fmb-1829-12-02-01
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Calais, 29. November, Brüssel, 1. Dezember, und Maastricht, 2. Dezember 1829
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
2 beschr. S.; S. 1 Stempel »Hôtel QUILLACQ à Calais«; Adresse, 1 Poststempel. – Mehrfache Textverluste sind auf das Abreißen des Siegels zurückzuführen.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Und so liegt England hinter mir und gehört mit zur Vergangenheit. Es ist ein schönes, liebes Land, und wie die weiße Küste eben untertauchte und die schwarze französische auf, da war mirs, als hätte ich von einem Freunde Abschied genommen, und alle lieben freundlichen Menschen nickten mir noch einmal zu. Das war ein großes Bild. Aber nun ist es Vergangenheit. Und ich eile auf Euch zu, und nehme diesen Brief sogar selbst mit bis Lille, vielleicht gar bis Brüssel, wenn mir weiterhin die Reise so gut bekommt, wie bis jetzt. Eben bin ich nämlich hier angekommen nach 3stündiger glücklicher Fahrt, bleibe hier bis Abend, und fahre dann mit der diligence nach Lille. Lange habe ich Euch nicht geschrieben, aber es war auch nicht möglich, die letzten Tage in London waren so gedrängt voll, die Eile so groß, vieles so wichtig, daß mir Ruhe, Sammlung und Geduld fehlten Euch Alles zu beschreiben, statt Neues zu erleben und zu beschließen. Ich kann die letzten 14 Tage in London die glücklichsten und reichsten nennen, die ich da genossen habe.
d. 29 Nov. 1829. Und so liegt England hinter mir und gehört mit zur Vergangenheit. Es ist ein schönes, liebes Land, und wie die weiße Küste eben untertauchte und die schwarze französische auf, da war mirs, als hätte ich von einem Freunde Abschied genommen, und alle lieben freundlichen Menschen nickten mir noch einmal zu. Das war ein großes Bild. Aber nun ist es Vergangenheit. Und ich eile auf Euch zu, und nehme diesen Brief sogar selbst mit bis Lille, vielleicht gar bis Brüssel, wenn mir weiterhin die Reise so gut bekommt, wie bis jetzt. Eben bin ich nämlich hier angekommen nach 3stündiger glücklicher Fahrt, bleibe hier bis Abend, und fahre dann mit der diligence nach Lille. Lange habe ich Euch nicht geschrieben, aber es war auch nicht möglich, die letzten Tage in London waren so gedrängt voll, die Eile so groß, vieles so wichtig, daß mir Ruhe, Sammlung und Geduld fehlten Euch Alles zu beschreiben, statt Neues zu erleben und zu beschließen. Ich kann die letzten 14 Tage in London die glücklichsten und reichsten nennen, die ich da genossen habe. Horn, dem ich alles zeigen konnte und der sich über alles mit mir freute und erstaunte, durch den ich die großen Eindrücke der Stadt wie neu wiederempfing, der sich unter meinen Freunden bald wohl und einheimisch fühlte, trug viel dazu bey; dann versammelte sich alle Abende spät bei mir ein Kreis von Leuten, wie er sich wohl selten zusammenfinden mag: Rosen, Mühlenfels, Klingemann, Kind und Horn, das war hübsch zu hören, wie da das Gespräch belebt und froh ging, und wie nichts Mattes oder Falsches durchgelassen wurde, sondern zu Zeiten eine Geschwornengericht drüber zur Entscheidung gebildet, und wie alle die Menschen von Funken und Feuer sprühten, wenn man sie anregte, und wie alle so verschieden und abweichend und doch über gewisse Puncte einig waren, ohne sich je drüber verständigt zu haben: wahrlich, wenn ich so in der Nacht zu Hause kam und nun wußte alle bei mir im Zimmer ums Camin sitzend zu finden (denn um 11 versammelten wir uns gewöhnlich erst) so gab mir das ein sonderbares, glückliches Gefühl: Vorher war ich dann nicht in Gesellschaften wie damals in der tollen season, sondern in den engern, herzlicheren Kreisen meiner Engl. Bekannten, und ein merkwürdiger, interessanter, ehrenvoller Augenblick folgte dem andern: Man merkt zuweilen, daß man etwas Unvergeßliches eben erlebt, und so ein Gefühl durchfährt einen ganz und gar. Mir ging’s oft in den Tagen so, aber nichts mehr davon, sondern nun alles mündlich, so Gott will. Ich war außerdem müde und hatte viel geschrieben in der letzten Zeit, und wenn nicht alle mein Notenpapier so gründlich bei den Grenzen durchsucht würde, so hätte ich schwerlich so ausführlich geschrieben, denn im Allgemeinen fehlt mir zum Schreiben jetzt alle Geduld. Jetzt nur noch, daß ich morgen aus Lille noch ein Paar Worte zu diesem Briefe hinzuzusetzen, und ihn Euch dann zu schicken denke. Vielleicht ist es der letzte. – Goldschmidt, der so freundlich war mich bis Dover zu begleiten, und den ich also erst heut früh verlassen haben, grüßt Euch alle sehr. Er war oft mit in unsern Abendgesellschaften, und da wir ihm zuweilen ein bischen zusetzten, so war er sehr angenehm und besser, als ich ihn je sonst gesehn habe. Es ist ein großer Fond von Tüchtigkeit und Gutmüthigkeit in ihm, und ich bin sehr gern mit ihm zusammen. O was will ich Euch nicht alles erzählen! Wie werde ich mit einem Mund durchkommen? Es wird schon gehen sagt Red. à propos Red., dem ist viel Ehre widerfahren. Aber alles mündlich hoff ich. Brüssel 1 Dec. Hier ist nun Brüssel, und mir ist so wohl, daß ich den Brief morgen wieder mitnehme, und ihn nun von Cöln aus zu schicken hoffe, denn dahin will ich morgen mit der Schnellpost. Und so ist denn dieser Brief der letzte für diesmal, so Gott will. Maastricht 2 Dec. Hier in der bequemsten Stube, beim warmen Ofen, mit den ersten Deutsch sprechenden Leuten, genug leeres Notenpapier vor mir, nach glücklicher Reise, bey schönem Mondschein, der Hoffnung morgen nach Cöln, und übermorgen auf Berlin los zu fahren, hier mach ich den Epilog zu diesem Schreiben. Es geht glaub ich heut Nacht eine Post hier durch, die soll es mitnehmen. Ich folge auf dem Fuße so Gott will, und so mit lebt wohl, und seid froh und glücklich wenn ich Euch wiedersehe. In fünf Tagen so Gott will!! F. MB
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1829-11-29" xml:id="date_645e8fc0-13f4-4af7-ba29-3999ab759dd9">29. November</date>, <date cert="high" when="1829-12-01" xml:id="date_cb9cbc7c-4c33-459a-a9e7-a4142e5eca00">1.</date> und <date cert="high" when="1829-12-02" xml:id="date_d3c6fe74-e0a9-4421-acfb-e4200841f329">2. 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Aber nun ist es Vergangenheit. Und ich eile auf Euch zu, und nehme diesen Brief sogar selbst mit bis Lille, vielleicht gar bis Brüssel, wenn mir weiterhin die Reise so gut bekommt, wie bis jetzt. Eben bin ich nämlich hier angekommen nach 3stündiger glücklicher Fahrt, bleibe hier bis Abend, und fahre dann mit der diligence nach Lille. Lange habe ich Euch nicht geschrieben, aber es war auch nicht möglich, die letzten Tage in London waren so gedrängt voll, die Eile so groß, vieles so wichtig, daß mir Ruhe, Sammlung und Geduld fehlten Euch Alles zu beschreiben, statt Neues zu erleben und zu beschließen. 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Bekannten, und ein merkwürdiger, interessanter, ehrenvoller Augenblick folgte dem andern: Man merkt zuweilen, daß man etwas Unvergeßliches eben erlebt, und so ein Gefühl durchfährt einen ganz und gar. Mir ging’s oft in den T[agen] so, aber nichts mehr davon, sondern nun alles mündlich, so Gott will. Ich war au[ßerdem müde und ha]tte viel geschrieben in der letzten Zeit, und wenn nicht alle mein Notenpap[ier so gründlich bei den Grenz]en durchsucht würde, so hätte ich schwerlich so ausführlich geschrieben, denn im Allgemeinen fehlt mir zum Schreiben jetzt alle Geduld. Jetzt nur noch, daß ich morgen aus Lille noch ein Paar Worte zu diesem Briefe hinzuzusetzen, und ihn Euch dann zu schicken denke. 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