058a46c">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <persName key="PSN0113241" resp="receiver" xml:id="persName_8f2f8a82-b795-4712-af31-b858eb39d870">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_08ccd1e4-33c9-4835-8a05-bff6c13b4306"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_091c6ad2-b16d-4949-95de-590fbc141db2"> <head> <address> <addrLine>Herrn</addrLine> <addrLine>Herrn Stadtrath A. Mendelssohn Bartholdy</addrLine> <addrLine>Wohlgeboren</addrLine> <addrLine>Berlin</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_84fc82a6-8a81-41e0-b6b2-1c476d8ff947"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Weimar d. <date cert="high" when="1830-05-21" xml:id="date_96ebfb61-6505-46b9-ba11-e1ec8a8ede8a">21 Mai 30</date>.</dateline><p style="paragraph_without_indent">Motto: Lacht mich aus, so viel Ihr wollt, ich schreibe schon wieder (Aus <persName xml:id="persName_19d5ed69-88e6-4bd1-a853-d292a8c76455">Beckchens<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> ungedruckten Briefen) denn ich muß Euch erzählen, wie himmlisch meine gestrige Fahrt gewesen ist. Ich weiß mich solch eines heitern, frischen Reisetags gar nicht zu entsinnen seit meiner Reisepraxis. Früh Morgens war der Himmel grau und bedeckt, die Sonne kam erst später durch, kühle Luft, und Himmelfahrtstag dazu, die Leute gingen geputzt, und ich sah sie in einem Dorf in die Kirche gehen, in einem andern wieder heraus kommen, wieder in einem andern Kegel spielen; bunte Tulpen gab’s überall in den Gärten, und ich fuhr schnell und sah mir Alles an, in Weißenfels gaben sie mir einen kleinen Korbwagen, und in Naumburg gar eine offne Droschke; die Sachen wurden hinten auf gepackt, sammt dem Hut und Mantel, ich kaufte mir ein Paar Maiblumensträuße und so gings durch das Land, wie auf einer Spazierfahrt; hinter Naumburg kamen Pförtner Primaner und beneideten mich, dann fuhren wir dem <persName xml:id="persName_8b88bd85-a85b-4b39-a667-8c3da6c2bcb2">Präsidenten Gärtner<name key="PSN0111297" style="hidden">Gärtner, Gustav Wilhelm Freiherr von (1775-1840)</name></persName> in einem kleinen Wägelchen, das schwer an ihm zu tragen hatte, vorbei, und seine Töchter, oder Frauen, kurz die 2 Damen die mit ihm waren beneideten mich; den Kösener Berg trabten wir hinauf, denn die Pferde brauchten kaum zu ziehen, und holten eine Menge bepackter Haudrer ein, die beneideten mich gewiß auch; denn ich war wirklich beneidenswerth. Die Gegend sah so frühlingsmäßig und geputzt, bunt, heiter aus, und dann ging die Sonne so ernsthaft hinter den Hügeln unter, und dann fuhr der <persName xml:id="persName_be2670d5-4c41-44b7-8731-3a9f2a63f174">Russische Gesandte<name key="PSN0109445" style="hidden">Alopaeus (Alopeus), David Maximowitsch (Maksimovič) (Franz David) (1769-1831)</name></persName> in 2 großen 4 spännigen Wagen so mürrisch und geschäftsmäßig, und ich fuhr in meiner Droschke als Hasenfuß so bald bei ihm vorbey, und Abends bekam ich noch stetische Pferde, damit ein kleiner Verdruß auch nicht fehlte (er gehört nach meiner Theorie zum Plaisir) und ich componirte den ganzen Tag so sehr gar nichts, sondern genoß faul – Die Sache war herrlich, das ist wahr, und wird nicht wegfallen und nicht vergessen werden. Ich schließe diese Beschreibung, mit der Bemerkung daß in Eckartsberga die kleinen Kinder ganz ebenso Ringe Rosenkranz spielen, wie bei uns, und daß sie sich durch den fremden Herrn mit der bunten Binde um den Leib nicht stören ließen, obwohl er vornehm zusah, ich hätte lieber mitgespielt, als Mogul. Gebt’s Alles an <persName xml:id="persName_bdf82742-0ae3-4316-9c01-178bf8c82872">Elsholtz<name key="PSN0110890" style="hidden">Elsholtz, Ludwig (1805-1850)</name></persName> und laßt’s drucken. </p></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_bd40df7b-9101-44b1-8d34-f6e048085527"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p><date cert="high" when="1830-05-24" xml:id="date_9ba7dcb0-f4f3-436b-95f3-e307f1ef955a"><seg type="inline">d. 24.</seg></date> – Das schrieb ich, ehe ich zu <persName xml:id="persName_943bd0ae-9bb0-466f-9799-34068e488eb5">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> ging, Morgens früh nach einem Spaziergange im Park; nun bin ich noch hier, und konnte warlich bis jetzt nicht zur Fortsetzung des Briefes kommen. Ich werde auch vielleicht noch zwei Tage hier bleiben, und es ist nicht Schade darum, denn so heiter und liebenswürdig wie diesmal und so gesprächig und mittheilend habe ich den <persName xml:id="persName_4a9cd55b-faf1-4919-9639-3a6dac1a448a">alten Herren<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> noch nie gefunden; der Grund aber warum ich wohl noch bleiben werde, ist gar nicht übel und macht mich sehr eitel oder vielmehr stolz, auch will ich ihn Euch nicht verschweigen. Er schickte mir gestern an einen hiesigen <persName xml:id="persName_df517f9a-d7ed-4246-a084-8d43f24be423">Maler Schmeller<name key="PSN0114597" style="hidden">Schmeller, Johann Joseph (1796-1841)</name></persName> einen Brief, den ich selbst abgeben sollte, und <persName xml:id="persName_39a15501-4fb8-4318-9cbf-025e715980b7">Ottilie<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName> vertraute mir an, daß der Auftrag <title xml:id="title_6c25e41b-b6fa-4064-90dc-8a6632dd018a">mein Portrait<name key="PSN0114597" style="hidden" type="author">Schmeller, Johann Joseph (1796-1841)</name><name key="CRT0110693" style="hidden" type="art">Felix Mendelssohn Bartholdy (Kreidezeichnung 1830)</name></title> zu zeichnen darin enthalten sey, weil <persName xml:id="persName_042288a5-1f05-4914-840e-da55cad0a706">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> es zu einer Sammlung Zeichnungen seiner Bekannten, die er seit einiger Zeit angefangen hat, legen wolle. Die Sache machte mir fast Freude (fast im biblischen Sinne) da ich aber den <persName xml:id="persName_6cfb8e60-fd92-491a-a7c8-0e210a03d265">Hrn. Maler<name key="PSN0114597" style="hidden">Schmeller, Johann Joseph (1796-1841)</name></persName> „will er wol“ bis jetzt nicht getroffen habe, (er mich also auch nicht) da er nun erst morgen anfangen wird, und da er in Zeichnungen wol schwerlich solch ein fa allegro ist, wie Du, o <persName xml:id="persName_6a1aa075-e9c4-4292-8400-118c824641c5">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName>, der Du an einem Abend <title xml:id="title_65ea4062-2add-46b2-8cce-e90145a9dc71">Paganini<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name><name key="CRT0109199" style="hidden" type="art">Niccolò Paganini (Zeichnung 1829)</name></title>, <persName xml:id="persName_56b353a7-b2ab-4e50-965b-e308c474bf47">Margarete<name key="PSN0113064" style="hidden">Margarete, in Berlin</name></persName> und <persName xml:id="persName_af6b5110-d9e8-4311-9a5a-41f95ee7884f">Hrn. von Schwanenfeld<name key="PSN0114797" style="hidden">Schwanenfeld, Franz Sartorius von (1783-1863)</name></persName><title xml:id="title_777b4868-16f1-4105-9635-d1378528a39b">ↂ<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name><name key="CRT0109179" style="hidden" type="art">Franz von Schwanenfeld (Zeichnung 1829)</name></title> zeichnen könntest, und nachher ein Glas Wein ganz verschluckst – so werde ich wohl Uebermorgen noch bleiben. Es thut mir auch nicht leid, wie gesagt, denn ich lebe ganz prächtig hier, und genieße die Nähe des <persName xml:id="persName_2f580042-23d7-4237-9a2b-632681911aba">alten Herrn<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> so recht aus dem Grunde, habe bis jetzt alle Mittage bei ihm gegessen, bin heut Morgen wieder zu ihm beschieden, heut Abend gibt er eine Gesellschaft, wo ich spielen soll, und da spricht er nun über Alles, frägt nach Allem, daß es eine Freude ist. Ich muß aber ordentlich und folgerecht erzählen, damit Ihr alles erfahrt. Des Morgens ging ich zu <persName xml:id="persName_9863f161-8e04-4a2a-aa2f-1762e1406f35">Ottilie<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName>, die ich zwar noch kränklich und zuweilen klagend, aber doch heitrer als früher, und gegen mich so freundlich und liebenswürdig, wie immer fand; wir sind seitdem fast immer zusammen gewesen und ich habe mich sehr gefreut, sie näher kennen zu lernen; <persName xml:id="persName_575da156-e9d7-49d3-af84-ac258ce8ff3d">Ulrike<name key="PSN0113923" style="hidden">Pogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875)</name></persName> ist jetzt so angenehm und lieblich, wie noch gar nicht; der Ernst, den sie bekommen, hat sich mit ihrem ganzen Wesen vereinigt, und sie hat eine Sicherheit und Tiefe der Empfindung die sie zu einer der liebenswürdigsten Erscheinungen machen, die ich kenne; die beiden Knaben, <persName xml:id="persName_3d3863a2-530b-4128-8d71-a2a021dc2c14">Walter<name key="PSN0111426" style="hidden">Goethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885)</name></persName> und <persName xml:id="persName_6dc78f76-cffe-4f51-9668-4bfcd2550c08">Wolf<name key="PSN0111424" style="hidden">Goethe, Maximilian Wolfgang von (seit 1859) Freiherr von (1820-1883)</name></persName>, die ich sonst nicht sehr gut leiden konnte, sind zu ihrem Vortheil ganz verändert, lebendig, fleißig, und zuthulich, und wenn sie von Großpapas <title xml:id="title_ba313e25-e525-4693-a4f1-e2828f179d3b">Faust<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108814" style="hidden" type="dramatic_work">Faust. Der Tragödie erster Theil</name></title> sprechen, so klingt das gar zu nett. <persName xml:id="persName_64379e64-6b61-4e21-9223-575f2e328f9b">Der junge Goethe<name key="PSN0111423" style="hidden">Goethe, Julius August Walter von (1789-1830)</name></persName> ist nicht hier; er reist in Italien, um seine Gesundheit, die sehr gelitten haben soll, wieder herzustellen; was ich von ihm hier gehört habe, will nicht recht erfreulich klingen, so daß ich es nicht allzusehr bedaure ihn zu versäumen. – Zur Erzählung wieder zu kommen, schickte ich den Brief von <persName xml:id="persName_e4d6f176-fc6d-44cc-bec9-760cea43d671">Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> sogleich hinein zu <persName xml:id="persName_b8ad9d21-c80f-4eb7-82de-7d294831ef52">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName>, der ließ mich zu Tische bitten; da fand ich ihn denn, im Aeußeren unverändert, Anfangs aber etwas still; und wenig theil nehmend, ich glaube, er wollte mal zusehen, wie ich mich wohl nehmen möchte; mir war es verdrießlich, und ich dachte er sey jetzt immer so, da kam zum Glück die Rede auf die Frauenvereine in Weimar, und auf das Chaos, eine tolle Zeitung, die die <persName xml:id="persName_4ac48b7e-ab6b-4141-8b5b-84c88513cb8f">Damen<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name><name key="PSN0113923" style="hidden">Pogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875)</name></persName> unter sich herausgeben, und zu deren Mitarbeiter ich mich aufgeschwungen habe; auf einmal fing der <persName xml:id="persName_76fef520-cd23-477b-b268-e23ad4cff2b6">Alte<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> an lustig zu werden, und die beiden <persName xml:id="persName_b8bf225b-d619-45e0-9b9f-6b0014e57508">Damen<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name><name key="PSN0113923" style="hidden">Pogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875)</name></persName> zu necken, mit der Wohlthätigkeit und dem Geistreichthum, und den Subscriptionen, und der Krankenpflege, die er ganz besonders zu hassen scheint; forderte mich auf, auch mit loszuziehen, und da ich mir das nicht zweimal sagen ließ, so wurde er erst ganz wieder, wie sonst und dann noch freundlicher und vertraulicher, als ich ihn bis jetzt kannte. Da gings denn über Alles her: von der <title xml:id="title_68c516c1-66a0-41ac-a0f6-b612aa5a34ed">Räuberbraut von Ries<name key="PSN0114191" style="hidden" type="author">Ries, Ferdinand (1784-1838)</name><name key="CRT0110469" style="hidden" type="music">Die Räuberbraut op. 156</name></title> meinte er, die enthielte alles, was ein Künstler jetzt brauche, um glücklich zu leben: einen Räuber und eine Braut; dann schimpfte er auf die allgemeine Sehnsucht der jungen Leute, die so melancholisch wären; dann erzählte er Geschichten, von einer jungen Dame, der er einmal die Cour gemacht hätte, und die auch einiges Interesse an ihm genommen habe; dann kamen die Ausstellungen und der Verkauf von Handarbeiten für Verunglückte daran, wo die Weimaranerinnen die Verkäuferinnen machen, und wo er behauptete, daß man gar nichts bekommen könnte, weil die jungen Leute alles unter sich schon bestimmten, und dann versteckten, bis die rechten Käufer kämen. Ich zog geschwind meine rothe Börse aus der Tasche, und präsentirte sie ihm, als auf ähnlichem Wege erschlichen, er meinte „Hm – sehr nett gemacht – nimmt sich gar gut aus“ – und die <persName xml:id="persName_2ccdb17a-d90e-4a40-b1e6-1f57fa9b2368">Damen<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name><name key="PSN0113923" style="hidden">Pogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875)</name></persName> bezeugten ihre Zufriedenheit – so ging’s dann weiter in Spaß und Witzen und nach Tisch fing er dann auf einmal an „Gute Kinder – hübsche Kinder – muß immer lustig sein – tolles Volk“ und dazu macht er Augen, wie der alte Löwe, wenn er einschlafen will. Dann mußte ich ihm vorspielen, und er meinte, „wie das so sonderbar sey, daß er so lange keine Musik gehört habe, nun hätten wir die Sache immer weiter geführt, und er wisse nichts davon, ich müsse ihm darüber viel erzählen, „denn wir wollen doch auch einmal vernünftig mit einander sprechen“ Dann sagte er zu <persName xml:id="persName_2d9ca694-bc81-4416-b2e4-9d29f090daae">Ottilie<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName> „Du hast nun schon gewiß Deine weisen Einrichtungen getroffen, das hilft aber nichts gegen meine Befehle, und die sind, daß Du heut hier Deinen Thee machst, damit wir wieder zusammen sind.“ Als die nun frug, ob es nicht zu spät werden würde, da <persName xml:id="persName_bcb4301a-0a2d-4e8a-8155-49de9a37d2a5">Reimer<name key="PSN0114188" style="hidden">Riemer, Friedrich Wilhelm (1774-1845)</name></persName> zu ihm käme und mit ihm arbeiten wolle, so meinte er „Da Du Deinen Kindern heut früh Ihr Latein geschenkt hast, damit sie den Felix spielen hörten, so könntest Du mir doch auch einmal meine Arbeit erlassen.“ Dann lud er mich auf den folg[enden] Tag wieder zu Tisch ein, und ich spielte ihm Abends viel vor; <title xml:id="title_d7df3212-1d04-477d-bd23-633c2f7e5010">meine 3 Walliser<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ein4teyf-zhhe-ghc5-rije-q7e1kbnt1ahh"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100620" style="hidden">Trois Fantaisies ou Caprices für Klavier, 1830/1831; enthält MWV U 70, U 71 und U 72<idno type="MWV">SD 4</idno><idno type="op">16</idno></name></title> oder Walliserinnen machen hier viel Glück, und ich suche mein Englisch wieder vor. Da ich <persName xml:id="persName_4654536c-b940-4465-8545-caf3bd8d2445">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> gebeten hatte, mich Du zu nennen, ließ er mir den folgenden Tag durch <persName xml:id="persName_4fa36d09-db65-436a-80ca-77d61feeb6e0">Ottilie<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName> sagen, dann müsse ich aber länger bleiben, als 2 Tage, wie ich gewollt hatte, sonst könne er sich nicht wieder daran gewöhnen. Wie er mir das nun noch selbst sagte, und meinte ich würde wohl nichts versäumen, wenn ich etwas länger blieb, und mich einlud, jeden Tag zum Essen zu kommen, wenn ich nicht anderswo sein wollte, und wie ich das annahm, weil ich außer der table d’hôte keinen Bekannten habe, bei dem ich Mittags sein könnte, wie ich denn nun bis jetzt jeden Tag da war und ihm gestern von Schottland, und <persName xml:id="persName_99ce8b7c-bcb0-45d9-876a-a181bda85d51">Hengstenberg<name key="PSN0111874" style="hidden">Hengstenberg, Ernst Wilhelm Theodor Hermann (1802-1869)</name></persName>, <persName xml:id="persName_b1f52841-3cf4-4b2c-90d7-faa40544c2f4">Spontini<name key="PSN0115037" style="hidden">Spontini, Gaspare Luigi Pacifico (1774-1851)</name></persName> und <title xml:id="title_ed2d0eac-3bd5-4b0a-9b26-725b3c5ffd6c">Hegels Aesthetik<name key="PSN0111804" style="hidden" type="author">Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831)</name><name key="CRT0109110" style="hidden" type="science">Vorlesungen über die Ästhetik</name></title> erzählen mußte, wie er mich dann nach Tiefurth mit den <persName xml:id="persName_11ea7491-9d2e-4b06-8601-aad0d68e0ed5">Damen<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name><name key="PSN0113923" style="hidden">Pogwisch, Ulrike Henriette Adele Eleonore Freiin von (1798-1875)</name></persName> schickte, mir aber verbot nach Berka zu fahren, weil da ein schönes Mädchen wohne, und er mich nicht ins Unglück stürzen wolle, und wie ich dann so dachte, das sey nun der <persName xml:id="persName_b74aa60a-7b09-43b8-891f-59307f53995d">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName>, von dem die Leute mal behaupten würden, er sey gar nicht eine Person, sondern er bestehe aus mehreren kleinen Goethiden – da wär ich wohl recht toll gewesen, wenn mich die Zeit gereut hätte. Heut soll ich ihm Sachen von <persName xml:id="persName_724b2f27-e82b-4b8b-8f35-8898432a250f">Bach<name key="PSN0109617" style="hidden">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name></persName>, <persName xml:id="persName_855e5a06-0a94-41a5-977c-1c8f84903115">Haydn<name key="PSN0111789" style="hidden">Haydn, Franz Joseph (1732-1809)</name></persName> und <persName xml:id="persName_5ce42195-5f98-4148-9228-5489127a4020">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName> vorspielen, und ihn dann so weiter führen wie jetzt, wie er sagte. Folgende Verse standen neulich im Chaos; von wem sie wohl sein mögen?</p><p>„Selbst erfinden ist schön; doch glücklich von Andern Gefundnes Fröhlich erkannt und geschätzt, <hi rend="underline">nennst Du</hi> das weniger Dein?“</p><p>„Halte das Bild der Würdigen fest! Wie leuchtende Sterne Theilte sie aus die Na<hi rend="underline">tur durch</hi> den unendlichen Raum.“</p><p style="paragraph_without_indent">und so noch mehrere, die ich aus Mangel an Raum verschweige. Als Mitarbeiter bekomm ichs von jetzt an, und theil es Euch mit. Übrigens war ich auch ein ordentlicher Reisender und habe die Bibliothek und <title xml:id="title_e0087799-8d6e-4e16-bc25-2d0f93169a3e">Iphigenie in Aulis<name key="PSN0111405" style="hidden" type="author">Gluck, Christoph Willibald (seit 1756) Ritter von (1714-1787)</name><name key="CRT0111400" style="hidden" type="music">Iphigénie en Aulide GluckWV 1.42</name></title> gesehen. <persName xml:id="persName_64de43f4-fd39-42ba-b5c9-4e9e68999016">Molke<name key="PSN0113393" style="hidden">Moltke (eigtl. Molke), Carl Melchior Jacob (1783-1831)</name></persName> Achill, <persName xml:id="persName_89db845e-782c-43d7-b4a7-717be59e7e97">Mde. Eberwein<name key="PSN0110819" style="hidden">Eberwein, Regina Henriette (1790-1849)</name></persName> Klytemnestra, <persName xml:id="persName_ffb8211d-54b7-4bfe-86f2-6a48b1472990">Hummel<name key="PSN0112147" style="hidden">Hummel, Johann Nepomuk (1778-1837)</name></persName> hat Octaven u. dgl. gestrichen. Antwortet mir nach München, und seyd für <title xml:id="title_0625f27a-a4bf-41b0-880e-55bec34bdfd7">hora<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_syvgi2jn-6bm9-gjvo-xsyq-s9e86mwikysk"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="sacred_vocal_works_with_smaller_instrumentation" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100128" style="hidden">Antiphona et Responsorium »Hora est« für vier gemischte Chöre und Basso continuo, zum 14. November 1828; 6. Dezember 1828<idno type="MWV">B 18</idno><idno type="op"></idno></name></title>, Charta, und den Brief herzlich bedankt. Ich schreibe morgen oder übermorgen an <persName xml:id="persName_d52f9c9f-157a-4e26-b38d-0fe497cb551e">Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName>; das bitte ich Euch ihm mitzutheilen; wohl zu leben, ich muß eben fort. <seg type="closer" xml:id="seg_c33f1caa-a09d-4d5d-9774-c696d1b4d70a">Es ist Jahrmarkt und Gewitter draußen.</seg></p><signed rend="right">F.</signed></div></body> </text></TEI>