fmb-1829-08-19-01
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Glasgow, 13. und 14. August, und Liverpool, 19. August 1829
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse. – Mehrfache Textverluste durch Siegelabriss.
Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Klingemann
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
einer Öffnung bestehen, die Menschen, Vieh und Rauch zugleich einläßt; in denen ihr auf alle Fragen ein dürres Nein hört, in denen dunstiger Brantwein das einzig bekannte Getränk ist, ohne Kirche, ohne Straße, ohne Gärten, die Stuben pechfinster am hellen Tag, Kinder und Hühner auf einem Strohlager, viele Hütten ohne Dach, viele noch unfertig daliegend mit zerbröckelten Mauern, viele Brandstellen; und diese Wohnplätze sind nur sparsam einzeln zerstreut über das Land; sehr lange ehe ihr ankommt, hört ihr von solchem Ort sprechen, der Rest ist Haide mit rothem oder braunen Kraut, abgestorbenen Fichtenästen und weißen Steinen dazwischen, oder schwarzer Moor, in denen sie Trappen schießen. Dann findet Ihr auch wohl schöne Parks, aber unbesucht, breite Seeen, aber unbeschifft; die Landstraßen verödet, und nun über alles das der Glanz der reichen Sonne gebreitet, die die Haide tausendfarbig verändert, und alles so göttlich bunt und warm beleuchtet, und die Wolkenschatten, die sich hin und her jagen. S’ ist kein Wunder, wenn die Hochlande melancholisch genannt sind. Gehn aber zwei Gesellen so lustig durch, lachen, wo’s nur Gelegenheit gibt, dichten und zeichnen zusammen, schnauzen einander und die Welt an, wenn sie eben verdrießlich sind, oder nichts zu essen gefunden haben, vertilgen aber alles Eßbare und schlafen 12 Stunden: so sind das eben wir, und vergessen es im Leben nicht. Schön war es, und ich wundre mich nicht, wenn mir das Beste erst später einfällt: denn der Gegensatz von der warmen lebenschaffenden Natur mit ihrer Sonne, und ihren Farben, die überall sich gleich bleibt, zur todten Leerheit, Einöde und den verwilderten oder dummen Menschen ist gar zu schlagend, um sich gleich aussprechen zu lassen. – Daher kommt auch diese ganze Seite, die sehr poetisch ist und gar nichts taugt, aber mündlich mach ich’s besser. Eben jetzt bekam ich den Brief vom 5ten, mit mich an! Ich treibe mich den ganzen Tag herum, reise hin und her, fahre 30 Meilen vor dem Frühstück (so heute!) und 40 nach dem Abendbrot (so morgen!) und alle 8 Tage habt ihr einen langen Bericht, wenn nicht beträchtliche Kopfschmerzen es mir unmöglich machen, (wie das vorigemal) und dann sage ich meinen Grund, bin aber doch nur einer! Und ihr seid zwei, und fahrt nicht, lauft nicht, beseht nicht, schreibt aber auch nicht; bei Gott ich schneide Euch über den Clyde, durch England, über den Canal, mit dem Hamburger Dampfboot, über die Preußische Steppe ein sehr grimmiges Gesicht; das Vorigemal schriebt ihr melancholisch, hattet Euch gezankt, was weiß ich? und diesmal schreibt Ihr gar nicht, ausgenommen 3 Zeilen, antwortet nicht eine Zeile auf den langen Edinburger Brief (was heut über 8 Tage kommt, beweis’t nichts) sagt nichts über ten–5ten September wieder in London. Da giebt es noch mancherley zu bereden, anzuordnen und auszugleichen, doch denke ich in der Mitte des Sept. in den Niederlanden zu sein, wo ich mich an
wenigstensein lustiges, heitres schnelles dabey sein. Will er aber warten, bis ich zur Ruhe gekommen bin und alles hübsch ausstatten kann, was bald geschehen muß, so glaube ich, thut er klüger und mir einen Gefallen, denn ich denke nicht daß die Herausgabe eilt; also bitte ich Euch, ihm diese Alternative zu stellen, und ihm zu sagen, er thäte mir einen Gefallen wenn er wartete. – Die
Unrechtwäre, wenn ich d.
Heute schlage ich nach und bin zurück – mein Gegenüber hat nicht allein die Seite, sondern au[ch] das Hochland so gründlich beschrieben, daß ich mich schäme anzufangen, und höchstens ein Stück OatCake hierher nageln mögte, als schlagendes Actenstück und niederschlagendes Wahrzeichen. Unvergeßliches Land! Das Gedächtniß der Nase ist bekannt, und so gut wie Walter Aurikelngeruch nicht vergessen konnte, wird der Hochlandsgeruch in uns fortwohnen – eine gewisse räuchrige Atmosphäre, die jeder Bergschotte um sich hat. Ich schloß unterweges einmal die Augen, und meldete darauf, 5. Hochländer seyen vorübergegangen: meine Nase hatts gesehen. Die Häuserzahl dort ist gleichfalls danach bequem zu bestimmen. Im übrigen ist das Land aber gar so übel nicht, wie es gewisse Leute aus großen Residenzen machen wollen, – es hat sich fast ausschließlich aufs Bergfach gelegt, und leistet doch darin Einiges. – Abends wenn es dunkel wird und der Sturm sich aufmacht, findet man doch ein Wirthshaus mit Betten, und einen Raum den man nicht grade mit den Viehtreibern zu theilen braucht, sondern höchstens mit schießenden John Bulls – läuft auch mal ein Huhn durch die Stube, schreit auch mal unter uns ein Schwein, so beweißt das doch, daß man am nächsten Morgen ein frisches Ey und etwas Ham zum Frühstück haben wird, – stößt der Karren auf dem man ächzt, auch etwas mörderlich, so ist das doch nur desto mehr Aufmunterung zum Fußwandern, – findet sich auch gerade kein industriöser Kerl der die Sachen trägt, wenn man gern zu Fuß gehen will, so ist das nur ein freundlicher Wink, daß man sichs bequem machen möge und fahren, – hat man einmal nichts weiter als frischen Honig und schöne fette Sahne, so bedeutet das den partriarchalischen Urzustand, den wir Neueren immer im Munde haben, – machen die Leute etwas ungeschickte Anstalten zu Mehrerem, mit versetztem Wein und übersetzten Rechnungen, so ist das doch ein erfreulicher Ansatz zur Cultur, sowie überhaupt die einzelnen Wirthshäuser, die auf den Karten als Städte aufgeführt sind, wohl nichts weiter vorstellen, als eben Samenkörner zu jenen, hie und da in die weite breite MoorErde gesteckt, die schon einmal auflaufen werden. Was! Der Wirthsmann in Tarbet hat schon ein zweites Haus gebaut, und doch schliefen wir zu alleroberst unter dem Dache und der finstre Ben Lomond kuckte herein nebst einem neugierigen MondsViertel! Man widerspricht sich, und klagt über Einsamkeit, und eben in Tarbet springt Mr.
ich nun unter vielen andern pikanten Dingen noch das herausheben kann, wie wir heute an Bord eines Amerikanischen Schiffes waren, von New York, das Napoleon heißt, und auf dem sich, außer allem erdenklichen sonstigen MahagonyComfort, auch ein Piano von Broadwood [be]fand, zum Trost für lange SeeAugenblicke, und wie er, im Hafen von Liverpool, unsern, des Atlantischen, sich [hi]nsetzte und mir aus dem ersten Satz
Glasgow 13 Aug. Hier ist denn das Ende unserer Hochlandsreise und der letzte Doppelbrief. Wir waren froh zusammen, haben munter gelebt, und sind so vergnügt durch die Gegend gewandert, als ob der Sturm und Regen von dem alle Zeitungen berichten (und vielleicht endlich auch die Berliner) gar nicht da wäre. Er war aber da, Wetter hatten wir, daß die Bäume und die Felsen krachten. Noch vorgestern auf dem Loch Lomond saßen wir in der tiefen Dämmrung auf einem kleinen Ruderboot, wollten übers Wasser kreuzen, weil ein Lichtchen blinkte, das uns einlud, da stieß der Wind aus der Bergecke sehr rauh und heftig, das Ding fing an so arg zu schwanken, daß ich meinen Mantel zusammennahm um mich zum Schwimmen fertig zu machen, daß alle unsere Sachen durch einander fielen, und Klingem. mich ängstlich anfuhr: Rühr Dich, rühr Dich. Doch kamen wir glücklich durch, wie wir denn überhaupt Treffer haben, mußten mit einem fluchenden jungen Engländer, der halb Jäger, halb Bauer, halb gentleman und ganz unausstehlich war, so wie mit 3 anderen gleichen Kalibers in einem Zimmer wohnen, und in einem andern Hause unterm Dach schlafen, so daß wir von Wohn- zu Schlaf-stube mit Regenschirm, Mantel und Mütze gingen. Das Elend, die unwohnliche, ungastliche Einsamkeit des Landes zu beschreiben reicht aber Zeit und Raum nicht zu; wir wanderten 10 Tage ohne einem einzigen Reisenden zu begegnen; was auf der Carte als Städte oder doch Dörfer angegeben, sind einzelne Ställe neben einander, in denen Thür, Fenster und Schornstein aus einer Öffnung bestehen, die Menschen, Vieh und Rauch zugleich einläßt; in denen ihr auf alle Fragen ein dürres Nein hört, in denen dunstiger Brantwein das einzig bekannte Getränk ist, ohne Kirche, ohne Straße, ohne Gärten, die Stuben pechfinster am hellen Tag, Kinder und Hühner auf einem Strohlager, viele Hütten ohne Dach, viele noch unfertig daliegend mit zerbröckelten Mauern, viele Brandstellen; und diese Wohnplätze sind nur sparsam einzeln zerstreut über das Land; sehr lange ehe ihr ankommt, hört ihr von solchem Ort sprechen, der Rest ist Haide mit rothem oder braunen Kraut, abgestorbenen Fichtenästen und weißen Steinen dazwischen, oder schwarzer Moor, in denen sie Trappen schießen. Dann findet Ihr auch wohl schöne Parks, aber unbesucht, breite Seeen, aber unbeschifft; die Landstraßen verödet, und nun über alles das der Glanz der reichen Sonne gebreitet, die die Haide tausendfarbig verändert, und alles so göttlich bunt und warm beleuchtet, und die Wolkenschatten, die sich hin und her jagen. S’ ist kein Wunder, wenn die Hochlande melancholisch genannt sind. Gehn aber zwei Gesellen so lustig durch, lachen, wo’s nur Gelegenheit gibt, dichten und zeichnen zusammen, schnauzen einander und die Welt an, wenn sie eben verdrießlich sind, oder nichts zu essen gefunden haben, vertilgen aber alles Eßbare und schlafen 12 Stunden: so sind das eben wir, und vergessen es im Leben nicht. Schön war es, und ich wundre mich nicht, wenn mir das Beste erst später einfällt: denn der Gegensatz von der warmen lebenschaffenden Natur mit ihrer Sonne, und ihren Farben, die überall sich gleich bleibt, zur todten Leerheit, Einöde und den verwilderten oder dummen Menschen ist gar zu schlagend, um sich gleich aussprechen zu lassen. – Daher kommt auch diese ganze Seite, die sehr poetisch ist und gar nichts taugt, aber mündlich mach ich’s besser. Eben jetzt bekam ich den Brief vom 5ten, mit Mühlenf. s Ankunftsbericht, und mache die Geren herunter. Geren! mit Euch ist wenig! Was ist das! Ihr seid faul! Seht mich an! Ich treibe mich den ganzen Tag herum, reise hin und her, fahre 30 Meilen vor dem Frühstück (so heute!) und 40 nach dem Abendbrot (so morgen!) und alle 8 Tage habt ihr einen langen Bericht, wenn nicht beträchtliche Kopfschmerzen es mir unmöglich machen, (wie das vorigemal) und dann sage ich meinen Grund, bin aber doch nur einer! Und ihr seid zwei, und fahrt nicht, lauft nicht, beseht nicht, schreibt aber auch nicht; bei Gott ich schneide Euch über den Clyde, durch England, über den Canal, mit dem Hamburger Dampfboot, über die Preußische Steppe ein sehr grimmiges Gesicht; das Vorigemal schriebt ihr melancholisch, hattet Euch gezankt, was weiß ich? und diesmal schreibt Ihr gar nicht, ausgenommen 3 Zeilen, antwortet nicht eine Zeile auf den langen Edinburger Brief (was heut über 8 Tage kommt, beweis’t nichts) sagt nichts über Mühlenf., den ihr hättet mit schreiben lassen sollen am großen Bogen, und entschuldigt Euch mit kurzer Zeit. Lauft einmal nüchtern durch Glasgows Gassen, springt von dem stagedeck herunter, nachdem Euer Kutscher aus Eil einen Knaben mit einem Korb Eier überfahren hat, buchstabirt dem Postmann Euren Namen sechsmal vor, da er ihn geschrieben nicht lesen kann, und findet dann anderthalb Seiten kaum vollgeschrieben. Vater schreibt mehr und hat doch weniger Zeit, Mutter auch. Geren! Ihr riskirt, daß ich Euch nächsten Posttag im Stich lasse, wenn daß nur nicht mich bestrafte, statt zu rächen. Und das Versprochne durch Oppenheim kriege ich auch nicht. Und Zank und Streit ist auch unter Euch! Na! Ordnung. – Geschäftsbrief. Meine Reiseroute ist zwar noch nicht ganz bestimmt, Ort und Wetter haben vielen Einfluß, indeß sind folgendes die Hauptzüge: Morgen, Sonntag früh fahren wir nach Carlisle, wo wir morgen Abend schlafen; Montag und Dinstag bleiben wir in den Cumberland lakes, um es da noch zu probiren, weil der Sturm in den Hochlanden hier gar zu grob wird, Mittwoch fahren wir nach Liverpool und trennen uns Abends, dann geh ich nach Dublin und der Umgegend, komme Montag nach N. Wales, wo ich in der Nähe von Holywell auf Taylors Landgut ein Paar Tage verlebe, und mordialisch feines Englisch zu sprechen suche, und bin so Ende der nächstfolgenden Woche und dieses Monats, oder den 2ten–5ten September wieder in London. Da giebt es noch mancherley zu bereden, anzuordnen und auszugleichen, doch denke ich in der Mitte des Sept. in den Niederlanden zu sein, wo ich mich an Rubens erquicken will. Auch kann ich entweder da oder vorher in Lond. manchen Einfall zur Reife bringen, und vielleicht viel componiren, das Lied für die Tragöden schickt Klingem. von Lond. aus mit der Post an Alb. Heydem., dem der Dichter das Porto ersetzen mag, dem der Verleger die Auslage ersetzen mag, dem das Publikum etc. – Es taugt wenig, aber solche Worte! Sie haben sie zart gemeint, ich habe sie ungeschlacht grob componirt, das ist der einzige Witz dabey; Kling. hat stark geholfen. Was Schles. betrifft, so soll er weiter gar nicht wüthen, denn ich will ihm mein Wort gern halten, obwohl ich’s schwer kann; fragt ihn, ob ihm daran Gelegen ist, die Lieder grade jetzt herauszugeben, und in diesem Falle muß ich die Idee von 2 Liederkränzen, für Jüngling und Mädchen, aufgeben, und sechs bunte einzelne Stücke ihm geben, die ich Fanny bitte ohne mich weiter zu befragen, aus meinen oder ihren Sachen zu wählen ganz nach Gutdünken, nur muß die Begleitung ganz leicht, und wenigstens ein lustiges, heitres schnelles dabey sein. Will er aber warten, bis ich zur Ruhe gekommen bin und alles hübsch ausstatten kann, was bald geschehen muß, so glaube ich, thut er klüger und mir einen Gefallen, denn ich denke nicht daß die Herausgabe eilt; also bitte ich Euch, ihm diese Alternative zu stellen, und ihm zu sagen, er thäte mir einen Gefallen wenn er wartete. – Die Milder betreffend, habe ich die komische Arie, die ich für sie angefangen, oft in London vorgenommen, auch wieder jetzt auf der Reise, und vergeblich aufs Weiterkommen gedacht; ich habe mich im Gegentheil überzeugt, daß es Unrecht wäre, wenn ich d. Stück fertig machte; sie hatte sich damals in ihrem Ärger einen Text voll Anzüglichkeiten und Ausfälle auf Spontini dichten lassen, und da ich ihr nicht gern etwas abschlagen wollte, weil ich ihr für die viele Freude, die sie mir oft verschafft hat, wirklich dankbar bin, so hatte ich mich ohne weitres Überlegen an die Composition gemacht, die ich auch so im ersten Feuer gewiß vollendet haben würde; nun da ich kühl geworden bin über dies Stück, seh ich wie es erstlich nichts taugt, und wie unrecht es zweitens, sowohl für die Milder, als für mich sein würde, wenn sie diese Arie öffentl. singen wollte, wie es ihre Absicht war; auch fehlt mir gänzlich die Lust, irgend etwas Satirisches auf Spontini zu componiren, wozu mich damals das Unrecht und die Intriguen, die er offenbar gg. die Milder beging, antrieben. Endlich kann ich mir keine komische Arie für d. Mild. ausdenken, sie ist gar zu ernsthaft dazu. Doch hab’ ich eine kirchliche mit „Sordinengeigen“ schon halb im Kopf, und schicke sie baldigst als Entschädigung. Zum Geschäftsbrief gehört ferner, daß ich der Herz Empfehl. schreiben nicht abgeben konnte, weil die MacKenzie nicht in Edinbrg war. Fragt doch Mühlenf. oder Rosen, wann und wo sie die Niederlande passiren und meldet mirs. Dankt der Milder für die Belohn. und ihr Bild mehr als ich’s so hier von Engl. aus kann; was ich für sie geschrieben habe, das that ich wahrhaftig nur, um ihr meine Achtung und Dankbarkeit für alles Schöne was ich so oft von ihr gehört habe zu beweisen; ist sie so freundlich mich dafür noch belohnen zu wollen, so dankt ihr, wie gesagt besser als ich hier; ihr habt das Wort, ich nur die Feder, ’s ist ein entsetzl. Unterschied. – Grüßt einmal meine liebste Tante Meyer recht herzlich, ebenso T. Jette, Saalings, besonders Heyse, dem ich immer noch nicht geschrieben (ich will es bei nächster Muße gerne ausführlich thun) ferner die Jägerstraße auf beiden Seiten, ferner Gans, Schubring, .. . (füllt den leeren Raum noch aus) Felix Mendelssohn Bartholdy 19 Aug. Dann fliegt man weg von Glasgow oben auf der Mail, 10 Meilen die Stunde, durch Wiesen und Schornsteine, die beide dampfen, dann geht man in die Cumberl. Seeen nach Keswick, Kendal, den niedlichsten Städten und Dörfern, das ganze Land ist wie eine Wohnstube, Felswände, aber wohl tapeziert mit Büschen, Moos und Tannen, die Bäume sorgfältig in Epheu gewickelt, keine Mauern oder Zäune nur hohe Hecken und diese bis auf die flachen Berggipfel hinauf, von allen Seiten fliegen Wagen mit Reisenden über den Weg, Korn steht in Garben aufgepflanzt, und Abhänge, Hügel, Schluchten alles mit dem warmen dicken Grün bedeckt, drauf gleich wieder die dunkelblaue Engl. Ferne, manche alte Adelsburg dazwischen – so gings bis Ambleside, da wurde der Himmel wieder finster, Regen und Sturm, wir außen auf der stage durch die Hohlwege, an den Seeen vorbey, bergauf bergab wie toll jagend, so in die Mäntel und Schirme gehüllt, daß wir nur die vorüberfliegenden Gitter, Steinhaufen oder Gräben zählen konnten, dann wieder hinausguckend auf veränderte Berge und Seeen, mit den Regenschirmen an die Häuserdächer zuweilen anstoßend, durch und durch naß in ein schlechtes Wirthshaus mit hohem Kaminfeuer und Engl. Gesprächen von Fußgehen, Steinkohlen, Abendbrot, Wetter und Bonaparte handelnd, dann gestern durch Zufall auf getrennten stageplätzen, sodaß ich Klingem. kaum sprach, denn in 40 Sekunden ist umgespannt, ich auf den Bock neben dem Kutscher, der mich frug ob ich viel die Cour machte und sich manches erzählen ließ, wofür ich die Pferdesprache von ihm lernte, Klingem. neben zwei alten Weibern denen er ein Stück Parapluie abtrat, wieder Fabriken, Wiesen, Parks, Landstädte, hier ein Canal, da eine Eisenbahn, dahinter das Meer mit Schiffen, sechs volle Kutschen mit aufgethürmten Menschen nach einander, Abends dicker Nebel, die stages rasen wenns dunkel wird, durch den Nebel am Horizont weit und breit Laternen zerstreut, Windmühlenflügel, Fabrikenrauch von allen Seiten, einzelne Herren zu Pferde vorübersprengend, das erste stagehorn tutet in b, das zweite in d dur, noch andre aus der Ferne hinterher, und da sind wir nun in Liverpool. – Heut Abend geht Klingem. nach London, ich morgen früh nach Holywell, die Schottische Reise ist vorüber, es geht alles sehr schnell, viel ist mir seit kurzem vorbeygezogen und es steht noch nicht still. Wir gehn nun auseinander und legen schöne Zeit zur Vergangenheit. Das rechte bleibt doch fest stehn und verfliegt nicht. F. Glasgow d 14. Aug. Heute schlage ich nach und bin zurück – mein Gegenüber hat nicht allein die Seite, sondern auch das Hochland so gründlich beschrieben, daß ich mich schäme anzufangen, und höchstens ein Stück OatCake hierher nageln mögte, als schlagendes Actenstück und niederschlagendes Wahrzeichen. Unvergeßliches Land! Das Gedächtniß der Nase ist bekannt, und so gut wie Walter Aurikelngeruch nicht vergessen konnte, wird der Hochlandsgeruch in uns fortwohnen – eine gewisse räuchrige Atmosphäre, die jeder Bergschotte um sich hat. Ich schloß unterweges einmal die Augen, und meldete darauf, 5. Hochländer seyen vorübergegangen: meine Nase hatts gesehen. Die Häuserzahl dort ist gleichfalls danach bequem zu bestimmen. Im übrigen ist das Land aber gar so übel nicht, wie es gewisse Leute aus großen Residenzen machen wollen, – es hat sich fast ausschließlich aufs Bergfach gelegt, und leistet doch darin Einiges. – Abends wenn es dunkel wird und der Sturm sich aufmacht, findet man doch ein Wirthshaus mit Betten, und einen Raum den man nicht grade mit den Viehtreibern zu theilen braucht, sondern höchstens mit schießenden John Bulls – läuft auch mal ein Huhn durch die Stube, schreit auch mal unter uns ein Schwein, so beweißt das doch, daß man am nächsten Morgen ein frisches Ey und etwas Ham zum Frühstück haben wird, – stößt der Karren auf dem man ächzt, auch etwas mörderlich, so ist das doch nur desto mehr Aufmunterung zum Fußwandern, – findet sich auch gerade kein industriöser Kerl der die Sachen trägt, wenn man gern zu Fuß gehen will, so ist das nur ein freundlicher Wink, daß man sichs bequem machen möge und fahren, – hat man einmal nichts weiter als frischen Honig und schöne fette Sahne, so bedeutet das den partriarchalischen Urzustand, den wir Neueren immer im Munde haben, – machen die Leute etwas ungeschickte Anstalten zu Mehrerem, mit versetztem Wein und übersetzten Rechnungen, so ist das doch ein erfreulicher Ansatz zur Cultur, sowie überhaupt die einzelnen Wirthshäuser, die auf den Karten als Städte aufgeführt sind, wohl nichts weiter vorstellen, als eben Samenkörner zu jenen, hie und da in die weite breite MoorErde gesteckt, die schon einmal auflaufen werden. Was! Der Wirthsmann in Tarbet hat schon ein zweites Haus gebaut, und doch schliefen wir zu alleroberst unter dem Dache und der finstre Ben Lomond kuckte herein nebst einem neugierigen MondsViertel! Man widerspricht sich, und klagt über Einsamkeit, und eben in Tarbet springt Mr. Brown, der 1798. in Berlin gewesene, auf uns zu und wir feiern ein Wiedersehen, wenn wir es auch nach 10. Minuten schon bereuen – wir kommen nach Aberfoil, und finden dort einen blühenden Schaafmarkt und viele dazu gehörige Menschen, die wir alle wieder in die Berge wünschen und uns heraus. Und nun kamen wir heraus, denn wir sehnten uns nach der warmen Sonne, die wir seit Tagen nicht gesehen, wir wiegten uns in gutem Fuhrwerk das wir lange nicht gekostet, durch ebene Gegend und muntere Dörfer, in denen wir lange nicht gewesen, die Sonne schien draußen würklich aus blauem Himmel, nur über dem Hochlande lagen noch die Wolken, – je länger und öfter wir aber zurückschauten, desto blauer und duftiger wurden die Berge zu deren Füßen wir gelegen, alle tiefen Farben spielten, und man hätte sehnsüchtig werden und sich nach ihnen zurückwünschen mögen, wenn wir nicht gewußt hätten, daß es drinnen doch grau und kaltmajestätisch hergehe. Zur Sehnsucht gehört, außer dem Setzenden A. und dem Gesetzten B., überhaupt wohl noch ein Drittes. Auf alle Fälle wars aber ein süßes Ade von jenen Höhen die wir verläumden und lieben. Es ist aber sonderbar, wenig Einzelnes ist da herauszuheben, zwei Wasserfälle, drittehalb Berge und ein Halbdutzend Lochs thuns nicht, aber in breiten Massen sprichts seltsam und melankolisch und ist gleich dem Rauchgeruch schwer zu vergessen, könnte sich fast durch Träume ziehen. Da es zu merken, daß Sie uns auf der Karte folgen, so soll flüchtig angedeutet werden, wie wir gleich ein paar netten Adlern – die würklichen werden weggeschossen weil sie den Moorhünern schaden und keine Jagdgerechtigkeit haben – in zwei Kreisen, einem großen und einem kleinen, herumgeflogen sind. Nämlich von Edinburg nach Perth, Dunkeld, Blair Athol, hier wars überall zierlich und voll bebaut, und wir wunderten uns, wo denn die öden Hochlande blieben, dann warfen wir uns herum nach TummelBridge, Aberfeldie, Kenmore, Killin, Tyndrum bis Fort Williams, kreißten überm Moor und zogen über Inverary nach Glasgow –; beschrieben dann den kleinen Kreis über Dumbarton nach Loch Lomond, Tarbet, Loch Katrine, Aberfoil, Callander, Stirling nach Glasgow. Jetzt ziehen wir wieder wie andre Weltkinder in graden Linien, nämlich Zickzack, und wundern uns nicht mehr wo die wilden Hochlande geblieben sind. Carl Klingemann Liverpool d 19. Aug Abends halb zehn. Um 10 Uhr ist das Vergnügen aus, ich setze mich, nachdem sich zwei nachdenkliche Reisegesellen auseinandergesetzt, auf die Mail und fahre nicht fort, wie ich es gewollt, im Briefe, sondern nach London! Darum, hier kurzen warmen Abschied von DoppelCorrespondenzGenossen, und all dem grünen bergigen Durcheinander nach einem Tage wie dem heutigen, im Städtchen Liverpool, fast voller Uncomforts, obgleich wir uns auf Börse und im Hafen, auf neuen Kirchhöfen und in Rathhaussälen haben umhertreiben müssen, und sogar noch, für unser Dinner, zu guter letzt im Dampfboot über die rauhe regnerische Mersey schifften, von wo wir eben, in dunkler Kajüte sitzend, zwischen unsichtbaren, schweigenden, schwatzenden, angetrunkenen, nüchternen Liverpoolern, zurückkommen, und mit Packen und Berechnen den 4 wöchentlichen nassen aber tapfern Festtag ausläuten. So mögen denn die Glocken klingen, und still fortbrummen, bis das wunderliche Schicksal sichs mal wieder in den Kopf setzt, Leute Gott weiß wie auseinander zu bringen und Gott weiß wo zusammenzuführen. Auf einem närrischen Umwege reden sich Leute, die sich einander auf mehr wie eine Weise gegenübersitzen, an, wenn sie sich in einem Doppelbriefe anschreiben und etwa sagen: Gotteslohn und schönen Dank für geleistete gute Gesellschaft! Wir zogen in der That ehrlich und wacker genug durch Hoch- und Tieflande mit Hoch- und Tiefsinn, wenn letzteres auch zu Zeiten als “Herunterseyn” zu nehmen, gestandens uns aber redlich und hoben es damit wieder auf. Basta! Felix beneidet mich jetzt um das elende Fleckchen Platz was ich noch habe, weil ich nun unter vielen andern pikanten Dingen noch das herausheben kann, wie wir heute an Bord eines Amerikanischen Schiffes waren, von New York, das Napoleon heißt, und auf dem sich, außer allem erdenklichen sonstigen MahagonyComfort, auch ein Piano von Broadwood befand, zum Trost für lange SeeAugenblicke, und wie er, im Hafen von Liverpool, unsern, des Atlantischen, sich hinsetzte und mir aus dem ersten Satz Ihrer Ostersonate, o Fräulein Braut, vorspielte, von dem wir früher blos gesprochen – die kalte Luft wehte dazu von oben herein, und Matrosen sangen von weitem zur Arbeit ein eintönig MollLied. Wehe aber alle den schlechten Inns und alle den Regenschauern, die uns so oft zum Schweigen gebracht haben! Adieu! Carl Klingemann
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Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 1, 210 </idno> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>USA</country> <settlement>New York, NY</settlement> <institution key="RISM">US-NYp</institution> <repository>New York, NY, The New York Public Library for the Performing Arts, Astor, Lenox and Tilden Foundations, Music Division</repository> <collection>*MNY++ Mendelssohn Letters</collection> <idno type="signatur">Vol. II/80 und Vol. II/81.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1829-08-19-01" type="letter" xml:id="title_5055523a-6bae-4100-9cc2-336f73c71a9c">Felix Mendelssohn Bartholdy und Carl Klingemann an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy; Glasgow, 13. und 14. August, und Liverpool, 19. August 1829</title> <incipit>Glasgow 13 Aug. Hier ist denn das Ende unserer Hochlandsreise und der letzte Doppelbrief. Wir waren froh zusammen, haben munter gelebt, und sind so vergnügt durch die Gegend gewandert, als ob der Sturm und Regen von</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>4 beschr. S.; Adresse. – Mehrfache Textverluste durch Siegelabriss.</p> <handDesc hands="2"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Klingemann</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Hensel, Familie Mendelssohn 1879, Bd. 1, S. 258-264 (Teildruck).</bibl> <bibl type="printed_letter">Sietz, Leben in Briefen, S. 46-48 (Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1829-08-13" xml:id="date_75b1e261-2276-4128-8423-fba0e4da83a5">13.</date>, <date cert="high" when="1829-08-14" xml:id="date_18a1743b-219c-4fd2-aaae-2a454f8312ab">14.</date> und <date cert="high" when="1829-08-19" xml:id="date_63f8cab2-487d-4acc-9914-2bf45e68cf3b">19. August 1829</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0112434" resp="author" xml:id="persName_7134e089-8231-42a7-bb33-d255be9c8398">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_75a030fa-6432-49a6-b2df-77d2974e996c">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><persName key="PSN0112434" resp="writer">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_b7a67c81-6cce-4153-8247-ddf5dac60588"> <settlement key="STM0100163">Glasgow</settlement> <country>Schottland</country></placeName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_b09fdb9e-37f6-434c-9907-44469af263c8"> <settlement key="STM0100512">Liverpool</settlement><country>Großbritannien</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113247" resp="receiver" xml:id="persName_03f8558e-d6c7-42a7-bb1a-2c079082c2e8">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <persName key="PSN0113241" resp="receiver" xml:id="persName_4713773b-6a75-4c20-92af-8ec8231f0474">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_48ff3723-3f0c-48d5-a574-ee1a237b75b7"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country></placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_c7b547e9-b65b-4deb-8d64-4305c67284d3"> <head> <address> <addrLine>À Mr.</addrLine> <addrLine>Mr. Mendelssohn Bartholdy.</addrLine> <addrLine>Berlin.</addrLine> <addrLine>(Leipziger Straße no. 3).</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_688c26bb-ef03-4afc-a2f6-0eed6f4ddf32"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent"><date cert="high" when="1829-08-13" xml:id="date_4c0f526c-4ced-43df-978f-2b79d221d8a8"><seg type="inline">Glasgow 13 Aug.</seg> </date>Hier ist denn das Ende unserer Hochlandsreise und der letzte Doppelbrief. Wir waren froh zusammen, haben munter gelebt, und sind so vergnügt durch die Gegend gewandert, als ob der Sturm und Regen von dem alle Zeitungen berichten (und vielleicht endlich auch die Berliner) gar nicht da wäre. Er war aber da, Wetter hatten wir, daß die Bäume und die Felsen krachten. Noch vorgestern auf dem Loch Lomond saßen wir in der tiefen Dämmrung auf einem kleinen Ruderboot, wollten übers Wasser kreuzen, weil ein Lichtchen blinkte, das uns einlud, da stieß der Wind aus der Bergecke sehr rauh und heftig, das Ding fing an so arg zu schwanken, daß ich meinen Mantel zusammennahm um mich zum Schwimmen fertig zu machen, daß alle unsere Sachen durch einander fielen, und Klingem. mich ängstlich anfuhr: Rühr Dich, rühr Dich. Doch kamen wir glücklich durch, wie wir denn überhaupt Treffer haben, mußten mit einem fluchenden jungen Engländer, der halb Jäger, halb Bauer, halb gentleman und ganz unausstehlich war, so wie mit 3 anderen gleichen Kalibers in einem Zimmer wohnen, und in einem andern Hause unterm Dach schlafen, so daß wir von Wohn- zu Schlaf-stube mit Regenschirm, Mantel und Mütze gingen. Das Elend, die unwohnliche, ungastliche Einsamkeit des Landes zu beschreiben reicht aber Zeit und Raum nicht zu; wir wanderten 10 Tage ohne einem einzigen Reisenden zu begegnen; was auf der Carte als Städte oder doch Dörfer angegeben, sind einzelne Ställe neben einander, in denen Thür, Fenster und Schornstein aus <hi rend="underline">einer</hi> Öffnung bestehen, die Menschen, Vieh und Rauch zugleich einläßt; in denen ihr auf alle Fragen ein dürres Nein hört, in denen dunstiger Brantwein das einzig bekannte Getränk ist, ohne Kirche, ohne Straße, ohne Gärten, die Stuben pechfinster am hellen Tag, Kinder und Hühner auf einem Strohlager, viele Hütten ohne Dach, viele noch unfertig daliegend mit zerbröckelten Mauern, viele Brandstellen; und diese Wohnplätze sind nur sparsam einzeln zerstreut über das Land; sehr lange ehe ihr ankommt, hört ihr von solchem Ort sprechen, der Rest ist Haide mit rothem oder braunen Kraut, abgestorbenen Fichtenästen und weißen Steinen dazwischen, oder schwarzer Moor, in denen sie Trappen schießen. Dann findet Ihr auch wohl schöne Parks, aber unbesucht, breite Seeen, aber unbeschifft; die Landstraßen verödet, und nun über alles das der Glanz der reichen Sonne gebreitet, die die Haide tausendfarbig verändert, und alles so göttlich bunt und warm beleuchtet, und die Wolkenschatten, die sich hin und her jagen. S’ ist kein Wunder, wenn die Hochlande melancholisch genannt sind. Gehn aber zwei Gesellen so lustig durch, lachen, wo’s nur Gelegenheit gibt, dichten und zeichnen zusammen, schnauzen einander und die Welt an, wenn sie eben verdrießlich sind, oder nichts zu essen gefunden haben, vertilgen aber alles Eßbare und schlafen 12 Stunden: so sind das eben wir, und vergessen es im Leben nicht. Schön war es, und ich wundre mich nicht, wenn mir das Beste erst später einfällt: denn der Gegensatz von der warmen lebenschaffenden Natur mit ihrer Sonne, und ihren Farben, die überall sich gleich bleibt, zur todten Leerheit, Einöde und den verwilderten oder dummen Menschen ist gar zu schlagend, um sich gleich aussprechen zu lassen. – Daher kommt auch diese ganze Seite, die sehr poetisch ist und gar nichts taugt, aber mündlich mach ich’s besser. Eben jetzt bekam ich den Brief vom 5<hi rend="superscript">ten</hi>, mit <persName xml:id="persName_f67de8d0-6852-449e-b623-51471662d0c2">Mühlenf.s<name key="PSN0113471" style="hidden">Mühlenfels, Ludwig von (1793-1861)</name></persName> Ankunftsbericht, und mache die <persName xml:id="persName_bd5cd317-cc9f-43a6-8493-136184ebba02">Geren<name key="PSN0117585" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> herunter. Geren! mit Euch ist wenig! Was ist das! Ihr seid faul! Seht <hi rend="underline">mich</hi> an! Ich treibe mich den ganzen Tag herum, reise hin und her, fahre 30 Meilen vor dem Frühstück (so heute!) und 40 nach dem Abendbrot (so morgen!) und alle 8 Tage habt ihr einen langen Bericht, wenn nicht beträchtliche Kopfschmerzen es mir unmöglich machen, (wie das vorigemal) und dann sage ich meinen Grund, bin aber doch nur <hi rend="underline">einer</hi>! Und ihr seid <hi rend="underline">zwei</hi>, und fahrt nicht, lauft nicht, beseht nicht, schreibt aber auch nicht; bei Gott ich schneide Euch über den Clyde, durch England, über den Canal, mit dem Hamburger Dampfboot, über die Preußische Steppe ein sehr grimmiges Gesicht; das Vorigemal schriebt ihr melancholisch, hattet Euch gezankt, was weiß ich? und diesmal schreibt Ihr gar nicht, ausgenommen 3 Zeilen, antwortet nicht eine Zeile auf den langen Edinburger Brief (was heut über 8 Tage kommt, beweis’t nichts) sagt nichts über <persName xml:id="persName_fd3e63ba-b86c-4bcb-8793-487cc98bfcd7">Mühlenf.<name key="PSN0113471" style="hidden">Mühlenfels, Ludwig von (1793-1861)</name></persName>, den ihr hättet mit schreiben lassen sollen am großen Bogen, und entschuldigt Euch mit kurzer Zeit. Lauft einmal nüchtern durch Glasgows Gassen, springt von dem stagedeck herunter, nachdem Euer Kutscher aus Eil einen Knaben mit einem Korb Eier überfahren hat, buchstabirt dem Postmann Euren Namen sechsmal vor, da er ihn geschrieben nicht lesen kann, und findet dann anderthalb Seiten kaum vollgeschrieben. <persName xml:id="persName_5b85fa06-e6fc-4cf2-9d75-ed47eca6a9be">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> schreibt mehr und hat doch weniger Zeit, <persName xml:id="persName_1e4f0b1d-440c-493d-96c8-f908d8621845">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> auch. <persName xml:id="persName_9334e619-662c-48dc-b243-c4f50aa18f44">Geren<name key="PSN0117585" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>! Ihr riskirt, daß ich Euch nächsten Posttag im Stich lasse, wenn daß nur nicht mich bestrafte, statt zu rächen. Und das Versprochne durch <persName xml:id="persName_6baafb1a-fd94-4304-82a8-58c772d8cfc4">Oppenheim<name key="PSN0113674" style="hidden">Oppenheim, Herr</name></persName> kriege ich auch nicht. Und Zank und Streit ist auch unter Euch! Na! Ordnung. – Geschäftsbrief. Meine Reiseroute ist zwar noch nicht ganz bestimmt, Ort und Wetter haben vielen Einfluß, indeß sind folgendes die Hauptzüge: Morgen, Sonntag früh fahren wir nach Carlisle, wo wir morgen Abend schlafen; Montag und Dinstag bleiben wir in den Cumberland lakes, um es da noch zu probiren, weil der Sturm in den Hochlanden hier gar zu grob wird, Mittwoch fahren wir nach Liverpool und trennen uns Abends, dann geh ich nach Dublin und der Umgegend, komme Montag nach N. Wales, wo ich in der Nähe von Holywell auf <persName xml:id="persName_69ec6edd-a683-4e1e-8cf3-2bef9196c150">Taylors Landgut<name key="PSN0115271" style="hidden">Taylor, John (1779-1863)</name></persName> ein Paar Tage verlebe, und mordialisch feines Englisch zu sprechen suche, und bin so Ende der nächstfolgenden Woche und dieses Monats, oder den 2<hi rend="superscript">ten</hi>–5<hi rend="superscript">ten</hi> September wieder in London. Da giebt es noch mancherley zu bereden, anzuordnen und auszugleichen, doch denke ich in der Mitte des Sept. in den Niederlanden zu sein, wo ich mich an <persName xml:id="persName_a7b5fbad-1bd5-45e2-ad7c-7de14ae88017">Rubens<name key="PSN0114342" style="hidden">Rubens, Peter Paul (1577-1640)</name></persName> erquicken will. Auch kann ich entweder da oder vorher in <placeName xml:id="placeName_5961a49f-ce58-4e1c-9ee1-fbdb618bf470">Lond.<settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> manchen Einfall zur Reife bringen, und vielleicht viel componiren, das Lied für die Tragöden schickt Klingem. von <placeName xml:id="placeName_ab14455f-691a-4d7a-a514-145986f1ffca">Lond.<settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> aus mit der Post an <persName xml:id="persName_f5089fb0-b5dd-497b-a7da-3d4f685d8f93">Alb. Heydem.<name key="PSN0111960" style="hidden">Heydemann, Albert Gustav (1808-1877)</name></persName>, dem der Dichter das Porto ersetzen mag, dem der Verleger die Auslage ersetzen mag, dem das Publikum etc. – Es taugt wenig, aber solche Worte! Sie haben sie zart gemeint, ich habe sie ungeschlacht grob componirt, das ist der einzige Witz dabey; Kling. hat stark geholfen. Was <persName xml:id="persName_801af2f5-a4a3-4987-977e-3012c10bcb55">Schles.<name key="PSN0114576" style="hidden">Schlesinger, Adolph Martin (bis 1812: Abraham Moses) (1769-1838)</name></persName> betrifft, so soll er weiter gar nicht wüthen, denn ich will ihm mein Wort gern halten, obwohl ich’s schwer kann; fragt ihn, ob ihm daran Gelegen ist, die <title xml:id="title_bdb07dda-deb0-473e-a7cf-0501248bb297">Lieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_bfggwotl-rjkd-xxyz-h89c-hxzkj6vjjnn6"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100619" style="hidden">Zwölf Lieder für eine Singstimme und Klavier, 1830, 1. Heft (Der Jüngling); enthält MWV K 39, K 41, K 42, K 52, K 38 und K 50, 2. Heft (Das Mädchen); enthält Sehnsucht »Fern und ferner schallt der Reigen«, komponiert von Fanny Hensel, MWV K 51, K 53, Verlust »Und wüssten’s die Blumen, die kleinen«, komponiert von Fanny Hensel, MWV K 54 und Die Nonne »Im stillen Klostergarten«, komponiert von Fanny Hensel<idno type="MWV">SD 3</idno><idno type="op">9</idno></name></title> grade jetzt herauszugeben, und in diesem Falle muß ich die Idee von 2 Liederkränzen, für Jüngling und Mädchen, aufgeben, und sechs bunte einzelne Stücke ihm geben, die ich <persName xml:id="persName_f7ce5b02-6eba-4c84-9a6a-07989b76a9b8">Fanny<name key="PSN0117585" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> bitte ohne mich weiter zu befragen, aus meinen oder ihren Sachen zu wählen ganz nach Gutdünken, nur muß die Begleitung ganz leicht, und <hi rend="underline">wenigstens</hi> ein lustiges, heitres schnelles dabey sein. Will er aber warten, bis ich zur Ruhe gekommen bin und alles hübsch ausstatten kann, was bald geschehen muß, so glaube ich, thut er klüger und mir einen Gefallen, denn ich denke nicht daß die Herausgabe eilt; also bitte ich Euch, ihm diese Alternative zu stellen, und ihm zu sagen, er thäte mir einen Gefallen wenn er wartete. – Die <persName xml:id="persName_b412f977-5793-43f8-a9c6-84f08e496120">Milder<name key="PSN0113344" style="hidden">Milder-Hauptmann, Pauline Anna (1785-1838)</name></persName> betreffend, habe ich die <title xml:id="title_75b4742c-bd97-4cf9-ae6f-f14477f348e7">komische Arie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_pebeg81o-tj0z-pvu7-lgkr-jkwwt1s9doef"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_orchestra" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100229" style="hidden">»Tutto è silenzio« für Sopran und Orchester, Fragment, 23. Februar 1829<idno type="MWV">H 2</idno><idno type="op"></idno></name></title>, die ich für sie angefangen, oft in London vorgenommen, auch wieder jetzt auf der Reise, und vergeblich aufs Weiterkommen gedacht; ich habe mich im Gegentheil überzeugt, daß es <hi rend="underline">Unrecht</hi> wäre, wenn ich d. <title xml:id="title_334cae2c-6a6d-47cd-b657-c25c679efd0b">Stück<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_4svzjokr-n2hc-6lfi-kvhd-dcsnhfbanmci"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_orchestra" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100229" style="hidden">»Tutto è silenzio« für Sopran und Orchester, Fragment, 23. Februar 1829<idno type="MWV">H 2</idno><idno type="op"></idno></name></title> fertig machte; sie hatte sich damals in ihrem Ärger einen Text voll Anzüglichkeiten und Ausfälle auf <persName xml:id="persName_b88a9bf2-b4aa-4bf3-8abc-fcda27c0f376">Spontini<name key="PSN0115037" style="hidden">Spontini, Gaspare Luigi Pacifico (1774-1851)</name></persName> dichten lassen, und da ich ihr nicht gern etwas abschlagen wollte, weil ich ihr für die viele Freude, die sie mir oft verschafft hat, wirklich dankbar bin, so hatte ich mich ohne weitres Überlegen an die Composition gemacht, die ich auch so im ersten Feuer gewiß vollendet haben würde; nun da ich kühl geworden bin über <title xml:id="title_fa6e5f0f-2957-4823-9df6-d744296106e1">dies Stück<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_4ekoybek-2wwr-w30d-e6ha-rugdcgpys3sx"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_orchestra" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100229" style="hidden">»Tutto è silenzio« für Sopran und Orchester, Fragment, 23. Februar 1829<idno type="MWV">H 2</idno><idno type="op"></idno></name></title>, seh ich wie es erstlich nichts taugt, und wie unrecht es zweitens, sowohl für die <persName xml:id="persName_3afe8d4e-ab3b-4048-8c0f-82cce16b2d92">Milder<name key="PSN0113344" style="hidden">Milder-Hauptmann, Pauline Anna (1785-1838)</name></persName>, als für mich sein würde, wenn sie <title xml:id="title_68d2a6b2-7005-4a78-a3cd-667218f4730f">diese Arie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_eauwslap-ovt9-oa9n-tkk4-spbcqb8slpxc"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_orchestra" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100229" style="hidden">»Tutto è silenzio« für Sopran und Orchester, Fragment, 23. Februar 1829<idno type="MWV">H 2</idno><idno type="op"></idno></name></title> öffentl. singen wollte, wie es ihre Absicht war; auch fehlt mir gänzlich die Lust, irgend etwas Satirisches auf <persName xml:id="persName_1b122e8b-5db9-4552-9504-7a712ec81f5c">Spontini<name key="PSN0115037" style="hidden">Spontini, Gaspare Luigi Pacifico (1774-1851)</name></persName> zu componiren, wozu mich damals das Unrecht und die Intriguen, die er offenbar gg. die <persName xml:id="persName_e2740dc7-c096-416a-afd6-7121478c87aa">Milder<name key="PSN0113344" style="hidden">Milder-Hauptmann, Pauline Anna (1785-1838)</name></persName> beging, antrieben. Endlich kann ich mir keine komische Arie für d. <persName xml:id="persName_ed4e1926-092d-463b-9d8b-2122fe53a2f0">Mild.<name key="PSN0113344" style="hidden">Milder-Hauptmann, Pauline Anna (1785-1838)</name></persName> ausdenken, sie ist gar zu ernsthaft dazu. Doch hab’ ich eine kirchliche mit „Sordinengeigen“ schon halb im Kopf, und schicke sie baldigst als Entschädigung. Zum Geschäftsbrief gehört ferner, daß ich der <persName xml:id="persName_b286f79e-e40e-43d4-bca7-e9fd26c653c5">Herz<name key="PSN0111940" style="hidden">Herz, Henriette Julie (1764-1847)</name></persName> Empfehl.schreiben nicht abgeben konnte, weil die <persName xml:id="persName_898515a1-c1d6-4d67-84dc-741ba842eef8">MacKenzie<name key="PSN0113027" style="hidden">MacKenzie, Penuel (1750-1835)</name></persName> nicht in Edinbrg war. Fragt doch <persName xml:id="persName_701a792a-8c55-4974-be0d-e01e426993c4">Mühlenf.<name key="PSN0113471" style="hidden">Mühlenfels, Ludwig von (1793-1861)</name></persName> oder <persName xml:id="persName_de3bb5af-f8b7-4f80-a488-4f8cbc179381">Rosen<name key="PSN0114283" style="hidden">Rosen (bis 1817: Ballhorn), Friedrich August (1805-1837)</name></persName>, wann und wo sie die Niederlande passiren und meldet mirs. Dankt der <persName xml:id="persName_85c33332-c3d1-49b4-8882-5d35ffe22785">Milder<name key="PSN0113344" style="hidden">Milder-Hauptmann, Pauline Anna (1785-1838)</name></persName> für die Belohn. und <title xml:id="title_49704a61-331c-43e0-b957-b1fab7b5355c">ihr Bild<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name><name key="CRT0109159" style="hidden" type="art">Anna Milder-Hauptmann (Zeichnung Juni 1829, verschollen)</name></title> mehr als ich’s so hier von Engl. aus kann; was ich für sie geschrieben habe, das that ich wahrhaftig nur, um ihr meine Achtung und Dankbarkeit für alles Schöne was ich so oft von ihr gehört habe zu beweisen; ist sie so freundlich mich dafür noch belohnen zu wollen, so dankt ihr, wie gesagt besser als ich hier; ihr habt das Wort, ich nur die Feder, ’s ist ein entsetzl. Unterschied. – Grüßt einmal meine liebste <persName xml:id="persName_4849f6a3-9143-4844-9b45-db083ab75d7b">Tante Meyer<name key="PSN0113312" style="hidden">Meyer, Recha (Rebecka, Reikel) (1767-1831)</name></persName> recht herzlich, ebenso <persName xml:id="persName_3c9704a6-63b7-4441-94f8-803a4b4e453c">T. Jette<name key="PSN0113224" style="hidden">Mendelssohn, Henriette Maria (Jette) (1775-1831)</name></persName>, <persName xml:id="persName_e0928b2d-e714-4550-9ec0-25cc221222b0">Saalings<name key="PSN0114386" style="hidden">Saaling (vorh. Salomon), Ferdinand Louis (eigtl. Löb) (1783-1867)</name><name key="PSN0118057" style="hidden">Saaling, Emilie (?-1868)</name><name key="PSN0114390" style="hidden">Saaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868)</name></persName>, besonders <persName xml:id="persName_c7b26cb3-5f90-4c9a-bd26-9fe8841dfd03">Heyse<name key="PSN0111970" style="hidden">Heyse, Carl Wilhelm Ludwig (1797-1855)</name></persName>, dem ich immer noch nicht geschrieben (ich will es bei nächster Muße gerne ausführlich thun) ferner die Jägerstraße auf beiden Seiten, ferner <persName xml:id="persName_fba0eaf6-5d50-4308-b5bb-f360847363a0">Gans<name key="PSN0111279" style="hidden">Gans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839)</name></persName>, <persName xml:id="persName_8fc07d9f-e724-47c0-9ef3-b8b2673b451b">Schubring<name key="PSN0114732" style="hidden">Schubring, Karl Julius (1806-1889)</name></persName>, ... (füllt den leeren Raum noch aus)</p> <signed rend="right"><add resp="UT" type="editors_addition">Felix Mendelssohn Bartholdy</add></signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_7d0bcd2a-1fd0-4f7f-a221-6baccc7de6d7"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p><date cert="high" when="1829-08-19" xml:id="date_14f6a06d-40b9-4795-98aa-f3f1f2c8cf95"><seg type="inline">19 Aug.</seg> </date>Dann fliegt man weg von Glasgow oben auf der Mail, 10 Meilen die Stunde, durch Wiesen und Schornsteine, die beide dampfen, dann geht man in die Cumberl. Seeen nach Keswick, Kendal, den niedlichsten Städten und Dörfern, das ganze Land ist wie eine Wohnstube, Felswände, aber wohl tapeziert mit Büschen, Moos und Tannen, die Bäume sorgfältig in Epheu gewickelt, keine Mauern oder Zäune nur hohe Hecken und diese bis auf die flachen Berggipfel hinauf, von allen Seiten fliegen Wagen mit Reisenden über den Weg, Korn steht in Garben aufgepflanzt, und Abhänge, Hügel, Schluchten alles mit dem warmen dicken Grün bedeckt, drauf gleich wieder die dunkelblaue Engl. Ferne, manche alte Adelsburg dazwischen – so gings bis Ambleside, da wurde der Himmel wieder finster, Regen und Sturm, wir außen auf der stage durch die Hohlwege, an den Seeen vorbey, bergauf bergab wie toll jagend, so in die Mäntel und Schirme gehüllt, daß wir nur die vorüberfliegenden Gitter, Steinhaufen oder Gräben zählen konnten, dann wieder hinausguckend auf veränderte Berge und Seeen, mit den Regenschirmen an die Häuserdächer zuweilen anstoßend, durch und durch naß in ein schlechtes Wirthshaus mit hohem Kaminfeuer und Engl. Gesprächen von Fußgehen, Steinkohlen, Abendbrot, Wetter und <persName xml:id="persName_585a885d-3bb2-49bd-8e0f-617901094158">Bonaparte<name key="PSN0111152" style="hidden">Frankreich, Napoléon I. Bonaparte von (1769-1821)</name></persName> handelnd, dann gestern durch Zufall auf getrennten stageplätzen, sodaß ich Klingem. kaum sprach, denn in 40 Sekunden ist umgespannt, ich auf den Bock neben dem Kutscher, der mich frug ob ich viel die Cour machte und sich manches erzählen ließ, wofür ich die Pferdesprache von ihm lernte, Klingem. neben zwei alten Weibern denen er ein Stück Parapluie abtrat, wieder Fabriken, Wiesen, Parks, Landstädte, hier ein Canal, da eine Eisenbahn, dahinter das Meer mit Schiffen, sechs volle Kutschen mit aufgethürmten Menschen nach einander, Abends dicker Nebel, die stages rasen wenns dunkel wird, durch den Nebel am Horizont weit und breit Laternen zerstreut, Windmühlenflügel, Fabrikenrauch von allen Seiten, einzelne Herren zu Pferde vorübersprengend, das erste stagehorn tutet in b, das zweite in d dur, noch andre aus der Ferne hinterher, und da sind wir nun in Liverpool. – Heut Abend geht Klingem. nach London, ich morgen früh nach Holywell, die Schottische Reise ist vorüber, es geht alles sehr schnell, viel ist mir seit kurzem vorbeygezogen und es steht noch nicht still. Wir gehn nun auseinander und legen schöne Zeit zur Vergangenheit. Das rechte bleibt doch fest stehn und verfliegt nicht.</p> <signed rend="right">F.</signed> </div> <div n="3" type="act_of_writing" xml:id="div_9f1bc3d4-7f66-4e65-83d0-e9d37c00fcae"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_13005244-7e0d-4fb7-aaef-78c9b574081f">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_feb30a6d-d1a5-46f6-a7cf-803decc3a7cd">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <dateline rend="right">Glasgow d <date cert="high" when="1829-08-14" xml:id="date_ba774a76-4a15-40d7-aebc-4662661a173b">14. Aug.</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Heute schlage ich nach und bin zurück – mein Gegenüber hat nicht allein die Seite, sondern au[ch] das Hochland so gründlich beschrieben, daß ich mich schäme anzufangen, und höchstens ein Stück OatCake hierher nageln mögte, als schlagendes Actenstück und niederschlagendes Wahrzeichen. Unvergeßliches Land! Das Gedächtniß der Nase ist bekannt, und so gut wie Walter Aurikelngeruch nicht vergessen konnte, wird der Hochlandsgeruch in uns fortwohnen – eine gewisse räuchrige Atmosphäre, die jeder Bergschotte um sich hat. Ich schloß unterweges einmal die Augen, und meldete darauf, 5. Hochländer seyen vorübergegangen: meine Nase hatts gesehen. Die Häuserzahl dort ist gleichfalls danach bequem zu bestimmen. Im übrigen ist das Land aber gar so übel nicht, wie es gewisse Leute aus großen Residenzen machen wollen, – es hat sich fast ausschließlich aufs Bergfach gelegt, und leistet doch darin Einiges. – Abends wenn es dunkel wird und der Sturm sich aufmacht, findet man doch ein Wirthshaus mit Betten, und einen Raum den man nicht grade mit den Viehtreibern zu theilen braucht, sondern höchstens mit schießenden John Bulls – läuft auch mal ein Huhn durch die Stube, schreit auch mal unter uns ein Schwein, so beweißt das doch, daß man am nächsten Morgen ein frisches Ey und etwas Ham zum Frühstück haben wird, – stößt der Karren auf dem man ächzt, auch etwas mörderlich, so ist das doch nur desto mehr Aufmunterung zum Fußwandern, – findet sich auch gerade kein industriöser Kerl der die Sachen trägt, wenn man gern zu Fuß gehen will, so ist das nur ein freundlicher Wink, daß man sichs bequem machen möge und fahren, – hat man einmal nichts weiter als frischen Honig und schöne fette Sahne, so bedeutet das den partriarchalischen Urzustand, den wir Neueren immer im Munde haben, – machen die Leute etwas ungeschickte Anstalten zu Mehrerem, mit versetztem Wein und übersetzten Rechnungen, so ist das doch ein erfreulicher Ansatz zur Cultur, sowie überhaupt die einzelnen Wirthshäuser, die auf den Karten als Städte aufgeführt sind, wohl nichts weiter vorstellen, als eben Samenkörner zu jenen, hie und da in die weite breite MoorErde gesteckt, die schon einmal auflaufen werden. Was! Der Wirthsmann in Tarbet hat schon ein zweites Haus gebaut, und doch schliefen wir zu alleroberst unter dem Dache und der finstre Ben Lomond kuckte herein nebst einem neugierigen MondsViertel! Man widerspricht sich, und klagt über Einsamkeit, und eben in Tarbet springt M<hi rend="superscript">r</hi>. <persName xml:id="persName_70251a38-8eb8-4309-8d1e-5dd3ea64b748">Brown<name key="PSN0110151" style="hidden">Brown, Mr.</name></persName>, der 1798. in Berlin gewesene, auf uns zu und wir feiern ein Wiedersehen, wenn wir es auch nach 10. Minuten schon bereuen – wir kommen nach Aberfoil, und finden dort einen blühenden Schaafmarkt und viele dazu gehörige Menschen, die wir alle wieder in die Berge wünschen und uns heraus. Und nun kamen wir heraus, denn wir sehnten uns nach der warmen Sonne, die wir seit Tagen nicht gesehen, wir wiegten uns in gutem Fuhrwerk das wir lange nicht gekostet, durch ebene Gegend und muntere Dörfer, in denen wir lange nicht gewesen, die Sonne schien draußen würklich aus blauem Himmel, nur über dem Hochlande lagen noch die Wolken, – je länger und öfter wir aber zurückschauten, desto blauer und duftiger wurden die Berge zu deren Füßen wir gelegen, alle tiefen Farben spielten, und man hätte sehnsüchtig werden und sich nach ihnen zurückwünschen mögen, wenn wir nicht gewußt hätten, daß es drinnen doch grau und kaltmajestätisch hergehe. Zur Sehnsucht gehört, außer dem Setzenden A. und dem Gesetzten B., überhaupt wohl noch ein Drittes. Auf alle Fälle wars aber ein süßes Ade von jenen Höhen die wir verläumden und lieben. Es ist aber sonderbar, wenig Einzelnes ist da herauszuheben, zwei Wasserfälle, drittehalb Berge und ein Halbdutzend Lochs thuns nicht, aber in breiten Massen sprichts seltsam und melankolisch und ist gleich dem Rauchgeruch schwer zu vergessen, könnte sich fast durch Träume ziehen. Da es zu merken, daß Sie uns auf der Karte folgen, so soll flüchtig angedeutet werden, wie wir gleich ein paar netten Adlern – die würklichen werden weggeschossen weil sie den Moorhünern schaden und keine Jagdgerechtigkeit haben – in zwei Kreisen, einem großen und einem kleinen, herumgeflogen sind. Nämlich von Edinburg nach Perth, Dunkeld, Blair Athol, hier wars überall zierlich und voll bebaut, und wir wunderten uns, wo denn die öden Hochlande blieben, dann warfen wir uns herum nach TummelBridge, Aberfeldie, Kenmore, Killin, Tyndrum bis Fort Williams, kreißten überm Moor und zogen über Inverary nach Glasgow –; beschrieben dann den kleinen Kreis über Dumbarton nach Loch Lomond, Tarbet, Loch Katrine, Aberfoil, Callander, Stirling nach Glasgow. Jetzt ziehen wir wieder wie andre Weltkinder in graden Linien, nämlich Zickzack, und wundern uns nicht mehr wo die wilden Hochlande geblieben sind.</p> <signed rend="right"><add resp="UT" type="editors_addition">Carl Klingemann</add></signed> </div> <div n="4" type="act_of_writing" xml:id="div_307d422e-ade2-4cf6-9035-fbfd071f0eae"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <p><seg type="inline">Liverpool d <date cert="high" when="1829-08-19" xml:id="date_a11b8da7-9607-4778-84f8-0acf928a3f87">19. Aug Abends halb zehn.</date></seg> Um 10 Uhr ist das Vergnügen aus, ich setze mich, nachdem sich zwei nachdenkliche Reisegesellen auseinandergesetzt, auf die Mail und fahre nicht fort, wie ich es gewollt, im Briefe, sondern nach London! Darum, hier kurzen warmen Abschied von DoppelCorrespondenzGenossen, und all dem grünen bergigen Durcheinander nach einem Tage wie dem heutigen, im Städtchen Liverpool, fast voller Uncomforts, obgleich wir uns auf Börse und im Hafen, auf neuen Kirchhöfen und in Rathhaussälen haben umhertreiben müssen, und sogar noch, für unser Dinner, zu guter letzt im Dampfboot über die rauhe regnerische Mersey schifften, von wo wir eben, in dunkler Kajüte sitzend, zwischen unsichtbaren, schweigenden, schwatzenden, angetrunkenen, nüchternen Liverpoolern, zurückkommen, und mit Packen und Berechnen den 4 wöchentlichen nassen aber tapfern Festtag ausläuten. So mögen denn die Glocken klingen, und still fortbrummen, bis das wunderliche Schicksal sichs mal wieder in den Kopf setzt, Leute Gott weiß wie auseinander zu bringen und Gott weiß wo zusammenzuführen. Auf einem närrischen Umwege reden sich Leute, die sich einander auf mehr wie eine Weise gegenübersitzen, an, wenn sie sich in einem Doppelbriefe anschreiben und etwa sagen: Gotteslohn und schönen Dank für geleistete gute Gesellschaft! Wir zogen in der That ehrlich und wacker genug durch Hoch- und Tieflande mit Hoch- und Tiefsinn, wenn letzteres auch zu Zeiten als “Herunterseyn” zu nehmen, gestandens uns aber redlich und hoben es damit wieder auf. Basta! Felix beneidet mich jetzt um das elende Fleckchen Platz was ich noch habe, weil <hi rend="underline">ich</hi> nun unter vielen andern pikanten Dingen noch das herausheben kann, wie wir heute an Bord eines Amerikanischen Schiffes waren, von New York, das Napoleon heißt, und auf dem sich, außer allem erdenklichen sonstigen MahagonyComfort, auch ein Piano von Broadwood [be]fand, zum Trost für lange SeeAugenblicke, und wie er, im Hafen von Liverpool, unsern, des Atlantischen, sich [hi]nsetzte und mir aus dem ersten Satz <title xml:id="title_3a1eddaa-58e5-4ec7-b463-184f9094614a">Ihrer Ostersonate<name key="PSN0111893" style="hidden" type="author">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="CRT0111479" style="hidden" type="music">»Ostersonate«, Sonate für Klavier HU 235 (Frühjahr 1829); verschollen</name></title>, o <persName xml:id="persName_93b1dd2d-26e0-47a5-93be-059dd490bb0f">Fräulein Braut<name key="PSN0117585" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName>, vorspielte, von dem wir früher blos ge[s]prochen – die kalte Luft wehte dazu von oben herein, und Matrosen sangen von weitem zur Arbeit ein eintönig MollLied. Wehe aber alle den schlechten Inns und alle den Regenschauern, die uns so oft zum Schweigen gebracht haben! <seg type="closer" xml:id="seg_43bd0228-6f7c-408f-9134-46991ec02a32">Adieu!</seg></p> <signed rend="right"><add resp="UT" type="editors_addition">Carl Klingemann</add></signed> </div> </body> </text></TEI>