fmb-1829-08-03-01
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Abbotsford, 31. Juli, Perth, 1. August, und Blair Athol, 3. August 1829
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
6 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Klingemann
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Unter uns schnarcht der große Mann – seine Doggen schlafen und seine gewappneten Ritter wachen – es ist 12 Uhr und die süßeste Geisterstunde, die ich je erlebt, denn 3 4
Dies zum Andenken von pp
Der Böse der da verneint und der Vater der Lügen ist, hole aber Letztere, wenn man kein wahr Wort spricht sondern eben lügt – ich habe nichts von alle dem je erlebt, sondern mein Brief fängt in ganz andern hellen und muntern Tönen jetzt erst an:
Hochlandsanfang!
Wir stehlen uns einander unsere besten Gedanken – dieser gehört Felix, und mir dafür die
r. r. Mendelssohn veranstaltet, und seine hoffnungsvollsten Schülerinnen – ungeschlachte Knaben führt er nicht – auf Meilenweit dazu zusammengetrieben. Leute wie wir, die vorher ein breackfast bei Mrs. r. r.
Als heut Morgen die Sonne schien, und der heiterste Tag vom Himmel für die Schottischen Gebirge hinaufstieg, da liefen viele bunte Menschen, Reisende, Spaziergänger, Fischer, Matrosen auf dem langen Damm im Edinburger Hafen zusammen, weil die Böte landeten, die nach dem andern Ufer hin übers Meer segeln; von allen Seiten sprangen die Leute hinein, die Schiffer luden emsig ein, der Schornstein des ferner liegenden Dampfschiffs fing an zu rauchen, und sendete lange schwarze Streifen ins Blau des Himmels, die sich in dem des Meeres wieder abspiegelten, durch die Sonnenfunken unterbrochen, beladen schwanken die Kähne fort, nette Damen und schöne Kinder, grämliche Herren mit Mützen, auch unter andern zwei lustige Gesellen, die ihr gut kennt, kletterten schnell an die Dampfschiffsleiter aus dem Kahne hinein, die stampfenden Räder trugen uns schnell an die blaubergige Küste hinüber,
Ich zeichnete dasselbe besser und flüchtiger in mein kleines Buch das mir
Nur Morgen keinen Regen, denn Loch Tay, Kenmore und Killin soll morgen womöglich gesehen werden. Es ist heut fast ein Herbsttag. Ich will Euch bald von heut erzählen; an Stoff fehlt es mir nicht, um mich in der Leipz. Str. wichtig zu machen. Ich möchte, Ihr schicktet mir bei Gelegenheit einige Empfehlungsbriefe nach Flandern und den Niederlanden, man muß doch auch für die Zukunft sorgen. Und wenn ich mir nun denke wie das Papier nach dem Gartenhause getragen wird, und wie es gestern am Wasserfalle aus meinem Zeichenbuch in dem ich den angefangnen Brief trug herausflatterte und die Kiesel herunter, (wir kletterten aber nach und holten es wieder) und wie grade jetzt die Wirthinn das Kind mit einer süßen Melodie in moll einsingt, und das geht nun zu Euch. So gehts noch ein Paar mal hin und her. Aber dann wenns spätherbstlich wird, ziehe ich mir mal den Mantel zur letzten Tagereise nach Hause an, und trete des Abends herein. Lustig wird’s. Jetzt bin ich aber noch in Schottland, und es saus’t wild umher.
1 2 nicht kredenzt hatte, rauhe Männerstimmen und Kindergeschrei von unten, Fenstergeklirr und Flussesrauschen dicht neben uns im Sturm, und alles das von mir mit einer AdlersFeder angedeutet, am lodernden Kaminfeuer von Fichtenholz – hier hats angefangen! Der drüben beschreibts aber. “Wir – sagte ich oben bei Edinburgh, und fahre nun fort, – benehmen uns wie die wahren nachsichtigen Meister und Gentlemen, – bei einem jeden Fingerversehen der bonnie Lassies mit blonden und braunen Augen und frischen Wangen, riefen wir gefälligst Charming! und excellent! Man hatte Ursach mit uns zufrieden zu seyn; wie aber nach endlich beendigtem Aufspielen die Mädchen in Masse vorrückten, während sich Felix dem Maschinenmeister highly pleased and gratified bezeigte, wie die Kinder kaum reden wollten und nur muntere bittende Gesichter schnitten während der
thats. – Der Tag war überhaupt voll – wir liefen nach der Musik auf Abschiednehmen umher und aßen dann bei M
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Abbotsford d. 31. July 29. Staunendste! Unter uns schnarcht der große Mann – seine Doggen schlafen und seine gewappneten Ritter wachen – es ist 12 Uhr und die süßeste Geisterstunde, die ich je erlebt, denn Miss Scott bereitet die göttlichste Marmelade* – die Bäume des Parks rauschen – die Wellen der Tweed flüstern dem Barden die Geschichte der Vorzeit und das Geheimniß der Gegenwart – und Harfentöne, von zarter Hand gegriffen, klingen dazwischen ins fremd-alterthümliche Gemach hinein, in das der Gefeierte uns gelagert – Mit wahrerem Hochgeschmack ist überhaupt nie ein Brief begonnen worden und auf Europa wird sehr herabgesehen! Schon wie wir heute Morgen 5 3 4 Uhr aus Edinburg schlaftrunken abfuhren, tönte es närrisch um uns herum – die Stage war schon in Bewegung – ich rann ihr nach – ein Eckensteher – immer ein Highländer hier – brachte sie zum Stehen, und rief mit Eifer: Run, my man, run my man, it wo’nt wait! Was bedeuten denn ferner 40. Meilen, wenn man dabei die Quellen des Nils entdeckt! Wir waren in Melrose Felix fuhr nach Abbotsford – ich blieb zurück, als Einer ohne letters of introduction, der nachkommen könne, wenn der Walter den Andern durchaus nicht fahren lassen wolle. Melrose Abbey ist eine Ruine voller Erhaltung und Unterhaltung, – der König David (von Schottland) und der Zauberer Scott (Michael, nicht Walter) sind da in Stein, und die ganze Gegend ist von Sagen und alten Feenreigen durchwoben – Thomas the Rymer und die Feenköniginn haben im dunkeln Glen etwas weiter hinauf Tänze gehalten, und sogar im Castellan springt noch was davon, wenn er wie ein Gems auf die höchsten PfeilerRuinen klettert. Man wird so hungrig in solchen Ruinen, die einem durch Contrast zuletzt sehr die Gegenwart auf die Nase stoßen, daß ich mich in die Inn zurückzog, zu Brod und Käse und Ale und einer Zeitung – so lag ich genießend und ruhend auf dem Sopha – da kam die Kutsche zurück, man stürmte in unser Zimmer; ich dachte nur an Felix und sagte Skurriles, da unterschied ich einen ältlichen Mann: O Sir Walter! rief ich aufspringend, und fügte erröthend entschuldigend hinzu: Nur ähnliche Kupferstiche entschuldigen ähnliche Vertraulichkeit! “Never mind! so erwiderte er, der so sehr als breit verrufene, kurz, – werther zukünftiger ParnaßBruder und HistorienRomanzier, ich freue mich Ihrer Begegnung: Ihr Freund hat mir schon und schön auseinandergesetzt, was und wieviel Sie Alles noch schreiben werden, wo nicht geschrieben haben! Dabei wurden Hände aus und wieder eingeschwenkt und wir Alle zogen im überseligen Taumel nach Abbotsford. Noch heute Abend schrieben Felix und ich Töne und Verse in ein großes Stammbuch mit Zittern – ich folgendes: Hohe Berge steigen himmelaufwärts Und die Moore liegen Mohrenschwarz dazwischen, Felsen, Schluchten, Schlösser, Trümmer reden von uralter Vergangenheit, Und sinnverwirrend umrauscht es die Neuen, Die davon träumen ohne es zu verstehen. Aber an den Pforten des Landes wohnt Einer, Der ein Weiser der Räthsel kundig ist, Und der alles Alte neu ans Licht bringt – Nun ziehen die frohen, Und rauschen und lauschen, Und reisen und weisen, Verstehen und sehen Die Felsen und Schluchten und Schlösser und Trümmer, – Der Weise aber hebet und hebet noch immer die Schätze, Und münzt sie ein in goldene klingende Batzen. Dies zum Andenken von pp Der Böse der da verneint und der Vater der Lügen ist, hole aber Letztere, wenn man kein wahr Wort spricht sondern eben lügt – ich habe nichts von alle dem je erlebt, sondern mein Brief fängt in ganz andern hellen und muntern Tönen jetzt erst an: Perth, den 1. August 1829. Hochlandsanfang! Wir stehlen uns einander unsere besten Gedanken – dieser gehört Felix, und mir dafür die bärtige fair Maid of Perth. Wenn man aber wie wir, über eine Höhe fuhr, wo sich zu ganz guter und schönster letzt Edinburgh mit seinen Bergen und dem blauen Meere noch einmal ausbreitet, während es auf der andern ganz still und grün ländlich wird, und man just nur um die Ecke zu fahren braucht um vom Erstern nichts mehr zu sehen, so sagt man zu ihr fast mit Empfindung Lebewohl! Einen TriumphAuszug aus Edinburg aber haben wir wohl gehalten – Blair Athol, den 3. Aug. Wir können uns kaum mehr einholen, und das Nachholen ist so schwer! Der Himmel ist heute Morgen dunkler wie die Tinte, und es hat geregnet mit Macht, in den Hochlanden – wie am Himmel die Wolken, so ziehen nun Vergangenheit und Gegenwart durcheinander. Ich war nämlich in Perth im Begriff auf Edinburgh zu fluchen, woselbst ich es mündlich schon that. Die feinen modernen Athener nämlich fanden es viel bequemer und geistöconomischer, Felix per reflex, im Spiegelbild, mich als Spiegel betrachtet, zu loben, als ins Angesicht selber, – es war behaglich zu Anfang – zuletzt aber zum Wildwerden. Ich hatte dann meine Phrasen dafür: “though I am partial, sagte ich, yet I must confess – und dann pries ich mit, kam mir aber überhaupt vor wie Pasquino und Marforio, mit umgekehrten Schmähschriften beklebt, nannte mich auch wohl den Lobpfosten, und lächelte satyrisch, dabei um so stärker essend und trinkend. Vorzugsweise göttlich aber nahmen wir uns aus am Donnerstag Morgen. Mr. Robertson, der Schottische Logier, hatte eine Akademie zu Ehren des treflichen bekannten Mr. Mendelssohn veranstaltet, und seine hoffnungsvollsten Schülerinnen – ungeschlachte Knaben führt er nicht – auf Meilenweit dazu zusammengetrieben. Leute wie wir, die vorher ein breackfast bei Mrs. Hogarth einzunehmen hatten, dort wieder geglänzt hatten oder das Lob eincassirt, dann sich in das Meer zu werfen, konnten nur zu rechter Zeit eintreten, nämlich zu spät – die Hoffnungskinder paukten schon 16händig, die Mütter und theilnehmenden Tanten und Cousinen, einzelne Pères nobles dazwischen, litten mit Vergnügen und harrend, Mr. Robertson schlug, da er die Kinder nicht schlagen durfte, den Takt – da sah man uns, die fremde Rarität wurde sehr voran placirt, wie ein sich langweilender nämlich amüsirender Erzherzog – zwei Kenner in seinem Gefolge, ich und Mr. Finlay Dun, ein Edinburger MusikPopanz, daneben. – Die langen Hälse wurden aus- und wieder eingerenkt, die stockenden Maschinen wieder in Bewegung gesetzt und hämmerten nun durch ganze Musikläden – this is the last, sagte der Maschinenmeister und immer noch neue Recollections und Charms und Fantasias legte er auf – den Pulten und uns. Wir Carl Klingemann Hochlandsanfang. d. 1 Aug. 29. Als heut Morgen die Sonne schien, und der heiterste Tag vom Himmel für die Schottischen Gebirge hinaufstieg, da liefen viele bunte Menschen, Reisende, Spaziergänger, Fischer, Matrosen auf dem langen Damm im Edinburger Hafen zusammen, weil die Böte landeten, die nach dem andern Ufer hin übers Meer segeln; von allen Seiten sprangen die Leute hinein, die Schiffer luden emsig ein, der Schornstein des ferner liegenden Dampfschiffs fing an zu rauchen, und sendete lange schwarze Streifen ins Blau des Himmels, die sich in dem des Meeres wieder abspiegelten, durch die Sonnenfunken unterbrochen, beladen schwanken die Kähne fort, nette Damen und schöne Kinder, grämliche Herren mit Mützen, auch unter andern zwei lustige Gesellen, die ihr gut kennt, kletterten schnell an die Dampfschiffsleiter aus dem Kahne hinein, die stampfenden Räder trugen uns schnell an die blaubergige Küste hinüber, Ich zeichnete dasselbe besser und flüchtiger in mein kleines Buch das mir Hensel zu Weihnachten gab; Edinburg, die Berge, die Thäler dazwischen dampften stark, und das grüne Wasser schlug zu beiden Seiten des Schiffes lange Reihen weißen Schaums, die den Weg bezeichneten, den wir durchschnitten hatten. An dem Ort, wo ich jetzt schreibe sollte ein Fischerdorf am Felsen liegen, da sollten hohe stages warten, da sollten wir beide von ganz hoch in die Gärten über die Hecken gucken, ich habe eine neue blaue Mütze, Klingemann hat eine schwarze Brille, wir nehmen uns seltsam aus. Gegeben zu Perth, am Theetisch, woselbst auch Marmelade ist. Den Thee hat die fair maid gemacht, die aber einen Bart hat, Tom heißt, und ein Marqueur hier im Stern ist; wenigstens ist das die einzige Schönheit, die uns hier begegnet ist; in Edinburg wohl schon mehr. Bei Gott! Wir sind eben auf einen Berg geklettert, wie die Katzen, es ist das schönste weite Flußthal, das ich gesehen habe, Felsen packen sich übereinander, drauf Tannen, drüber Ruinen, drüber ein Himmel!! Es ist heut ein Wetter, das der liebe Gott in guter Laune fabricirt hat, er muß heut früh vergnügt gewesen sein, und kaum kann ich mir es denken, das es ihm noch einmal so gelingt. Morgen brauchen wirs aber, denn da gehn wir stark zu Fuß durch Engpässe. Wir haben eine Ouvertüre zum Hochland heut gespielt, die hat geglänzt. Morgen gehts in die Berge, die sich heut in zwei Reihen an den Horizont pflanzten. Heut waren sie blau, morgen werden sie schon dunkler aussehen. Morgen giebts Wasserfälle, Schlachtfelder, Felsen, und vieles. Also morgen! Klingem. lügt drüben, wie gedruckt. Wir fanden Sir Walter im Begriff Abbotsf. zu verlassen, sahen ihn an, wie ein neues Thor, fuhren 80 Meilen und verloren einen Tag um eine halbe Stunde unbedeutender Conversation, Melrose tröstete wenig, wir ärgerten uns über große Männer, über uns, über die Welt und alles. Der Tag war schlecht. Heut war ein Tag! Wir haben das Gestern vergessen und lachen darüber. Blair Atholl. 3 Aug Heut ist der trübste, traurigste Regentag. Aber wir helfen uns so gut es geht; das ist freilich schlecht genug. Ganz durchnäßt sind Erde und Himmel, und Regimenter von Wolken ziehn noch in Reih und Glied heran. Gestern war ein wunderschöner Tag; wir gingen von Felsen zu Felsen, viel Wasserfälle, schöne Thäler mit Flüssen, dunkler Wald und Haide mit rothem Kraut; wir fuhren in offnem Einspänner des Morgens, und gingen später 21 Meilen zu Fuß. Ich zeichnete sehr viel, und Klingemann kam auf den göttlichen Gedanken, der Euch gewiß auch große Freude und Plaisir geben wird, an jeder Stelle, die ich zeichnete, einige Zeilen in Knittelversen zu entwerfen, und das haben wir denn auch gestern und heut ausgeführt. Es geht ganz prächtig, er hat schon wunderniedliche Sachen gedichtet. – Abends 3 Aug Hochlandskneipe an der Tummelbrücke. Wilde Wirthschaft. Der Sturm heult, saust und pfeift draußen hin und her, schlägt unten die Thüren zu und die Fensterladen auf, ob der Wasserlärm vom Regen oder von dem reißenden Schaumstrom herkommt kann man nicht wissen, weil beide zusammen wüthen; wir sitzen hier ruhig am Caminfeuer, das schüre ich von Zeit zu Zeit an, dann flackert es auf; übrigens ist der Saal groß und leer, an einer Wand tröpfelts naß herunter; der Fußboden ist dünn, da hallt das Gespräch aus der Knechtstube unten herauf, die singen betrunkne Lieder und lachen; dazu Hundebellen, zwei Betten mit purpurnen Vorhängen, an unsern Füßen statt der Engl. Pantoffeln Schottische Holzschuh, Thee mit Honig und Kartoffelkuchen, eine enge gewundne HolzTreppe auf der uns die Magd mit Schnaps entgegenkam, trostloser Wolkenzug am Himmel, und trotz alle des Wind und Wasserlärms, trotz des Knechtgesprächs und Thürklappens ist es still! Still und sehr einsam. Ich möchte sagen, daß die Stille durch den Lärm durchklingt. Eben geht die Thür von selbst auf. Es ist Hochlandsschenke. Die kleinen Jungen mit dem Plaid und den nackten Knien und bunten Mützen, der Aufwärter im Tartan alte Leute mit Zöpfen sprechen alle unverständlich Gaelisch durch einander. Das Land ist breit, weit, dick bewachsen und belaubt, von allen Seiten stürzen reiche Wasser unter den Brücken vor, wenig Korn, viel Haide mit braunen und rothen Blumen, Schluchten, Pässe, Kreuzwege, schönes Grün überall, tief blaues Wasser, aber alles ist ernst, dunkel, sehr einsam. Was soll ichs beschreiben? Fragt Droysen, der kennt es besser und kann es malen, wir haben uns immer Zeilen seines „Hochlands“ hergesagt. Ich rede ihn jetzt an. Lieber Droysen! Woher kennst Du Schottland? Es ist so, wie Du sagst. Heut vor einem Jahre gingen wir Nachts zur Luiseninsel die erleuchtet war; und ballten ein wenig. Auch kneipten wir in der Mittelstraße. Das thue ich jetzt am Schehallionfuß, und lese heut Abend noch in den Flegeljahren; denn die gehen mit und die Schwestern gucken mich sonderlich an; Hensel hat’s los, und kann Gesichter sehen und festhalten. Aber das Wetter ist trostlos. Ich habe mir eine eigne Manier zu zeichnen dafür erfunden, und habe heut Wolken gewischt, und graue Berge gemalt mit dem Bleistift; Klingem. reimt munter, und ich führe im Regen weiter aus; Nur Morgen keinen Regen, denn Loch Tay, Kenmore und Killin soll morgen womöglich gesehen werden. Es ist heut fast ein Herbsttag. Ich will Euch bald von heut erzählen; an Stoff fehlt es mir nicht, um mich in der Leipz. Str. wichtig zu machen. Ich möchte, Ihr schicktet mir bei Gelegenheit einige Empfehlungsbriefe nach Flandern und den Niederlanden, man muß doch auch für die Zukunft sorgen. Und wenn ich mir nun denke wie das Papier nach dem Gartenhause getragen wird, und wie es gestern am Wasserfalle aus meinem Zeichenbuch in dem ich den angefangnen Brief trug herausflatterte und die Kiesel herunter, (wir kletterten aber nach und holten es wieder) und wie grade jetzt die Wirthinn das Kind mit einer süßen Melodie in moll einsingt, und das geht nun zu Euch. So gehts noch ein Paar mal hin und her. Aber dann wenns spätherbstlich wird, ziehe ich mir mal den Mantel zur letzten Tagereise nach Hause an, und trete des Abends herein. Lustig wird’s. Jetzt bin ich aber noch in Schottland, und es saus’t wild umher. Gut Nacht, ich will zu Bett in die rothen Vorhänge. Schlaft wohl. Felix MB. Tummel Bridge Inn. Nachts 10 1/2 Uhr. Wieder verschoben! Regen den ganzen Tag – Güsse – Wasserfälle in Wasserfülle – Warten auf Klarheit die nicht kam. Da zogen wir weiter – wir waren noch nicht aus der Cultur heraus und eine Heerstraße fürs Heer verfolgte uns. Abends, um 9 1 2 Uhr aber schlug sich unser Weg links, die Berge wurden dichter, braune lange öde Rücken, auf denen die Wolken hingen, Gießbäche die von allen Seiten herunterrauschten, kleine schlechte Hütten, ein stiller gedehnter See, Loch Tummel, einzelnes Waldgebüsch, über und zwischen alle dem durch ein wüstes Windessausen, – da ist viel vom Hochland drinn. Und die Kneipe in der wir sitzen, Thee trinken und Honig dazu essen, nachdem uns die freundliche rundliche Wirthin beim Ankommen ein Glas Whisky, for the wet nicht kredenzt hatte, rauhe Männerstimmen und Kindergeschrei von unten, Fenstergeklirr und Flussesrauschen dicht neben uns im Sturm, und alles das von mir mit einer AdlersFeder angedeutet, am lodernden Kaminfeuer von Fichtenholz – hier hats angefangen! Der drüben beschreibts aber. “Wir – sagte ich oben bei Edinburgh, und fahre nun fort, – benehmen uns wie die wahren nachsichtigen Meister und Gentlemen, – bei einem jeden Fingerversehen der bonnie Lassies mit blonden und braunen Augen und frischen Wangen, riefen wir gefälligst Charming! und excellent! Man hatte Ursach mit uns zufrieden zu seyn; wie aber nach endlich beendigtem Aufspielen die Mädchen in Masse vorrückten, während sich Felix dem Maschinenmeister highly pleased and gratified bezeigte, wie die Kinder kaum reden wollten und nur muntere bittende Gesichter schnitten während der Robertson replicirte was sie wollten nämlich noch Musik aber bessere, und Felix nun most obligingly sich hinsetzte und Webers Concertstück spielte, bezeigten wir uns wie Reichserzschatzmeister die bei Krönungen die silbernen Schaumünzen unter das Volk auswarfen, die ganze handelnde und leidende Achademie wurde kreuzmunter und Sonnenschirme tanzten mit. Applaus. Da fiel mich wieder eine fremde Dame an, die mir gar noch nicht introducirt war, und rief mich an: What a player &c. Kaum hatte ich noch Gelassenheit, mein: Though I am partial pp herzubeten, aber ich thats. – Der Tag war überhaupt voll – wir liefen nach der Musik auf Abschiednehmen umher und aßen dann bei Mr Robertson, nebst dem netten Popanz, zwei SeeCapitainen, von denen der eine par droit de naissance Nelson heißt und der andre in Indien gewesen war, verschiedenen Vätern der belobten Schülerinnen und diversen Rebhünern und Weinflaschen. Mr. Finlay und wir standen vom Wein auf, um Holyrood zu sehen – welch ein Abstand! Eine sanfte Person zeigte uns in verschossenen dunkeln Prachtgemächern die verblichenen Handarbeiten von Queen Mary, ihr Schlafgemach und das ArbeitsCabinet, worin sie gewesen, als der singende spielende junge Italiener Rizzio dort überfallen wurde, – es dämmerte dazu, so daß die Flecke wohl kaum zu erkennen waren, die man für Spuren seines Blutes ausgiebt. Der Verschlag war rührend, den die Königinn hatte ziehen lassen, um den Fleck nicht in ihrem Zimmer zu haben. – Dann zogen wir durch die lange Gallerie, in der 1745. der Prätendent den Edinburgern und seinen Hochländern Ball gegeben hatte, – ein glänzender purpurner Thronsaal Königs Georg IV. lag daneben – welch ein Abstand! Zuletzt gings durch eine Reihe Zimmer, in denen Verwandte der Maria gewohnt hatten, vertriebene Bourbone, die Grafen Provence und d’Artois – Marias verschossene Zimmer waren nicht weit, und sie lasen hier den Kaiserlich französischen Moniteur! Welch ein Abstand! Als Gedankenstrich lehnen sich an den Pallast die Ruinen der HolyroodKapelle mit einigem Epheu. Wir fuhren in verschiedenen Stimmungen zurück, – es war fast dunkel, Felix sang pathetisch in der einen Ecke und hatte einen großen Gedanken, Mr. Finlay in der andern sang weinlustig nach, aber die Passage aus dem ConcertstückFinale und fingerte dazu vergnügt – ich merkte Beides und fand die Welt wieder wunderlich aber komisch. Wir traten wieder ein bei Robertson – die Seekapitaine und Väter saßen noch beim Weine, und der Indier fing, nachdem die Gläser gefüllt waren, einen Gesang wieder an, in dem wir ihn unterbrochen hatten: The last rose of Summer – mit gefühlvoller Cassirtheit, häufig dazwischen hustend, – die beringte Linke lag auf der Rechten, und suchte mitzuspielen, was der Inhaber sang. Wieder Abstand! Dann Toasts und Speeches – der ausgezeichnete musikalische Gentleman, dessen Gegenwart pp glückliche Reise für ihn, sowie for his friend. Das war ich. Er aber füllte sein Glas geschickt, verneigte sich kurz, – Jetzt singt das Kindermädchen von oben eine triste Wiegenmelodie in Moll und das Kind schreit nicht mehr. Also Speech: “Wie neben dem Dank die gratification nicht zu vergessen sey, die ihm der heutige Morgen gegeben und wie er also mit Vergnügen die Gelegenheit ergreife, auf das Fortschreiten der schönen Talente zu trinken die heute zu hören (und zu sehen – reservatio mentalis) gewesen. “ Hei wie klopften wir auf die Tische! Zuletzt hattes auch am Ende, nachdem Sir W. Scott und Gott weiß wer noch trinkbar gemacht worden waren. Morgens drauf, am Freitage, war die verunglückte Expedition nach Abbotsford – am Sonnabend schien die Sonne auf zwei freudige lustige Leute, denen die Welt gehörte und Dampfboot und Stage waren schön – Perth that sich uns auf wie eine Hochzeit – gestern Morgen zogen wir ins Hochland, sahen reizende Wasserfälle in Dunkeld, kletterten auf Felsen und sahen einen langen windenden Fluß und eine reiche Landschaft unter uns – 20 Meilen sind zu Fuß gemacht. Aber unser eigen und phantasirende Wanderer sind wir wohl heute Abend geworden, wir wußten kaum was uns noch fehlte, aber es waren die braunen Berge und die Kneipe; heute Abend traten ihre (Fanny’s) und Droysens Gedichte bei uns in Würklichkeit und Wahrheit und sind sehr unsre. Viele gute Grüße an ihn den unsichtbaren Reisegenossen, der unsre Träume schon früher wie Joseph, nämlich im Voraus auslegt. – Wie wir nun vergnügt Hand in Hand fabriciren, ich Verse zeichne, und Felix Zeichnungen dazu dichtet, wird später, wenn wir mal damit zusammenstoßen, einigen Spaß geben. Der Wind sauset aber jetzt leiser, er will ein paar großen Kindern ein Schlaflied vorposaunen, die nun artig gute Nacht! sagen. Ihr CKlingemann. ein Schottisches Lieblingsessen.
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Juli, Perth, 1. August, und Blair Athol, 3. August 1829</title> <incipit>Unter uns schnarcht der große Mann – seine Doggen schlafen und seine gewappneten Ritter wachen – es ist 12 Uhr und die süßeste Geisterstunde, die ich je erlebt, denn Miss Scott bereitet die göttlichste Marmelade*</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>6 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.</p> <handDesc hands="2"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Klingemann</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Hensel, Familie Mendelssohn 1879, Bd. 1, S. 244-248 (Teildruck).</bibl> <bibl type="printed_letter">Sietz, Leben in Briefen, S. 45 f. (Briefteil vom 3. August 1829).</bibl> <bibl type="printed_letter">Elvers, Briefe, S. 83 f. (Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1829-07-31" xml:id="date_e33ae628-b3ee-4f4d-aa46-8099bbd0041b">31. Juli</date>, <date cert="high" when="1829-08-01" xml:id="date_091a4843-c5aa-48cf-a727-507f64e1cc91">1. August</date> und <date cert="high" when="1829-08-03" xml:id="date_172ad3a2-bafd-47e6-bbc8-648f8a4d8d6f">3. August 1829</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0112434" resp="author" xml:id="persName_53f409b1-b33d-4aeb-9a38-9266ea62a8f7">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_06f6effa-3f83-4d6f-821e-5224ae5d4c94">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><persName key="PSN0112434" resp="writer">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_cddff9ef-f644-401f-9fa3-6d4aadc7716b"> <settlement key="STM0103219">Abbotsford</settlement> <country>Schottland</country></placeName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_a2cf5aef-0f8f-402d-bc31-8d68413fb44b"> <settlement key="STM0103378">Perth</settlement><country>Schottland</country> </placeName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_c326979b-6a25-4269-8751-4ac576c7b74d"> <settlement key="STM0103220">Blair Athol</settlement><country>Schottland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113241" resp="receiver" xml:id="persName_fa9ef601-0f0e-4f7b-a9d6-a80e5189398a">Mendelssohn Bartholdy, Familie von → Abraham Mendelssohn Bartholdy</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_b7e385d1-89e4-4ab5-a5aa-6c7aed6c8bdc"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country></placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_cacfdff8-64ef-466d-8f05-4e610e32c050"> <head> <address> <addrLine>Mess.</addrLine> <addrLine>Mess. Doxat & Co</addrLine> <addrLine>London</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_c32e77ad-e474-49dd-b3a1-bc0b66a38f09"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_5b77e3f1-eee2-4eb4-994e-5248acdb5fed">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_c702505a-fa2a-46b3-8ab4-3e812a2b3359">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <dateline rend="right">Abbotsford d. <date cert="high" when="1829-07-31" xml:id="date_2986a8e9-8c2b-4ce4-9089-80873c7c1674">31. July 29</date>.</dateline> <salute rend="left">Staunendste!</salute> <p style="paragraph_without_indent">Unter uns schnarcht der große Mann – seine Doggen schlafen und seine gewappneten Ritter wachen – es ist 12 Uhr und die süßeste Geisterstunde, die ich je erlebt, denn <persName xml:id="persName_5aabc6b8-b580-4955-89f8-2ead041ef13d">Miss Scott<name key="PSN0114817" style="hidden">Scott, Anne (1803-1833)</name></persName> bereitet die göttlichste Marmelade<ref target="#fn1" type="Footnotes_reference" xml:id="fnr1">*</ref> – die Bäume des Parks rauschen – die Wellen der Tweed flüstern dem Barden die Geschichte der Vorzeit und das Geheimniß der Gegenwart – und Harfentöne, von zarter Hand gegriffen, klingen dazwischen ins fremd-alterthümliche Gemach hinein, in das der Gefeierte uns gelagert – Mit wahrerem Hochgeschmack ist überhaupt nie ein Brief begonnen worden und auf Europa wird sehr herabgesehen! Schon wie wir heute Morgen 5 <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">3</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">4</hi> </formula> Uhr aus Edinburg schlaftrunken abfuhren, tönte es närrisch um uns herum – die Stage war schon in Bewegung – ich rann ihr nach – ein Eckensteher – immer ein Highländer hier – brachte sie zum Stehen, und rief mit Eifer: Run, my man, run my man, it wo’nt wait! Was bedeuten denn ferner 40. Meilen, wenn man dabei die Quellen des Nils entdeckt! Wir waren in Melrose Felix fuhr nach Abbotsford – ich blieb zurück, als Einer ohne letters of introduction, der nachkommen könne, wenn der Walter den Andern durchaus nicht fahren lassen wolle. Melrose Abbey ist eine Ruine voller Erhaltung und Unterhaltung, – der <persName xml:id="persName_dc1fe208-b71c-4867-b654-6c4be7a48b25">König David (von Schottland)<name key="PSN0114684" style="hidden">Schottland, David II. (1324-1371)</name></persName> und der <persName xml:id="persName_b2b4c8c0-dceb-4b5f-a301-4fb1af41ea8e">Zauberer Scott<name key="PSN0114822" style="hidden">Scott of Balweary, Sir Michael (?-1236)</name></persName> (Michael, nicht Walter) sind da in Stein, und die ganze Gegend ist von Sagen und alten Feenreigen durchwoben – <title xml:id="title_377bce55-3868-4ccf-826c-91164f609570">Thomas the Rymer<name key="PSN0114821" style="hidden" type="author">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name><name key="CRT0110824" style="hidden" type="literature">Thomas the Rhymer</name></title> und die Feenköniginn haben im dunkeln Glen etwas weiter hinauf Tänze gehalten, und sogar im Castellan springt noch was davon, wenn er wie ein Gems auf die höchsten PfeilerRuinen klettert. Man wird so hungrig in solchen Ruinen, die einem durch Contrast zuletzt sehr die Gegenwart auf die Nase stoßen, daß ich mich in die Inn zurückzog, zu Brod und Käse und Ale und einer Zeitung – so lag ich genießend und ruhend auf dem Sopha – da kam die Kutsche zurück, man stürmte in unser Zimmer; ich dachte nur an Felix und sagte Skurriles, da unterschied ich einen ältlichen Mann: O <persName xml:id="persName_778ba330-bc49-4422-abbc-b46fe7839323">Sir Walter<name key="PSN0114821" style="hidden">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name></persName>! rief ich aufspringend, und fügte erröthend entschuldigend hinzu: Nur ähnliche Kupferstiche entschuldigen ähnliche Vertraulichkeit! “Never mind! so erwiderte er, der so sehr als breit verrufene, kurz, – werther zukünftiger ParnaßBruder und HistorienRomanzier, ich freue mich Ihrer Begegnung: Ihr Freund hat mir schon und schön auseinandergesetzt, was und wieviel Sie Alles noch schreiben werden, wo nicht geschrieben haben! Dabei wurden Hände aus und wieder eingeschwenkt und wir Alle zogen im überseligen Taumel nach Abbotsford. Noch heute Abend schrieben Felix und ich Töne und Verse in ein großes Stammbuch mit Zittern – ich folgendes:</p> <lg rend="left" type="verse" xml:id="lg_7036ad2c-1c6c-48a3-8e3d-3414afd4f13e"> <l>Hohe Berge steigen himmelaufwärts</l> <l>Und die Moore liegen Mohrenschwarz dazwischen,</l> <l>Felsen, Schluchten, Schlösser, Trümmer reden von uralter Vergangenheit,</l> <l>Und sinnverwirrend umrauscht es die Neuen, </l> <l>Die davon träumen ohne es zu verstehen.</l> <l>Aber an den Pforten des Landes wohnt Einer, </l> <l>Der ein Weiser der Räthsel kundig ist,</l> <l>Und der alles Alte neu ans Licht bringt –</l> <l>Nun ziehen die frohen,</l> <l>Und rauschen und lauschen,</l> <l>Und reisen und weisen,</l> <l>Verstehen und sehen</l> <l>Die Felsen und Schluchten und Schlösser und Trümmer, –</l> <l>Der Weise aber hebet und hebet noch immer die Schätze,</l> <l>Und münzt sie ein in goldene klingende Batzen.</l> </lg> <p style="paragraph_right">Dies zum Andenken von pp </p> <p style="paragraph_centered"><note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_6a723413-f7a4-2f1bf-4bb17-0306abd84757" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> </p> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_adb32f13-d4dc-44ab-a876-b744eefdbc9c"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_eec3f43f-e422-4789-a77e-2ae06c59c950">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_039b8355-78da-4f68-96b6-120e141ca204">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Der Böse der da verneint und der Vater der Lügen ist, hole aber Letztere, wenn man kein wahr Wort spricht sondern eben lügt – <hi rend="underline">ich habe nichts von alle dem je erlebt</hi>, sondern mein Brief fängt in ganz andern hellen und muntern Tönen jetzt erst an:</p> </div> <div n="3" type="act_of_writing" xml:id="div_e39030a3-4bab-4ade-b54a-34244aa6d2e7"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_a3602f36-adb8-458a-913f-670e3a2bcf09">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_c933647e-181e-479c-9f92-ab6345362356">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <dateline rend="right">Perth, den <date cert="high" when="1829-08-01" xml:id="date_7a1d0d60-147c-4da4-a277-f3e40345fb13">1. August 1829.</date></dateline> <dateline rend="left"> <hi rend="underline">Hochlandsanfang!</hi> </dateline> <p style="paragraph_without_indent">Wir stehlen uns einander unsere besten Gedanken – dieser gehört Felix, und mir dafür die <title xml:id="title_4916c091-039b-41bf-a2b3-386e8dcb8891">bärtige fair Maid of Perth<name key="PSN0114821" style="hidden" type="author">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name><name key="CRT0110821" style="hidden" type="literature">The Fair Maid of Perth or The Valentine’s day</name></title>. Wenn man aber wie wir, über eine Höhe fuhr, wo sich zu ganz guter und schönster letzt Edinburgh mit seinen Bergen und dem blauen Meere noch einmal ausbreitet, während es auf der andern ganz still und grün ländlich wird, und man just nur um die Ecke zu fahren braucht um vom Erstern nichts mehr zu sehen, so sagt man zu ihr fast mit Empfindung Lebewohl! Einen TriumphAuszug aus Edinburg aber haben wir wohl gehalten –</p> </div> <div n="4" type="act_of_writing" xml:id="div_ce74f7ff-2ba1-483b-aa8c-93c23c4ab7fa"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent"><seg type="inline">Blair Athol, den 3. Aug.</seg> Wir können uns kaum mehr einholen, und das Nachholen ist so schwer! Der Himmel ist heute Morgen dunkler wie die Tinte, und es hat geregnet mit Macht, in den Hochlanden – wie am Himmel die Wolken, so ziehen nun Vergangenheit und Gegenwart durcheinander. Ich war nämlich in Perth im Begriff auf Edinburgh zu fluchen, woselbst ich es mündlich schon that. Die feinen modernen Athener nämlich fanden es viel bequemer und geistöconomischer, Felix per reflex, im Spiegelbild, mich als Spiegel betrachtet, zu loben, als ins Angesicht selber, – es war behaglich zu Anfang – zuletzt aber zum Wildwerden. Ich hatte dann meine Phrasen dafür: “though I am partial, sagte ich, yet I must confess – und dann pries ich mit, kam mir aber überhaupt vor wie Pasquino und Marforio, mit umgekehrten Schmähschriften beklebt, nannte mich auch wohl den Lobpfosten, und lächelte satyrisch, dabei um so stärker essend und trinkend. Vorzugsweise göttlich aber nahmen wir uns aus am Donnerstag Morgen. M<hi rend="superscript">r</hi>. <persName xml:id="persName_65dc02be-4252-4289-bfd7-a35bcbc2c429">Robertson<name key="PSN0114238" style="hidden">Robertson, Alexander</name></persName>, der Schottische Logier, hatte eine Akademie zu Ehren des treflichen bekannten M<hi rend="superscript">r</hi>. Mendelssohn veranstaltet, und seine hoffnungsvollsten Schülerinnen – ungeschlachte Knaben führt er nicht – auf Meilenweit dazu zusammengetrieben. Leute wie wir, die vorher ein breackfast bei M<hi rend="superscript">rs</hi>. <persName xml:id="persName_8db31263-9ba5-4a4b-8a1b-a7a9c46f8434">Hogarth<name key="PSN0112049" style="hidden">Hogarth, Georgina (1793-1863)</name></persName> einzunehmen hatten, dort wieder geglänzt hatten oder das Lob eincassirt, dann sich in das Meer zu werfen, konnten nur zu rechter Zeit eintreten, nämlich zu spät – die Hoffnungskinder paukten schon 16händig, die Mütter und theilnehmenden Tanten und Cousinen, einzelne Pères nobles dazwischen, litten mit Vergnügen und harrend, M<hi rend="superscript">r</hi>. <persName xml:id="persName_44508c00-2827-40f9-8978-c9d7e967967a">Robertson<name key="PSN0114238" style="hidden">Robertson, Alexander</name></persName> schlug, da er die Kinder nicht schlagen durfte, den Takt – da sah man uns, die fremde Rarität wurde sehr voran placirt, wie ein sich langweilender nämlich amüsirender Erzherzog – zwei Kenner in seinem Gefolge, ich und M<hi rend="superscript">r</hi>. <persName xml:id="persName_c3887297-590b-48c3-ac90-9f4e5022e958">Finlay Dun<name key="PSN0110775" style="hidden">Dun, Finlay (1795-1853)</name></persName>, ein Edinburger MusikPopanz, daneben. – Die langen Hälse wurden aus- und wieder eingerenkt, die stockenden Maschinen wieder in Bewegung gesetzt und hämmerten nun durch ganze Musikläden – this is the last, sagte der Maschinenmeister und immer noch neue Recollections und Charms und Fantasias legte er auf – den Pulten und uns. Wir</p> <signed rend="right"><add resp="UT" type="editors_addition">Carl Klingemann</add></signed> </div> <div n="5" type="act_of_writing" xml:id="div_d3b60c42-e7bd-4826-97bf-9502358b9620"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <dateline rend="right">Hochlandsanfang.</dateline> <dateline rend="right">d. <date cert="high" when="1832-08-01" xml:id="date_ec36dfeb-c156-4bed-b47b-11ed83be10dd">1 Aug. 29</date>.</dateline> <p style="paragraph_without_indent">Als heut Morgen die Sonne schien, und der heiterste Tag vom Himmel für die Schottischen Gebirge hinaufstieg, da liefen viele bunte Menschen, Reisende, Spaziergänger, Fischer, Matrosen auf dem langen Damm im Edinburger Hafen zusammen, weil die Böte landeten, die nach dem andern Ufer hin übers Meer segeln; von allen Seiten sprangen die Leute hinein, die Schiffer luden emsig ein, der Schornstein des ferner liegenden Dampfschiffs fing an zu rauchen, und sendete lange schwarze Streifen ins Blau des Himmels, die sich in dem des Meeres wieder abspiegelten, durch die Sonnenfunken unterbrochen, beladen schwanken die Kähne fort, nette Damen und schöne Kinder, grämliche Herren mit Mützen, auch unter andern zwei lustige Gesellen, die ihr gut kennt, kletterten schnell an die Dampfschiffsleiter aus dem Kahne hinein, die stampfenden Räder trugen uns schnell an die blaubergige Küste hinüber,</p> <p style="paragraph_centered"> <note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_298b0af9-aac6-5f75f-f21da-bbb71392fdcd" xml:lang="de">Noten, Grafiken, Sonderzeichen siehe FMB-Druckausgabe.</note> </p> <p style="paragraph_without_indent">Ich zeichnete dasselbe besser und flüchtiger in mein kleines Buch das mir <persName xml:id="persName_dcae96e3-473d-4913-8477-6960f3d473e2">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> zu Weihnachten gab; Edinburg, die Berge, die Thäler dazwischen dampften stark, und das grüne Wasser schlug zu beiden Seiten des Schiffes lange Reihen weißen Schaums, die den Weg bezeichneten, den wir durchschnitten hatten. An dem Ort, wo ich jetzt schreibe sollte ein Fischerdorf am Felsen liegen, da sollten hohe stages warten, da sollten wir beide von ganz hoch in die Gärten über die Hecken gucken, ich habe eine neue blaue Mütze, <persName xml:id="persName_927febef-cd85-4bbc-a86f-24c8503d7f07">Klingemann<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> hat eine schwarze Brille, wir nehmen uns seltsam aus. Gegeben zu Perth, am Theetisch, woselbst auch Marmelade ist. Den Thee hat die fair maid gemacht, die aber einen Bart hat, <persName xml:id="persName_0d481677-1568-4626-8ced-1e7a89e1ff64">Tom<name key="PSN0115351" style="hidden">Tom, Bediensteter in Perth (1829)</name></persName> heißt, und ein Marqueur hier im Stern ist; wenigstens ist das die einzige Schönheit, die uns hier begegnet ist; in Edinburg wohl schon mehr. Bei Gott! Wir sind eben auf einen Berg geklettert, wie die Katzen, es ist das schönste weite Flußthal, das ich gesehen habe, Felsen packen sich übereinander, drauf Tannen, drüber Ruinen, drüber ein Himmel!! Es ist heut ein Wetter, das der liebe Gott in guter Laune fabricirt hat, er muß heut früh vergnügt gewesen sein, und kaum kann ich mir es denken, das es ihm noch einmal so gelingt. Morgen brauchen wirs aber, denn da gehn wir stark zu Fuß durch Engpässe. Wir haben eine Ouvertüre zum Hochland heut gespielt, die hat geglänzt. Morgen gehts in die Berge, die sich heut in zwei Reihen an den Horizont pflanzten. Heut waren sie blau, morgen werden sie schon dunkler aussehen. Morgen giebts Wasserfälle, Schlachtfelder, Felsen, und vieles. Also morgen!</p> <p><persName xml:id="persName_8f0fab19-b9f9-4845-8323-0fe28d7f3065">Klingem.<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> lügt drüben, wie gedruckt. Wir fanden <persName xml:id="persName_ba7ed9c1-58af-4e8d-942b-59b1bf3f26aa">Sir Walter<name key="PSN0114821" style="hidden">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name></persName> im Begriff Abbotsf. zu verlassen, sahen ihn an, wie ein neues Thor, fuhren 80 Meilen und verloren einen Tag um eine halbe Stunde unbedeutender Conversation, Melrose tröstete wenig, wir ärgerten uns über große Männer, über uns, über die Welt und alles. Der Tag war schlecht. Heut war ein Tag! Wir haben das Gestern vergessen und lachen darüber.</p> </div> <div n="6" type="act_of_writing" xml:id="div_2f8f562b-5e19-4777-bfe1-2eba3b7e02f1"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_2291c653-045a-41e6-b787-25ae28f36c9c">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_52687797-3ebe-4e9a-b7cc-dd85b89210f6">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p><date cert="high" when="1829-08-03" xml:id="date_6a5a1443-2d7f-4d0e-8cfb-63eb8eeecc6b"><seg type="inline">Blair Atholl. 3 Aug</seg></date> Heut ist der trübste, traurigste Regentag. Aber wir helfen uns so gut es geht; das ist freilich schlecht genug. Ganz durchnäßt sind Erde und Himmel, und Regimenter von Wolken ziehn noch in Reih und Glied heran. Gestern war ein wunderschöner Tag; wir gingen von Felsen zu Felsen, viel Wasserfälle, schöne Thäler mit Flüssen, dunkler Wald und Haide mit rothem Kraut; wir fuhren in offnem Einspänner des Morgens, und gingen später 21 Meilen zu Fuß. Ich zeichnete sehr viel, und <persName xml:id="persName_393aee42-f9c4-454f-8506-854a98378c8b">Klingemann<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> kam auf den göttlichen Gedanken, der Euch gewiß auch große Freude und Plaisir geben wird, an jeder Stelle, die ich zeichnete, einige Zeilen in Knittelversen zu entwerfen, und das haben wir denn auch gestern und heut ausgeführt. Es geht ganz prächtig, er hat schon wunderniedliche Sachen gedichtet. – </p> </div> <div n="7" type="act_of_writing" xml:id="div_63a4b2ec-2833-46a6-8e9a-80fe04e221ae"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p><date cert="high" when="1829-08-03" xml:id="date_3ef4c672-fffb-4e2e-9cf7-63f691a6dde3"><seg type="inline">Abends 3 Aug</seg></date> Hochlandskneipe an der Tummelbrücke. Wilde Wirthschaft. Der Sturm heult, saust und pfeift draußen hin und her, schlägt unten die Thüren zu und die Fensterladen auf, ob der Wasserlärm vom Regen oder von dem reißenden Schaumstrom herkommt kann man nicht wissen, weil beide zusammen wüthen; wir sitzen hier ruhig am Caminfeuer, das schüre ich von Zeit zu Zeit an, dann flackert es auf; übrigens ist der Saal groß und leer, an einer Wand tröpfelts naß herunter; der Fußboden ist dünn, da hallt das Gespräch aus der Knechtstube unten herauf, die singen betrunkne Lieder und lachen; dazu Hundebellen, zwei Betten mit purpurnen Vorhängen, an unsern Füßen statt der Engl. Pantoffeln Schottische Holzschuh, Thee mit Honig und Kartoffelkuchen, eine enge gewundne HolzTreppe auf der uns die Magd mit Schnaps entgegenkam, trostloser Wolkenzug am Himmel, und trotz alle des Wind und Wasserlärms, trotz des Knechtgesprächs und Thürklappens ist es still! Still und sehr einsam. Ich möchte sagen, daß die Stille durch den Lärm durchklingt. Eben geht die Thür von selbst auf. Es ist Hochlandsschenke. Die kleinen Jungen mit dem Plaid und den nackten Knien und bunten Mützen, der Aufwärter im Tartan alte Leute mit Zöpfen sprechen alle unverständlich Gaelisch durch einander. Das Land ist breit, weit, dick bewachsen und belaubt, von allen Seiten stürzen reiche Wasser unter den Brücken vor, wenig Korn, viel Haide mit braunen und rothen Blumen, Schluchten, Pässe, Kreuzwege, schönes Grün überall, tief blaues Wasser, aber alles ist ernst, dunkel, sehr einsam. Was soll ichs beschreiben? Fragt <persName xml:id="persName_9b3b32d4-5f05-4a27-83b2-8a8649046478">Droysen<name key="PSN0110751" style="hidden">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name></persName>, der kennt es besser und kann es malen, wir haben uns immer Zeilen seines <title xml:id="title_52a29b41-e114-433a-8727-d0f6ff4799da">„Hochlands“<name key="PSN0110751" style="hidden" type="author">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name><name key="CRT0108615" style="hidden" type="literature">Im Hochland, Bruder, da schweifst du umher</name></title> hergesagt. Ich rede ihn jetzt an. Lieber <persName xml:id="persName_ea687736-2ef6-4cc2-a459-b1c6e83f828f">Droysen<name key="PSN0110751" style="hidden">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name></persName>! Woher kennst Du Schottland? Es ist so, wie Du sagst. Heut vor einem Jahre gingen wir Nachts zur Luiseninsel die erleuchtet war; und ballten ein wenig. Auch kneipten wir in der Mittelstraße. Das thue ich jetzt am Schehallionfuß, und lese heut Abend noch in den <title xml:id="title_510cbed4-592b-4fb7-a186-9798c9b91af4">Flegeljahren<name key="PSN0114173" style="hidden" type="author">Richter, Johann Paul Friedrich (Pseud.: Jean Paul) (1763-1825)</name><name key="CRT0110453" style="hidden" type="literature">Flegeljahre. Eine Biographie</name></title>; denn die gehen mit und die <title xml:id="title_2e6a24fe-7e9c-4a74-9380-0d0b4cb479ce">Schwestern<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name><name key="CRT0109205" style="hidden" type="art">Rebecka und Fanny Mendelssohn Bartholdy (aquarellierte Zeichnung 1828)</name></title> gucken mich sonderlich an; <persName xml:id="persName_d2d257a5-cc18-4b22-adfb-9846eb3de832">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> hat’s los, und kann Gesichter sehen und festhalten. Aber das Wetter ist trostlos. Ich habe mir eine eigne Manier zu zeichnen dafür erfunden, und habe heut Wolken gewischt, und graue Berge gemalt mit dem Bleistift; <persName xml:id="persName_5abd5a9e-f9b5-4402-9845-82030d613dda">Klingem.<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> reimt munter, und ich führe im Regen weiter aus; </p> <p>Nur Morgen keinen Regen, denn Loch Tay, Kenmore und Killin soll morgen womöglich gesehen werden. Es ist heut fast ein Herbsttag. Ich will Euch bald von heut erzählen; an Stoff fehlt es mir nicht, um mich in der Leipz. Str. wichtig zu machen. Ich möchte, Ihr schicktet mir bei Gelegenheit einige Empfehlungsbriefe nach Flandern und den Niederlanden, man muß doch auch für die Zukunft sorgen. Und wenn ich mir nun denke wie das Papier nach dem Gartenhause getragen wird, und wie es gestern am Wasserfalle aus meinem Zeichenbuch in dem ich den angefangnen Brief trug herausflatterte und die Kiesel herunter, (wir kletterten aber nach und holten es wieder) und wie grade jetzt die Wirthinn das Kind mit einer süßen Melodie in moll einsingt, und das geht nun zu Euch. So gehts noch ein Paar mal hin und her. Aber dann wenns spätherbstlich wird, ziehe ich mir mal den Mantel zur letzten Tagereise nach Hause an, und trete des Abends herein. Lustig wird’s. Jetzt bin ich aber noch in Schottland, und es saus’t wild umher. <seg type="closer" xml:id="seg_c9586924-f7cd-4f8d-83d6-24e2cc7fc1c4">Gut Nacht, ich will zu Bett in die rothen Vorhänge. Schlaft wohl.</seg></p> <signed rend="right">Felix MB.</signed> </div> <div n="8" type="act_of_writing" xml:id="div_ac21b657-4356-437b-bd4c-577de275506f"> <docAuthor key="PSN0112434" resp="author" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112434" resp="writer" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent"><seg type="inline">Tummel Bridge Inn. <date cert="high" when="1829-08-03" xml:id="date_aeebd227-d473-4bfe-b802-3bc1ea448996">Nachts 10 </date></seg><date cert="high" when="1829-08-03" xml:id="date_50c77dec-ac70-4476-9cfa-9f6b9b06e483">1/2<seg type="inline"> Uhr</seg></date>. Wieder verschoben! Regen den ganzen Tag – Güsse – Wasserfälle in Wasserfülle – Warten auf Klarheit die nicht kam. Da zogen wir weiter – wir waren noch nicht aus der Cultur heraus und eine Heerstraße fürs Heer verfolgte uns. Abends, um 9 <formula rend="fraction_slash"> <hi rend="supslash">1</hi> <hi rend="barslash"></hi> <hi rend="subslash">2</hi> </formula> Uhr aber schlug sich unser Weg links, die Berge wurden dichter, braune lange öde Rücken, auf denen die Wolken hingen, Gießbäche die von allen Seiten herunterrauschten, kleine schlechte Hütten, ein stiller gedehnter See, Loch Tummel, einzelnes Waldgebüsch, über und zwischen alle dem durch ein wüstes Windessausen, – da ist viel vom Hochland drinn. Und die Kneipe in der wir sitzen, Thee trinken und Honig dazu essen, nachdem uns die freundliche rundliche Wirthin beim Ankommen ein Glas Whisky, for the wet <hi rend="underline">nicht</hi> kredenzt hatte, rauhe Männerstimmen und Kindergeschrei von unten, Fenstergeklirr und Flussesrauschen dicht neben uns im Sturm, und alles das von mir mit einer <hi rend="underline">Adlers</hi>Feder angedeutet, am lodernden Kaminfeuer von Fichtenholz – hier hats angefangen! Der drüben beschreibts aber. “Wir – sagte ich oben bei Edinburgh, und fahre nun fort, – benehmen uns wie die wahren nachsichtigen Meister und Gentlemen, – bei einem jeden Fingerversehen der bonnie Lassies mit blonden und braunen Augen und frischen Wangen, riefen wir gefälligst Charming! und excellent! Man hatte Ursach mit uns zufrieden zu seyn; wie aber nach endlich beendigtem Aufspielen die Mädchen in Masse vorrückten, während sich Felix dem Maschinenmeister highly pleased and gratified bezeigte, wie die Kinder kaum reden wollten und nur muntere bittende Gesichter schnitten während der <persName xml:id="persName_c495a288-9d15-4373-bf08-4d7673e1270f">Robertson<name key="PSN0114238" style="hidden">Robertson, Alexander</name></persName> replicirte was sie wollten nämlich noch Musik aber bessere, und Felix nun most obligingly sich hinsetzte und <title xml:id="title_db6dd33e-b23d-42f3-81bc-4a9731524c95">Webers Concertstück<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name><name key="CRT0111254" style="hidden" type="music">Konzertstück für Klavier und Orchester f-Moll, op. 79 (WeV N. 17)</name></title> spielte, bezeigten wir uns wie Reichserzschatzmeister die bei Krönungen die silbernen Schaumünzen unter das Volk auswarfen, die ganze handelnde und leidende Achademie wurde kreuzmunter und Sonnenschirme tanzten mit. Applaus. Da fiel mich wieder eine fremde Dame an, die mir gar noch nicht introducirt war, und rief mich an: What a player &c. Kaum hatte ich noch Gelassenheit, mein: Though I am partial pp herzubeten, aber ich <hi rend="underline">thats</hi>. – Der Tag war überhaupt voll – wir liefen nach der Musik auf Abschiednehmen umher und aßen dann bei M<hi rend="superscript">r</hi> <persName xml:id="persName_b5011102-d97d-4ad6-905d-70b807c6bbea">Robertson<name key="PSN0114238" style="hidden">Robertson, Alexander</name></persName>, nebst dem netten Popanz, zwei SeeCapitainen, von denen der eine par droit de naissance <persName xml:id="persName_b9c13937-868f-418b-9975-edbaf7fdddfc">Nelson<name key="PSN0113568" style="hidden">Nelson, Mr.</name></persName> heißt und der andre in Indien gewesen war, verschiedenen Vätern der belobten Schülerinnen und diversen Rebhünern und Weinflaschen. M<hi rend="superscript">r</hi>. <persName xml:id="persName_8ef95854-6584-4738-b715-021b50539c03">Finlay<name key="PSN0110775" style="hidden">Dun, Finlay (1795-1853)</name></persName> und wir standen vom Wein auf, um Holyrood zu sehen – welch ein Abstand! Eine sanfte Person zeigte uns in verschossenen dunkeln Prachtgemächern die verblichenen Handarbeiten von <persName xml:id="persName_ed067c9b-1a5a-433d-998c-7e8e06dd87b3">Queen Mary<name key="PSN0114685" style="hidden">Schottland, Maria Stuart (1542-1587)</name></persName>, ihr Schlafgemach und das ArbeitsCabinet, worin sie gewesen, als der singende spielende junge Italiener <persName xml:id="persName_b0c842d9-e690-4555-8a96-84037665d4c3">Rizzio<name key="PSN0114160" style="hidden">Riccio (Rizzio), David (1533-1566)</name></persName> dort überfallen wurde, – es dämmerte dazu, so daß die Flecke wohl kaum zu erkennen waren, die man für Spuren seines Blutes ausgiebt. Der Verschlag war rührend, den die <persName xml:id="persName_6ffa8197-e2c3-43bf-91eb-ff9c713f81a0">Königinn<name key="PSN0114685" style="hidden">Schottland, Maria Stuart (1542-1587)</name></persName> hatte ziehen lassen, um den Fleck nicht in ihrem Zimmer zu haben. – Dann zogen wir durch die lange Gallerie, in der 1745. der <persName xml:id="persName_2e9a3d83-76b5-4686-af73-3773b8a78492">Prätendent<name key="PSN0115186" style="hidden">Stuart, Charles Edward (1720-1788)</name></persName> den Edinburgern und seinen Hochländern Ball gegeben hatte, – ein glänzender purpurner Thronsaal <persName xml:id="persName_d5f6cc88-8f47-4b1c-8ec4-1256c8e6fdd1">Königs Georg IV.<name key="PSN0111577" style="hidden">Großbritannien, Irland und Hannover, Georg IV. August Friedrich von (1762-1830)</name></persName> lag daneben – welch ein Abstand! Zuletzt gings durch eine Reihe Zimmer, in denen Verwandte der <persName xml:id="persName_e7777212-efb9-4f68-b62b-7e8f6c832c57">Maria<name key="PSN0114685" style="hidden">Schottland, Maria Stuart (1542-1587)</name></persName> gewohnt hatten, vertriebene Bourbone, die <persName xml:id="persName_ad71b713-ed72-48ba-b61c-1daa8d03ec92">Grafen Provence<name key="PSN0111150" style="hidden">Frankreich, Ludwig XVIII. von, Comte de Provence (1755-1824)</name></persName> und <persName xml:id="persName_f4762f47-5dc4-44bd-8f6a-d778521f601d">d’Artois<name key="PSN0111146" style="hidden">Frankreich, Karl X. von, Comte d’Artois (1757-1836)</name></persName> – <persName xml:id="persName_b2d56a72-42e3-4a7e-ada3-daf2d369295d">Marias<name key="PSN0114685" style="hidden">Schottland, Maria Stuart (1542-1587)</name></persName> verschossene Zimmer waren nicht weit, und sie lasen hier den Kaiserlich französischen Moniteur! Welch ein Abstand! Als Gedankenstrich lehnen sich an den Pallast die Ruinen der HolyroodKapelle mit einigem Epheu. Wir fuhren in verschiedenen Stimmungen zurück, – es war fast dunkel, Felix sang pathetisch in der einen Ecke und hatte einen großen Gedanken, M<hi rend="superscript">r</hi>. <persName xml:id="persName_beaa353b-c7cf-4bb9-a78d-cb37461c7bb2">Finlay<name key="PSN0110775" style="hidden">Dun, Finlay (1795-1853)</name></persName> in der andern sang weinlustig nach, aber die Passage aus dem C<title xml:id="title_e0e091ee-899f-4e1d-bb42-1d2d2210c0c0">oncertstückFinale<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name><name key="CRT0111254" style="hidden" type="music">Konzertstück für Klavier und Orchester f-Moll, op. 79 (WeV N. 17)</name></title> und fingerte dazu vergnügt – ich merkte Beides und fand die Welt wieder wunderlich aber komisch. Wir traten wieder ein bei <persName xml:id="persName_22167468-00fa-4a8a-a6cb-fae0b3c38b04">Robertson<name key="PSN0114238" style="hidden">Robertson, Alexander</name></persName> – die Seekapitaine und Väter saßen noch beim Weine, und der Indier fing, nachdem die Gläser gefüllt waren, einen Gesang wieder an, in dem wir ihn unterbrochen hatten: <title xml:id="title_014f00b3-6396-4a75-aad4-f46c782c91bf">The last rose of Summer<name key="PSN0113414" style="hidden" type="author">Moore, Thomas (1779-1852)</name><name key="CRT0110008" style="hidden" type="literature">The last rose of summer</name></title> – mit gefühlvoller Cassirtheit, häufig dazwischen hustend, – die beringte Linke lag auf der Rechten, und suchte mitzuspielen, was der Inhaber sang. Wieder Abstand! Dann Toasts und Speeches – der ausgezeichnete musikalische Gentleman, dessen Gegenwart pp glückliche Reise für ihn, sowie for his friend. Das war ich. Er aber füllte sein Glas geschickt, verneigte sich kurz, – Jetzt singt das Kindermädchen von oben eine triste Wiegenmelodie in Moll und das Kind schreit nicht mehr. Also Speech: “Wie neben dem Dank die gratification nicht zu vergessen sey, die ihm der heutige Morgen gegeben und wie er also mit Vergnügen die Gelegenheit ergreife, auf das Fortschreiten der schönen Talente zu trinken die heute zu hören (und zu sehen – reservatio mentalis) gewesen.“ Hei wie klopften wir auf die Tische! Zuletzt hattes auch am Ende, nachdem <persName xml:id="persName_8931c27b-196f-4873-8168-27c4a34d46ca">Sir W. Scott<name key="PSN0114821" style="hidden">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771-1832)</name></persName> und Gott weiß wer noch trinkbar gemacht worden waren. Morgens drauf, am Freitage, war die verunglückte Expedition nach Abbotsford – am Sonnabend schien die Sonne auf zwei freudige lustige Leute, denen die Welt gehörte und Dampfboot und Stage waren schön – Perth that sich uns auf wie eine Hochzeit – gestern Morgen zogen wir ins Hochland, sahen reizende Wasserfälle in Dunkeld, kletterten auf Felsen und sahen einen langen windenden Fluß und eine reiche Landschaft unter uns – 20 Meilen sind zu Fuß gemacht. Aber unser eigen und phantasirende Wanderer sind wir wohl heute Abend geworden, wir wußten kaum was uns noch fehlte, aber es waren die braunen Berge und die Kneipe; heute Abend traten <title xml:id="title_9bae251c-dd06-40e2-ba38-45c7fed0e37a">ihre (Fanny’s<name key="PSN0111893" style="hidden" type="author">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="CRT0111453" style="hidden" type="music">»Liederkreis«, Liederzyklus für Sopran und Klavier (Nr. 1–5) und für Sopran, Alt und Tenor (Nr. 6) HU 236 (25. Mai – 6. Juni 1829)</name></title>) und <title xml:id="title_84a44cc2-9d97-47b4-a73c-dfdd07b3bc7b">Droysens Gedichte<name key="PSN0110751" style="hidden" type="author">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name><name key="CRT0108614" style="hidden" type="literature">Gedichte zu → Fanny Hensels Liederkreis 1829 (Hellwig-Unruh Nr. 236)</name></title> bei uns in Würklichkeit und Wahrheit und sind sehr unsre. Viele gute Grüße an ihn den unsichtbaren Reisegenossen, der unsre Träume schon früher wie Joseph, nämlich im Voraus auslegt. – Wie wir nun vergnügt Hand in Hand fabriciren, ich Verse zeichne, und Felix Zeichnungen dazu dichtet, wird später, wenn wir mal damit zusammenstoßen, einigen Spaß geben. <seg type="closer" xml:id="seg_0d8be247-eb00-46db-a620-a170f0f411c9">Der Wind sauset aber jetzt leiser, er will ein paar großen Kindern ein Schlaflied vorposaunen, die nun artig gute Nacht! sagen. </seg></p> <signed rend="right">Ihr</signed> <signed rend="right">CKlingemann.</signed> </div> <div type="footnotes_area" xml:id="div_6ffeca47-b83d-4df5-b1ff-18594916af92"> <note n="*" subtype="author" target="fnr1" type="footnote" xml:id="fn1">ein Schottisches Lieblingsessen.</note> </div> </body> </text></TEI>