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fmb-1825-04-06-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Fanny Mendelssohn Bartholdy und Carl Wilhelm Ludwig Heyse in Berlin <lb></lb>Paris, 6. April 1825 Ja, ja, Paris ist eine große Stadt. Wenn man des Abends auf dem Boulevard des Italiens spatzieren geht, und dies Gewühl und dies Gedränge sieht, dann bekommt man Respect. Eben komme ich vom Pantheon zurück; Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
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Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

USA New York, NY US-NYp New York, NY, The New York Public Library for the Performing Arts, Astor, Lenox and Tilden Foundations, Music Division *MNY++ Mendelssohn Letters Vol. I/23,28. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Fanny Mendelssohn Bartholdy und Carl Wilhelm Ludwig Heyse in Berlin; Paris, 6. April 1825 Ja, ja, Paris ist eine große Stadt. Wenn man des Abends auf dem Boulevard des Italiens spatzieren geht, und dies Gewühl und dies Gedränge sieht, dann bekommt man Respect. Eben komme ich vom Pantheon zurück;

4 beschr. S.

Felix Mendelssohn Bartholdy

-

Elvers, Briefe, S. 42-47.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

6. April 1825 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Paris Frankreich Heyse, Carl Wilhelm Ludwig (1797-1855) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) Berlin Deutschland deutsch
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Paris d. 6 April 1825.

Ja, ja, Paris ist eine große Stadt. Wenn man des Abends auf dem Boulevard des Italiens spatzieren geht, und dies Gewühl und dies Gedränge sieht, dann bekommt man Respect. Eben komme ich vom PantheonPanthéonParisFrankreich zurück; welch göttliches Gebäude! welche ungeheuer, geordnete Masse! Jeder, jeder findet hier, was er sucht, und was er braucht! Daß mich aber der Zustand der Musik gar nicht zufrieden stellt, daran ist theils Schuld, weil er wirklich gar nicht besonders ist, theils weil du, liebe Mutter, mir gar zu viel davon gesagt hast. Ich hoffte hier die Vaterstadt der Musik, der Musiker, und des musikalischen Geschmacks zu finden, und meiner Treu, so ist’s nicht. Die Salons (obwohl ich von denen nicht viel erwartete) sind ennüjant, lieben nichts, als frivole Musik, und Coquetterien, und nichts Ernstes und Solides. Die Orchester (ich habe das der Italiänischen OperThéâtre-ItalienParisFrankreich und der académie royaleAcadémie Royale de MusiqueParisFrankreich gehört) sind recht gut, aber keineswegs vortrefflich, und endlich die Musiker selbst sind theils vertrocknet, theils schimpfen sie wie Rohrsperlinge auf Paris und Pariser. Laßt mich diese 95 Theses mit Beispielen belegen und beweisen.

Die Salons. Ich will mal nur einen von den vielen nennen und beschreiben, und das soll die Abendgesellschaft bei der comtesse de RumfordThompson, Marie Anne Pierrette Comtesse de Rumford (1758-1836) sein. Wir kamen um ein viertel auf 11 dahin, und fanden ziemlich viel Leute in einem Zimmer versammelt. Ich wurde dem berühmten RossiniRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) vorgestellt. Der hat ein verzwicktes Gesicht. Eine Mischung von Schelmerey, Fadaise und Überdruß, mit einem großen Backenbart, dick, wie ein Klos, fein angezogen, von allen Damen umgeben, ihre Bemühungen ihn zu unterhalten selten mit kleinem Lächeln belohnend, – da habt ihr den großen Maestro Windbeutel! Der setzte sich an’s Clavier, und accompagnirte das Ave verum von Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name><name key="CRT0110081" style="hidden" type="music">Ave verum corpus KV 618</name>, welches zufälligerweise noch Mode ist. Da wollte er, als gelehrter ComponistRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) alle Dissonanzen vorhalten, und so präparirte er denn die Terz, die Quinte, die Octave zu Nutz und Frommen aller Zuhörenden, oder vielmehr nicht zuhörenden, denn während Musik gemacht wird, erzählen die Damen einander Mährchen, oder sie laufen von einem Stuhle zum andern, als ob sie „verwechselt das Bäumchen spielten.“ Mitten drin fällts einem alten Herrn in einer Ecke ein, charmant zu sagen, zwei Töchter, die er hat und die etwa hübsch sind sagen nach: charmant, alle jungen Herrn im Salon rufen: delicieux! und so wird das Glück eines Musikstücks gemacht. Wenn’s aus ist, so klatschen sie vor Freude, daß sie wieder auf einige Minuten Ruhe haben; und so gehts bis um 1 Uhr, oder noch später! Doch weiter in der Soirée! Eine Mde. OrfilaOrfila, französische Sängerin, und eine Mde. MerlinMerlin, María de las Mercedes Comtesse de (1789-1852) sangen die Möglichkeit von Rossiniaden, und sangen sie wirklich recht gut, mit Feuer und so vielem Ausdruck, als solche Musik zuläßt. Dazu ist Mde. MerlinMerlin, María de las Mercedes Comtesse de (1789-1852) eine ci-devant schöne Frau, macht ein großes Haus, wenn sie also singt, so sind wir alle im dritten Himmel. Nun mußte ich dran glauben, und improvisiren. Das gefiel ihnen recht gut, denn mit 4 Süßigkeiten 6 Coquetterien, und einigen Passagen geht das dümmste Zeug steuerfrei durch. O ihr werdet eine große Freude haben wenn ich euch mal eine Pariser Phantasie nach dem Leben in Berlin abkonterfeyen werde. Wenn nur viel Stellen drin sind, wo man ein gerührtes „Hm!“ sagen kann, dann spielt er mit Ausdruck; kommen solche nicht, dann spielt er kalt, und wäre noch so viel Feuer drinn. Was mich betrifft, ich heule mit den Wölfen, und bin süß, wie Zuckerkandi; auch sind die Leute sehr gütig gegen mich. Doch weiter in der Soirée. Nach dem RossiniRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) mir viele Complimente gemacht hatte, fingen die Damen wieder an von seiner Musik zu singen, und sowohl diese als die große Hitze wurden Vater und mir so unerträglich, daß wir uns drückten, und den Thee, der precis um Mitternacht kommt, im Stiche ließen. – Habe ich nun Unrecht die Soireeen schlecht zu finden? und so gehts alle Tage! Vorgestern noch war eine gräßliche Gesellschaft bei VallentinsVallentin, Familie von → Sébastien V., und da fiel ein Spas vor, den ich doch erzählen muß. Eine Dame nicht sehr weit von mir wollte sich, während ich mein f moll Quartett<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_p88jpsj8-kctg-49h7-vi1m-nogwndtpqztd"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100374" style="hidden">Quartett Nr. 2 f-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 9. November 1823 bis [Anfang 1824]<idno type="MWV">Q 13</idno><idno type="op">2</idno></name> spielte, die Hitze erträglicher machen, und fächerte sich mit einem mit Stahl oder Flittern besetzten Fächer gegen den Tact, so daß alle Leute das unangenehme Geräusch hören mußten. Ich sah sie einige Minuten, während des Spielens fest an, (nach FranksFranck, Georg Hermann (1802-1855) Methode) sogleich wendeten alle Damen die Blicke auf sie, und ihren Fächer, sie wurde roth, schlug die Augen zur Erde, und – fächerte sich nicht wieder.

2. Die Orchester. Von dem Orchester der Italiänischen OperThéâtre-ItalienParisFrankreich habe ich den Othello<name key="PSN0114299" style="hidden" type="author">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name><name key="CRT0110586" style="hidden" type="music">Otello ossia Il Moro di Venezia</name> spielen gehört. Ihr könnt euch denken, wie gespannt ich auf das Orchester und auf die PastaPasta, Angiola Maria Costanza Giuditta (1797-1865) war. Ich erwartete etwas bis jetzt unerhörtes. Keineswegs! Die Geigen sind ganz vortrefflich, und spielen gut zusammen, dagegen sind aber die Blase-, besonders die Blech- Instrumente höchstens mittelmäßig, und die Bässe gradezu schlecht. Das kann ich kein außerordentliches OrchesterThéâtre-ItalienParisFrankreich nennen. Auch die PastaPasta, Angiola Maria Costanza Giuditta (1797-1865) obwohl sie anerkannt eine vorzügliche Sängerinn ist, entzückte mich nicht. Sie hat ungemein viel Ausdruck, Feuer, Leben, Reichthum an Verzierungen, spielt schön, sieht schön aus, aber – die Stimme ist rauh und bedeckt, und ihrPasta, Angiola Maria Costanza Giuditta (1797-1865) Ansatz nicht rein, und diese beiden Fehler habe ich bis jetzt noch nicht vergessen können. Vom Orchester der großen OperGrand OpéraParisFrankreich hörte ich neulich die eine „Nouvelle Sinfonie de Beethoven“<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108063" style="hidden" type="music">2. Sinfonie D-Dur, op. 36</name> spielen. Welche war’s? Die zweite. Die Ausführung war gar nicht besonders. Die Tempi waren unvernünftig schnell, und HabenekHabeneck, François-Antoine (1781-1849), der mit der Geige anführte, und gern zurückhalten wollte, quälte sich erbärmlich, trampelte mit den Füßen, schlug mit dem Bogen auf das Pult, daß das wackelte, bewegte den ganzen Körper, aber das half alles nichts, sie ließen sich nicht halten, sie liefen, sie liefen, und waren am Ende dem Purzeln nahe. Ist es da nicht besser, wenn einer ruhig mit dem Stock tactirt?Grand OpéraParisFrankreich Kurz ich habe nichts außerordentliches bisjetzt gehört. Wo steckt denn die gute Musik in Paris? Weg ist sie! NeukommNeukomm, Sigismund (seit 1815) Ritter von (1778-1858) behauptet, es würde alle Tage schlechter!

Nun endlich zu den Musikern selbst, so viel ich ihrer bisjetzt kenne. Vor allem CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842), den ich einigemal gesehn. Der ist vertrocknet und verraucht. Neulich hörte ich in der königlichen CapelleLa Chapelle RoyaleParisFrankreich eine Messe von ihm<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108387" style="hidden" type="music">Missa solemnis F-Dur (Cäcilienmesse)</name>, die war so lustig, wie er brummig ist, d.h. über alle Maaßen. HalevyHalévy, Jacques François Fromental Élie (Fromentin Elias) (1799-1862) versichert, es gäbe Tage, wo gar nichts aus ihm raus zu kriegen wäre. Einen jungen Musiker, der ihm etwas vorgespielt, habe er gefragt, ob er vielleicht gut malen könne; einem andern habe er gesagt „vous ne ferez jamais rien“; wenn er selbst ihm etwas zeige, und CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842) sage nichts und schnitte keine grimace, so müsse es ganz vortrefflich seyn. Er hat ihm nur ein einzigesmal, und zwar nachdem ihm HalevyHalévy, Jacques François Fromental Élie (Fromentin Elias) (1799-1862) seine Oper vorgespielt, gesagt; c’est bien. – Mais c’est trop long, il faut couper. Alle Leute, die ihn kennen, sind sehr verwundert, daß er, nachdem er mein hmoll Quartett<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_toqwbwur-pekt-51lo-ajxp-znbfanho73jl"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100377" style="hidden">Quartett Nr. 3 h-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 7. Oktober 1824 bis 18. Januar 1825<idno type="MWV">Q 17</idno><idno type="op">3</idno></name> aufs allerschändlichste hat executiren hören, lächelnd auf mich zukam und mir zunickte. Dann sagte er zu den Andern: ce garçon est riche, il fera bien; il fait même dejà bien; mais il dépense trop de son argent, il met trop d’étoffe dans son habit. Alle behaupteten, daß seye ganz unerhört, besonders, als er nachher hinzusetzte: je lui parlerai; alors il fera bien! Dann sagten sie, er hätte noch niemals mit jungen Musikern gesprochen. Auch wollte HalevyHalévy, Jacques François Fromental Élie (Fromentin Elias) (1799-1862) gar nicht glauben, daß CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842) mir das gesagt habe. Kurz, ich behaupte, daß CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842), der einzige Mensch ist, auf den KlingemannsKlingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862) Wort mit dem ausgebrannten Vulcan paßt. Er sprüht noch zuweilen, aber er ist ganz mit Asche und Steinen bedeckt. Dann LesueurLe Sueur (Lesueur), Jean-François (1760-1837), bei dem ich gestern zum erstenmale war, der tolle BoucherBoucher, Alexandre Jean (1778-1861) führte mich hin; das ist ein ganz liebenswürdiger, außerordentlich höflicher Mann, er und seine Familie (eine FrauLe Sueur, Adeline Michelle Félicité Natalisse (1787-1861) mit drei TöchternLe Sueur, Adeline-Marguerite-Marie (?-1827)Le Sueur, Clémentine-Françoise-Natalisse (?-1846)Le Sueur, Louise-Eugénie-Félicité (?-1884)) empfingen mich recht freundlich; wir werden nächstens bei ihnen essen u.s.w. u.s.w. Auch ist LesueurLe Sueur (Lesueur), Jean-François (1760-1837) (freue dich, Fanny!) für Deutsche Musik und Musiker sehr eingenommen, spricht mit dem größten Enthusiasmus von den Deutschen Meistern sagt, nur die Deutschen kennten die Philosophie der Musik, und alles Gute in Frankreich käme aus Deutschland. Aber seine Kirchenmusik soll noch lustiger und noch galanter seyn, als die von CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842), und das ist doch schlimm. Übrigens ist erLe Sueur (Lesueur), Jean-François (1760-1837) seines Betragens wegen am beliebtesten von allen Musikern bei den Franzosen. – Ritter Sigismund NeukommNeukomm, Sigismund (seit 1815) Ritter von (1778-1858) ist ein guter Mann, recht mild und freundlich; er klagt bitterlich über den Verfall der jetzigen Musik; er erzählte mir, wie dies Jahr gar keine Übungen im ConservatoireConservatoire de MusiqueParisFrankreich mehr statt fänden, und wie sie das vorige Jahr schon weit schlechter als sonst gewesen wären, wie die Orchester nicht gut sein könnten, denn sie hätten alle Morgen eine Probe und alle Abend wenigstens zwei Opern zu spielen. Kurz, er klagt, ohne abzuhelfen. SeineNeukomm, Sigismund (seit 1815) Ritter von (1778-1858) Musik ist auch recht sanft, recht lieblich, recht mittelmäßig. Kein Feuer, keine Kraft. – Was ReichaReicha (Rejcha), Anton (Antonín, Antoine, Anton-Joseph) (1770-1836) betrifft, so ist er hier gefürchtet, wie der wilde Jäger (er geht nämlich auf die Quintenjagd) übrigens obwohl er auch ein gut Theil Trockenheit abbekommen hat, ist der doch gegen CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842), wie Meer gegen Land. Seine Etüden<name key="PSN0114104" style="hidden" type="author">Reicha (Rejcha), Anton (Antonín, Antoine, Anton-Joseph) (1770-1836)</name><name key="CRT0110425" style="hidden" type="music">Études dans le genre fugue für Klavier op. 97</name><name key="PSN0114104" style="hidden" type="author">Reicha (Rejcha), Anton (Antonín, Antoine, Anton-Joseph) (1770-1836)</name><name key="CRT0110426" style="hidden" type="music">Études für Klavier op. 102</name> werden Fanny noch in gutem Andenken seyn. – Im Allgemeinen ist noch zu bemerken, daß sie sich alle beklagen. Es geht hier alles durch Cabalen und Intriguen. KreuzerKreutzer, Rodolphe (1766-1831) hat seine Stelle so verloren, so hat BaillotBaillot, Pierre Marie François de Sales (1771-1842) die seinige durch HabenekHabeneck, François-Antoine (1781-1849) bekommen, CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842) hat seinen Abschied gefordert, weil ihn Sostene de la RochefaucoultLa Rochefoucauld, Louis François Sosthène Duc de Doudeauville (1785-1864), der seit kurzem zum Chef über alle Musik gesetzt ist, als CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842) ihn besuchen wollte, sehr lange im Vorzimmer warten ließ, und, da er seinen Namen genannt, ihn fragte, was er für ein Mann wäre, und was er von ihm wolle. Alles in Unordnung und Bitterkeit – c’est tout comme chez nous!

Gestern Abend habe ich den berühmten Robin des Bois<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name><name key="CRT0111243" style="hidden" type="music">Der Freischütz op. 77 (WeV C. 7)</name><name key="PSN0109973" style="hidden" type="author">Blaze (gen. Castil-Blaze), François Henri Joseph (1784-1857)</name><name key="CRT0108234" style="hidden" type="music">Robin des bois (dt. Übersetzung und Bearbeitung von → Carl Maria von Webers Der Freischütz op. 77 [WeV C. 7])</name> gesehn. Solch niederträchtiges, fatales, infames, abscheuliches, langweiliges Quodlibet, solch Scandal habe ich doch in meinem Leben noch nie geahndet. Alle Tempi sind vergriffen, der Jungfernkranz noch mal zu schnell, die Arie der Agathe.<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name><name key="CRT0111243" style="hidden" type="music">Der Freischütz op. 77 (WeV C. 7)</name> verkürzt und ganz verändert, kurz es ist ein großer Greul Eine ausführlichere Beschreibung werde ich RitzRietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832) zusenden.

Und nun kommt ein schwerer Punct. Wir haben eure Briefe vom 28 März, und ich deine Schelte, liebste Mutter, empfangen. Aber gegen einige Puncte der letztern muß ich mich denn doch vertheidigen. Du schreibst, ich hätte, trotz deiner Bitte, die Partitur meines Quartetts<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_acncic2l-dss9-lkrw-ky9x-dobu3083hub9"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100377" style="hidden">Quartett Nr. 3 h-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 7. Oktober 1824 bis 18. Januar 1825<idno type="MWV">Q 17</idno><idno type="op">3</idno></name> mitgenommen. Ich glaube aber bestimmt zu wissen, daß ich die Partitur mit deiner Zustimmung eingepackt habe, du sagtest mir sogar noch, ich könnte die Stimmen ja abschreiben lassen wenn ich es spielen wollte, und ich hoffe VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835), der zugegen war, wird mir alles dies bezeugen. Dann behauptest du, ich erkenne nicht an, was Fanny für mich thut. Davon kann ich dir das Gegentheil nur versichern, beweisen kann ich es nicht. Glaube nur meinen Betheuerungen, denn das Lügen habe ich mir in Paris noch nicht angewöhnt. Was die übrigen Puncte betrifft, so erkenne ich dein Recht, und mein Unrecht wohl an, und bitte sehr um Verzeihung.

DeinFelix
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)

Coda.

Dir liebe Fanny kann ich nur in aller Eile noch für dein liebevolles Briefchen danken, grüße die ganze Garde; ich gebe KlingemannKlingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862) den Auftrag mich mit der Dame, die ihm die beste für mich zu seyn scheint, zum Mohrrübencôttillion zu engagiren; meinem guten RitzRietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832) einen kalten Gruß, nächsten Posttag bekommt er bestimmt einen warmen Brief, wie auch Herr Professor ZelterZelter, Carl Friedrich (1758-1832), dem du mich sehr empfehlen mußt, und somit leb’ recht wohl!

Herr Heyse! Sie bitt’ ich sehr um Verzeihung, daß ich Ihnen noch keinen ordentlichen Brief geschrieben habe; aber ich laufe ungeheuer viel herum, möchte gern alles mit einmal sehn, und zum Schreiben bleibt mir also nicht viel Zeit. Nur das muß ich Ihnen melden, daß ich einen Lehrer im Lateinischen, den Bruder des Musikers HalevyHalévy, Léon (1802-1883) habe, der die Oden von Horaz in freien französischen Versen übersetzt<name key="PSN0111678" style="hidden" type="author">Halévy, Léon (1802-1883)</name><name key="CRT0108940" style="hidden" type="literature">Odes d’Horace traduits en vers français</name> hat, und der ein recht vernünftiger Mann zu seyn scheint, denn er läßt mich das Lateinische auf gut Deutsche Manier aussprechen. Ich habe neulich TacitumTacitus, Publius (oder: Gaius) Cornelius bei ihm gelesen, quod felix faustumque sit!

BeckchenMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858) und PaulMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874), euch schreibe ich nächstens; Fanny melde ich nachträglich, daß ich an meiner Oper<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_vsfkc7nn-hmuj-5vvg-ml2h-k81zp3gydvah"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="singspiels_and_operas" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100324" style="hidden">Die Hochzeit des Camacho, Komische Oper in zwei Akten, 11. Juni 1824 bis 10. August 1825; [1826/1827]<idno type="MWV">L 5</idno><idno type="op">10</idno></name> noch keine Note geschrieben habe; und nun schließe ich die Coda des längsten Briefes, den ich je hervorgebracht.

Felix.
            Paris d. 6 April 1825. Ja, ja, Paris ist eine große Stadt. Wenn man des Abends auf dem Boulevard des Italiens spatzieren geht, und dies Gewühl und dies Gedränge sieht, dann bekommt man Respect. Eben komme ich vom Pantheon zurück; welch göttliches Gebäude! welche ungeheuer, geordnete Masse! Jeder, jeder findet hier, was er sucht, und was er braucht! Daß mich aber der Zustand der Musik gar nicht zufrieden stellt, daran ist theils Schuld, weil er wirklich gar nicht besonders ist, theils weil du, liebe Mutter, mir gar zu viel davon gesagt hast. Ich hoffte hier die Vaterstadt der Musik, der Musiker, und des musikalischen Geschmacks zu finden, und meiner Treu, so ist’s nicht. Die Salons (obwohl ich von denen nicht viel erwartete) sind ennüjant, lieben nichts, als frivole Musik, und Coquetterien, und nichts Ernstes und Solides. Die Orchester (ich habe das der Italiänischen Oper und der académie royale gehört) sind recht gut, aber keineswegs vortrefflich, und endlich die Musiker selbst sind theils vertrocknet, theils schimpfen sie wie Rohrsperlinge auf Paris und Pariser. Laßt mich diese 95 Theses mit Beispielen belegen und beweisen.
Die Salons. Ich will mal nur einen von den vielen nennen und beschreiben, und das soll die Abendgesellschaft bei der comtesse de Rumford sein. Wir kamen um ein viertel auf 11 dahin, und fanden ziemlich viel Leute in einem Zimmer versammelt. Ich wurde dem berühmten Rossini vorgestellt. Der hat ein verzwicktes Gesicht. Eine Mischung von Schelmerey, Fadaise und Überdruß, mit einem großen Backenbart, dick, wie ein Klos, fein angezogen, von allen Damen umgeben, ihre Bemühungen ihn zu unterhalten selten mit kleinem Lächeln belohnend, – da habt ihr den großen Maestro Windbeutel! Der setzte sich an’s Clavier, und accompagnirte das Ave verum von Mozart, welches zufälligerweise noch Mode ist. Da wollte er, als gelehrter Componist alle Dissonanzen vorhalten, und so präparirte er denn die Terz, die Quinte, die Octave zu Nutz und Frommen aller Zuhörenden, oder vielmehr nicht zuhörenden, denn während Musik gemacht wird, erzählen die Damen einander Mährchen, oder sie laufen von einem Stuhle zum andern, als ob sie „verwechselt das Bäumchen spielten. “ Mitten drin fällts einem alten Herrn in einer Ecke ein, charmant zu sagen, zwei Töchter, die er hat und die etwa hübsch sind sagen nach: charmant, alle jungen Herrn im Salon rufen: delicieux! und so wird das Glück eines Musikstücks gemacht. Wenn’s aus ist, so klatschen sie vor Freude, daß sie wieder auf einige Minuten Ruhe haben; und so gehts bis um 1 Uhr, oder noch später! Doch weiter in der Soirée! Eine Mde. Orfila, und eine Mde. Merlin sangen die Möglichkeit von Rossiniaden, und sangen sie wirklich recht gut, mit Feuer und so vielem Ausdruck, als solche Musik zuläßt. Dazu ist Mde. Merlin eine ci-devant schöne Frau, macht ein großes Haus, wenn sie also singt, so sind wir alle im dritten Himmel. Nun mußte ich dran glauben, und improvisiren. Das gefiel ihnen recht gut, denn mit 4 Süßigkeiten 6 Coquetterien, und einigen Passagen geht das dümmste Zeug steuerfrei durch. O ihr werdet eine große Freude haben wenn ich euch mal eine Pariser Phantasie nach dem Leben in Berlin abkonterfeyen werde. Wenn nur viel Stellen drin sind, wo man ein gerührtes „Hm!“ sagen kann, dann spielt er mit Ausdruck; kommen solche nicht, dann spielt er kalt, und wäre noch so viel Feuer drinn. Was mich betrifft, ich heule mit den Wölfen, und bin süß, wie Zuckerkandi; auch sind die Leute sehr gütig gegen mich. Doch weiter in der Soirée. Nach dem Rossini mir viele Complimente gemacht hatte, fingen die Damen wieder an von seiner Musik zu singen, und sowohl diese als die große Hitze wurden Vater und mir so unerträglich, daß wir uns drückten, und den Thee, der precis um Mitternacht kommt, im Stiche ließen. – Habe ich nun Unrecht die Soireeen schlecht zu finden? und so gehts alle Tage! Vorgestern noch war eine gräßliche Gesellschaft bei Vallentins, und da fiel ein Spas vor, den ich doch erzählen muß. Eine Dame nicht sehr weit von mir wollte sich, während ich mein f moll Quartett spielte, die Hitze erträglicher machen, und fächerte sich mit einem mit Stahl oder Flittern besetzten Fächer gegen den Tact, so daß alle Leute das unangenehme Geräusch hören mußten. Ich sah sie einige Minuten, während des Spielens fest an, (nach Franks Methode) sogleich wendeten alle Damen die Blicke auf sie, und ihren Fächer, sie wurde roth, schlug die Augen zur Erde, und – fächerte sich nicht wieder.
2. Die Orchester. Von dem Orchester der Italiänischen Oper habe ich den Othello spielen gehört. Ihr könnt euch denken, wie gespannt ich auf das Orchester und auf die Pasta war. Ich erwartete etwas bis jetzt unerhörtes. Keineswegs! Die Geigen sind ganz vortrefflich, und spielen gut zusammen, dagegen sind aber die Blase-, besonders die Blech- Instrumente höchstens mittelmäßig, und die Bässe gradezu schlecht. Das kann ich kein außerordentliches Orchester nennen. Auch die Pasta obwohl sie anerkannt eine vorzügliche Sängerinn ist, entzückte mich nicht. Sie hat ungemein viel Ausdruck, Feuer, Leben, Reichthum an Verzierungen, spielt schön, sieht schön aus, aber – die Stimme ist rauh und bedeckt, und ihr Ansatz nicht rein, und diese beiden Fehler habe ich bis jetzt noch nicht vergessen können. Vom Orchester der großen Oper hörte ich neulich die eine „Nouvelle Sinfonie de Beethoven“ spielen. Welche war’s? Die zweite. Die Ausführung war gar nicht besonders. Die Tempi waren unvernünftig schnell, und Habenek, der mit der Geige anführte, und gern zurückhalten wollte, quälte sich erbärmlich, trampelte mit den Füßen, schlug mit dem Bogen auf das Pult, daß das wackelte, bewegte den ganzen Körper, aber das half alles nichts, sie ließen sich nicht halten, sie liefen, sie liefen, und waren am Ende dem Purzeln nahe. Ist es da nicht besser, wenn einer ruhig mit dem Stock tactirt? Kurz ich habe nichts außerordentliches bisjetzt gehört. Wo steckt denn die gute Musik in Paris? Weg ist sie! Neukomm behauptet, es würde alle Tage schlechter!
Nun endlich zu den Musikern selbst, so viel ich ihrer bisjetzt kenne. Vor allem Cherubini, den ich einigemal gesehn. Der ist vertrocknet und verraucht. Neulich hörte ich in der königlichen Capelle eine Messe von ihm, die war so lustig, wie er brummig ist, d. h. über alle Maaßen. Halevy versichert, es gäbe Tage, wo gar nichts aus ihm raus zu kriegen wäre. Einen jungen Musiker, der ihm etwas vorgespielt, habe er gefragt, ob er vielleicht gut malen könne; einem andern habe er gesagt „vous ne ferez jamais rien“; wenn er selbst ihm etwas zeige, und Cherubini sage nichts und schnitte keine grimace, so müsse es ganz vortrefflich seyn. Er hat ihm nur ein einzigesmal, und zwar nachdem ihm Halevy seine Oper vorgespielt, gesagt; c’est bien. – Mais c’est trop long, il faut couper. Alle Leute, die ihn kennen, sind sehr verwundert, daß er, nachdem er mein hmoll Quartett aufs allerschändlichste hat executiren hören, lächelnd auf mich zukam und mir zunickte. Dann sagte er zu den Andern: ce garçon est riche, il fera bien; il fait même dejà bien; mais il dépense trop de son argent, il met trop d’étoffe dans son habit. Alle behaupteten, daß seye ganz unerhört, besonders, als er nachher hinzusetzte: je lui parlerai; alors il fera bien! Dann sagten sie, er hätte noch niemals mit jungen Musikern gesprochen. Auch wollte Halevy gar nicht glauben, daß Cherubini mir das gesagt habe. Kurz, ich behaupte, daß Cherubini, der einzige Mensch ist, auf den Klingemanns Wort mit dem ausgebrannten Vulcan paßt. Er sprüht noch zuweilen, aber er ist ganz mit Asche und Steinen bedeckt. Dann Lesueur, bei dem ich gestern zum erstenmale war, der tolle Boucher führte mich hin; das ist ein ganz liebenswürdiger, außerordentlich höflicher Mann, er und seine Familie (eine Frau mit drei Töchtern) empfingen mich recht freundlich; wir werden nächstens bei ihnen essen u. s. w. u. s. w. Auch ist Lesueur (freue dich, Fanny!) für Deutsche Musik und Musiker sehr eingenommen, spricht mit dem größten Enthusiasmus von den Deutschen Meistern sagt, nur die Deutschen kennten die Philosophie der Musik, und alles Gute in Frankreich käme aus Deutschland. Aber seine Kirchenmusik soll noch lustiger und noch galanter seyn, als die von Cherubini, und das ist doch schlimm. Übrigens ist er seines Betragens wegen am beliebtesten von allen Musikern bei den Franzosen. – Ritter Sigismund Neukomm ist ein guter Mann, recht mild und freundlich; er klagt bitterlich über den Verfall der jetzigen Musik; er erzählte mir, wie dies Jahr gar keine Übungen im Conservatoire mehr statt fänden, und wie sie das vorige Jahr schon weit schlechter als sonst gewesen wären, wie die Orchester nicht gut sein könnten, denn sie hätten alle Morgen eine Probe und alle Abend wenigstens zwei Opern zu spielen. Kurz, er klagt, ohne abzuhelfen. Seine Musik ist auch recht sanft, recht lieblich, recht mittelmäßig. Kein Feuer, keine Kraft. – Was Reicha betrifft, so ist er hier gefürchtet, wie der wilde Jäger (er geht nämlich auf die Quintenjagd) übrigens obwohl er auch ein gut Theil Trockenheit abbekommen hat, ist der doch gegen Cherubini, wie Meer gegen Land. Seine Etüden werden Fanny noch in gutem Andenken seyn. – Im Allgemeinen ist noch zu bemerken, daß sie sich alle beklagen. Es geht hier alles durch Cabalen und Intriguen. Kreuzer hat seine Stelle so verloren, so hat Baillot die seinige durch Habenek bekommen, Cherubini hat seinen Abschied gefordert, weil ihn Sostene de la Rochefaucoult, der seit kurzem zum Chef über alle Musik gesetzt ist, als Cherubini ihn besuchen wollte, sehr lange im Vorzimmer warten ließ, und, da er seinen Namen genannt, ihn fragte, was er für ein Mann wäre, und was er von ihm wolle. Alles in Unordnung und Bitterkeit – c’est tout comme chez nous!
Gestern Abend habe ich den berühmten Robin des Bois gesehn. Solch niederträchtiges, fatales, infames, abscheuliches, langweiliges Quodlibet, solch Scandal habe ich doch in meinem Leben noch nie geahndet. Alle Tempi sind vergriffen, der Jungfernkranz noch mal zu schnell, die Arie der Agathe. verkürzt und ganz verändert, kurz es ist ein großer Greul Eine ausführlichere Beschreibung werde ich Ritz zusenden.
Und nun kommt ein schwerer Punct. Wir haben eure Briefe vom 28 März, und ich deine Schelte, liebste Mutter, empfangen. Aber gegen einige Puncte der letztern muß ich mich denn doch vertheidigen. Du schreibst, ich hätte, trotz deiner Bitte, die Partitur meines Quartetts mitgenommen. Ich glaube aber bestimmt zu wissen, daß ich die Partitur mit deiner Zustimmung eingepackt habe, du sagtest mir sogar noch, ich könnte die Stimmen ja abschreiben lassen wenn ich es spielen wollte, und ich hoffe Vater, der zugegen war, wird mir alles dies bezeugen. Dann behauptest du, ich erkenne nicht an, was Fanny für mich thut. Davon kann ich dir das Gegentheil nur versichern, beweisen kann ich es nicht. Glaube nur meinen Betheuerungen, denn das Lügen habe ich mir in Paris noch nicht angewöhnt. Was die übrigen Puncte betrifft, so erkenne ich dein Recht, und mein Unrecht wohl an, und bitte sehr um Verzeihung.
Dein
Felix
Coda.
Dir liebe Fanny kann ich nur in aller Eile noch für dein liebevolles Briefchen danken, grüße die ganze Garde; ich gebe Klingemann den Auftrag mich mit der Dame, die ihm die beste für mich zu seyn scheint, zum Mohrrübencôttillion zu engagiren; meinem guten Ritz einen kalten Gruß, nächsten Posttag bekommt er bestimmt einen warmen Brief, wie auch Herr Professor Zelter, dem du mich sehr empfehlen mußt, und somit leb’ recht wohl!
Herr Heyse! Sie bitt’ ich sehr um Verzeihung, daß ich Ihnen noch keinen ordentlichen Brief geschrieben habe; aber ich laufe ungeheuer viel herum, möchte gern alles mit einmal sehn, und zum Schreiben bleibt mir also nicht viel Zeit. Nur das muß ich Ihnen melden, daß ich einen Lehrer im Lateinischen, den Bruder des Musikers Halevy habe, der die Oden von Horaz in freien französischen Versen übersetzt hat, und der ein recht vernünftiger Mann zu seyn scheint, denn er läßt mich das Lateinische auf gut Deutsche Manier aussprechen. Ich habe neulich Tacitum bei ihm gelesen, quod felix faustumque sit!
Beckchen und Paul, euch schreibe ich nächstens; Fanny melde ich nachträglich, daß ich an meiner Oper noch keine Note geschrieben habe; und nun schließe ich die Coda des längsten Briefes, den ich je hervorgebracht.
Felix.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1825-04-06-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1825-04-06-01" xml:id="title_9f6e325b-6f8c-4687-8576-fb93c4fcd691">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Fanny Mendelssohn Bartholdy und Carl Wilhelm Ludwig Heyse in Berlin <lb></lb>Paris, 6. April 1825</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_6b255a7f-f50d-4979-84f5-3435012cbb34">Ja, ja, Paris ist eine große Stadt. Wenn man des Abends auf dem Boulevard des Italiens spatzieren geht, und dies Gewühl und dies Gedränge sieht, dann bekommt man Respect. 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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1825-04-06" xml:id="date_3c024167-97ca-48d7-ae6d-4fc7e7d56d21">6. 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O ihr werdet eine große Freude haben wenn ich euch mal eine Pariser Phantasie nach dem Leben in Berlin abkonterfeyen werde. Wenn nur viel Stellen drin sind, wo man ein gerührtes „Hm!“ sagen kann, dann spielt er mit Ausdruck; kommen solche nicht, dann spielt er kalt, und wäre noch so viel Feuer drinn. Was mich betrifft, ich heule mit den Wölfen, und bin süß, wie Zuckerkandi; auch sind die Leute sehr gütig gegen mich. Doch weiter in der Soirée. Nach dem <persName xml:id="persName_a638542e-36b8-4329-adce-b478bb88593c">Rossini<name key="PSN0114299" style="hidden">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> mir viele Complimente gemacht hatte, fingen die Damen wieder an von seiner Musik zu singen, und sowohl diese als die große Hitze wurden Vater und mir so unerträglich, daß wir uns drückten, und den Thee, der precis um Mitternacht kommt, im Stiche ließen. – Habe ich nun Unrecht die Soireeen schlecht zu finden? und so gehts alle Tage! Vorgestern noch war eine gräßliche Gesellschaft bei <persName xml:id="persName_cf3ba9f5-eb70-4fdf-b65c-3b96f5aa875f">Vallentins<name key="PSN0118485" style="hidden">Vallentin, Familie von → Sébastien V.</name></persName>, und da fiel ein Spas vor, den ich doch erzählen muß. Eine Dame nicht sehr weit von mir wollte sich, während ich <title xml:id="title_bb2bf3d7-1c36-4783-8002-b3813bcdf69d">mein f moll Quartett<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_p88jpsj8-kctg-49h7-vi1m-nogwndtpqztd"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100374" style="hidden">Quartett Nr. 2 f-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 9. November 1823 bis [Anfang 1824]<idno type="MWV">Q 13</idno><idno type="op">2</idno></name></title> spielte, die Hitze erträglicher machen, und fächerte sich mit einem mit Stahl oder Flittern besetzten Fächer gegen den Tact, so daß alle Leute das unangenehme Geräusch hören mußten. Ich sah sie einige Minuten, während des Spielens fest an, (nach <persName xml:id="persName_5f818895-f9b0-416f-98b4-0f591410b9a6">Franks<name key="PSN0111123" style="hidden">Franck, Georg Hermann (1802-1855)</name></persName> Methode) sogleich wendeten alle Damen die Blicke auf sie, und ihren Fächer, sie wurde roth, schlug die Augen zur Erde, und – fächerte sich nicht wieder.</p><p>2. Die Orchester. Von dem Orchester der <placeName xml:id="placeName_67510f38-16b4-4d08-a88e-d7a063ad011b">Italiänischen Oper<name key="NST0100222" style="hidden" subtype="" type="institution">Théâtre-Italien</name><settlement key="STM0100105" style="hidden" type="">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> habe ich den <title xml:id="title_c578aabd-f9e0-46b3-8d7a-79e3e4f4081a">Othello<name key="PSN0114299" style="hidden" type="author">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name><name key="CRT0110586" style="hidden" type="music">Otello ossia Il Moro di Venezia</name></title> spielen gehört. Ihr könnt euch denken, wie gespannt ich auf das Orchester und auf die <persName xml:id="persName_a78f0d96-d14d-4c0d-a8f5-ada68ca5864f">Pasta<name key="PSN0113764" style="hidden">Pasta, Angiola Maria Costanza Giuditta (1797-1865)</name></persName> war. Ich erwartete etwas bis jetzt unerhörtes. Keineswegs! Die Geigen sind ganz vortrefflich, und spielen gut zusammen, dagegen sind aber die Blase-, besonders die Blech- Instrumente höchstens mittelmäßig, und die Bässe gradezu schlecht. Das kann ich kein <placeName xml:id="placeName_5b538b13-3306-4b7a-9f55-491168b33a8a">außerordentliches Orchester<name key="NST0100222" style="hidden" subtype="" type="institution">Théâtre-Italien</name><settlement key="STM0100105" style="hidden" type="">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> nennen. Auch die <persName xml:id="persName_26870546-a175-491c-9bdf-56c088725796">Pasta<name key="PSN0113764" style="hidden">Pasta, Angiola Maria Costanza Giuditta (1797-1865)</name></persName> obwohl sie anerkannt eine vorzügliche Sängerinn ist, entzückte mich nicht. Sie hat ungemein viel Ausdruck, Feuer, Leben, Reichthum an Verzierungen, spielt schön, sieht schön aus, aber – die Stimme ist rauh und bedeckt, und <persName xml:id="persName_726e2570-9eae-43ce-b615-d960d28d5946">ihr<name key="PSN0113764" style="hidden">Pasta, Angiola Maria Costanza Giuditta (1797-1865)</name></persName> Ansatz nicht rein, und diese beiden Fehler habe ich bis jetzt noch nicht vergessen können. Vom <placeName xml:id="placeName_6afc6acc-a600-4002-85aa-f43d00db7017">Orchester der großen Oper<name key="NST0100401" style="hidden" subtype="" type="institution">Grand Opéra</name><settlement key="STM0100105" style="hidden" type="">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> hörte ich neulich die eine <title xml:id="title_09bb4240-1df5-4724-aef4-a01b4af5643d">„Nouvelle Sinfonie de Beethoven“<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108063" style="hidden" type="music">2. Sinfonie D-Dur, op. 36</name></title> spielen. Welche war’s? Die zweite. Die Ausführung war gar nicht besonders. Die Tempi waren unvernünftig schnell, und <persName xml:id="persName_655f4508-7a89-4e61-9f21-991ae61a76ea">Habenek<name key="PSN0111647" style="hidden">Habeneck, François-Antoine (1781-1849)</name></persName>, der mit der Geige anführte, und gern zurückhalten wollte, quälte sich erbärmlich, trampelte mit den Füßen, schlug mit dem Bogen auf das Pult, daß das wackelte, bewegte den ganzen Körper, aber das half alles nichts, sie ließen sich nicht halten, sie liefen, sie liefen, und waren am Ende dem Purzeln nahe. <placeName xml:id="placeName_6a871577-051f-498a-bfa4-e8d44f7d30be">Ist es da nicht besser, wenn einer ruhig mit dem Stock tactirt?<name key="NST0100401" style="hidden" subtype="" type="institution">Grand Opéra</name><settlement key="STM0100105" style="hidden" type="">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> Kurz ich habe nichts außerordentliches bisjetzt gehört. Wo steckt denn die gute Musik in Paris? Weg ist sie! <persName xml:id="persName_ac54b4e9-fbb2-40bc-9ffd-d3286d0df157">Neukomm<name key="PSN0113580" style="hidden">Neukomm, Sigismund (seit 1815) Ritter von (1778-1858)</name></persName> behauptet, es würde alle Tage schlechter!</p><p>Nun endlich zu den Musikern selbst, so viel ich ihrer bisjetzt kenne. Vor allem <persName xml:id="persName_65289c57-30d5-4a1f-b158-7a492ed36a8e">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName>, den ich einigemal gesehn. Der ist vertrocknet und verraucht. Neulich hörte ich in der <placeName xml:id="placeName_4aa6da5e-05a6-4479-a6f0-11e7acf5abf4">königlichen Capelle<name key="NST0100403" style="hidden" subtype="" type="institution">La Chapelle Royale</name><settlement key="STM0100105" style="hidden" type="">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> <title xml:id="title_6f582d97-5c13-49ae-9c2e-41433f6616ec">eine Messe von ihm<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108387" style="hidden" type="music">Missa solemnis F-Dur (Cäcilienmesse)</name></title>, die war so lustig, wie er brummig ist, d.h. über alle Maaßen. <persName xml:id="persName_6b930416-71ba-43ad-9835-c8d9f0650465">Halevy<name key="PSN0111677" style="hidden">Halévy, Jacques François Fromental Élie (Fromentin Elias) (1799-1862)</name></persName> versichert, es gäbe Tage, wo gar nichts aus ihm raus zu kriegen wäre. Einen jungen Musiker, der ihm etwas vorgespielt, habe er gefragt, ob er vielleicht gut malen könne; einem andern habe er gesagt „vous ne ferez jamais rien“; wenn er selbst ihm etwas zeige, und <persName xml:id="persName_23a91bbd-c685-4953-9a04-55d44b62bfe7">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName> sage nichts und schnitte keine grimace, so müsse es ganz vortrefflich seyn. Er hat ihm nur ein einzigesmal, und zwar nachdem ihm <persName xml:id="persName_d6855db0-a4f3-44bd-bf2b-0795239a7535">Halevy<name key="PSN0111677" style="hidden">Halévy, Jacques François Fromental Élie (Fromentin Elias) (1799-1862)</name></persName> seine Oper vorgespielt, gesagt; c’est bien. – <hi rend="underline">Mais</hi> c’est trop long, il faut couper. Alle Leute, die ihn kennen, sind sehr verwundert, daß er, nachdem er <title xml:id="title_ec6fbe2a-41f4-42d5-a544-ee27669ea2be">mein hmoll Quartett<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_toqwbwur-pekt-51lo-ajxp-znbfanho73jl"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100377" style="hidden">Quartett Nr. 3 h-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 7. Oktober 1824 bis 18. Januar 1825<idno type="MWV">Q 17</idno><idno type="op">3</idno></name></title> aufs allerschändlichste hat executiren hören, lächelnd auf mich zukam und mir zunickte. Dann sagte er zu den Andern: ce garçon est riche, il fera bien; il fait même dejà bien; mais il dépense trop de son argent, il met trop d’étoffe dans son habit. Alle behaupteten, daß seye ganz unerhört, besonders, als er nachher hinzusetzte: je lui parlerai; alors il fera bien! Dann sagten sie, er hätte noch niemals mit jungen Musikern gesprochen. Auch wollte <persName xml:id="persName_4a70a1e1-40be-4263-a2ea-7328d9433c6c">Halevy<name key="PSN0111677" style="hidden">Halévy, Jacques François Fromental Élie (Fromentin Elias) (1799-1862)</name></persName> gar nicht glauben, daß <persName xml:id="persName_a4d51413-b9a2-4224-84db-d700f7b4f773">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName> mir das gesagt habe. Kurz, ich behaupte, daß <persName xml:id="persName_868d5403-f9a6-4e63-9b37-042644143075">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName>, der einzige Mensch ist, auf den <persName xml:id="persName_4ae4f3e8-b657-423b-8615-d781786b7dba">Klingemanns<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> Wort mit dem ausgebrannten Vulcan paßt. Er sprüht noch zuweilen, aber er ist ganz mit Asche und Steinen bedeckt. Dann <persName xml:id="persName_cee8a693-d1ed-441b-a7db-28deb3db21db">Lesueur<name key="PSN0112733" style="hidden">Le Sueur (Lesueur), Jean-François (1760-1837)</name></persName>, bei dem ich gestern zum erstenmale war, der tolle <persName xml:id="persName_f4746915-9095-4dc5-b385-3697082c223b">Boucher<name key="PSN0110054" style="hidden">Boucher, Alexandre Jean (1778-1861)</name></persName> führte mich hin; das ist ein ganz liebenswürdiger, außerordentlich höflicher Mann, er und seine Familie (<persName xml:id="persName_a832f2aa-b309-47b4-9f19-df19742cea30">eine Frau<name key="PSN0112730" style="hidden">Le Sueur, Adeline Michelle Félicité Natalisse (1787-1861)</name></persName> mit <persName xml:id="persName_17da86a9-c93a-4270-8b65-3beae7737c81">drei Töchtern<name key="PSN0112731" style="hidden">Le Sueur, Adeline-Marguerite-Marie (?-1827)</name><name key="PSN0112732" style="hidden">Le Sueur, Clémentine-Françoise-Natalisse (?-1846)</name><name key="PSN0112734" style="hidden">Le Sueur, Louise-Eugénie-Félicité (?-1884)</name></persName>) empfingen mich recht freundlich; wir werden nächstens bei ihnen essen u.s.w. u.s.w. Auch ist <persName xml:id="persName_b38a876a-8f02-4291-b56b-92598819096f">Lesueur<name key="PSN0112733" style="hidden">Le Sueur (Lesueur), Jean-François (1760-1837)</name></persName> (freue dich, Fanny!) für Deutsche Musik und Musiker sehr eingenommen, spricht mit dem größten Enthusiasmus von den Deutschen Meistern sagt, nur die Deutschen kennten die Philosophie der Musik, und alles Gute in Frankreich käme aus Deutschland. Aber seine Kirchenmusik soll noch lustiger und noch galanter seyn, als die von <persName xml:id="persName_99d242ab-a021-4976-808e-1987db24b0eb">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName>, und das ist doch schlimm. Übrigens ist <persName xml:id="persName_122c90df-a042-4cf4-9380-8c892626529b">er<name key="PSN0112733" style="hidden">Le Sueur (Lesueur), Jean-François (1760-1837)</name></persName> seines Betragens wegen am beliebtesten von allen Musikern bei den Franzosen. – <persName xml:id="persName_d62e7304-bd98-4135-b88d-66369dde7aa6">Ritter Sigismund Neukomm<name key="PSN0113580" style="hidden">Neukomm, Sigismund (seit 1815) Ritter von (1778-1858)</name></persName> ist ein guter Mann, recht mild und freundlich; er klagt bitterlich über den Verfall der jetzigen Musik; er erzählte mir, wie dies Jahr gar keine Übungen im <placeName xml:id="placeName_b34f16c5-8e12-43e5-8a5b-e19462520eb5">Conservatoire<name key="NST0100349" style="hidden" subtype="" type="institution">Conservatoire de Musique</name><settlement key="STM0100105" style="hidden" type="">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> mehr statt fänden, und wie sie das vorige Jahr schon weit schlechter als sonst gewesen wären, wie die Orchester nicht gut sein könnten, denn sie hätten alle Morgen eine Probe und alle Abend wenigstens zwei Opern zu spielen. Kurz, er klagt, ohne abzuhelfen. <persName xml:id="persName_f568a4b9-2347-4468-ab32-9c29dd4795dd">Seine<name key="PSN0113580" style="hidden">Neukomm, Sigismund (seit 1815) Ritter von (1778-1858)</name></persName> Musik ist auch recht sanft, recht lieblich, recht mittelmäßig. Kein Feuer, keine Kraft. – Was <persName xml:id="persName_308a8e25-44c6-4b35-9374-a1aad44c8f9f">Reicha<name key="PSN0114104" style="hidden">Reicha (Rejcha), Anton (Antonín, Antoine, Anton-Joseph) (1770-1836)</name></persName> betrifft, so ist er hier gefürchtet, wie der wilde Jäger (er geht nämlich auf die Quintenjagd) übrigens obwohl er auch ein gut Theil Trockenheit abbekommen hat, ist der doch gegen <persName xml:id="persName_c4a8547e-30bc-4eb3-ba9b-0bc7bad79158">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName>, wie Meer gegen Land. <title xml:id="title_ad830b5d-902e-4047-882c-b399247c6331">Seine Etüden<name key="PSN0114104" style="hidden" type="author">Reicha (Rejcha), Anton (Antonín, Antoine, Anton-Joseph) (1770-1836)</name><name key="CRT0110425" style="hidden" type="music">Études dans le genre fugue für Klavier op. 97</name><name key="PSN0114104" style="hidden" type="author">Reicha (Rejcha), Anton (Antonín, Antoine, Anton-Joseph) (1770-1836)</name><name key="CRT0110426" style="hidden" type="music">Études für Klavier op. 102</name></title> werden Fanny noch in gutem Andenken seyn. – Im Allgemeinen ist noch zu bemerken, daß sie sich alle beklagen. Es geht hier alles durch Cabalen und Intriguen. <persName xml:id="persName_a7bd1dcc-e0ab-48be-bd18-bf77c64d68d0">Kreuzer<name key="PSN0112547" style="hidden">Kreutzer, Rodolphe (1766-1831)</name></persName> hat seine Stelle so verloren, so hat <persName xml:id="persName_c92adbb1-db91-4bfb-a2eb-00ebde337ba7">Baillot<name key="PSN0109640" style="hidden">Baillot, Pierre Marie François de Sales (1771-1842)</name></persName> die seinige durch <persName xml:id="persName_41374c22-3147-448d-924b-6e72bd620527">Habenek<name key="PSN0111647" style="hidden">Habeneck, François-Antoine (1781-1849)</name></persName> bekommen, <persName xml:id="persName_a61bb875-0a59-4626-af96-45093bac6e26">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName> hat seinen Abschied gefordert, weil ihn Sostene de la <persName xml:id="persName_ca14c5bc-0e82-40b0-bad9-8b21888331ed">Rochefaucoult<name key="PSN0112627" style="hidden">La Rochefoucauld, Louis François Sosthène Duc de Doudeauville (1785-1864)</name></persName>, der seit kurzem zum Chef über alle Musik gesetzt ist, als <persName xml:id="persName_e812ac94-34e0-4bd7-99f0-8cba72022a45">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName> ihn besuchen wollte, sehr lange im Vorzimmer warten ließ, und, da er seinen Namen genannt, ihn fragte, was er für ein Mann wäre, und was er von ihm wolle. Alles in Unordnung und Bitterkeit – c’est tout comme chez nous!</p><p>Gestern Abend habe ich den <title xml:id="title_a77e983e-cc9d-41aa-b8c8-c8615daa6293">berühmten Robin des Bois<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name><name key="CRT0111243" style="hidden" type="music">Der Freischütz op. 77 (WeV C. 7)</name><name key="PSN0109973" style="hidden" type="author">Blaze (gen. Castil-Blaze), François Henri Joseph (1784-1857)</name><name key="CRT0108234" style="hidden" type="music">Robin des bois (dt. Übersetzung und Bearbeitung von → Carl Maria von Webers Der Freischütz op. 77 [WeV C. 7])</name></title> gesehn. Solch niederträchtiges, fatales, infames, abscheuliches, langweiliges Quodlibet, solch Scandal habe ich doch in meinem Leben noch nie geahndet. Alle Tempi sind vergriffen, der Jungfernkranz noch mal zu schnell, die <title xml:id="title_2404d5ca-ba37-447b-a88a-790aec65548d">Arie der Agathe.<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name><name key="CRT0111243" style="hidden" type="music">Der Freischütz op. 77 (WeV C. 7)</name></title> verkürzt und ganz verändert, kurz es ist ein großer Greul Eine ausführlichere Beschreibung werde ich <persName xml:id="persName_67cd0f2b-3c3d-4827-9027-59668b64a8ce">Ritz<name key="PSN0114202" style="hidden">Rietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832)</name></persName> zusenden. </p><p>Und nun kommt ein schwerer Punct. Wir haben eure Briefe vom 28 März, und ich deine Schelte, liebste Mutter, empfangen. Aber gegen einige Puncte der letztern muß ich mich denn doch vertheidigen. Du schreibst, ich hätte, <hi rend="underline">trotz deiner Bitte</hi>, die <title xml:id="title_35a9cdac-9094-4da7-bd8e-4a7064d46a05">Partitur meines Quartetts<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_acncic2l-dss9-lkrw-ky9x-dobu3083hub9"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100377" style="hidden">Quartett Nr. 3 h-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 7. Oktober 1824 bis 18. Januar 1825<idno type="MWV">Q 17</idno><idno type="op">3</idno></name></title> mitgenommen. Ich glaube aber bestimmt zu wissen, daß ich die Partitur <hi rend="underline">mit deiner Zustimmung</hi> eingepackt habe, du sagtest mir sogar noch, ich könnte die Stimmen ja abschreiben lassen wenn ich es spielen wollte, und ich hoffe <persName xml:id="persName_0e99494b-ef86-4a9e-aba1-b34d4e24063a">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName>, der zugegen war, wird mir alles dies bezeugen. Dann behauptest du, ich erkenne nicht an, was Fanny für mich thut. Davon kann ich dir das Gegentheil nur versichern, beweisen kann ich es nicht. Glaube nur meinen Betheuerungen, denn das Lügen habe ich mir in Paris noch nicht angewöhnt. Was die übrigen Puncte betrifft, so erkenne ich dein Recht, und mein Unrecht wohl an, und bitte sehr um Verzeihung. </p><signed rend="right">Dein</signed><signed rend="right">Felix</signed></div><div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_3ee1a8fe-e22b-4d17-9a7e-64a65b3c8761"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><p style="paragraph_centered">Coda.</p><p style="paragraph_without_indent">Dir <seg type="salute">liebe Fanny</seg> kann ich nur in aller Eile noch für dein liebevolles Briefchen danken, grüße die ganze Garde; ich gebe <persName xml:id="persName_f259296e-4f65-409b-aa38-f58ecce6cdc5">Klingemann<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> den Auftrag mich mit der Dame, die ihm die beste für mich zu seyn scheint, zum Mohrrübencôttillion zu engagiren; meinem guten <persName xml:id="persName_1fb4ba47-6fca-4eb3-83bd-9320e2f69beb">Ritz<name key="PSN0114202" style="hidden">Rietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832)</name></persName> einen kalten Gruß, nächsten Posttag bekommt er bestimmt einen warmen Brief, wie auch <persName xml:id="persName_1319e066-66f8-4a55-bfa1-8326d6b7e9a1">Herr Professor Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName>, dem du mich sehr empfehlen mußt, und somit leb’ recht wohl!</p><p>Herr Heyse! Sie bitt’ ich sehr um Verzeihung, daß ich Ihnen noch keinen ordentlichen Brief geschrieben habe; aber ich laufe ungeheuer viel herum, möchte gern alles mit einmal sehn, und zum Schreiben bleibt mir also nicht viel Zeit. Nur das muß ich Ihnen melden, daß ich einen Lehrer im Lateinischen, den Bruder des Musikers <persName xml:id="persName_3bee1307-eb2e-44f1-b36d-22e35e66771b">Halevy<name key="PSN0111678" style="hidden">Halévy, Léon (1802-1883)</name></persName> habe, der die <title xml:id="title_ef1e7a0a-fcad-4a98-8fe7-b50fba674743">Oden von Horaz in freien französischen Versen übersetzt<name key="PSN0111678" style="hidden" type="author">Halévy, Léon (1802-1883)</name><name key="CRT0108940" style="hidden" type="literature">Odes d’Horace traduits en vers français</name></title> hat, und der ein recht vernünftiger Mann zu seyn scheint, denn er läßt mich das Lateinische auf gut Deutsche Manier aussprechen. Ich habe neulich <persName xml:id="persName_ec9282d6-a4d4-4dd2-80c7-93b896737efd">Tacitum<name key="PSN0115235" style="hidden">Tacitus, Publius (oder: Gaius) Cornelius</name></persName> bei ihm gelesen, quod felix faustumque sit!</p><p><persName xml:id="persName_bb84d7d0-04c3-4f77-b7e9-af4a4b81c500">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> und <persName xml:id="persName_bdbe81de-6fd1-485c-a7dc-b231e579ed0e">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName>, euch schreibe ich nächstens; Fanny melde ich nachträglich, daß ich an <title xml:id="title_25a23435-e2f1-4f7c-ae36-4f4086fd00e8">meiner Oper<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_vsfkc7nn-hmuj-5vvg-ml2h-k81zp3gydvah"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="singspiels_and_operas" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100324" style="hidden">Die Hochzeit des Camacho, Komische Oper in zwei Akten, 11. Juni 1824 bis 10. August 1825; [1826/1827]<idno type="MWV">L 5</idno><idno type="op">10</idno></name></title> noch keine Note geschrieben habe; <seg type="closer" xml:id="seg_71372a43-aa34-4e51-ae81-a5a3321f7ccd">und nun schließe ich die Coda des längsten Briefes, den ich je hervorgebracht.</seg></p><signed rend="right">Felix.</signed></div></body> </text></TEI>