fmb-1829-09-25-01
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London, 25. September 1829
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse. – Mehrfache Textverluste durch Siegelabriss.
Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Klingemann
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Dies ist denn also der letzte Brief von mir, der vor der Hochzeit nach Euch gelangt, und
Freilich habe ich das nun gelernt, wie man doch auch aufs kleinste Vorhaben mit Scheu hinsehen, und sich über das kleinste Gelingen schon freuen müsse, denn auch dazu gehört ein Zusammentreffen des Glücks; aus Llangollen schrieb ichs Euch, wie mir die beiden ersten Tage ohne Klingem. zwei freudige geworden sind, Tage vor denen ich mich seit dem Anfang der Reise fürchtete; Menschen, Gegenden, Stunden auf die ich mich lange gefreut hatte, auf welche alles gut und günstig vorbereitet war, denen nichts fehlte, was sich berechnen ließ, gingen kalt, ungenossen, oft unangenehm vorüber; die kleinsten Freuden schlugen fehl aus Zufällen, große gelangen aus demselben Grunde, und alles, alles kam anders als ich es erwartet, gewünscht, gefürchtet hatte; so ist mir es gegangen, und wird auch so bleiben. Aber statt daß mich das furchtsam oder ängstlich machen sollte, macht es mich recht muthig und wohl; und weit entfernt deswegen nun an die kleinen Vorausbestimmungen mit Besorgniß zu denken, gehe ich vielmehr an große mit Zuversicht. Und somit auf Wiedersehen im Winter.
Viel und Besseres hätte ich wohl schreiben sollen, aber es geht eben nicht; sagt was Ihr wollt, der Körper hängt gar zu eng mit dem Geiste zusammen; ich sahs neulich zu meinem rechten Ärger, als sie mich zur Ader ließen, und mir alle freyen frischen Gedanken, die ich vorher gehabt, mit dem Blut in die Tasse tropften, und ich matt und langgeweilt wurde. Klingem.s Epigramm beweist auch, wie sie mir das Bischen Poesie wegcapern, und der Brief hier zeigts auch; ich wette, in jeder Phrase steht, daß ich das Bein nicht krümmen darf. Bin ich aber nur erst wieder wohl, dann will ich wegfliegen von hier, denn nun hab ich genug vom Rauchnest, und will mich wieder auf den Weg machen, und will nach Süden, und will dann nach Westen; wie es zu Hause am Mittagtische aussieht kann ich mir gar nicht mehr recht denken, ebenso am Sonntag Abend, und unter allen den lieben Gesichtern. Nun die Tage werden ja schon kalt und kurz; die Kohlen stehn wieder auf der Wochenrechnung, wie als ich herkam, alles spricht schon von der nächsten saison, und die ist im Frühling, was sonst nach Vierteljahren, wird jetzt nach Wochen, bald nach Tagen gerechnet; bald bin ich wieder frey; bald sehn wir uns. – Verarge mir doch keiner, daß ich jetzt etwas sentimental bin; wenn man so in der Mitte von lauter verfehlten Plänen sitzt, wie ich, so hat man ein Recht dazu.
Einen reichen Wunsch hatte ich mir im Orgelstück ausgedacht; den kann ich nun erst geben bei meiner Ankunft. Ebenso das
Schönsten Gruß zuvor ans ganze Haus! Dahin mußte es kommen, daß Sie Alle anfangen werden die Doppelbriefe zu verwünschen, die immer nur darauf ausgehen zu beweisen, daß Sie einen süßen Hochzeitsgast weniger haben werden, daß der noch immer in der großen Stadt ständig und Galopptanzend einhergeht oder springt. Die armen Doppelbriefe können aber nichts dafür – das Unheil ist immer geschwinder wie das Heil, und Heilen, darum vergißt mans auch schneller wieder; ist Einer einmal aus einem beweglichen Pflastertreter ein unbeweglicher Pflasterträger geworden, so braucht er seine acht Tage, ehe er wieder aufstehen kann, (wir verbrauchen sie), seine andern 8., ehe er im Zimmer ambulirt, und dann noch 8 letzte, ehe er zum Abreisen flott wird; dabei könnt ich noch ein eigennütziger Verräther werden, wenn ich wollte, und meinen Freund den Dr.
luxuriousdinner pp wobei die dicke Magd, die keinen Unterricht in der Ironie gehabt hat, und nicht versteht, etwas verdutzt frägt: Sir? – Hört sie aber, daß in der Bestellung Mutton Chops mit enthalten sind, so lächelt sie freundlich, denn sie ver[steht] diese rein menschliche Scala leiblichen Wohlseyns, und erkennt darin eine Variation des süßen Themas: Genesun[g.] Ueberhaupt soll mir Keiner die Engländer der untern Klasse schelten, die Wirthsleute im Hause sind bei alle diesem [so] freundlich und hülffertig, daß es einem Plaisir giebt es zu sehen, und auch die meinigen erkundigen sich täglich angelege[ntlich] nach dem Befinden des Freundes.
Das Ganze gründet sich auf eine wahre Geschichte. –
Ich weiß jetzt mehr über die Bestimmung des Menschen, und namentlich wozu ein guter hübscher Mensch wie
Und so ist dies denn der letzte Brief – sage ich mit Felix, und spreche zu ich wenigstens nicht ein; was kann so jungem Volke der warme Ofen anders seyn als ein lustiger Meilenstein, in dem es Paradiesäpfel brät? –
O Himmel warum sind die Zeiten so ruhig und warum mischt sich Hannover so wenig in die Türkische Sache? Abgesehen daß damit so wenig für die Geschichte geschieht, giebts auch gar keine Courierreisen für hiesiges GesandtschaftsPersonal – ein Krieglein, das mich im December mit Depechen nach
London d. 25 Sept. 29. Dies ist denn also der letzte Brief von mir, der vor der Hochzeit nach Euch gelangt, und zum letztenmale rede ich Fräul. Fanny M. B. an, und wohl viel hätte ich zu sagen; aber noch immer will es gar nicht recht gehen. Zwar sitze ich seit gestern alle Tage ein wenig auf, und kann daher besser und kleiner schreiben, aber der Kopf ist mir noch gar so wüst, von dem vielen im Bettliegen, und von der langen Gedankenlosigkeit, und je mehr ich zusammenfassen möchte in diesem Augenblick, desto schneller entschlüpft es mir, und will sich nicht halten lassen. Daß es nun mit mir dasselbe ist, ob ich’s gut sage, oder schlecht sage, oder verschweige, das wißt ihr wohl recht gut; mir aber ists als hätte ich ganz und gar die Zügel verloren, über das, was ich sonst schon zu bemeistern wüßte, und die Gedanken über alles, was sich nun verändern und festsetzen will, die sich mir gleich in Einen verschmolzen hätten, wenn ich angefangen hätte, Euch zu schreiben, die fahren mir nun einzeln, unbestimmt, halb wild umher, und sind nicht zu ordnen. Aber es ist nun so, und wenn man täglich sieht, wie alle Kleinigkeiten, die man sich ausmalte, durch die Wirklichkeit verschoben, vergrößert oder vernichtet werden, so steht man vor einem wirklichen Lebensereigniß mit rechter Ehrfurcht und Demuth und sieht kaum hin. „Mit Ehrfurcht“ damit meine ich aber frisch und fröhlich und mit Vertrauen. Lebt und webt, heirathet Euch und seid glücklich, baut Euch das Leben zu, auf daß ich es schön und wohnlich finde, wenn ich zu Euch komme, (und das geschieht ja nun recht bald) und bleibt Ihr dieselben, dann laßt es draußen rütteln, wie’s mag; übrigens kenne ich Euch beide ja, und somit gut. Ob ich die Schwester dann Fräul. oder Madame anrede, bedeutet wenig. Der Name thut wenig. Freilich habe ich das nun gelernt, wie man doch auch aufs kleinste Vorhaben mit Scheu hinsehen, und sich über das kleinste Gelingen schon freuen müsse, denn auch dazu gehört ein Zusammentreffen des Glücks; aus Llangollen schrieb ichs Euch, wie mir die beiden ersten Tage ohne Klingem. zwei freudige geworden sind, Tage vor denen ich mich seit dem Anfang der Reise fürchtete; Menschen, Gegenden, Stunden auf die ich mich lange gefreut hatte, auf welche alles gut und günstig vorbereitet war, denen nichts fehlte, was sich berechnen ließ, gingen kalt, ungenossen, oft unangenehm vorüber; die kleinsten Freuden schlugen fehl aus Zufällen, große gelangen aus demselben Grunde, und alles, alles kam anders als ich es erwartet, gewünscht, gefürchtet hatte; so ist mir es gegangen, und wird auch so bleiben. Aber statt daß mich das furchtsam oder ängstlich machen sollte, macht es mich recht muthig und wohl; und weit entfernt deswegen nun an die kleinen Vorausbestimmungen mit Besorgniß zu denken, gehe ich vielmehr an große mit Zuversicht. Und somit auf Wiedersehen im Winter. Viel und Besseres hätte ich wohl schreiben sollen, aber es geht eben nicht; sagt was Ihr wollt, der Körper hängt gar zu eng mit dem Geiste zusammen; ich sahs neulich zu meinem rechten Ärger, als sie mich zur Ader ließen, und mir alle freyen frischen Gedanken, die ich vorher gehabt, mit dem Blut in die Tasse tropften, und ich matt und langgeweilt wurde. Klingem. s Epigramm beweist auch, wie sie mir das Bischen Poesie wegcapern, und der Brief hier zeigts auch; ich wette, in jeder Phrase steht, daß ich das Bein nicht krümmen darf. Bin ich aber nur erst wieder wohl, dann will ich wegfliegen von hier, denn nun hab ich genug vom Rauchnest, und will mich wieder auf den Weg machen, und will nach Süden, und will dann nach Westen; wie es zu Hause am Mittagtische aussieht kann ich mir gar nicht mehr recht denken, ebenso am Sonntag Abend, und unter allen den lieben Gesichtern. Nun die Tage werden ja schon kalt und kurz; die Kohlen stehn wieder auf der Wochenrechnung, wie als ich herkam, alles spricht schon von der nächsten saison, und die ist im Frühling, was sonst nach Vierteljahren, wird jetzt nach Wochen, bald nach Tagen gerechnet; bald bin ich wieder frey; bald sehn wir uns. – Verarge mir doch keiner, daß ich jetzt etwas sentimental bin; wenn man so in der Mitte von lauter verfehlten Plänen sitzt, wie ich, so hat man ein Recht dazu. Vaters erster Brief der mir eine Zusammenkunft in Rotterd. versprach, aus der wegen meiner hiesigen Arbeiten nichts wurde; sein zweiter, wo er mich aufforderte, ihn in Amsterd. zu treffen, und weiter mit ihm dann zu reisen, den ich am Tage nach dem Falle auf meinem Bette empfing; zwei Briefe von Hause, die mir seitdem zugekommen, ganz voll von der Erwartung mich mit Vater zu wissen, vielleicht mich zur Hochz. schon in Berlin zu sehen; Fannys Aufträge wegen des Orgelstücks; meine Engl. Geschäftsgesichter um mich herum, mit denen ich mich wohl in Acht nehmen muß, ein Wort von Geschäften zu sprechen, da ich recht eigentlich „ganz dumm geworden bin“ bis herunter auf die abgesagten Einladungen am Spiegel: die bilden so eine recht verfehlte Umgebung. Sey mirs vergönnt um desto fröhlicher in die nächste Zukunft zu schauen, und was der blaue Himmel Freudiges Beglückendes seinen Menschen senden kann, das werde Euch, und schmücke Euch die Zeit, und mache sie Euch unvergeßlich! Einen reichen Wunsch hatte ich mir im Orgelstück ausgedacht; den kann ich nun erst geben bei meiner Ankunft. Ebenso das Quartett, an dem noch einiges zu hobeln und zu glätten ist. Schreibt mir doch umgehend ob ihr nie einen Brief von Klingem. mit einem Lied von seiner Comp. aus g dur „in den Wäldern“ und ob Marx nicht von ihm einen Bericht kurz nach dem Schles. Concert, dasselbe und m. a. betreffend, erhalten habt; ihr thatet ihrer nie Erwähnung, und ich fürchte sie sind verloren. Daß Ihr mein Kloben Lied der Tragöden so perhorrescirt, begreife ich nicht; es scheint mir nun nach länger Bekanntschaft gar nicht übel, und Goldschm. betet es an. Adressirt Alles nach London. Hätte ich Klingem. nicht gehabt, ich glaube ich wäre vor Ärger und Langerweile crepirt. So bin ich drüber weg gekommen, und werde schon wieder frisch werden. Dem danke ich viel. Euer F. Schönsten Gruß zuvor ans ganze Haus! Dahin mußte es kommen, daß Sie Alle anfangen werden die Doppelbriefe zu verwünschen, die immer nur darauf ausgehen zu beweisen, daß Sie einen süßen Hochzeitsgast weniger haben werden, daß der noch immer in der großen Stadt London sitzt, oder liegt, wies fällt, und noch immer nicht wieder selbstständig und Galopptanzend einhergeht oder springt. Die armen Doppelbriefe können aber nichts dafür – das Unheil ist immer geschwinder wie das Heil, und Heilen, darum vergißt mans auch schneller wieder; ist Einer einmal aus einem beweglichen Pflastertreter ein unbeweglicher Pflasterträger geworden, so braucht er seine acht Tage, ehe er wieder aufstehen kann, (wir verbrauchen sie), seine andern 8., ehe er im Zimmer ambulirt, und dann noch 8 letzte, ehe er zum Abreisen flott wird; dabei könnt ich noch ein eigennütziger Verräther werden, wenn ich wollte, und meinen Freund den Dr. Kind bestechen, daß der aus den 14. Tagen drei Wochen machte, in denen ich mir vom scheidenden Genossen noch die schönsten Henkersschmäuse und Kehrause aufspielen ließe, – ich wills aber nicht thun. Vielmehr ists in diesem wunderbaren Lande bequemer zu haben, wo Tische, Stühle und Sophas auf Rollen und Walzen laufen, als wärens fühlende Personen – das Sopha wird ans Bett gerollt, das Kind steigt hinein, Flügel und Sopha werden im Zimmer an einander gerollt, und das Kind spielt, so wollen wirs Morgen halten, und uns drei außerordentliche Stücke vorspielen, die das Kind in Coed Dû ersonnen hat, für andere Kinder, und von denen das eine voll rieselnden und flötenden Humors ist, und sanft wie ein ruhender Hain. Das Befinden nun selbst anbetreffend, so geht die Sache (ich rede wenigstens eben so gewissenhaft und auf Parole, wie Einbrod in Rotterdam vor dem Hr. Stadtrath gethan hat) in bester Ordnung vor sich, die Wunde ist im besten Heilen, und die Müdigkeit und Unlust, die das dumme im Bettliegen hervorgebracht hat, schlagen wir mit dem jetzigen Aufseyn gemach aus dem Felde. Einmal des Tages verfällt er in bittre Ironie gegen das Schicksal, nämlich wenn er sein mäßiges Dinner bestellt, – er giebt seine Aufträge in verhöhnenden Ausdrücken, etwa sprechend: To day I want for my luxurious dinner pp wobei die dicke Magd, die keinen Unterricht in der Ironie gehabt hat, und nicht versteht, etwas verdutzt frägt: Sir? – Hört sie aber, daß in der Bestellung Mutton Chops mit enthalten sind, so lächelt sie freundlich, denn sie versteht diese rein menschliche Scala leiblichen Wohlseyns, und erkennt darin eine Variation des süßen Themas: Genesung. Ueberhaupt soll mir Keiner die Engländer der untern Klasse schelten, die Wirthsleute im Hause sind bei alle diesem so freundlich und hülffertig, daß es einem Plaisir giebt es zu sehen, und auch die meinigen erkundigen sich täglich angelegentlich nach dem Befinden des Freundes. Goldschmidt sitzt uns täglich zu irgend einer Ergötzlichkeit – ich that viel für meinen Kranken und seine Aufheiterung, in dem ich mir heute einen schönen und seltenen Backenbart ausschnitt, und mich so umgekehrt maskirte. Dafür friert mich nun. Die BrautEpigramme sind nun aus; ich projectirte aber eine Sammlung “über ernsthafte Vorfälle des Lebens”, und machte somit folgendes KrankenGedicht: Jalappe. (Sie kennen doch das Gewächs?) Der Kranke blättert im Lieblingsbuch, Und findet die Blume, die blaue, Die sie vor Kurzem am Herzen trug – Er sehnt sich, daß er sie schaue. “Was seuftzt Ihr? – “ frägt der Doctor kalt, – “So sehr bei der Blume, der blauen, Ihr kriegt sie zu schlucken in Pillengestalt, Da hilft sie Euch treflich verdauen. ” Das Ganze gründet sich auf eine wahre Geschichte. – Ich weiß jetzt mehr über die Bestimmung des Menschen, und namentlich wozu ein guter hübscher Mensch wie Einbrod, in der Welt ist (kein Neid spricht aus mir, denn ich gefalle mir selbst unsäglich) wenn derselbe so gescheut ist, grade den rechten Mann und Stadtrath in Rotterdam zu treffen, und ihm die sicherste und beruhigendste Auskunft über unsre Umstände zu geben. Ich dachte daran, daß Sie bewogen werden könnten herüberzukommen, und über und neben der gewaltigen Freude, die das mir selbst gegeben hätte, dachte ich doch mit noch größerem Bedauern an die ReiseMühseligkeit, den kurzen Aufenthalt, und Felixens Schmerz Ihnen nicht selbst Regent Street zeigen und nicht mit Ihnen abreisen zu können. Ich habe es mir fest eingeredet, daß ich Sie doch über kurz oder lang hier sehe – Sie sind wie der Löwe, der Blut gekostet hat. – Und so ist dies denn der letzte Brief – sage ich mit Felix, und spreche zu Fräul. Fanny – der Sie noch inmitten von uns andern jungen Leuten und Springinsfelden begrüßt – o haben Sie himmlischen Sonnenschein außen so wie innen und nichts wie schönen Klang um sich her! – Nebenbei halte der Prediger eine möglichst kurze Rede, und wolle Sie nicht zu unmäßig rühren! – Im Herbst, etwa, am 3. Oct. sollte sich aber klüglicherweise Jedermann verheirathen – das wäre ein tüchtiger Satz, den man aus dem Sommer gleich in den Frühling hineinthäte; wo der Winter als Winter bleibt, seh ich wenigstens nicht ein; was kann so jungem Volke der warme Ofen anders seyn als ein lustiger Meilenstein, in dem es Paradiesäpfel brät? – O Himmel warum sind die Zeiten so ruhig und warum mischt sich Hannover so wenig in die Türkische Sache? Abgesehen daß damit so wenig für die Geschichte geschieht, giebts auch gar keine Courierreisen für hiesiges GesandtschaftsPersonal – ein Krieglein, das mich im December mit Depechen nach Berlin brächte, sollte dafür von mir aus warmer Dankbarkeit in Gold gefaßt und nett beschrieben werden. Felix und ich habens heute Morgen schon mehrfach überlegt, aber wir bringen die politische Verwirrung, aus der diese poetische Ordnung hervorgehen könnte, schwerlich zu Stande, und ich wäre doch insofern so sehr nöthig in Berlin, daß ich mich so überaus göttlich amüsiren würde! Aber es bleibt dabei. Die Sachen geschehen nie wie man sie calculirt, – darum triffts vielleicht einmal. Es schweigt
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Aber es ist nun so, und wenn man täglich sieht, wie alle Kleinigkeiten, die man sich ausmalte, durch die Wirklichkeit verschoben, vergrößert oder vernichtet werden, so steht man vor einem wirklichen Lebensereigniß mit rechter Ehrfurcht und Demuth und sieht kaum hin. „Mit Ehrfurcht“ damit meine ich aber frisch und fröhlich und mit Vertrauen. Lebt und webt, heirathet Euch und seid glücklich, baut Euch das Leben zu, auf daß ich es schön und wohnlich finde, wenn ich zu Euch komme, (und das geschieht ja nun recht bald) und bleibt Ihr dieselben, dann laßt es draußen rütteln, wie’s mag; übrigens kenne ich Euch beide ja, und somit gut. Ob ich die Schwester dann Fräul. oder Madame anrede, bedeutet wenig. Der Name thut wenig.</p> <p>Freilich habe ich das nun gelernt, wie man doch auch aufs kleinste Vorhaben mit Scheu hinsehen, und sich über das kleinste Gelingen schon freuen müsse, denn auch dazu gehört ein Zusammentreffen des Glücks; aus Llangollen schrieb ichs Euch, wie mir die beiden ersten Tage ohne Klingem. zwei freudige geworden sind, Tage vor denen ich mich seit dem Anfang der Reise fürchtete; Menschen, Gegenden, Stunden auf die ich mich lange gefreut hatte, auf welche alles gut und günstig vorbereitet war, denen nichts fehlte, was sich berechnen ließ, gingen kalt, ungenossen, oft unangenehm vorüber; die kleinsten Freuden schlugen fehl aus Zufällen, große gelangen aus demselben Grunde, und alles, alles kam anders als ich es erwartet, gewünscht, gefürchtet hatte; so ist mir es gegangen, und wird auch so bleiben. Aber statt daß mich das furchtsam oder ängstlich machen sollte, macht es mich recht muthig und wohl; und weit entfernt deswegen nun an die kleinen Vorausbestimmungen mit Besorgniß zu denken, gehe ich vielmehr an große mit Zuversicht. Und somit auf Wiedersehen im Winter.</p> <p>Viel und Besseres hätte ich wohl schreiben sollen, aber es geht eben nicht; sagt was Ihr wollt, der Körper hängt gar zu eng mit dem Geiste zusammen; ich sahs neulich zu meinem rechten Ärger, als sie mich zur Ader ließen, und mir alle freyen frischen Gedanken, die ich vorher gehabt, mit dem Blut in die Tasse tropften, und ich matt und langgeweilt wurde. Klingem.s Epigramm beweist auch, wie sie mir das Bischen Poesie wegcapern, und der Brief hier zeigts auch; ich wette, in jeder Phrase steht, daß ich das Bein nicht krümmen darf. Bin ich aber nur erst wieder wohl, dann will ich wegfliegen von hier, denn nun hab ich genug vom Rauchnest, und will mich wieder auf den Weg machen, und will nach Süden, und will dann nach Westen; wie es zu Hause am Mittagtische aussieht kann ich mir gar nicht mehr recht denken, ebenso am Sonntag Abend, und unter allen den lieben Gesichtern. Nun die Tage werden ja schon kalt und kurz; die Kohlen stehn wieder auf der Wochenrechnung, wie als ich herkam, alles spricht schon von der nächsten saison, und die ist im Frühling, was sonst nach Vierteljahren, wird jetzt nach Wochen, bald nach Tagen gerechnet; bald bin ich wieder frey; bald sehn wir uns. – Verarge mir doch keiner, daß ich jetzt etwas sentimental bin; wenn man so in der Mitte von lauter verfehlten Plänen sitzt, wie ich, so hat man ein Recht dazu. <persName xml:id="persName_c6baced4-4df7-42a5-85fe-e2734830f2e4">Vaters<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> erster Brief der mir eine Zusammenkunft in Rotterd. versprach, aus der wegen meiner hiesigen Arbeiten nichts wurde; sein zweiter, wo er mich aufforderte, ihn in Amsterd. zu treffen, und weiter mit ihm dann zu reisen, den ich am Tage nach dem Falle auf meinem Bette empfing; zwei Briefe von Hause, die mir seitdem zugekommen, ganz voll von der Erwartung mich mit <persName xml:id="persName_e5b133d8-e32b-43c1-b47d-c4d3d552c6f3">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> zu wissen, vielleicht mich zur Hochz. schon in <placeName xml:id="placeName_d9cee2a4-02ed-45f7-9582-a8f64bc86715">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zu sehen; Fannys Aufträge wegen des Orgelstücks; meine Engl. Geschäftsgesichter um mich herum, mit denen ich mich wohl in Acht nehmen muß, ein Wort von Geschäften zu sprechen, da ich recht eigentlich „ganz dumm geworden bin“ bis herunter auf die abgesagten Einladungen am Spiegel: die bilden so eine recht verfehlte Umgebung. Sey mirs vergönnt um desto fröhlicher in die nächste Zukunft zu schauen, und was der blaue Himmel Freudiges Beglückendes seinen Menschen senden kann, das werde Euch, und schmücke Euch die Zeit, und mache sie Euch unvergeßlich!</p> <p>Einen reichen Wunsch hatte ich mir im Orgelstück ausgedacht; den kann ich nun erst geben bei meiner Ankunft. Ebenso das <title xml:id="title_936bb61b-b121-4ab3-b889-4411cb9f794b">Quartett<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_bumkneh4-np0j-a5mu-jtow-r6bvsurhjrud"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_works_without_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100394" style="hidden">Quartett Es-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, 1. Juli bis 14. September 1829<idno type="MWV">R 25</idno><idno type="op">12</idno></name></title>, an dem noch einiges zu hobeln und zu glätten ist. Schreibt mir doch umgehend ob ihr nie einen Brief von Klingem. mit einem Lied <title xml:id="title_b4e67b1c-46da-42e6-991b-bc826879c6dc">von seiner Comp. aus g dur „in den Wäldern“<name key="PSN0112434" style="hidden" type="author">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name><name key="CRT0109532" style="hidden" type="Translation missing: en.creations.kinds.Musik / Literatur">Brautlied (»In den Wäldern ist ein Wehen«)</name></title> und ob <persName xml:id="persName_ab8f9699-7d1d-4cdd-964c-a9d309bc855d">Marx<name key="PSN0113108" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</name></persName> nicht von ihm einen Bericht kurz nach dem Schles. Concert, dasselbe und m. a. betreffend, erhalten habt; ihr thatet ihrer nie Erwähnung, und ich fürchte sie sind verloren. Daß Ihr mein Kloben Lied der Tragöden so perhorrescirt, begreife ich nicht; es scheint mir nun nach länger Bekanntschaft gar nicht übel, und <persName xml:id="persName_253f95a3-540a-44e1-bacf-df0c4041ab7f">Goldschm.<name key="PSN0111441" style="hidden">Goldschmidt (Goldsmith), Adolph (Adolf, Adolphus) (1798-1879)</name></persName> betet es an. Adressirt Alles nach <placeName xml:id="placeName_712c1803-6e4f-4d9f-8a48-dbb1478b974a">London<settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName>. Hätte ich Klingem. nicht gehabt, ich glaube ich wäre vor Ärger und Langerweile crepirt. So bin ich drüber weg gekommen, und werde schon wieder frisch werden. <seg type="closer">Dem danke ich viel.</seg> <seg type="signed">Euer F.</seg></p> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_573f455f-4172-4b5b-adf1-f8da118850d0"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_ae187030-bc52-4ac6-85f4-cac5d7229c26">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798–1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_6e77d6bf-3038-4464-a8f4-ce444053cf89">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798–1862)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Schönsten Gruß zuvor ans ganze Haus! Dahin mußte es kommen, daß Sie Alle anfangen werden die Doppelbriefe zu verwünschen, die immer nur darauf ausgehen zu beweisen, daß Sie einen süßen Hochzeitsgast weniger haben werden, daß der noch immer in der großen Stadt <placeName xml:id="placeName_e21bbfdb-360b-4a74-be26-7e26c1787d1a">London<settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> sitzt, oder liegt, wies fällt, und noch immer nicht wieder selbst<hi rend="underline">ständig</hi> und Galopptanzend einhergeht oder springt. Die armen Doppelbriefe können aber nichts dafür – das Unheil ist immer geschwinder wie das Heil, und Heilen, darum vergißt mans auch schneller wieder; ist Einer einmal aus einem beweglichen Pflastertreter ein unbeweglicher Pflasterträger geworden, so braucht er seine acht Tage, ehe er wieder aufstehen kann, (wir verbrauchen sie), seine andern 8., ehe er im Zimmer ambulirt, und dann noch 8 letzte, ehe er zum Abreisen flott wird; dabei könnt ich noch ein eigennütziger Verräther werden, wenn ich wollte, und meinen Freund den D<hi rend="superscript">r</hi>. <persName xml:id="persName_25775729-f271-4839-8d16-752431e68d5f">Kind<name key="PSN0112378" style="hidden">Kind, Carl Maximilian (1801-1831)</name></persName> bestechen, daß der aus den 14. Tagen drei Wochen machte, in denen ich mir vom scheidenden Genossen noch die schönsten Henkersschmäuse und Kehrause aufspielen ließe, – ich wills aber nicht thun. Vielmehr ists in diesem wunderbaren Lande bequemer zu haben, wo Tische, Stühle und Sophas auf Rollen und Walzen laufen, als wärens fühlende Personen – das Sopha wird ans Bett gerollt, das Kind steigt hinein, Flügel und Sopha werden im Zimmer an einander gerollt, und das Kind spielt, so wollen wirs Morgen halten, und uns <title xml:id="title_e8e99dd5-e496-4154-83df-a8b66717ac7d">drei außerordentliche Stücke<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_pgbqtagf-uhow-1qtf-mwgf-rmramu80vcd0"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100620" style="hidden">Trois Fantaisies ou Caprices für Klavier, 1830/1831; enthält MWV U 70, U 71 und U 72<idno type="MWV">SD 4</idno><idno type="op">16</idno></name></title> vorspielen, die das Kind in Coed Dû ersonnen hat, für <persName xml:id="persName_48a2baa0-b360-4031-b21b-4e670a9804cb">andere Kinder<name key="PSN0115269" style="hidden">Taylor, Honora (Nora) (1814-1849)</name><name key="PSN0115267" style="hidden">Taylor, Anne (1806-1877)</name><name key="PSN0115277" style="hidden">Taylor, Susan (Susanne) (1812-1841)</name></persName>, und von denen das eine voll rieselnden und flötenden Humors ist, und sanft wie ein ruhender Hain. Das Befinden nun selbst anbetreffend, so geht die Sache (ich rede wenigstens eben so gewissenhaft und auf Parole, wie <persName xml:id="persName_e3c66e7c-4776-4017-86bd-ece83dbe0806">Einbrod<name key="PSN0110873" style="hidden">Einbrodt (Einbrod), Paul Peter Petrowitsch (Petrovič) (1802-1840)</name></persName> in Rotterdam vor dem Hr. <persName xml:id="persName_664eddae-3e8d-437c-8f6f-4ba620bdde07">Stadtrath<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> gethan hat) in bester Ordnung vor sich, die Wunde ist im besten Heilen, und die Müdigkeit und Unlust, die das dumme im Bettliegen hervorgebracht hat, schlagen wir mit dem jetzigen Aufseyn gemach aus dem Felde. Einmal des Tages verfällt er in bittre Ironie gegen das Schicksal, nämlich wenn er sein mäßiges Dinner bestellt, – er giebt seine Aufträge in verhöhnenden Ausdrücken, etwa sprechend: To day I want for my <hi rend="underline">luxurious</hi> dinner pp wobei die dicke Magd, die keinen Unterricht in der Ironie gehabt hat, und nicht versteht, etwas verdutzt frägt: Sir? – Hört sie aber, daß in der Bestellung Mutton Chops mit enthalten sind, so lächelt sie freundlich, denn sie ver[steht] diese rein menschliche Scala leiblichen Wohlseyns, und erkennt darin eine Variation des süßen Themas: Genesun[g.] Ueberhaupt soll mir Keiner die Engländer der untern Klasse schelten, die Wirthsleute im Hause sind bei alle diesem [so] freundlich und hülffertig, daß es einem Plaisir giebt es zu sehen, und auch die meinigen erkundigen sich täglich angelege[ntlich] nach dem Befinden des Freundes. <persName xml:id="persName_f3e85e17-c8fe-4a95-86d7-039a014eebc3">Goldschmidt<name key="PSN0111441" style="hidden">Goldschmidt (Goldsmith), Adolph (Adolf, Adolphus) (1798-1879)</name></persName> sitzt uns täglich zu irgend einer Ergötzlichkeit – ich that viel für meinen Kranken und seine Aufheiterung, in dem ich mir heute einen schönen und seltenen Backenbart ausschnitt, und mich so umgekehrt maskirte. Dafür friert mich nun. Die <title xml:id="title_33d91d17-9c88-4695-a8db-1524a0b3e96a">BrautEpigramme<name key="PSN0112434" style="hidden" type="author">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798–1862)</name><name key="CRT0112210" style="hidden" type="literature">Braut-Epigramme für Fanny Mendelssohn Bartholdy</name></title> sind nun aus; ich projectirte aber eine Sammlung “über ernsthafte Vorfälle des Lebens”, und machte somit folgendes KrankenGedicht:</p> <p> </p> <lg rend="left" type="verse" xml:id="lg_f69a949d-a2b3-473b-b4b5-71b0f279d3a8"> <l>Jalappe. (Sie kennen doch das Gewächs?)</l> <l> </l> <l>Der Kranke blättert im Lieblingsbuch,</l> <l>Und findet die Blume, die blaue,</l> <l>Die sie vor Kurzem am Herzen trug –</l> <l>Er sehnt sich, daß er sie schaue.</l> <l> </l> <l>“Was seuftzt Ihr? – “ frägt der Doctor kalt, – </l> <l>“So sehr bei der Blume, der blauen,</l> <l>Ihr kriegt sie zu schlucken in Pillengestalt,</l> <l>Da hilft sie Euch treflich verdauen.”</l> </lg> <p> </p> <p style="paragraph_without_indent">Das Ganze gründet sich auf eine wahre Geschichte. –</p> <p>Ich weiß jetzt mehr über die Bestimmung des Menschen, und namentlich wozu ein guter hübscher Mensch wie <persName xml:id="persName_12e3a776-3c26-42b6-a9b0-fa81bec95cce">Einbrod<name key="PSN0110873" style="hidden">Einbrodt (Einbrod), Paul Peter Petrowitsch (Petrovič) (1802-1840)</name></persName>, in der Welt ist (kein Neid spricht aus mir, denn ich gefalle mir selbst unsäglich) wenn derselbe so gescheut ist, grade den rechten Mann und <persName xml:id="persName_6e9c56d6-e164-449a-9730-5b12392a5c9d">Stadtrath<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> in Rotterdam zu treffen, und ihm die sicherste und beruhigendste Auskunft über unsre Umstände zu geben. Ich dachte daran, daß Sie bewogen werden könnten herüberzukommen, und über und neben der gewaltigen Freude, die das mir selbst gegeben hätte, dachte ich doch mit noch größerem Bedauern an die ReiseMühseligkeit, den kurzen Aufenthalt, und Felixens Schmerz Ihnen nicht selbst Regent Street zeigen und nicht mit Ihnen abreisen zu können. Ich habe es mir fest eingeredet, daß ich Sie doch über kurz oder lang hier sehe – Sie sind wie der Löwe, der Blut gekostet hat. –</p> <p>Und so ist dies denn der letzte Brief – sage ich mit Felix, und spreche zu <persName xml:id="persName_c538136d-e3b4-4b3c-9be0-8feb960935fc">Fräul. Fanny<name key="PSN0117585" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> – der Sie noch inmitten von uns andern jungen Leuten und Springinsfelden begrüßt – o haben Sie himmlischen Sonnenschein außen so wie innen und nichts wie schönen Klang um sich her! – Nebenbei halte der Prediger eine möglichst kurze Rede, und wolle Sie nicht zu unmäßig rühren! – Im Herbst, etwa, am 3. Oct. sollte sich aber klüglicherweise Jedermann verheirathen – das wäre ein tüchtiger Satz, den man aus dem Sommer gleich in den Frühling hineinthäte; wo der Winter als Winter bleibt, seh <hi rend="underline">ich</hi> wenigstens nicht ein; was kann so jungem Volke der warme Ofen anders seyn als ein lustiger Meilenstein, in dem es Paradiesäpfel brät? – </p> <p>O Himmel warum sind die Zeiten so ruhig und warum mischt sich Hannover so wenig in die Türkische Sache? Abgesehen daß damit so wenig für die Geschichte geschieht, giebts auch gar keine Courierreisen für hiesiges GesandtschaftsPersonal – ein Krieglein, das mich im December mit Depechen nach <placeName xml:id="placeName_20c75b68-a036-498b-9fc5-3638fbb915d1">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> brächte, sollte dafür von mir aus warmer Dankbarkeit in Gold gefaßt und nett beschrieben werden. Felix und ich habens heute Morgen schon mehrfach überlegt, aber wir bringen die politische Verwirrung, aus der diese poetische Ordnung hervorgehen könnte, schwerlich zu Stande, und ich wäre doch insofern so sehr nöthig in <placeName xml:id="placeName_240bc355-79e0-4bf9-b420-f642d0f0bdf1">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, daß ich mich so überaus göttlich amüsiren würde! Aber es bleibt dabei. Die Sachen geschehen nie wie man sie calculirt, – darum triffts vielleicht einmal. <seg type="closer" xml:id="seg_da692a1b-db19-4874-9077-f1e85cbd5b78">Es schweigt</seg></p></div></body></text></TEI>