fmb-1830-04-11-01
Hilfe zum Zitier-Tool
Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.
Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.
Berlin, 11. April 1830
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
-
Unbekannt
-
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Verzeih dass ich Dir nach so langer Pause nicht selbst schreibe, sondern den Brief dictiren muss, es ist mir aber seit mehreren Wochen alles Lesen und Schreiben und jede Beschäftigung untersagt, weil ich in Folge der Masern, die mich hier plötzlich überfallen haben, meine Augen noch sehr schwach fühle, und sie gar nicht anstrengen darf, gern hätte ich auch daher diesen Brief verschoben bis ich selbst werde wieder schreiben können, doch werde ich, sobald meine Augen irgend erlauben, meine Reise weiter nach Süden fortsetzen, und fürchtete dann nicht die genügende Ruhe zu einem ausführlichen Briefe an Dich zu finden. So will ich dann lieber jetzt mit Dir plaudern, als ob wir anno 1826 im Garten auf und ab spatzierten.
Ich habe aber eigentlich so lange geschwiegen, weil ich böse mit Dir war. Wir hatten den Contract gemacht unsere neueren Compositionen gegen einander auszutauschen, und so schickte ich Dir
den Musiker, wenn auch jenen geschickten Handwerkern, HansWürsten, kurz grossen Männern alles gelänge und schön würde, ich würde sie und ihre Werke doch so hassen, wie ich es jetzt thue; wenn aber einem
Musikeralles missglückte, es würde Einen doch rühren und ergreifen weil es sein Ernst wäre. Und es thut Einem gar zu wohl wenn man sieht daß auch Andre so denken, und ohne Verabredung auf demselben Wege fortarbeiten.
So hat mir denn Deine Sendung die grösste Freude bereitet, und ich bedaure nur, dass Du nicht noch gleich Einiges mitgeschickt hast, damit ich recht über den Standpunkt, wo Du jetzt stehst, hätte in’s Klare kommen können. Schick’ doch bald wieder etwas, und schreib und lass von Dir hören, mich verlangt danach. – Was das Nähere betrifft so weiß ich
Prestissimodarüber, auch fehlt mir auf einigen Stellen der Zusammenhang, der im ersten und namentlich im zweiten, meinem Lieblingsstück, so vollkommen da ist, schreib mir doch etwas davon auch von der Art wie ich das Letzte spielen soll, und von dem Tempo das Du dazu haben willst.
Was mich betrifft, so wirst Du wissen, dass ich im letzten Jahre mich lange Zeit in England und Schottland aufgehalten habe, und nur zum Besuch auf kurze Zeit hieher wieder zurückgekehrt bin. Es hat mich sehr glücklich gemacht zu sehen, daß die Unfreundlichkeit und das Misstrauen gegen mich, welche hier in den letzten 2 Jahren fast zu arg wurden, nicht allein meine Schuld sind, daß man auch anderswo leben könne als wie in Berlin, und daß der Hochmuth und die Krittelei, die hier in der Kunst und bei den Künstlern herrschen, sich auf nichts gründen als auf sich selbst. Wenn auch freilich das Eigentliche was ich wollte und wonach ich strebte, und worauf es mir ankam den Leuten dort fremd blieb, so kamen sie mir doch mit Freundlichkeit und Unbefangenheit entgegen, setzten keine Brille auf um mich anzusehen, kein Höhrrohr um meine Musik zu vernehmen, und so war ich froh. Ich habe einsehen gelernt wie ungeheuer viel der guten Stadt Berlin abgeht, und auf der andern Seite die grossen Vorzüge die sie wieder besitzt, denn wenn ich auch noch so vergnügt in der Fremde seyn mag, ein Fremder bleibe ich doch da, und heimisch wird mir erst wieder im Vaterlande zu Muthe, so denke ich denn in den nächsten Wochen froh und vergnügt dem Frühling entgegen meine Reise wieder anzutreten, und mich nach allen Seiten genau umzusehen und umherzuwenden, damit ich erfahre wie die Menschen aussehen und umgekehrt, damit ich mich freier fühlen kann, damit ich das Ungewohnte kennen und das Gewohnte neu schätzen lerne, kurz, damit ich ein Mensch werde, oder mit andern Worten ein Musiker. Wenn das so mehrere Jahre gedauert hat und das bunte Leben so recht um mich und ich darin herumgespielt, dann will ich wieder nach Deutschland zurück, mir aus aller Lumpigkeit, Arroganz und Klugredenerei nichts machen, und wirken und schaffen so gut ich’s eben vermag. – Ich denke Du wirst diesen Plan billigen, wenigstens hattest Du so viel ich weiss, von Berlin dieselbe Meinung wie ich jetzt.
Daß ich nun aber im letzten Jahre nicht Zeit hatte, viel Musik aufzuschreiben, ist wohl natürlich. Auch fürchte ich, wird es in den nächsten 2 Jahren nicht besser gehen, daher kann ich Dir nicht viel von neuen Compositionen schreiben. In meinem letzten Briefe an Dich glaube ich schon von der
Jetzt aber ist ein Landsmann von Dir hier, der will mir nicht gefallen, Du musst es ihm aber nicht wieder sagen, denn ich glaube so etwas nimmt er übel, eben war er drinn und hat viel gelärmet; ich meine Du wirst mir meine Meinung nicht übel nehmen. Es ist damit wieder so wie mit dem Obengesagten: Wenn einem Musiker alles nicht recht ist, wenn ers immer noch besser will, wenn er scharf hineinfährt, so finde ich es recht und schön, und natürlich. Meint aber Einer
Soll ich Dir noch von Berlin erzählen? wie jetzt
Berlin 11 April 1830. Mein lieber Freund! Verzeih dass ich Dir nach so langer Pause nicht selbst schreibe, sondern den Brief dictiren muss, es ist mir aber seit mehreren Wochen alles Lesen und Schreiben und jede Beschäftigung untersagt, weil ich in Folge der Masern, die mich hier plötzlich überfallen haben, meine Augen noch sehr schwach fühle, und sie gar nicht anstrengen darf, gern hätte ich auch daher diesen Brief verschoben bis ich selbst werde wieder schreiben können, doch werde ich, sobald meine Augen irgend erlauben, meine Reise weiter nach Süden fortsetzen, und fürchtete dann nicht die genügende Ruhe zu einem ausführlichen Briefe an Dich zu finden. So will ich dann lieber jetzt mit Dir plaudern, als ob wir anno 1826 im Garten auf und ab spatzierten. Ich habe aber eigentlich so lange geschwiegen, weil ich böse mit Dir war. Wir hatten den Contract gemacht unsere neueren Compositionen gegen einander auszutauschen, und so schickte ich Dir mein Quartett aus amoll, in der Hoffnung dafür etwas Neues von Dir bald kennen zu lernen, darauf schriebst Du auch wieder und kündigtest mir Lager Sonaten, Lager Fugen und ein Quintett an, die Du mir durch Magnus geschickt hättest; Magnus traf ein, hatte nichts von Dir erhalten, ich wartete und es verging ein Jahr ohne dass ich eine Note von Dir bekam, ich reiste darauf nach England ab, und war sehr ergrimmt auf Dich. Da ich aber im Dezember hieher zurück kam, fand ich Deinen lieben Brief an meine Mutter und die Sonate aus A-dur vor, und nun muss ich statt zu zürnen Dich herzlich dafür danken. Du hast mir durch die Sonate eine große Freude gemacht. Sie geht so still und so lieblich vorüber, es stehen einem so mancherlei alte Erinnerungen dabei auf, es ist so innerlichst gefühlt, und nicht auf der verdamten Oberfläche, daß ich wohl sehe Du bist noch der Alte geblieben. Auch ist doch, Gott sey Dank kein Spass darin gemacht, und das ist die Hauptsache, und das macht den Musiker, wenn auch jenen geschickten Handwerkern, HansWürsten, kurz grossen Männern alles gelänge und schön würde, ich würde sie und ihre Werke doch so hassen, wie ich es jetzt thue; wenn aber einem Musiker alles missglückte, es würde Einen doch rühren und ergreifen weil es sein Ernst wäre. Und es thut Einem gar zu wohl wenn man sieht daß auch Andre so denken, und ohne Verabredung auf demselben Wege fortarbeiten. So hat mir denn Deine Sendung die grösste Freude bereitet, und ich bedaure nur, dass Du nicht noch gleich Einiges mitgeschickt hast, damit ich recht über den Standpunkt, wo Du jetzt stehst, hätte in’s Klare kommen können. Schick’ doch bald wieder etwas, und schreib und lass von Dir hören, mich verlangt danach. – Was das Nähere betrifft so weiß ich Dein letztes Stück nicht recht zu spielen und aufzufassen, ich hätte es mir in einer lebhaften doch mässigen Bewegung gedacht, und es steht Prestissimo darüber, auch fehlt mir auf einigen Stellen der Zusammenhang, der im ersten und namentlich im zweiten, meinem Lieblingsstück, so vollkommen da ist, schreib mir doch etwas davon auch von der Art wie ich das Letzte spielen soll, und von dem Tempo das Du dazu haben willst. Was mich betrifft, so wirst Du wissen, dass ich im letzten Jahre mich lange Zeit in England und Schottland aufgehalten habe, und nur zum Besuch auf kurze Zeit hieher wieder zurückgekehrt bin. Es hat mich sehr glücklich gemacht zu sehen, daß die Unfreundlichkeit und das Misstrauen gegen mich, welche hier in den letzten 2 Jahren fast zu arg wurden, nicht allein meine Schuld sind, daß man auch anderswo leben könne als wie in Berlin, und daß der Hochmuth und die Krittelei, die hier in der Kunst und bei den Künstlern herrschen, sich auf nichts gründen als auf sich selbst. Wenn auch freilich das Eigentliche was ich wollte und wonach ich strebte, und worauf es mir ankam den Leuten dort fremd blieb, so kamen sie mir doch mit Freundlichkeit und Unbefangenheit entgegen, setzten keine Brille auf um mich anzusehen, kein Höhrrohr um meine Musik zu vernehmen, und so war ich froh. Ich habe einsehen gelernt wie ungeheuer viel der guten Stadt Berlin abgeht, und auf der andern Seite die grossen Vorzüge die sie wieder besitzt, denn wenn ich auch noch so vergnügt in der Fremde seyn mag, ein Fremder bleibe ich doch da, und heimisch wird mir erst wieder im Vaterlande zu Muthe, so denke ich denn in den nächsten Wochen froh und vergnügt dem Frühling entgegen meine Reise wieder anzutreten, und mich nach allen Seiten genau umzusehen und umherzuwenden, damit ich erfahre wie die Menschen aussehen und umgekehrt, damit ich mich freier fühlen kann, damit ich das Ungewohnte kennen und das Gewohnte neu schätzen lerne, kurz, damit ich ein Mensch werde, oder mit andern Worten ein Musiker. Wenn das so mehrere Jahre gedauert hat und das bunte Leben so recht um mich und ich darin herumgespielt, dann will ich wieder nach Deutschland zurück, mir aus aller Lumpigkeit, Arroganz und Klugredenerei nichts machen, und wirken und schaffen so gut ich’s eben vermag. – Ich denke Du wirst diesen Plan billigen, wenigstens hattest Du so viel ich weiss, von Berlin dieselbe Meinung wie ich jetzt. Daß ich nun aber im letzten Jahre nicht Zeit hatte, viel Musik aufzuschreiben, ist wohl natürlich. Auch fürchte ich, wird es in den nächsten 2 Jahren nicht besser gehen, daher kann ich Dir nicht viel von neuen Compositionen schreiben. In meinem letzten Briefe an Dich glaube ich schon von der Meeresstille gesprochen zu haben; es ist ein Stück für’s ganze Orchester auf die Worte von Goethe: „Tiefe Stille herrscht im Wasser“ u. s. w. (Meeresstille und glückliche Fahrt) im ersten Theil seiner Gedichte. Ich hatte es abschreiben lassen um es Dir zu schicken und die Abschrift sammt meinem Manuscript sind mir gestohlen worden. Indessen besitzt Ritz noch ein Exemplar davon, so denke ich denn nächstens Dir eine andere Copie zukommen zu lassen. Die Einleitung (Meeresstille) habe ich darauf berechnet, daß ein Ton den die Saiten-instrumente leise sehr lange aushalten fast hörbar hin und herschwankt und zittert, so daß nun im langsamsten Adagio bald die Bässe, bald die Geigen mit demselben Ton viele Tacte liegend bleiben und das Ganze sich nun sehr träge und langweilig dumpf von der Stelle schiebt. Endlich bleibt’s in dicken Ackorden feststehend, und die glückliche Fahrt geht los, wo denn nun alle BlechInstrumente, die Pauken, Oboen und Flöten anfangen und bis zum Ende lustig weiter spielen. Piccolo-Flöten pfeifen auch noch in der Mitte hinein, und so giebt es einen Mord Scandal. Ich denke das Ding soll Dir gefallen, denn mir kommt es ganz frisch vor. Ausserdem habe ich noch drei kleine geistige Musiken, ein „hora est“ für 16 Stimmen ohne Begleitung, und mehrere Lieder und Klaviersachen bis zu meiner Reise geschrieben; erst ein Vierteljahr vor der Abreise fasste ich den Entschluss, die große Passionsmusik von Bach hier aufzuführen, dass es mir über Erwarten gut gelungen ist, wirst Du schon wissen. Das Werk wird jetzt überall in Deutschland aufgeführt, und die Leute erbauen sich daran; es wird mir immer ein freudiges Bewusstsein bleiben, davon die Ursache gewesen zu seyn. Nach meiner Reise habe ich ein neues Violinquartett beendigt, eine Symphonie für’s ganze Orchester an derer letztes Stück ich jetzt arbeite angefangen, und zur Feier der silbernen Hochzeit meiner Eltern eine kleine Fest-Oper die mir unser alte Klingemann gedichtet hat, componirt, und am Tage des Fests bei uns aufgeführt. Es thut mir sehr leid, daß ich Dir die Partitur nicht mittheilen kann, ich halte’s für das Beste, was ich bis jetzt geschrieben habe, es ist sehr einfach und sentimental, und Klingemanns Worte sind prächtig. Ich habe ihn alle Tage in London gesehen; er ist ein höchst vortrefflicher und ehrlicher Mensch, voll des tiefsten Gefühls; in seinem äussern Betragen würdest Du ihn verändert finden, wenn er sonst munter und gesprächig, von einer Gesellschaft zur Andern des Abends wanderte und immer von Witzen und Wortspielen übersprudelte, so lebt er jetzt still und zurückgezogen für sich, will keine neuen Bekanntschaften machen, spricht meist kurz und ernsthaft, und nur sehr selten; wenn er sich ganz wohl und vertraulich fühlt, zieht er das alte ausgelassen lustige Kleid wieder an. Der Kern ist immer derselbe geblieben; wir sind einander nahe und vertraut geworden und haben Deiner gar oft gedacht, wie hast Du Dich aber seitdem verändert! verheirathet, Vater, in Ruhe und Glück lebend – so möchte ich Dich gar zu gern einmal sehen, und Deine Frau kennen lernen, die ich mir nunmal sehr liebenswürdig denke, und gerade all das Gegentheil von Deiner damaligen Beschreibung: (blind, lahm, 50 Jahre alt, bös, etc: weisst Du wohl noch) und ich denke der Wunsch soll mir erfüllt werden, denn ich habe eine unbezwingliche Lust, gegen Ende meiner Reise, Dich einmal in Stockholm zu besuchen, und Dich in Schweden um das versprochene Lieblingsgericht (Reis oder was es sonst war) anzusprechen. Jetzt aber ist ein Landsmann von Dir hier, der will mir nicht gefallen, Du musst es ihm aber nicht wieder sagen, denn ich glaube so etwas nimmt er übel, eben war er drinn und hat viel gelärmet; ich meine Herrn Berwald; was bei Dir Feuer und wahres Gefühl war, ist bei ihm Prahlerei und Arroganz (ich bitte ihm dies alles ab, falls ich mich irren sollte, glaube es aber nicht; ) nichts liebe ich mehr, als wenn ein Mensch von innerer Lebhaftigkeit getrieben, rücksichtslos heraussagt was er denkt und allein sich und sein Gefühl fragt. So ist’s aber bei dem nicht; der schimpfte nur um was Besonderes zu sagen, und ist innerlich nur kalt und philisterhaft. Vielleicht ist er Dein Freund, und ich komme übel damit an, Du versprichst mir aber, dies keinem Menschen mitzutheilen, und Du wirst mir meine Meinung nicht übel nehmen. Es ist damit wieder so wie mit dem Obengesagten: Wenn einem Musiker alles nicht recht ist, wenn ers immer noch besser will, wenn er scharf hineinfährt, so finde ich es recht und schön, und natürlich. Meint aber Einer Weber, Spohr und Spontini seyen nur Stümper und trägt doch nur so wenig in sich, dass er nichts Eigenes schaffen, sondern stückeweise geborgte Gedanken vorbringt, und sie durch allerlei Seltsamkeiten neu zu machen sucht, dann hasse ich und verabscheue ich solche Sprache. Und so kam es mir in seinen Compositionen vor; sonderbar ausgestopfte Harmonien, Anklänge aus Euren Volksmelodien schien mir das Einzige eigenthümliche darin, obwohl mir im Anfang mehreres davon recht sehr gut gefallen hat, so muss ich doch, seit er mir von den Erbärmlichkeiten und Jammerlichkeiten in Beethovens Fidelio erzählt hat, fragen ob er irgends etwa biete, was ihn dazu berechtige, und musste mir mit nein antworten. Er sagte mir neulich er habe in Schweden mehreres über Berlin drucken lassen; sollten darin Indiscretionen über mich und meine Familie enthalten seyn, so bitte ich Dich es mich wissen zu lassen, auch möchte ich sehr gern von Dir erfahren wie Du über ihn denkst, und was man überhaupt bei Euch von ihm hält. Einen andern Landsmann von Dir, Herrn Muncktell, habe ich nur zweimal gesehen, ihn aber von verschiedenen Seiten sehr loben hören. – In meiner Familie geht es glücklich, gesund und wohl, meine älteste Schwester ist; wie du weisst; verheirathet, und lebt glücklich und ruhig sich in ihre neue Bestimmung hinein, die Musik läßt sie dabei nicht liegen, und ein Festspiel was sie auch zur silbernen Hochzeit componirt hatte, und daß wir an demselben Abend mit dem ganzen Orchester aufführten, war voll Lebhaftigkeit und Gefühl, und hat uns Alle von Herzen erfreuet; das Andere ist geblieben wie Du es kennst, ausser dass sich mein Bruder und meine jüngere Schwester zu ihrem Vortheile und zu unserem Glücke täglich weiter ausbilden, und uns von Tage zu Tage lieber und unentbehrlicher werden. Soll ich Dir noch von Berlin erzählen? wie jetzt zwei Gewalten an der Spitze des Theaters stehen, deren Eine (Graf Redern) nur den niederträchtigen Auber, die Andere (Spontini) nur sich selbst beschützt und vordrängt; wie Gluck gänzlich und auch Mozart fast von der Bühne verschwunden ist; wie die Milder aus Kabale pensionirt worden? wie wöchentlich unter Moesers Direction Beethovensche Symphonien in aller Eile hinuntergefiedelt werden; wie die Sontag vom Publiko das erstemal kalt empfangen worden ist, weil eine Partei die Heirath mit Graf Rossi billigt, die Andere nicht; Freund! Es ist heut Osterfeiertag und laues mildes Frühlingswetter, und die Leute strömen nach den Thoren zum Festspatziergang, da muss man an dergleichen nicht denken, auch nicht davon reden, lieber von den Grüssen die all die Meinigen und besonders meine jüngere Schwester an Dich mir eben auftragend, oder von all dem Freundlichen, das Du in meinem Namen Deiner lieben Frau und auch Deinem Kinde sagen sollst, obwohl das schwerlich deutsch versteht, und wohl kaum schwedisch, von dem fröhlichen Fest und dem heitern Frühling, der Dir und mir und all den Unsrigen zu Theil werde, von Ostern und Knospen und guter Musik. Dann mögest Du fröhlich gedenken Deines Felix Mendelssohn Bartholdy.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1830-04-11-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1830-04-11-01" xml:id="title_58ea1272-74e8-4189-afe3-5c93a6ef49aa">Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolf Fredrik Lindblad in Stockholm<lb></lb>Berlin, 11. April 1830 </title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_c16a8435-09c3-4299-9f4c-1fcae110e56f">Verzeih dass ich Dir nach so langer Pause nicht selbst schreibe, sondern den Brief dictiren muss, es ist mir aber seit mehreren Wochen alles Lesen und Schreiben und jede Beschäftigung untersagt, weil ich in Folge</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_99486c8e-2472-4ced-ad50-737c3e5b7a5e">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 1, 293 </idno> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Deutschland</country> <settlement>Berlin</settlement> <institution key="RISM">D-B</institution> <repository>Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz</repository> <collection>Musikabteilung</collection> <idno type="signatur">MA Nachl. 7,40,6.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph_third_party_copy">Abschrift fremder Hand</idno> <title key="fmb-1830-04-11-01" type="letter" xml:id="title_5b4ff59e-47de-4d1e-9484-02f560162f99">Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolf Fredrik Lindblad in Stockholm; Berlin, 11. April 1830 </title> <incipit>Verzeih dass ich Dir nach so langer Pause nicht selbst schreibe, sondern den Brief dictiren muss, es ist mir aber seit mehreren Wochen alles Lesen und Schreiben und jede Beschäftigung untersagt, weil ich in Folge</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>-</p> <handDesc hands="1"> <p>Unbekannt</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Dahlgren, Bref till Lindblad, S. 26-36.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1830-04-11" xml:id="date_ecbb739d-7757-4283-9686-bfb3b99f5644">11. April 1830</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_326f1698-6021-4bd2-8026-5920b4a57fc4">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_237b0fdf-c07b-4c53-874f-984d478e3dcc"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country></placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0112854" resp="receiver" xml:id="persName_9415261b-a3b7-44f1-86b1-d7762b4a66c7">Lindblad, Adolf Fredrik (1801-1878)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_ecc088ba-602a-4710-b46a-b4cd4a580a9a"> <settlement key="STM0100147">Stockholm</settlement> <country>Schweden</country></placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_0bb1aef0-43d0-4ed2-a1d0-7916aac63a9e"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <dateline rend="right">Berlin <date cert="high" when="1830-04-11" xml:id="date_f7274d52-3d24-4359-b323-873af0664a68">11 April 1830.</date></dateline> <salute rend="left">Mein lieber Freund!</salute> <p style="paragraph_without_indent">Verzeih dass ich Dir nach so langer Pause nicht selbst schreibe, sondern den Brief dictiren muss, es ist mir aber seit mehreren Wochen alles Lesen und Schreiben und jede Beschäftigung untersagt, weil ich in Folge der Masern, die mich hier plötzlich überfallen haben, meine Augen noch sehr schwach fühle, und sie gar nicht anstrengen darf, gern hätte ich auch daher diesen Brief verschoben bis ich selbst werde wieder schreiben können, doch werde ich, sobald meine Augen irgend erlauben, meine Reise weiter nach Süden fortsetzen, und fürchtete dann nicht die genügende Ruhe zu einem ausführlichen Briefe an Dich zu finden. So will ich dann lieber jetzt mit Dir plaudern, als ob wir anno 1826 im Garten auf und ab spatzierten.</p> <p>Ich habe aber eigentlich so lange geschwiegen, weil ich böse mit Dir war. Wir hatten den Contract gemacht unsere neueren Compositionen gegen einander auszutauschen, und so schickte ich Dir <title xml:id="title_4976967a-f69b-4d8b-9330-3682c155303c">mein Quartett aus amoll<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_cevv8o1o-sghz-zx65-bilk-hd1xfgd8zgo2"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_works_without_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100393" style="hidden">Quartett a-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, [Juli 1827] bis 26./27. Oktober 1827<idno type="MWV">R 22</idno><idno type="op">13</idno></name></title>, in der Hoffnung dafür etwas Neues von Dir bald kennen zu lernen, darauf schriebst Du auch wieder und kündigtest mir Lager Sonaten, Lager Fugen und ein Quintett an, die Du mir durch <persName xml:id="persName_6b4ddec4-bfc3-4917-8983-bed504787e79">Magnus<name key="PSN0113039" style="hidden">Magnus, Rudolph Albert (1809-1859)</name></persName> geschickt hättest; <persName xml:id="persName_b9412f06-ef56-4265-8a8d-6cb59b084fb0">Magnus<name key="PSN0113039" style="hidden">Magnus, Rudolph Albert (1809-1859)</name></persName> traf ein, hatte nichts von Dir erhalten, ich wartete und es verging ein Jahr ohne dass ich eine Note von Dir bekam, ich reiste darauf nach England ab, und war sehr ergrimmt auf Dich. Da ich aber im Dezember hieher zurück kam, fand ich Deinen lieben Brief an meine Mutter und <title xml:id="title_48f790b2-bcdc-4dc4-be79-44075daf4017">die Sonate aus A-dur<name key="PSN0112854" style="hidden" type="author">Lindblad, Adolf Fredrik (1801-1878)</name><name key="CRT0109753" style="hidden" type="music">Sonate A-Dur</name></title> vor, und nun muss ich statt zu zürnen Dich herzlich dafür danken. Du hast mir durch die Sonate eine große Freude gemacht. Sie geht so still und so lieblich vorüber, es stehen einem so mancherlei alte Erinnerungen dabei auf, es ist so innerlichst gefühlt, und nicht auf der verdamten Oberfläche, daß ich wohl sehe Du bist noch der Alte geblieben. Auch ist doch, Gott sey Dank kein Spass darin gemacht, und das ist die Hauptsache, und das macht <hi rend="underline">den Musiker</hi>, wenn auch jenen geschickten Handwerkern, HansWürsten, kurz grossen Männern alles gelänge und schön würde, ich würde sie und ihre Werke doch so hassen, wie ich es jetzt thue; wenn aber einem <hi rend="underline">Musiker</hi> alles missglückte, es würde Einen doch rühren und ergreifen weil es sein Ernst wäre. Und es thut Einem gar zu wohl wenn man sieht daß auch Andre so denken, und ohne Verabredung auf demselben Wege fortarbeiten.</p> <p>So hat mir denn Deine Sendung die grösste Freude bereitet, und ich bedaure nur, dass Du nicht noch gleich Einiges mitgeschickt hast, damit ich recht über den Standpunkt, wo Du jetzt stehst, hätte in’s Klare kommen können. Schick’ doch bald wieder etwas, und schreib und lass von Dir hören, mich verlangt danach. – Was das Nähere betrifft so weiß ich <title xml:id="title_1e13bbe6-dc70-44bb-a612-653dede56888">Dein letztes Stück<name key="PSN0112854" style="hidden" type="author">Lindblad, Adolf Fredrik (1801-1878)</name><name key="CRT0109753" style="hidden" type="music">Sonate A-Dur</name></title> nicht recht zu spielen und aufzufassen, ich hätte es mir in einer lebhaften doch mässigen Bewegung gedacht, und es steht <hi rend="underline">Prestissimo</hi> darüber, auch fehlt mir auf einigen Stellen der Zusammenhang, der im ersten und namentlich im zweiten, meinem Lieblingsstück, so vollkommen da ist, schreib mir doch etwas davon auch von der Art wie ich das Letzte spielen soll, und von dem Tempo das Du dazu haben willst.</p> <p>Was mich betrifft, so wirst Du wissen, dass ich im letzten Jahre mich lange Zeit in England und Schottland aufgehalten habe, und nur zum Besuch auf kurze Zeit hieher wieder zurückgekehrt bin. Es hat mich sehr glücklich gemacht zu sehen, daß die Unfreundlichkeit und das Misstrauen gegen mich, welche hier in den letzten 2 Jahren fast zu arg wurden, nicht allein meine Schuld sind, daß man auch anderswo leben könne als wie in Berlin, und daß der Hochmuth und die Krittelei, die hier in der Kunst und bei den Künstlern herrschen, sich auf nichts gründen als auf sich selbst. Wenn auch freilich das Eigentliche was ich wollte und wonach ich strebte, und worauf es mir ankam den Leuten dort fremd blieb, so kamen sie mir doch mit Freundlichkeit und Unbefangenheit entgegen, setzten keine Brille auf um mich anzusehen, kein Höhrrohr um meine Musik zu vernehmen, und so war ich froh. Ich habe einsehen gelernt wie ungeheuer viel der guten Stadt Berlin abgeht, und auf der andern Seite die grossen Vorzüge die sie wieder besitzt, denn wenn ich auch noch so vergnügt in der Fremde seyn mag, ein Fremder bleibe ich doch da, und heimisch wird mir erst wieder im Vaterlande zu Muthe, so denke ich denn in den nächsten Wochen froh und vergnügt dem Frühling entgegen meine Reise wieder anzutreten, und mich nach allen Seiten genau umzusehen und umherzuwenden, damit ich erfahre wie die Menschen aussehen und umgekehrt, damit ich mich freier fühlen kann, damit ich das Ungewohnte kennen und das Gewohnte neu schätzen lerne, kurz, damit ich ein Mensch werde, oder mit andern Worten ein Musiker. Wenn das so mehrere Jahre gedauert hat und das bunte Leben so recht um mich und ich darin herumgespielt, dann will ich wieder nach Deutschland zurück, mir aus aller Lumpigkeit, Arroganz und Klugredenerei nichts machen, und wirken und schaffen so gut ich’s eben vermag. – Ich denke Du wirst diesen Plan billigen, wenigstens hattest Du so viel ich weiss, von Berlin dieselbe Meinung wie ich jetzt. </p> <p>Daß ich nun aber im letzten Jahre nicht Zeit hatte, viel Musik aufzuschreiben, ist wohl natürlich. Auch fürchte ich, wird es in den nächsten 2 Jahren nicht besser gehen, daher kann ich Dir nicht viel von neuen Compositionen schreiben. In meinem letzten Briefe an Dich glaube ich schon von der <title xml:id="title_e2f99aa8-28ee-48be-ae8a-782b84f11010">Meeresstille<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_vzpj8kkr-y68n-m0rx-zwrx-1p7x5kedewus"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="overtures_and_other_orchestral_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100361" style="hidden">Konzert-Ouvertüre Nr. 3 Meeresstille und glückliche Fahrt D-Dur, [Februar bis September 1828]; Umarbeitung 1833/1834<idno type="MWV">P 5</idno><idno type="op">27</idno></name></title> gesprochen zu haben; es ist <title xml:id="title_7ba17b53-e5b8-4b2d-9163-11aa78a53304">ein Stück für’s ganze Orchester auf die Worte von Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108840" style="hidden" type="literature">Meeresstille</name><name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name><name key="CRT0108822" style="hidden" type="literature">Glückliche Fahrt</name></title>: „Tiefe Stille herrscht im Wasser“ u. s. w. (Meeresstille und glückliche Fahrt) im ersten Theil seiner Gedichte. Ich hatte es abschreiben lassen um es Dir zu schicken und die Abschrift sammt meinem Manuscript sind mir gestohlen worden. Indessen besitzt <persName xml:id="persName_37884909-b919-45e4-aae3-f6aa30d495a4">Ritz<name key="PSN0114202" style="hidden">Rietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832)</name></persName> noch ein Exemplar davon, so denke ich denn nächstens Dir eine andere Copie zukommen zu lassen. </p> <p><title xml:id="title_a9bf7848-ec1d-43be-94df-41b84cef9277">Die Einleitung (Meeresstille)<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_8gvqfhxn-hp4x-axov-fcor-fuedpkt2qizv"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="overtures_and_other_orchestral_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100361" style="hidden">Konzert-Ouvertüre Nr. 3 Meeresstille und glückliche Fahrt D-Dur, [Februar bis September 1828]; Umarbeitung 1833/1834<idno type="MWV">P 5</idno><idno type="op">27</idno></name></title> habe ich darauf berechnet, daß ein Ton den die Saiten-instrumente leise sehr lange aushalten fast hörbar hin und herschwankt und zittert, so daß nun im langsamsten Adagio bald die Bässe, bald die Geigen mit demselben Ton viele Tacte liegend bleiben und das Ganze sich nun sehr träge und langweilig dumpf von der Stelle schiebt. Endlich bleibt’s in dicken Ackorden feststehend, und die glückliche Fahrt geht los, wo denn nun alle BlechInstrumente, die Pauken, Oboen und Flöten anfangen und bis zum Ende lustig weiter spielen. Piccolo-Flöten pfeifen auch noch in der Mitte hinein, und so giebt es einen Mord Scandal. Ich denke das Ding soll Dir gefallen, denn mir kommt es ganz frisch vor. Ausserdem habe ich noch <title xml:id="title_e37e0b65-8819-44aa-9ae7-750386154e52">drei kleine geistige Musiken<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_moaq4pv9-vej4-wgem-woyn-th2s0i9ccfre"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="sacred_vocal_works_for_solo_voices_with_accompaniment" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100169" style="hidden">Ave maris stella für Sopran und Orchester, 5. Juli 1828<idno type="MWV">C 3</idno><idno type="op"></idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_1xds2g4p-5at9-ajii-qxqy-zu9exxucj3nz"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100107" style="hidden">Choral »Wer nur den lieben Gott lässt walten« für Sopran solo, gemischten Chor und Orchester, [1828/1829]<idno type="MWV">A 7</idno><idno type="op"></idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_rfcbcyca-h54s-tg4m-xmhz-oc968su3l7fs"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100106" style="hidden">Choral »Jesu, meine Freude« für gemischten Chor und Orchester, 22. Januar 1828<idno type="MWV">A 6</idno><idno type="op"></idno></name></title>, ein <title xml:id="title_80b4423d-add9-4358-abee-e87fc0e07a4a">„hora est“<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_sqdvd2qu-1xvs-tfaw-z7ns-whgz06lg7evw"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="sacred_vocal_works_with_smaller_instrumentation" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100128" style="hidden">Antiphona et Responsorium »Hora est« für vier gemischte Chöre und Basso continuo, zum 14. November 1828; 6. Dezember 1828<idno type="MWV">B 18</idno><idno type="op"></idno></name></title> für 16 Stimmen ohne Begleitung, und mehrere Lieder und <title xml:id="title_c0fd63b9-2730-4ab3-bcc2-bf57b72868d4">Klaviersachen<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_3rbn66dq-hjrz-3cwo-1vlp-i85ffvs5rpmn"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100618" style="hidden">Zwölf Gesänge für eine Singstimme und Klavier, 1827, 1. Heft; enthält MWV K 30, Das Heimweh »Was ist’s, was mir den Atem hemmet«, komponiert von Fanny Mendelssohn Bartholdy, Italien »Schöner und schöner schmückt sich«, komponiert von Fanny Mendelssohn Bartholdy, MWV K 37, K 31 und K 17, 2. Heft; enthält MWV K 32, K 33, K 34, K 35, K 36 und Duett (Suleika und Hatem) »An des lust’gen Brunnens Rand«, komponiert von Fanny Mendelssohn Bartholdy<idno type="MWV">SD 2</idno><idno type="op">8</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_rsiaawwh-jldv-vasm-9r1v-7bvrxa0e9yen"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100619" style="hidden">Zwölf Lieder für eine Singstimme und Klavier, 1830, 1. Heft (Der Jüngling); enthält MWV K 39, K 41, K 42, K 52, K 38 und K 50, 2. Heft (Das Mädchen); enthält Sehnsucht »Fern und ferner schallt der Reigen«, komponiert von Fanny Hensel, MWV K 51, K 53, Verlust »Und wüssten’s die Blumen, die kleinen«, komponiert von Fanny Hensel, MWV K 54 und Die Nonne »Im stillen Klostergarten«, komponiert von Fanny Hensel<idno type="MWV">SD 3</idno><idno type="op">9</idno></name></title> bis zu meiner Reise geschrieben; erst ein Vierteljahr vor der Abreise fasste ich den Entschluss, die <title xml:id="title_1fd67639-a4ff-4409-88f8-710ce7908cb5">große Passionsmusik<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107794" style="hidden" type="music">Matthäus-Passion BWV 244</name></title> von Bach hier aufzuführen, dass es mir über Erwarten gut gelungen ist, wirst Du schon wissen. Das Werk wird jetzt überall in Deutschland aufgeführt, und die Leute erbauen sich daran; es wird mir immer ein freudiges Bewusstsein bleiben, davon die Ursache gewesen zu seyn. Nach meiner Reise habe ich ein <title xml:id="title_1614dfa8-1294-4ebb-8a7e-dfbd3aac9e72">neues Violinquartett<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_hcgqcotg-thxg-s2rl-2viq-bebzmsiuswiz"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_works_without_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100394" style="hidden">Quartett Es-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, 1. Juli bis 14. September 1829<idno type="MWV">R 25</idno><idno type="op">12</idno></name></title> beendigt, eine <title xml:id="title_a31fe6df-e383-4342-9a40-89d8cd4dbc48">Symphonie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_sui7cpg4-lygj-88oe-8ant-v1p025cs6cso"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100341" style="hidden">Sinfonie d-Moll (»Reformations-Sinfonie«) für Orchester, [1829] bis 12. Mai 1830; 11. November 1832<idno type="MWV">N 15</idno><idno type="op">107</idno></name></title> für’s ganze Orchester an derer letztes Stück ich jetzt arbeite angefangen, und zur Feier der silbernen Hochzeit meiner Eltern <title xml:id="title_41c6420e-1a6f-4bdd-bfab-12633136bfd0">eine kleine Fest-Oper<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_cpaya2k4-w6du-1nyz-fue6-06agrojpxtsl"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="singspiels_and_operas" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100325" style="hidden">Aus der Fremde (»Heimkehr aus der Fremde«), Ein Liederspiel, [September 1829] bis 19. Dezember 1829<idno type="MWV">L 6</idno><idno type="op">89</idno></name></title> die mir unser alte <persName xml:id="persName_b48683be-57c3-4e85-b972-3bdfe434a046">Klingemann<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> gedichtet hat, componirt, und am Tage des Fests bei uns aufgeführt. Es thut mir sehr leid, daß ich Dir die Partitur nicht mittheilen kann, ich halte’s für das Beste, was ich bis jetzt geschrieben habe, es ist sehr einfach und sentimental, und <persName xml:id="persName_c3a29e83-e0f5-4885-af94-b7296aea4173">Klingemanns<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> Worte sind prächtig. Ich habe ihn alle Tage in London gesehen; er ist ein höchst vortrefflicher und ehrlicher Mensch, voll des tiefsten Gefühls; in seinem äussern Betragen würdest Du ihn verändert finden, wenn er sonst munter und gesprächig, von einer Gesellschaft zur Andern des Abends wanderte und immer von Witzen und Wortspielen übersprudelte, so lebt er jetzt still und zurückgezogen für sich, will keine neuen Bekanntschaften machen, spricht meist kurz und ernsthaft, und nur sehr selten; wenn er sich ganz wohl und vertraulich fühlt, zieht er das alte ausgelassen lustige Kleid wieder an. Der Kern ist immer derselbe geblieben; wir sind einander nahe und vertraut geworden und haben Deiner gar oft gedacht, wie hast Du Dich aber seitdem verändert! verheirathet, Vater, in Ruhe und Glück lebend – so möchte ich Dich gar zu gern einmal sehen, und <persName xml:id="persName_cb9976c9-2049-4b6d-8bd1-0121a2c05c26">Deine Frau<name key="PSN0112857" style="hidden">Lindblad, Sophia (Sophie) Carolina (1802-1886)</name></persName> kennen lernen, die ich mir nunmal sehr liebenswürdig denke, und gerade all das Gegentheil von Deiner damaligen Beschreibung: (blind, lahm, 50 Jahre alt, bös, etc: weisst Du wohl noch) und ich denke der Wunsch soll mir erfüllt werden, denn ich habe eine unbezwingliche Lust, gegen Ende meiner Reise, Dich einmal in Stockholm zu besuchen, und Dich in Schweden um das versprochene Lieblingsgericht (Reis oder was es sonst war) anzusprechen.</p> <p>Jetzt aber ist ein Landsmann von Dir hier, der will mir nicht gefallen, Du musst es ihm aber nicht wieder sagen, denn ich glaube so etwas nimmt er übel, eben war er drinn und hat viel gelärmet; ich meine <persName xml:id="persName_e60490d8-194a-4a7d-a68a-8a4bb4cbfe96">Herrn Berwald<name key="PSN0109917" style="hidden">Berwald, Franz Adolf (1796-1868)</name></persName>; was bei Dir Feuer und wahres Gefühl war, ist bei ihm Prahlerei und Arroganz (ich bitte ihm dies alles ab, falls ich mich irren sollte, glaube es aber nicht;) nichts liebe ich mehr, als wenn ein Mensch von innerer Lebhaftigkeit getrieben, rücksichtslos heraussagt was er denkt und allein sich und sein Gefühl fragt. So ist’s aber bei dem nicht; der schimpfte nur um was Besonderes zu sagen, und ist innerlich nur kalt und philisterhaft. Vielleicht ist er Dein Freund, und ich komme übel damit an, Du versprichst mir aber, dies keinem Menschen mitzutheilen, und <hi rend="underline">Du</hi> wirst mir meine Meinung nicht übel nehmen. Es ist damit wieder so wie mit dem Obengesagten: Wenn einem Musiker alles nicht recht ist, wenn ers immer noch besser will, wenn er scharf hineinfährt, so finde ich es recht und schön, und natürlich. Meint aber Einer <persName xml:id="persName_db0d5e40-1b8d-429b-ada8-9c0dbdfc4a6c">Weber<name key="PSN0115645" style="hidden">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name></persName>, <persName xml:id="persName_a7bf7273-55a8-4a5f-96e8-c0e3576ade51">Spohr<name key="PSN0115032" style="hidden">Spohr, Louis (Ludewig) (1784-1859)</name></persName> und <persName xml:id="persName_597ee2e2-3921-4007-b3c9-e93dd18c5e0d">Spontini<name key="PSN0115037" style="hidden">Spontini, Gaspare Luigi Pacifico (1774-1851)</name></persName> seyen nur Stümper und trägt doch nur so wenig in sich, dass er nichts Eigenes schaffen, sondern stückeweise geborgte Gedanken vorbringt, und sie durch allerlei Seltsamkeiten neu zu machen sucht, dann hasse ich und verabscheue ich solche Sprache. Und so kam es mir in seinen Compositionen vor; sonderbar ausgestopfte Harmonien, Anklänge aus Euren Volksmelodien schien mir das Einzige eigenthümliche darin, obwohl mir im Anfang mehreres davon recht sehr gut gefallen hat, so muss ich doch, seit er mir von den Erbärmlichkeiten und Jammerlichkeiten in <title xml:id="title_beaa4b86-86d0-4b04-95e0-ec8bde1b85b3">Beethovens Fidelio<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108010" style="hidden" type="music">Fidelio op. 72</name></title> erzählt hat, fragen ob er irgends etwa biete, was ihn dazu berechtige, und musste mir mit nein antworten. Er sagte mir neulich er habe in Schweden mehreres über Berlin drucken lassen; sollten darin Indiscretionen über mich und meine Familie enthalten seyn, so bitte ich Dich es mich wissen zu lassen, auch möchte ich sehr gern von Dir erfahren wie Du über ihn denkst, und was man überhaupt bei Euch von ihm hält. Einen andern Landsmann von Dir, <persName xml:id="persName_c4cd55ca-9dfd-4ac4-8c4a-27dac7612b54">Herrn Muncktell<name key="PSN0113520" style="hidden">Munktell, Johan Henrik (1804-1861)</name></persName>, habe ich nur zweimal gesehen, ihn aber von verschiedenen Seiten sehr loben hören. – In meiner Familie geht es glücklich, gesund und wohl, <persName xml:id="persName_6da6bb10-8e5c-41a3-9900-c572399b15f0">meine älteste Schwester<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> ist; wie du weisst; verheirathet, und lebt glücklich und ruhig sich in ihre neue Bestimmung hinein, die Musik läßt sie dabei nicht liegen, und ein <title xml:id="title_76af187c-c0cc-4a25-a14c-e6fa9eed0db5">Festspiel<name key="PSN0111893" style="hidden" type="author">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="CRT0111432" style="hidden" type="music">»Die Hochzeit kommt«, Festspiel für drei Soprane, Tenor, zwei Bässe, vierstimmigen gemischten Chor und Orchester HU 248 (Dezember 1829); UA 26. Dezember 1829</name></title> was sie auch zur silbernen Hochzeit componirt hatte, und daß wir an demselben Abend mit dem ganzen Orchester aufführten, war voll Lebhaftigkeit und Gefühl, und hat uns Alle von Herzen erfreuet; das Andere ist geblieben wie Du es kennst, ausser dass sich <persName xml:id="persName_256b2705-654c-4c1c-9411-d61788c308ed">mein Bruder<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> und <persName xml:id="persName_248fa225-4e53-4579-9da3-98e1ff4e099f">meine jüngere Schwester<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> zu ihrem Vortheile und zu unserem Glücke täglich weiter ausbilden, und uns von Tage zu Tage lieber und unentbehrlicher werden.</p> <p style="paragraph_without_indent">Soll ich Dir noch von Berlin erzählen? wie jetzt <placeName xml:id="placeName_7f5a4b8c-55fd-4744-b4bd-de31d74ecfa5">zwei Gewalten an der Spitze des Theaters<name key="NST0100293" style="hidden" subtype="" type="institution">Königliches Opernhaus</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country><name key="NST0100415" style="hidden" subtype="" type="institution">Königliches Schauspielhaus</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> stehen, deren Eine (<persName xml:id="persName_d29ce98a-534f-4713-a91e-ea4a7eb254ff">Graf Redern<name key="PSN0114098" style="hidden">Redern, Wilhelm Friedrich Graf von (1802-1883)</name></persName>) nur den niederträchtigen <persName xml:id="persName_9f1d6d26-2b02-4e00-be03-81bcaa82e0bc">Auber<name key="PSN0109578" style="hidden">Auber, Daniel-François-Esprit (1782-1871)</name></persName>, die Andere (<persName xml:id="persName_80db87e6-5ac6-4953-a8c1-f63111598fd7">Spontini<name key="PSN0115037" style="hidden">Spontini, Gaspare Luigi Pacifico (1774-1851)</name></persName>) nur sich selbst beschützt und vordrängt; wie <persName xml:id="persName_8dbf9d59-7d81-4a21-b6d8-dec612db254f">Gluck<name key="PSN0111405" style="hidden">Gluck, Christoph Willibald (seit 1756) Ritter von (1714-1787)</name></persName> gänzlich und auch <persName xml:id="persName_c1006836-ed2f-41da-b4d6-b0228046f809">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName> fast von der Bühne verschwunden ist; wie die <persName xml:id="persName_d393dabc-75eb-4df5-bdd2-9dbc63f11c36">Milder<name key="PSN0113344" style="hidden">Milder-Hauptmann, Pauline Anna (1785-1838)</name></persName> aus Kabale pensionirt worden? wie wöchentlich unter <persName xml:id="persName_a417c56c-f618-42e9-bcf6-1a0d70c9bee2">Moesers<name key="PSN0113371" style="hidden">Moeser (Möser), Carl Heinrich Ludwig Joachim Wilhelm (1774-1851)</name></persName> Direction <persName xml:id="persName_a27070e2-e74f-49e0-b864-e3b452de4521">Beethovensche<name key="PSN0109771" style="hidden">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> Symphonien in aller Eile hinuntergefiedelt werden; wie die <persName xml:id="persName_50c9fb1b-e948-4c2d-a4e5-c715d2ad19ab">Sontag<name key="PSN0114969" style="hidden">Sontag (eigtl. Sonntag), Henriette Gertrude Walpurgis (seit 1831) Freiin von Lauenstein (1806-1854)</name></persName> vom Publiko das erstemal kalt empfangen worden ist, weil eine Partei die Heirath mit <persName xml:id="persName_0af485da-66b5-4fcc-b777-57b517c36282">Graf Rossi<name key="PSN0114296" style="hidden">Rossi, Carlo Graf (1797-1864)</name></persName> billigt, die Andere nicht; Freund! Es ist heut Osterfeiertag und laues mildes Frühlingswetter, und die Leute strömen nach den Thoren zum Festspatziergang, da muss man an dergleichen nicht denken, auch nicht davon reden, lieber von den Grüssen die all die Meinigen und besonders <persName xml:id="persName_a33a0fbb-940b-4f98-aef0-c5388c78475b">meine jüngere Schwester<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> an Dich mir eben auftragend, oder von all dem Freundlichen, das Du in meinem Namen <persName xml:id="persName_34508620-b171-4232-a95e-3b250ba20b3c">Deiner lieben Frau<name key="PSN0112857" style="hidden">Lindblad, Sophia (Sophie) Carolina (1802-1886)</name></persName> und auch <persName xml:id="persName_eaf6ebfa-5a78-4733-9912-2f3c8ee52f17">Deinem Kinde<name key="PSN0112857" style="hidden">Lindblad, Sophia (Sophie) Carolina (1802-1886)</name></persName> sagen sollst, obwohl das schwerlich deutsch versteht, und wohl kaum schwedisch, von dem fröhlichen Fest und dem heitern Frühling, der Dir und mir und all den Unsrigen zu Theil werde, von Ostern und Knospen und guter Musik. <seg type="closer" xml:id="seg_3ecfc667-c544-4741-b20a-0836cdba5143">Dann mögest Du fröhlich gedenken</seg></p> <signed rend="right">Deines</signed> <signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy.</signed> </div> </body> </text></TEI>