fmb-1829-08-11-01
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Tobermory, 7. August, und Glasgow, 10. und 11. August 1829
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
6 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Mehrfache Textverluste durch Siegelabriss.
Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Klingemann
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Die Jugend von Tobermory, der Hauptstadt der Insel Mull, lärmt vergnüglich am Hafen, das Atlantische Meer, in dem sich reichlich Wasser zu befinden scheint, liegt ganz still vor Anker, gleich unserm Dampfschiff, wir sind in ein respectables Privathaus einquartiert, und stiften unserm Tagewerk gern ein erquicklich Denkmal, indem wir gleich
Glasgow, d
Da liegen wieder Meere dazwischen! An jenem 7ten mußte Ruhe gesammelt werden um am folgenden Morgen um 5. Uhr in See zu stechen – ich hatte mir vorgenommen noch an diesem Morgen zu schreiben, einige nüchterne Zeilen, – wer braucht aber dazu immer grade den Morgen, und wer hat Zeit an ihm wenn er früh ist? Wenn man wie wir jetzt, im besten Wirthshause einer Handelsstadt von 160,000. Einwoh[nern] sitzt, die eine Universität und Kattunfabriken hat, und Kaffee und Zucker aus der ersten Hand, so schaut ma[n] mit Behagen auf erlittenes Ungemach zurück. – Das Meer und die Hochlande aber brauen sich nichts wie Whisky und schlecht Wetter. Hier ists anders und platt aber comfortable, mit blauem Himmel über sich und gutem Soph[a] unter sich, genießbaren Victualien vor sich und dienstbaren Geistern um sich bietet man allen Gefahren Trotz, besonders den überstandenen. Am besagten frühen Morgen des 8. Aug. wurden die angenehmen DampfPersonen, die jüngst mit lauter Oelblättern auf uns zugeflogen waren, immer niedriger, je tiefer der Barometer fiel und je höher die See ging. Das that nämlich die Atlantische – das reckte seine tausend Fühlfäden immer ungeschlachter und quirlte immer mehr – die SchiffsRegierung behielt ihr Frühstück fast allein, denn wenige vermogten die Tassen zu handhaben, und überhaupt fielen die Ladies um wie die Fliegen, und ein und anderer Gentleman thats ihnen nach; ich wollte mein ReisePechbruder wäre nicht unter ihnen gewesen, aber er verträgt sich mit dem Meere besser als Künstler denn als Mensch, oder als Magen; Zwei hübsche kalte Töchter eines Hebridischen Aristocraten, eines
In Jona aber nahmen die Aristocraten ein Gouter zwischen den KathedralRuinen, und darauf, phantasirten wir, schrieb die älteste Miss in ihr Tagebuch: Delightfull – ! we dined in the awfull Ruins of the ruined Church – &c – Nach und nach genasen die Seeleidenden, ein Segel wurde über dem Verdeck ausgespannt, weniger gegen die Sonne als gegen die Feuchtigkeit, über die wir Pechbrüder immer im Streit liegen, weil Felix es Regen nennt, ich aber Mist – und man hielt im Angesicht sämmtlicher Seeungeheuer offene Tafel im Atlantischen – selbst Felix biß wieder ein und um sich; – der Sir trank Wein mit denen die nicht über und gegen ihn gemurrt hatten, – wir entzogen uns dem. Um 7. Uhr Abends hätten wir wieder in Oban, unserm Continent, seyn sollen, wir hielten aber blos bei Tobermory – Einzelne landeten, – der Mohr zog nicht lustig mit der Inseljugend umher, denn es regnete, und er hätte keine geneigte Gehöre gefunden. Es wurde Nacht und dunkel – der Kapitain legte in irgend einem Winkel ruhig vor Anker, – und wir uns in die Kajüte, Betten gabs nicht, und Heringe wohnen in Römischen Sälen gegen uns – ich wollte in der Schlaftrunkenheit zu Zeiten Fliegen aus meinem Gesicht vertreiben und es waren nur die gereiften Locken des gereisten Schotten – wäre der Pabst dabei gewesen, so hätte ihm ein und der andre Protestant unbesehens den Pantoffel geküßt, denn man machte oft unbekannte Stiefel zu seinem Kopfkissen – es war ein wüstes Gelag ohne Trinken, zu dem Regen und Wind abgeschmackte Lieder sangen. Um halb sieben Uhr Morgens, am Sonntag, landeten wir in Oban unter Regen, – Betten fanden wir beiden nicht – ein Frühstück also stärkte, – eine Gälische Predigt wollten wir nicht hören, und setzten uns also, vom Regen beschattet, auf eins der liebenswürdigen Fuhrwerke von offenem BergCharacter, die Carts heißen und mit denen schlechte Wege ganz füglich auszubessern und schwerfällige Reisende gut in Flug und zum Fluch zu bringen sind. Zuletzt schien aber die Sonne und erwärmte Herzen und trocknete Mäntel, – in Inverary war ein trefliches Wirthshaus und braves Unterkommen, eine schwarzlockige schöne Wirthstochter schaute als Schild über dem Schilde in den Hafen hinein, in dem die frischesten Heringe um 9. Uhr Morgens noch lebendig schwimmen um eine Viertelstunde darauf schon gebraten in den Kaffee getunkt zu werden, künftige Reisegefährten fragten uns theilnehmend unsere gehabten Leiden und zerrissenen Stiefel ab, das Schloß des Herzogs von Argyll schaute stolz aus den hohen Bäumen heraus, und von hohen Bergen ringsumher besprachen sich die unbeschwerten Bäume oben mit den behauenen Verwandten unten, die schon im Schiffswesen angestellt im Wasser umherschwammen. Unsere Sehnsucht nach Cultur und Briefen trieb uns hieher, nach Glasgow – in wunderbarer Fahrt – durch verschiedene Löcher nämlich Seen, und bei Land – aus einem Dampfboot, in das wir stiegen, während die schwarzlockige Wirthstochter Clavier schlug, wurden wir in eine Dampfkutsche gesetzt – sie wurde aber von Pferden gezogen, und erstere stand, schon gebraucht aber noch nicht ganz practikabel, müssig am Wege, ein lächerliches Fuhrwerk mit einem hohen Schornstein und einem Steuer. Dann wurden wir wieder in ein Dampfschiff gesetzt, was von Eisen – die Wände aber an die wir klopften, waren von Holz; – dann fuhren wir wieder eine Strecke zu Lande, bis wir wieder an einen Loch, Heck, kamen, da abermals in ein Dampfboot abgesetzt wurden, das uns zu endlicher guter Letzt an ein letztes abgab, an der Mündung der Clyde, mit dem wir nach Glasgow die Clyde hinauf fuhren. Prächtige Fahrt, – keine oder kleine Wellen, Seeörter am Flusse mit großen Seeschiffen, Möwen, vorübersausende Dampfschiffe, Landhäuser, ein Felsen mit Dumbarton Castle, und einem Blick ins helle Weite, vom blauen thürmenden Ben Lommond stattlich beschlossen – wir begrüßten ihn zum ersten male. Das Land wurde flacher und sanfte Kornfelder nickten uns nach den langen stolzen schweigenden Bergen wie alte Bekannte vertraulich zu – Alles war dabei still und friedlich und voll. Dreierlei Stillen regieren hier überhaupt – in den Bergen rauschts voll Wasser, aber es ist ernsthaft still – im Meere zwischen den Inseln schlagen die Wellen, aber es ist trostlos still – in den vollen Ebenen fliegen die Dampfschiffe, aber es ist sanft und in Erholung still, – das erste sind wüste Gesellen die wollen nichts lernen und nicht arbeiten, das zweite sind abgesetzte Götter die schmollen, das letzte sind fromme Kinder nach gutem Tagewerk. In Glasgow aber sind 70. Dampfböte, von denen 40. täglich auslaufen, und viele lange Schornsteine dampfen, – eine trefliche Inn erquickt uns, in der aber die Aufwärter noch mit zwei Händen und eben so viel Füßen bedienen, weils mit Dampf noch nicht ausgefunden ist. – Am 11 ten. Morgen gehts zum Loch Lommond und zu den übrigen Puncten, die eigentlich als Beilagen zu
weiter muß, und Bewegung ist die beste Verdauung. Die Zeit eilt schrecklich und vom Hochlande ist noch alles, die Weite und Enge, nachzuholen, aber man ist zu weit voraus – beste, ja noch bessere Gedanken und Briefquadern haben wir aller Orten und Ecken liegen lassen müssen und die Hochländer verstehens nun nicht. Und doch verdienten Sie
Auf einer ten August 1829.
etc.
tens ist er nicht wie ich von starken Kopfschmerzen seit heut Abend geplagt, die mir das Denken erschweren, das Schreiben unmöglich machen. Dazu nehmt daß es jetzt Mitternacht ist, und wir nach unserer Hochlandreise heut gleich einen Tag voll Maschinen, Sälen, Kirchen, Dampf, Menschen, Schornsteinen zugebracht haben, und ihr werdet mich entschuldigen, wenn ich mich kurz fasse. Ich kann heut nicht mehr. Auch steht das Beste, was ich zu melden habe genau in den obigen Musikzeilen, die Beschreibung der Krankheit, des durchaus ungünstigen, nassen Wetters, und so fort, erspare ich Euch gern. Verzeiht also diesmal. Ich zeichne sehr fleißig, und Klingem.s Gedichte werden prächtig, auch glaub’ ich daß mir einige Bildchen besser gelungen sind als sonst. Auch gehts mit dem Geldausgeben mäßiger als ich dachte. Wir haben nur 24 £ bis jetzt gebraucht. Morgen gehn wir nach Loch Lomond und dem Ben, nach Loch Katrine, den Trosachs, Aberfoil, Stirling und Lanark; Ende dieser Woche sind wir wieder hier, und von da aus bekommt Ihr den letzten unserer Doppelbriefe; er soll von meiner Seite besser sein. Wir trennen uns dann, Klingem. geht nach
Gegeben in den Hebriden, am 7. Aug. Die Jugend von Tobermory, der Hauptstadt der Insel Mull, lärmt vergnüglich am Hafen, das Atlantische Meer, in dem sich reichlich Wasser zu befinden scheint, liegt ganz still vor Anker, gleich unserm Dampfschiff, wir sind in ein respectables Privathaus einquartiert, und stiften unserm Tagewerk gern ein erquicklich Denkmal, indem wir gleich Napoleon, unsere ArmeeBülletins immer nur von bedeutenden Puncten ab erlassen. Ordentlich reizend ists hier, ich habe von jeher als fast Geobürgerlicher, nicht -graph, die Hebriden mit den Hespiriden verwechselt, und das machts, – fand ich auch die Orangen nicht auf den Bäumen, so lagen sie doch im WhiskyPunsch. Wir leben übrigens – das Plaisir abgerechnet – wie auf einer Börse, nämlich im steten Wechsel – gestern zogen wir, Berg auf Berg ab; der Karren meist zur Seite, und wir nebenher steigend, durch Haiden und Möre und Pässe aller Art – die Natur hat hier so sehr für die letztern gesorgt, daß das Gouvernement weiter gar keine fordert – unter Wolken und in dichtem Staubregen durchs Hochland, räuchrige Hütten klebten auf Abhängen und häsliche Weiber schauten durch die Fensterlöcher, Viehherden mit Rob Royssperrten zu Zeiten unsern Lauf – gewaltige Berge steckten bis auf die Knie im HochlandsCostüm in den Wolken, und kuckten wohl oben wieder heraus – man sah aber manchmal wenig. Gestern Abend spät aber fielen wir, fast unverhofft, wieder in einige Cultur, nämlich in eine Straße, aus der das Fort Williams besteht, und heute Morgen warfen wir uns der neusten, dem Dampf, in die Arme, waren wieder unter vielen Menschen und schlürften Sonnenschein mit Meergrün – weite Seelinien, die Felsen in bescheidener Ferne, gute Kost und mancherlei Gesellschaft. Wir finden so’n Dampfboot wieder poetisch “unten durch“ – diese sonderbare Art von conversierender Vertraulichkeit, ein eiliges Hin- und Her, das Treiben der Maschine, Passagiere, die dort am Strand warten und heranrudern, oder hier auf irgend einer fremden Küste oder Insel abgesetzt werden, findet man wohl kaum in einem Salon – obendrein kennen sich die Leute fast alle, und gehören zum Boden – ein neuer Freund erzählt uns gleich, wie das junge Ehepaar dort seinen honeymoon verreise, und wie er sie auf dem Ben Lommond kurz nach der Hochzeit einen Scotch Reel hätte tanzen sehen. Die Braut mit Abschiedsthränen in den Augen |: sie war just hübsch genug für eine Hochländerinn :| – am Hafen von Oban steht Bruce’s Felsen, wo er irgend eine That verrichtet, der Laird, Mac Dunald, geht mit seinen Damen nach seinem Hause, einem neuen, was hinter den Ruinen des alten Castle’s steht, und worin noch ein silberner Broach von Bruce aufbewahrt wird – unser Edinburger Freund, der SeeCapitain Nelson, mit dem wir auf dem Schiffe zusammentrafen und Hands shaken, erzählt wunderliche Geschichten darüber, wie diese Reliquie verloren gewesen und theuer wiedererkauft sey, – es sey einmal geraubt, mit andern Sachen, und habe sich zuletzt im Besitz einer Dame gefunden, die von Rob Roy abstamme u. s. w. Ein ältlicher Gentleman redet uns in Deutsch an, und erzählt von seinen Reisen in Deutschland – 1798. sey er in Berlin gewesen und habe logirt in Stadt Paris, was eine Madam Daak gehalten, mit zwei liebenswürdigen Töchtern, von denen die eine sehr musikalisch und die andre eine starke Mahlerinn gewesen sey – ich kannte sie ja, und berichtete ihm dies, und daß die eine die Geheimräthin Selle sey und die andre fast einen Bart bekommen, und daß beide die nämlichen ältlichen Damen, denen ich in jüngeren Jahren zu Zeiten einige Paradoxen gesagt. – Glasgow, d 10. Aug. – Da liegen wieder Meere dazwischen! An jenem 7ten mußte Ruhe gesammelt werden um am folgenden Morgen um 5. Uhr in See zu stechen – ich hatte mir vorgenommen noch an diesem Morgen zu schreiben, einige nüchterne Zeilen, – wer braucht aber dazu immer grade den Morgen, und wer hat Zeit an ihm wenn er früh ist? Wenn man wie wir jetzt, im besten Wirthshause einer Handelsstadt von 160, 000. Einwohnern sitzt, die eine Universität und Kattunfabriken hat, und Kaffee und Zucker aus der ersten Hand, so schaut man mit Behagen auf erlittenes Ungemach zurück. – Das Meer und die Hochlande aber brauen sich nichts wie Whisky und schlecht Wetter. Hier ists anders und platt aber comfortable, mit blauem Himmel über sich und gutem Sopha unter sich, genießbaren Victualien vor sich und dienstbaren Geistern um sich bietet man allen Gefahren Trotz, besonders den überstandenen. Am besagten frühen Morgen des 8. Aug. wurden die angenehmen DampfPersonen, die jüngst mit lauter Oelblättern auf uns zugeflogen waren, immer niedriger, je tiefer der Barometer fiel und je höher die See ging. Das that nämlich die Atlantische – das reckte seine tausend Fühlfäden immer ungeschlachter und quirlte immer mehr – die SchiffsRegierung behielt ihr Frühstück fast allein, denn wenige vermogten die Tassen zu handhaben, und überhaupt fielen die Ladies um wie die Fliegen, und ein und anderer Gentleman thats ihnen nach; ich wollte mein ReisePechbruder wäre nicht unter ihnen gewesen, aber er verträgt sich mit dem Meere besser als Künstler denn als Mensch, oder als Magen; Zwei hübsche kalte Töchter eines Hebridischen Aristocraten, eines Sir James Riddel, auf die Felix wüthen mag, blieben allein ruhig oben sitzen, und machten sich nicht einmal viel aus der Seekrankheit ihrer Mutter; – noch saß eine 82jährige Frau gelassen an den Dampfmasten und wärmte sich im kalten Winde. Die Frau hat mich sechsmal gerührt, und sieben mal geärgert – sie wollte Staffa noch sehen vor ihrem Ende. Staffa mit seinen närrischen Basaltpfeilern und Höhlen steht in allen Bilderbüchern, wir wurden in Böten ausgesetzt und kletterten am zischenden Meere auf den Pfeilerstümpfen zur sattsam berühmten Fingalshöle. Ein grüneres Wellengetöse schlug allerdings nie in eine seltsamere Höhle – mit seinen vielen Pfeilern dem Innern einer ungeheuren Orgel zu vergleichen, schwarz, schallend, und ganz ganz zwecklos für sich allein da liegend – das weite graue Meer darin und davor. Da kletterte mühsam die alte Frau hart am Wasser – sie wollte doch noch vor ihrem Ende die Höhle von Staffa gesehen haben. Sah sie auch. Wir Vordern kehrten im kleinen Boot zum Dampfschiff zurück, dem man an der LeeSeite beikommen wollte, was bekanntlich unerfahren und bedenklich, der Kapitain pfiff durch die Wellen vom Ufer, die Passagiere fluchten, der Kahn wollte umschlagen, doch ließen sich die Hochländer – Niederländer wären gescheuter gewesen – bedeuten und brachten uns an die rechte Stelle, wieder zum unerquicklichen Steam-Duft. Beim zweiten Boot was ankam sah ich erst, wie wahr Theater in Opern das Auf- und Abschwanken eines Kahns, in dem der Geliebte die Werthe aus einiger Noth errettet, darzustellen vermögen – es hatte einigen Werth, daß die beiden vornehmen Gesichter doch blaß geworden waren – so sah ichs durch meinen schwarzen Brill. Aber die 82jährige Alte saß auch darin, und zitterte – das Boot schwankte, mit Mühe hob man sie heraus, – sie hatte doch vor ihrem Ende Staffa noch gesehen! – Das Vergnügen wurde immer ernsthafter, da wo gestern nett conversirt war, wurde mehr geschwiegen heute – der blanke Moor (Mohr wirds sonst geschrieben aber die Highlands verderben alle Ortographie) der auf dem Verdeck saß, und mit Tamburin und Waldpfeife den JägerChor im Atlantischen vortrug wenn er nicht rauchte, und der Abends pfeifend die Jugend von Tobermory mit sich herumzog, war dort geblieben; – der gelbe MulattenKoch, dessen gleißendes Kalibansgesicht wir gestern mit Jubel zwischen Kesseln und Heringen und Zugemüse hatten herumhanthieren sehen, briet heute alten Schinken, und brachte mit diesem Geruch einzelne leidende Seefahrer zur Verzweiflung, wo nicht zu was Schlimmeren; – die noch lebenden Passagiere verschworen sich gegen den Kapitain, der dem Sir James zu Gefallen den alten längeren Weg zurück nehmen wollte, statt auf einem kürzeren um Jona herum nach Oban zu gehen. Jona, eine von den Hebridenschwestern, klingt doch wohl sehr Ossianisch und weichmüthig, und es ist was dran – sitze ich mal in einer tollvollen Assemblée mit Musik und Tanz, und ich habe Lust, mich in die ödeste Einsamkeit zu begeben, so denke ich an Jona, woselbst die Ruinen einer Kathedrale, die mal geglänzt hat, die Reste eines Nonnenklosters, und die Gräber der alten Schottischen Könige und älterer Nordischer Seefürsten; auf manchen Denksteinen sind zwischen groben Verzierungen Schiffe ausgehauen. Wohnte ich aber gar auf Jona, und lebte dort von Melankolie wie andere von ihren Renten, so wäre mein dunkelster Augenblick der, wo ich im weiten Raume, der nichts führt als Klippen und Möwen, mit einemmale einen Schnörkel von Dampf sähe, dann das Schiff selber, und zuletzt gar eine bunte Gesellschaft in Schleiern und Fräcken herausträte, sich eine Stunde lang die Ruinen und die Gräber und die drei kleinen Hütten für die Lebendigen ansähe und dann wieder davon zöge, – und dieser recht unmotivirte Spaß sich nun wöchentlich zweimal erneuerte, als das Einzige beinah, woran zu erkennen daß eine Zeit und Uhren in der Welt; – es müßte seyn als zögen die alten Begrabenen in einer possenhaften Vermummung um. Jona gegenüber liegt eine Felseninsel die sieht zum Ueberfluß noch aus wie eine zerstörte Stadt. In Jona aber nahmen die Aristocraten ein Gouter zwischen den KathedralRuinen, und darauf, phantasirten wir, schrieb die älteste Miss in ihr Tagebuch: Delightfull – ! we dined in the awfull Ruins of the ruined Church – &c – Nach und nach genasen die Seeleidenden, ein Segel wurde über dem Verdeck ausgespannt, weniger gegen die Sonne als gegen die Feuchtigkeit, über die wir Pechbrüder immer im Streit liegen, weil Felix es Regen nennt, ich aber Mist – und man hielt im Angesicht sämmtlicher Seeungeheuer offene Tafel im Atlantischen – selbst Felix biß wieder ein und um sich; – der Sir trank Wein mit denen die nicht über und gegen ihn gemurrt hatten, – wir entzogen uns dem. Um 7. Uhr Abends hätten wir wieder in Oban, unserm Continent, seyn sollen, wir hielten aber blos bei Tobermory – Einzelne landeten, – der Mohr zog nicht lustig mit der Inseljugend umher, denn es regnete, und er hätte keine geneigte Gehöre gefunden. Es wurde Nacht und dunkel – der Kapitain legte in irgend einem Winkel ruhig vor Anker, – und wir uns in die Kajüte, Betten gabs nicht, und Heringe wohnen in Römischen Sälen gegen uns – ich wollte in der Schlaftrunkenheit zu Zeiten Fliegen aus meinem Gesicht vertreiben und es waren nur die gereiften Locken des gereisten Schotten – wäre der Pabst dabei gewesen, so hätte ihm ein und der andre Protestant unbesehens den Pantoffel geküßt, denn man machte oft unbekannte Stiefel zu seinem Kopfkissen – es war ein wüstes Gelag ohne Trinken, zu dem Regen und Wind abgeschmackte Lieder sangen. Um halb sieben Uhr Morgens, am Sonntag, landeten wir in Oban unter Regen, – Betten fanden wir beiden nicht – ein Frühstück also stärkte, – eine Gälische Predigt wollten wir nicht hören, und setzten uns also, vom Regen beschattet, auf eins der liebenswürdigen Fuhrwerke von offenem BergCharacter, die Carts heißen und mit denen schlechte Wege ganz füglich auszubessern und schwerfällige Reisende gut in Flug und zum Fluch zu bringen sind. Zuletzt schien aber die Sonne und erwärmte Herzen und trocknete Mäntel, – in Inverary war ein trefliches Wirthshaus und braves Unterkommen, eine schwarzlockige schöne Wirthstochter schaute als Schild über dem Schilde in den Hafen hinein, in dem die frischesten Heringe um 9. Uhr Morgens noch lebendig schwimmen um eine Viertelstunde darauf schon gebraten in den Kaffee getunkt zu werden, künftige Reisegefährten fragten uns theilnehmend unsere gehabten Leiden und zerrissenen Stiefel ab, das Schloß des Herzogs von Argyll schaute stolz aus den hohen Bäumen heraus, und von hohen Bergen ringsumher besprachen sich die unbeschwerten Bäume oben mit den behauenen Verwandten unten, die schon im Schiffswesen angestellt im Wasser umherschwammen. Unsere Sehnsucht nach Cultur und Briefen trieb uns hieher, nach Glasgow – in wunderbarer Fahrt – durch verschiedene Löcher nämlich Seen, und bei Land – aus einem Dampfboot, in das wir stiegen, während die schwarzlockige Wirthstochter Clavier schlug, wurden wir in eine Dampfkutsche gesetzt – sie wurde aber von Pferden gezogen, und erstere stand, schon gebraucht aber noch nicht ganz practikabel, müssig am Wege, ein lächerliches Fuhrwerk mit einem hohen Schornstein und einem Steuer. Dann wurden wir wieder in ein Dampfschiff gesetzt, was von Eisen – die Wände aber an die wir klopften, waren von Holz; – dann fuhren wir wieder eine Strecke zu Lande, bis wir wieder an einen Loch, Heck, kamen, da abermals in ein Dampfboot abgesetzt wurden, das uns zu endlicher guter Letzt an ein letztes abgab, an der Mündung der Clyde, mit dem wir nach Glasgow die Clyde hinauf fuhren. Prächtige Fahrt, – keine oder kleine Wellen, Seeörter am Flusse mit großen Seeschiffen, Möwen, vorübersausende Dampfschiffe, Landhäuser, ein Felsen mit Dumbarton Castle, und einem Blick ins helle Weite, vom blauen thürmenden Ben Lommond stattlich beschlossen – wir begrüßten ihn zum ersten male. Das Land wurde flacher und sanfte Kornfelder nickten uns nach den langen stolzen schweigenden Bergen wie alte Bekannte vertraulich zu – Alles war dabei still und friedlich und voll. Dreierlei Stillen regieren hier überhaupt – in den Bergen rauschts voll Wasser, aber es ist ernsthaft still – im Meere zwischen den Inseln schlagen die Wellen, aber es ist trostlos still – in den vollen Ebenen fliegen die Dampfschiffe, aber es ist sanft und in Erholung still, – das erste sind wüste Gesellen die wollen nichts lernen und nicht arbeiten, das zweite sind abgesetzte Götter die schmollen, das letzte sind fromme Kinder nach gutem Tagewerk. In Glasgow aber sind 70. Dampfböte, von denen 40. täglich auslaufen, und viele lange Schornsteine dampfen, – eine trefliche Inn erquickt uns, in der aber die Aufwärter noch mit zwei Händen und eben so viel Füßen bedienen, weils mit Dampf noch nicht ausgefunden ist. – Am 11ten. Morgen gehts zum Loch Lommond und zu den übrigen Puncten, die eigentlich als Beilagen zu W. Scotts sämmtlichen Werken ausgegeben und verpackt werden sollten, einstweilen ist Glasgow besehen und vortreflich. Man schwimmt in Behagen auf Trottoirs und in netten Kleidern, man sieht wieder Philister mit menschlichen Geschäften angethan und schwelgt in Bildung. Wir kommen aus einer Abendgesellschaft voll Musik, Felixiana und Psalmen von Neukomm. Der, Ritter Neukomm, ist eine Art Feuerdrache, der vor uns, der schlimmen Zeit, herzieht und guten Geruch für uns, nämlich Felix, zurückläßt, – er liest den Leuten in sämmtlichen Plätzen, so erzählten sie uns hier und in Edinburgh, sein Reisetagebuch vor und verschenkt Psalmen an die Damen; wir hörten heute Abend zwei davon. Reise ich noch lange so mit Felix durch gebildete Städte, so verliere ich alle meine netten Manieren, und werde nachlässig, ich richte etwa meine Conversation an die Eßwaaren und fresse die Leute. Heute Morgen waren wir in einer stupenden Baumwollenspinnerei, voll tollen Lärmens – so vielem wie beim göttlichen Wasserfall von Monass – wo ist denn der Unterschied fürs Ohr? Eine alte Arbeiterinn beim Kratzfache hatte einen Baumwollenkranz um, und eine andre hatte ihr Zahnweh damit verbunden, – hunderte von kleinen Mädchen quälen sich da früh und sehen gelb aus. Aber poetisch bleibt sone Geschichte immer – die Ordnung wird erhaben und das Ganze verschlingt sich wie Jahreszeiten und Vegetation. Ich spaße wenig, und bewundere viel – die Zeiten sind gar nicht so schlecht, wo Alles, es mag wollen oder nicht, weiter muß, und Bewegung ist die beste Verdauung. Die Zeit eilt schrecklich und vom Hochlande ist noch alles, die Weite und Enge, nachzuholen, aber man ist zu weit voraus – beste, ja noch bessere Gedanken und Briefquadern haben wir aller Orten und Ecken liegen lassen müssen und die Hochländer verstehens nun nicht. Und doch verdienten Sie Alle unser Bestes und nicht unser Eiligstes. Ihr CKlingemann. Auf einer Hebride. D. 7ten August 1829. Um zu verdeutlichen, wie seltsam mir auf den Hebriden zu Muthe geworden ist, fiel mir eben folgendes bey: etc. Glasgow d. 11 Aug. Was liegt da Alles dazwischen. Die gräßlichste Seekrankheit, Staffa, Gegenden, Reisen, Menschen; Klingem. mag sie beschreiben, denn erstlich hat er nicht, wie ich, heut Posttag nach London gehabt, wohin ich mehrere Briefe habe schreiben müssen, 2tens ist er nicht wie ich von starken Kopfschmerzen seit heut Abend geplagt, die mir das Denken erschweren, das Schreiben unmöglich machen. Dazu nehmt daß es jetzt Mitternacht ist, und wir nach unserer Hochlandreise heut gleich einen Tag voll Maschinen, Sälen, Kirchen, Dampf, Menschen, Schornsteinen zugebracht haben, und ihr werdet mich entschuldigen, wenn ich mich kurz fasse. Ich kann heut nicht mehr. Auch steht das Beste, was ich zu melden habe genau in den obigen Musikzeilen, die Beschreibung der Krankheit, des durchaus ungünstigen, nassen Wetters, und so fort, erspare ich Euch gern. Verzeiht also diesmal. Ich zeichne sehr fleißig, und Klingem. s Gedichte werden prächtig, auch glaub’ ich daß mir einige Bildchen besser gelungen sind als sonst. Auch gehts mit dem Geldausgeben mäßiger als ich dachte. Wir haben nur 24 £ bis jetzt gebraucht. Morgen gehn wir nach Loch Lomond und dem Ben, nach Loch Katrine, den Trosachs, Aberfoil, Stirling und Lanark; Ende dieser Woche sind wir wieder hier, und von da aus bekommt Ihr den letzten unserer Doppelbriefe; er soll von meiner Seite besser sein. Wir trennen uns dann, Klingem. geht nach London zurück, und wie ich meine Reise einrichte, werde ich über 8 Tage genau melden können. Im Ganzen denk ich noch 3 Wochen von da ab hier auf den Inseln zu bleiben, und dann nach dem Continent zu gehen. Schickt doch, wo möglich, einige gute Briefe für die Niederlande. Verzeiht den schlechten, eiligen Brief und lebt mir wohl. F.
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Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 1, 208 </idno> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>USA</country> <settlement>New York, NY</settlement> <institution key="RISM">US-NYp</institution> <repository>New York, NY, The New York Public Library for the Performing Arts, Astor, Lenox and Tilden Foundations, Music Division</repository> <collection>*MNY++ Mendelssohn Letters</collection> <idno type="signatur">Vol. II/79.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1829-08-11-01" type="letter" xml:id="title_ad01eae2-b4c8-4cc8-8d4b-c8b2c73e84a7">Carl Klingemann und Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy; Tobermory, 7. August, und Glasgow, 10. und 11. August 1829</title> <incipit>Die Jugend von Tobermory, der Hauptstadt der Insel Mull, lärmt vergnüglich am Hafen, das Atlantische Meer, in dem sich reichlich Wasser zu befinden scheint, liegt ganz still vor Anker, gleich unserm Dampfschiff, wir sind in</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>6 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Mehrfache Textverluste durch Siegelabriss.</p> <handDesc hands="2"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Klingemann</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Hensel, Familie Mendelssohn 1879, Bd. 1, S. 249-257 (Teildruck).</bibl> <bibl type="printed_letter">Elvers, Briefe, S. 84 f. (Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1829-08-07" xml:id="date_d29ac8f4-06cb-4dc0-9404-b3433678f93f">7. August</date>, <date cert="high" when="1829-08-10" xml:id="date_59b282de-46ed-461e-b98e-416019d36dd9">10.</date> und <date cert="high" when="1829-08-11" xml:id="date_75e4fd26-d577-426f-b4d0-3c2b20182b53">11. August 1829</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0112434" resp="author" xml:id="persName_bafd8849-3fc9-41a5-b21a-137d47dc306f">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_39b09827-24a3-4371-bb94-0595dadb9709">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><persName key="PSN0112434" resp="writer">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_81c6e87d-82b3-4012-9795-3e0b47c69ddb"> <settlement key="STM0100659">Tobermory</settlement> <country>Schottland</country></placeName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_55ccbfbc-f1ec-4c22-8b3a-5c924c10b95c"> <settlement key="STM0100163">Glasgow</settlement><country>Schottland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113247" resp="receiver" xml:id="persName_105f85de-a24f-4653-9239-6f5504d6e877">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <persName key="PSN0113241" resp="receiver" xml:id="persName_8743427f-41c3-4077-b14b-e672ba561cd8">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_6983c83b-7c96-437a-a18f-eb458070ec76"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country></placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_c74eeefc-3366-45e8-9439-0d0b32d14388"> <head> <address> <addrLine>À Mess.</addrLine> <addrLine>Mess. Doxat & Co.</addrLine> <addrLine>London.</addrLine> <addrLine>13 Bishopsgate St.</addrLine> <addrLine>pour Mr. A. Mendelssohn Bartholdy.</addrLine> <addrLine>Berlin.</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_fd22ca8e-4e55-4dd3-a9be-c5292716a5c0"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_5aad6629-c2b3-443b-bda0-7a0815473c27">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_51089cb6-a6f6-49d5-9806-ee9a853ecc0b">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <dateline rend="right">Gegeben in den <placeName xml:id="placeName_7571fe64-b552-45b7-9608-e6d791b42476">Hebriden<settlement key="STM0100485" style="hidden" type="">Hebriden</settlement><country style="hidden">Schottland</country></placeName>, am <date cert="high" when="1829-08-07" xml:id="date_1dd11e5e-023e-4f77-9275-6d4b28812c4f">7. Aug.</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Die Jugend von Tobermory, der Hauptstadt der Insel Mull, lärmt vergnüglich am Hafen, das Atlantische Meer, in dem sich reichlich Wasser zu befinden scheint, liegt ganz still vor Anker, gleich unserm Dampfschiff, wir sind in ein respectables Privathaus einquartiert, und stiften unserm Tagewerk gern ein erquicklich Denkmal, indem wir gleich <persName xml:id="persName_fbc04d00-5874-4c69-8c48-9d45ef168aaf">Napoleon<name key="PSN0111152" style="hidden">Frankreich, Napoléon I. Bonaparte von (1769-1821)</name></persName>, unsere ArmeeBülletins immer nur von bedeutenden Puncten ab erlassen. Ordentlich reizend ists hier, ich habe von jeher als fast Geobürgerlicher, nicht -graph, die Hebriden mit den Hespiriden verwechselt, und das machts, – fand ich auch die Orangen nicht auf den Bäumen, so lagen sie doch im WhiskyPunsch. Wir leben übrigens – das Plaisir abgerechnet – wie auf einer Börse, nämlich im steten Wechsel – gestern zogen wir, Berg auf Berg ab; der Karren meist zur Seite, und wir nebenher steigend, durch Haiden und Möre und Pässe aller Art – die Natur hat hier so sehr für die letztern gesorgt, daß das Gouvernement weiter gar keine fordert – unter Wolken und in dichtem Staubregen durchs Hochland, räuchrige Hütten klebten auf Abhängen und häsliche Weiber schauten durch die Fensterlöcher, Viehherden mit <title xml:id="title_4113348c-104a-4253-8b57-a36c2b48a497">Rob Roys<name key="PSN0114821" style="hidden" type="author">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name><name key="CRT0110834" style="hidden" type="literature">Rob Roy</name></title>sperrten zu Zeiten unsern Lauf – gewaltige Berge steckten bis auf die Knie im HochlandsCostüm in den Wolken, und kuckten wohl oben wieder heraus – man sah aber manchmal wenig. Gestern Abend spät aber fielen wir, fast unverhofft, wieder in einige Cultur, nämlich in eine Straße, aus der das Fort Williams besteht, und heute Morgen warfen wir uns der neusten, dem Dampf, in die Arme, waren wieder unter vielen Menschen und schlürften Sonnenschein mit Meergrün – weite Seelinien, die Felsen in bescheidener Ferne, gute Kost und mancherlei Gesellschaft. Wir finden so’n Dampfboot wieder poetisch “unten durch“ – diese sonderbare Art von conversierender Vertraulichkeit, ein eiliges Hin- und Her, das Treiben der Maschine, Passagiere, die dort am Strand warten und heranrudern, oder hier auf irgend einer fremden Küste oder Insel abgesetzt werden, findet man wohl kaum in einem Salon – obendrein kennen sich die Leute fast alle, und gehören zum Boden – ein neuer Freund erzählt uns gleich, wie das junge Ehepaar dort seinen honeymoon verreise, und wie er sie auf dem Ben Lommond kurz nach der Hochzeit einen Scotch Reel hätte tanzen sehen. Die Braut mit Abschiedsthränen in den Augen |: sie war just hübsch genug für eine Hochländerinn :| – am Hafen von Oban steht <persName xml:id="persName_66e5fdc1-4686-4034-9a6c-d3a487ed6a23">Bruce’s<name key="PSN0114686" style="hidden">Schottland, Robert I. (the) Bruce (1274-1329)</name></persName> Felsen, wo er irgend eine That verrichtet, der <persName xml:id="persName_8af57ef2-2173-4e7c-9ac0-51164aa747a0">Laird, Mac Dunald<name key="PSN0113016" style="hidden">Mac Dunald, Gutsbesitzer in Schottland</name></persName>, geht mit seinen Damen nach seinem Hause, einem neuen, was hinter den Ruinen des alten Castle’s steht, und worin noch ein silberner Broach von <persName xml:id="persName_02a0cb35-f11b-4c7b-ab58-ab8bad47dd58">Bruce<name key="PSN0114686" style="hidden">Schottland, Robert I. (the) Bruce (1274-1329)</name></persName> aufbewahrt wird – unser Edinburger Freund, der <persName xml:id="persName_6851354d-54ed-4814-aaa1-319afcf0600e">SeeCapitain Nelson<name key="PSN0113568" style="hidden">Nelson, Mr.</name></persName>, mit dem wir auf dem Schiffe zusammentrafen und Hands shaken, erzählt wunderliche Geschichten darüber, wie diese Reliquie verloren gewesen und theuer wiedererkauft sey, – es sey einmal geraubt, mit andern Sachen, und habe sich zuletzt im Besitz einer Dame gefunden, die von <persName xml:id="persName_ad28ebdf-5070-4ec5-aba4-7dd10c2e58d9">Rob Roy<name key="PSN0113023" style="hidden">MacGregor, Robert (gen. Rob Roy) (1671-1734)</name></persName> abstamme u.s.w. Ein <persName xml:id="persName_002972e1-f376-4f30-b2ac-773cb661844a">ältlicher Gentleman<name key="PSN0110151" style="hidden">Brown, Mr.</name></persName> redet uns in Deutsch an, und erzählt von seinen Reisen in Deutschland – 1798. sey er in Berlin gewesen und habe logirt in Stadt Paris, was eine <persName xml:id="persName_a3cc410c-e2d5-4c7d-85f3-c5da3071b0ef">Madam Daak<name key="PSN0110529" style="hidden">Dacke (Daak), Frau</name></persName> gehalten, mit <persName xml:id="persName_ffcaadd8-0997-4a60-920a-540b6a5b9fb4">zwei liebenswürdigen Töchtern<name key="PSN0110530" style="hidden">Dacke (Daak), Fräulein</name><name key="PSN0114858" style="hidden">Selle, Charlotte Luise Wilhelmine Ulrike (1749 (?)-?)</name></persName>, von denen die eine sehr musikalisch und die andre eine starke Mahlerinn gewesen sey – ich kannte sie ja, und berichtete ihm dies, und daß die eine die <persName xml:id="persName_8efc938e-fa7e-483c-a66a-f886d1967da5">Geheimräthin Selle<name key="PSN0114858" style="hidden">Selle, Charlotte Luise Wilhelmine Ulrike (1749 (?)-?)</name></persName> sey und die andre fast einen Bart bekommen, und daß beide die nämlichen ältlichen Damen, denen ich in jüngeren Jahren zu Zeiten einige Paradoxen gesagt. – </p> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_817002e7-50d6-4676-8d8f-556722af7ac8"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <dateline rend="right"><hi rend="underline">Glasgow</hi>, d <date cert="high" when="1829-08-10" xml:id="date_4f9340ae-e3b1-47a2-8b8e-320fbb402dc1">10. Aug.</date> –</dateline> <p style="paragraph_without_indent">Da liegen wieder Meere dazwischen! An jenem 7<hi rend="superscript">ten</hi> mußte Ruhe gesammelt werden um am folgenden Morgen um 5. Uhr in See zu stechen – ich hatte mir vorgenommen noch an diesem Morgen zu schreiben, einige nüchterne Zeilen, – wer braucht aber dazu immer grade den Morgen, und wer hat Zeit an ihm wenn er früh ist? Wenn man wie wir jetzt, im besten Wirthshause einer Handelsstadt von 160,000. Einwoh[nern] sitzt, die eine Universität und Kattunfabriken hat, und Kaffee und Zucker aus der ersten Hand, so schaut ma[n] mit Behagen auf erlittenes Ungemach zurück. – Das Meer und die Hochlande aber brauen sich nichts wie Whisky und schlecht Wetter. Hier ists anders und platt aber comfortable, mit blauem Himmel über sich und gutem Soph[a] unter sich, genießbaren Victualien vor sich und dienstbaren Geistern um sich bietet man allen Gefahren Trotz, besonders den überstandenen. Am besagten frühen Morgen des 8. Aug. wurden die angenehmen DampfPersonen, die jüngst mit lauter Oelblättern auf uns zugeflogen waren, immer niedriger, je tiefer der Barometer fiel und je höher die See ging. Das that nämlich die Atlantische – das reckte seine tausend Fühlfäden immer ungeschlachter und quirlte immer mehr – die SchiffsRegierung behielt ihr Frühstück fast allein, denn wenige vermogten die Tassen zu handhaben, und überhaupt fielen die Ladies um wie die Fliegen, und ein und anderer Gentleman thats ihnen nach; ich wollte mein ReisePechbruder wäre nicht unter ihnen gewesen, aber er verträgt sich mit dem Meere besser als Künstler denn als Mensch, oder als Magen; Zwei hübsche kalte Töchter eines Hebridischen Aristocraten, eines <persName xml:id="persName_c6d4048a-e7fb-4500-9195-f1e142cc082d">Sir James Riddel<name key="PSN0114180" style="hidden">Riddell, Sir James Milles 2nd Baronet (1787-1861)</name></persName>, auf die Felix wüthen mag, blieben allein ruhig oben sitzen, und machten sich nicht einmal viel aus der Seekrankheit ihrer Mutter; – noch saß eine 82jährige Frau gelassen an den Dampfmasten und wärmte sich im kalten Winde. Die Frau hat mich sechsmal gerührt, und sieben mal geärgert – sie wollte Staffa noch sehen vor ihrem Ende. Staffa mit seinen närrischen Basaltpfeilern und Höhlen steht in allen Bilderbüchern, wir wurden in Böten ausgesetzt und kletterten am zischenden Meere auf den Pfeilerstümpfen zur sattsam berühmten Fingalshöle. Ein grüneres Wellengetöse schlug allerdings nie in eine seltsamere Höhle – mit seinen vielen Pfeilern dem Innern einer ungeheuren Orgel zu vergleichen, schwarz, schallend, und ganz ganz zwecklos für sich allein da liegend – das weite graue Meer darin und davor. Da kletterte mühsam die alte Frau hart am Wasser – sie wollte doch noch vor ihrem Ende die Höhle von Staffa gesehen haben. Sah sie auch. Wir Vordern kehrten im kleinen Boot zum Dampfschiff zurück, dem man an der LeeSeite beikommen wollte, was bekanntlich unerfahren und bedenklich, der Kapitain pfiff durch die Wellen vom Ufer, die Passagiere fluchten, der Kahn wollte umschlagen, doch ließen sich die Hochländer – Niederländer wären gescheuter gewesen – bedeuten und brachten uns an die rechte Stelle, wieder zum unerquicklichen Steam-Duft. Beim zweiten Boot was ankam sah ich erst, wie wahr Theater in Opern das Auf- und Abschwanken eines Kahns, in dem der Geliebte die Werthe aus einiger Noth errettet, darzustellen vermögen – es hatte einigen Werth, daß die beiden vornehmen Gesichter doch blaß geworden waren – so sah ichs durch meinen schwarzen Brill. Aber die 82jährige Alte saß auch darin, und zitterte – das Boot schwankte, mit Mühe hob man sie heraus, – sie hatte doch vor ihrem Ende Staffa noch gesehen! – Das Vergnügen wurde immer ernsthafter, da wo gestern nett conversirt war, wurde mehr geschwiegen heute – der blanke Moor (Mohr wirds sonst geschrieben aber die Highlands verderben alle Ortographie) der auf dem Verdeck saß, und mit Tamburin und Waldpfeife den JägerChor im Atlantischen vortrug wenn er nicht rauchte, und der Abends pfeifend die Jugend von Tobermory mit sich herumzog, war dort geblieben; – der gelbe MulattenKoch, dessen gleißendes Kalibansgesicht wir gestern mit Jubel zwischen Kesseln und Heringen und Zugemüse hatten herumhanthieren sehen, briet heute alten Schinken, und brachte mit diesem Geruch einzelne leidende Seefahrer zur Verzweiflung, wo nicht zu was Schlimmeren; – die noch lebenden Passagiere verschworen sich gegen den Kapitain, der dem <persName xml:id="persName_6d8e0b61-40dd-43d2-9439-55f258264f95">Sir James<name key="PSN0114180" style="hidden">Riddell, Sir James Milles 2nd Baronet (1787-1861)</name></persName> zu Gefallen den alten längeren Weg zurück nehmen wollte, statt auf einem kürzeren um Jona herum nach Oban zu gehen. Jona, eine von den Hebridenschwestern, klingt doch wohl sehr Ossianisch und weichmüthig, und es ist was dran – sitze ich mal in einer tollvollen Assemblée mit Musik und Tanz, und ich habe Lust, mich in die ödeste Einsamkeit zu begeben, so denke ich an Jona, woselbst die Ruinen einer Kathedrale, die mal geglänzt hat, die Reste eines Nonnenklosters, und die Gräber der alten Schottischen Könige und älterer Nordischer Seefürsten; auf manchen Denksteinen sind zwischen groben Verzierungen Schiffe ausgehauen. Wohnte ich aber gar auf Jona, und lebte dort von Melankolie wie andere von ihren Renten, so wäre mein dunkelster Augenblick der, wo ich im weiten Raume, der nichts führt als Klippen und Möwen, mit einemmale einen Schnörkel von Dampf sähe, dann das Schiff selber, und zuletzt gar eine bunte Gesellschaft in Schleiern und Fräcken herausträte, sich eine Stunde lang die Ruinen und die Gräber und die drei kleinen Hütten für die Lebendigen ansähe und dann wieder davon zöge, – und dieser [rech]t unmotivirte Spaß sich nun wöchentlich zweimal erneuerte, als das Einzige beinah, woran zu erkennen [d]aß eine Zeit und Uhren in der Welt; – es müßte seyn als zögen die alten Begrabenen in einer possenhaften [Ve]rmummung um. Jona gegenüber liegt eine Felseninsel die sieht zum Ueberfluß noch aus wie eine zerstörte Stadt.</p> <p>In Jona aber nahmen die Aristocraten ein Gouter zwischen den KathedralRuinen, und darauf, phantasirten wir, schrieb die älteste Miss in ihr Tagebuch: Delightfull – ! we dined in the awfull Ruins of the ruined Church – &c – Nach und nach genasen die Seeleidenden, ein Segel wurde über dem Verdeck ausgespannt, weniger gegen die Sonne als gegen die Feuchtigkeit, über die wir Pechbrüder immer im Streit liegen, weil Felix es Regen nennt, ich aber Mist – und man hielt im Angesicht sämmtlicher Seeungeheuer offene Tafel im Atlantischen – selbst Felix biß wieder ein und um sich; – der Sir trank Wein mit denen die nicht über und gegen ihn gemurrt hatten, – wir entzogen uns dem. Um 7. Uhr Abends hätten wir wieder in Oban, unserm Continent, seyn sollen, wir hielten aber blos bei Tobermory – Einzelne landeten, – der Mohr zog nicht lustig mit der Inseljugend umher, denn es regnete, und er hätte keine geneigte Gehöre gefunden. Es wurde Nacht und dunkel – der Kapitain legte in irgend einem Winkel ruhig vor Anker, – und wir uns in die Kajüte, Betten gabs nicht, und Heringe wohnen in Römischen Sälen gegen uns – ich wollte in der Schlaftrunkenheit zu Zeiten Fliegen aus meinem Gesicht vertreiben und es waren nur die gereiften Locken des gereisten Schotten – wäre der Pabst dabei gewesen, so hätte ihm ein und der andre Protestant unbesehens den Pantoffel geküßt, denn man machte oft unbekannte Stiefel zu seinem Kopfkissen – es war ein wüstes Gelag ohne Trinken, zu dem Regen und Wind abgeschmackte Lieder sangen. Um halb sieben Uhr Morgens, am Sonntag, landeten wir in Oban unter Regen, – Betten fanden wir beiden nicht – ein Frühstück also stärkte, – eine Gälische Predigt wollten wir nicht hören, und setzten uns also, vom Regen beschattet, auf eins der liebenswürdigen Fuhrwerke von offenem BergCharacter, die Carts heißen und mit denen schlechte Wege ganz füglich auszubessern und schwerfällige Reisende gut in Flug und zum Fluch zu bringen sind. Zuletzt schien aber die Sonne und erwärmte Herzen und trocknete Mäntel, – in Inverary war ein trefliches Wirthshaus und braves Unterkommen, eine schwarzlockige schöne Wirthstochter schaute als Schild über dem Schilde in den Hafen hinein, in dem die frischesten Heringe um 9. Uhr Morgens noch lebendig schwimmen um eine Viertelstunde darauf schon gebraten in den Kaffee getunkt zu werden, künftige Reisegefährten fragten uns theilnehmend unsere gehabten Leiden und zerrissenen Stiefel ab, das Schloß des Herzogs von Argyll schaute stolz aus den hohen Bäumen heraus, und von hohen Bergen ringsumher besprachen sich die unbeschwerten Bäume oben mit den behauenen Verwandten unten, die schon im Schiffswesen angestellt im Wasser umherschwammen. Unsere Sehnsucht nach Cultur und Briefen trieb uns hieher, nach Glasgow – in wunderbarer Fahrt – durch verschiedene Löcher nämlich Seen, und bei Land – aus einem Dampfboot, in das wir stiegen, während die schwarzlockige Wirthstochter Clavier schlug, wurden wir in eine Dampfkutsche gesetzt – sie wurde aber von Pferden gezogen, und erstere stand, schon gebraucht aber noch nicht ganz practikabel, müssig am Wege, ein lächerliches Fuhrwerk mit einem hohen Schornstein und einem Steuer. Dann wurden wir wieder in ein Dampfschiff gesetzt, was von Eisen – die Wände aber an die wir klopften, waren von Holz; – dann fuhren wir wieder eine Strecke zu Lande, bis wir wieder an einen Loch, Heck, kamen, da abermals in ein Dampfboot abgesetzt wurden, das uns zu endlicher guter Letzt an ein letztes abgab, an der Mündung der Clyde, mit dem wir nach Glasgow die Clyde hinauf fuhren. Prächtige Fahrt, – keine oder kleine Wellen, Seeörter am Flusse mit großen Seeschiffen, Möwen, vorübersausende Dampfschiffe, Landhäuser, ein Felsen mit Dumbarton Castle, und einem Blick ins helle Weite, vom blauen thürmenden Ben Lommond stattlich beschlossen – wir begrüßten ihn zum ersten male. Das Land wurde flacher und sanfte Kornfelder nickten uns nach den langen stolzen schweigenden Bergen wie alte Bekannte vertraulich zu – Alles war dabei still und friedlich und voll. Dreierlei Stillen regieren hier überhaupt – in den Bergen rauschts voll Wasser, aber es ist ernsthaft still – im Meere zwischen den Inseln schlagen die Wellen, aber es ist trostlos still – in den vollen Ebenen fliegen die Dampfschiffe, aber es ist sanft und in Erholung still, – das erste sind wüste Gesellen die wollen nichts lernen und nicht arbeiten, das zweite sind abgesetzte Götter die schmollen, das letzte sind fromme Kinder nach gutem Tagewerk. In Glasgow aber sind 70. Dampfböte, von denen 40. täglich auslaufen, und viele lange Schornsteine dampfen, – eine trefliche Inn erquickt uns, in der aber die Aufwärter noch mit zwei Händen und eben so viel Füßen bedienen, weils mit Dampf noch nicht ausgefunden ist. – <hi rend="underline">Am 11</hi><hi rend="superscript"><hi n="1" rend="underline">ten</hi></hi>. Morgen gehts zum Loch Lommond und zu den übrigen Puncten, die eigentlich als Beilagen zu <persName xml:id="persName_ffe93333-9cfa-4996-b0b5-206864019307">W. Scotts<name key="PSN0114821" style="hidden">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name></persName> sämmtlichen Werken ausgegeben und verpackt werden sollten, einstweilen ist Glasgow besehen und vortreflich. Man schwimmt in Behagen auf Trottoirs und in netten Kleidern, man sieht wieder Philister mit menschlichen Geschäften angethan und schwelgt in Bildung. Wir kommen aus einer Abendgesellschaft voll Musik, Felixiana und <title xml:id="title_8a932edb-bab0-4b0c-8b6a-83eb831ca29f">Psalmen von Neukomm<name key="PSN0113580" style="hidden" type="author">Neukomm, Sigismund (seit 1815) Ritter von (1778-1858)</name><name key="CRT0110204" style="hidden" type="music">How long will you forget me (13. Psalm) NV 334</name><name key="PSN0113580" style="hidden" type="author">Neukomm, Sigismund (seit 1815) Ritter von (1778-1858)</name><name key="CRT0110208" style="hidden" type="music">The Lord is my Shepherd (23. Psalm) NV 333</name></title>. Der, <persName xml:id="persName_b59d469e-587d-4274-8884-0dc0cf93378f">Ritter Neukomm<name key="PSN0113580" style="hidden">Neukomm, Sigismund (seit 1815) Ritter von (1778-1858)</name></persName>, ist eine Art Feuerdrache, der vor uns, der schlimmen Zeit, herzieht und guten Geruch für uns, nämlich Felix, zurückläßt, – er liest den Leuten in sämmtlichen Plätzen, so erzählten sie uns hier und in Edinburgh, sein Reisetagebuch vor und verschenkt Psalmen an die Damen; wir hörten heute Abend zwei davon. Reise ich noch lange so mit Felix durch gebildete Städte, so verliere ich alle meine netten Manieren, und werde nachlässig, ich richte etwa meine Conversation an die Eßwaaren und fresse die Leute. Heute Morgen waren wir in einer stupenden Baumwollenspinnerei, voll tollen Lärmens – so vielem wie beim göttlichen Wasserfall von Monass – wo ist denn der Unterschied fürs Ohr? Eine alte Arbeiterinn beim Kratzfache hatte einen Baumwollenkranz um, und eine andre hatte ihr Zahnweh damit verbunden, – hunderte von kleinen Mädchen quälen sich da früh und sehen gelb aus. Aber poetisch bleibt sone Geschichte immer – die Ordnung wird erhaben und das Ganze verschlingt sich wie Jahreszeiten und Vegetation. Ich spaße wenig, und bewundere viel – die Zeiten sind gar nicht so schlecht, wo Alles, es mag wollen oder nicht, <hi rend="underline">weiter muß</hi>, und Bewegung ist die beste Verdauung. Die Zeit eilt schrecklich und vom Hochlande ist noch alles, die Weite und Enge, nachzuholen, aber man ist zu weit voraus – beste, ja noch bessere Gedanken und Briefquadern haben wir aller Orten und Ecken liegen lassen müssen und die Hochländer verstehens nun nicht. Und doch verdienten Sie <seg type="closer" xml:id="seg_511e3c86-4b73-450c-806a-564bdbad6148">Alle unser Bestes und nicht unser Eiligstes. </seg></p> <signed rend="right">Ihr</signed> <signed rend="right">CKlingemann.</signed> </div> <div n="3" type="act_of_writing" xml:id="div_ef2d10a4-3282-4ec5-834f-e350d271c54d"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Auf einer <placeName xml:id="placeName_da48414b-ce66-402c-a455-eafc9a83c9ba">Hebride<settlement key="STM0100485" style="hidden" type="">Hebriden</settlement><country style="hidden">Schottland</country></placeName>. <date cert="high" when="1829-08-07" xml:id="date_00b08c0a-878e-4dea-9a69-b2139274f235"><seg type="inline">D. 7<hi rend="superscript">ten</hi> August 1829.</seg></date> Um zu verdeutlichen, wie seltsam mir auf den Hebriden zu Muthe geworden ist, fiel mir eben folgendes bey:</p> <p style="paragraph_centered"><note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_53f168c8-8f3b-119d8-420e2-188ab720bfcc" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> etc.</p> </div> <div n="4" type="act_of_writing" xml:id="div_eb306327-2091-4818-a505-c068d9114eb2"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent"><date cert="high" when="1829-08-11" xml:id="date_10f83b8f-9e63-45f5-9292-c809688b9f8e"><seg type="inline">Glasgow d. 11 Aug.</seg></date> Was liegt da Alles dazwischen. Die gräßlichste Seekrankheit, Staffa, Gegenden, Reisen, Menschen; Klingem. mag sie beschreiben, denn erstlich hat er nicht, wie ich, heut Posttag nach London gehabt, wohin ich mehrere Briefe habe schreiben müssen, 2<hi rend="superscript">tens</hi> ist er nicht wie ich von starken Kopfschmerzen seit heut Abend geplagt, die mir das Denken erschweren, das Schreiben unmöglich machen. Dazu nehmt daß es jetzt Mitternacht ist, und wir nach unserer Hochlandreise heut gleich einen Tag voll Maschinen, Sälen, Kirchen, Dampf, Menschen, Schornsteinen zugebracht haben, und ihr werdet mich entschuldigen, wenn ich mich kurz fasse. Ich kann heut nicht mehr. Auch steht das Beste, was ich zu melden habe genau in den obigen Musikzeilen, die Beschreibung der Krankheit, des durchaus ungünstigen, nassen Wetters, und so fort, erspare ich Euch gern. Verzeiht also diesmal. Ich zeichne sehr fleißig, und Klingem.s Gedichte werden prächtig, auch glaub’ ich daß mir einige Bildchen besser gelungen sind als sonst. Auch gehts mit dem Geldausgeben mäßiger als ich dachte. Wir haben nur 24 £ bis jetzt gebraucht. Morgen gehn wir nach Loch Lomond und dem Ben, nach Loch Katrine, den Trosachs, Aberfoil, Stirling und Lanark; Ende dieser Woche sind wir wieder hier, und von da aus bekommt Ihr den letzten unserer Doppelbriefe; er soll von meiner Seite besser sein. Wir trennen uns dann, Klingem. geht nach <placeName xml:id="placeName_10ceb275-48f6-4440-841b-646d90c33f1d">London<settlement key="STM0100126" style="hidden" type="">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> zurück, und wie ich meine Reise einrichte, werde ich über 8 Tage genau melden können. Im Ganzen denk ich noch 3 Wochen von da ab hier auf den Inseln zu bleiben, und dann nach dem Continent zu gehen. Schickt doch, wo möglich, einige gute Briefe für die Niederlande. <seg type="closer" xml:id="seg_a77ae8bd-f6f0-407f-aadc-125be8886dcb">Verzeiht den schlechten, eiligen Brief und lebt mir wohl. </seg></p> <signed rend="right">F.</signed> </div> </body> </text></TEI>