fmb-1822-08-22-01
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Interlaken, 22. August 1822
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
beschr. S.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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beschr. S.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Da sind wir denn in Interlaken, so recht in der Mitte der Schweiz, deren Schönheit mit Worten gar nicht auszudrücken ist, wie es denn alle möglichen Reisebeschreiber auch schon gesagt haben. Auch die Berge haben wir nach Ihrem Ausdrucke nicht geschont, und daß wir auf dem Albis, Rigi, der Teufelsbrücke, im Ursernthale am Fuße des Gotthards gewesen, kann man nicht läugnen. ihren Füßen nicht ausreicht sind ihr Pferde- oder Trägerfüße gut genug;
Und nun will ich Ihnen,
In Zürich hatte ich an
Tags darauf fuhren wir nach Art, und Goldau, und gingen von Goldau aus mit einer Caravane von Trägern, und Führern, zusammen 34 an der Zahl, den Rigi hinauf. Ungefähr als wir die Hälfte zurückgelegt hatten, überfiel uns ein heftiger Platzregen, den wir in einer Hütte abwarteten. Als der Regen nachgelassen hatte stiegen wir auf schlüpfrigen Wegen erst nach einem Kloster, Maria zum Schnee genannt, dann nach Rigistoffen, endlich auf Rigikulm angekommen, verkrochen wir uns alle schnell im Wirthshaus, da die Luft auf dem Gipfel rauh und schneidend, und der ganze Kulm mit dicken Nebeln umgeben war. Nur zuweilen zeigte uns ein Blick durch die Wolken soviel von der Gegend, als hinreichend war, um uns ihre Schönheit zu zeigen, und allgemein bedauerten wir das schlechte Wetter. Mit Hoffnung auf des Alphorns Ton, das geblasen wird wenn das Wetter gut wird, legten wir uns schlafen. Den andern Morgen tönte kein Alphorn, aus allen Kammen sahn mißmuthige Gesichter,
Wir wollen heute noch nach Lauterbrunnen, und Grindelwaldgletscher und Thal werden nicht ausgelassen.
Interlaken d. 22 Juli 1822. Da sind wir denn in Interlaken, so recht in der Mitte der Schweiz, deren Schönheit mit Worten gar nicht auszudrücken ist, wie es denn alle möglichen Reisebeschreiber auch schon gesagt haben. Auch die Berge haben wir nach Ihrem Ausdrucke nicht geschont, und daß wir auf dem Albis, Rigi, der Teufelsbrücke, im Ursernthale am Fuße des Gotthards gewesen, kann man nicht läugnen. Vater hofft, seiner Dicke werden die Berge schlecht, Mutter, sie werden der ihrigen gut bekommen; Fanny steigt auch darauf zu, und wo sie mit ihren Füßen nicht ausreicht sind ihr Pferde- oder Trägerfüße gut genug; Paul läuft sich die Beine ab; auch Beckchen ist ein großes Stück vom Rigi heraufgegangen; auch hat das ritterliche Fräulein schon manchen Ritt gemacht, der Ihr nicht schlechter bekommen, als mancher des Mittwochs und Sonnabend Nachmittags. Kurz wir alle sind munter, gesund, haben guten Humor; ich bitte sie aber, wenn es möglich wäre, sich auf den blauen Sopha zu setzen, und ihn hertragen zu lassen. Und nun will ich Ihnen, lieber Herr Professor, unsre Reise von Zürich aus erzählen, denn das wird Sie doch hoffentlich am meisten interessiren. In Zürich hatte ich an Herrn Liste, der Sie grüßen läßt, von Spohr Empfehlung, der ihn uns, als einen guten Tonkünstler, noch mehr aber, als einen vortrefflichen, in allen Gegenden der Schweiz sehr bewanderten Fußgänger anpries, als welchen er sich auch bewährt hat. Durch Zufall kamen wir nicht eher, als 4 Stunden vor unsrer Abreise zusammen, die Rede kam auf seine Fußreisen; daß er nächstens wieder auf den Rigi steigen wolle, ein Wort gab das andre, kurz, er versprach mit uns auf den Rigi zu gehn. – Von Zürich aus gingen wir auf die Albis-Hochwacht, und vom Albis herunter, beim Türler See vorbei, nach Zug. Liste aber um uns einen Beweis von seiner Kenntniß der Fußsteige zu geben (denn schon hatten wir die Länge seiner Beine, welche alle Wege abkürzten, erkannt) ging vom Albis herunter mit Herrn Heyse zu Fuß, durch Fußwege, Feldwege, über Hecken, Zäune, und Befriedigungen hinweg, kam bald vor, bald hinter uns zum Vorschein, und traf eine halbe Stunde früher, als wir in Zug ein, wo wir sehr freundlich von gebildeten Wirthsleuten aufgenommen wurden, und da uns die Krankheit der älteren Mlle. Saling, die aber nicht gefährlich war, noch einen Tag in Zug aufhielt, so besahn wir in der Kirche die Bilder von Annibal und Ludwig Caracci, und ich spielte daselbst die Orgel, der es an einig ges fehlte, denn das eine spukte unter Gestalt von gis, das andre als b etc. Bei einem gewissen Professor Kaiser spielte ich auf einem ziemlich guten Fortepiano. Denselben Tag fuhren wir über den reizenden Zugersee, gingen von Immisen, wohin Geßler wollte, in die hohle Gasse, welche nicht so schrecklich ist, als Schiller sie sich wohl gedacht haben mag. Es ist ein schöner ziemlich breiter, mit schlanken Buchen besetzter Hohlweg, und gar schön steht die Kapelle mitten in dem frischen Grün. Die andern gingen nach Küßnacht, ich blieb aber auf dem classischen Boden und zeichnete diesen reizenden und zugleich schauerlichen Hohlweg . Wir kehrten nach Zug zurück, Liste aber auf den Rigi herauf. Tags darauf fuhren wir nach Art, und Goldau, und gingen von Goldau aus mit einer Caravane von Trägern, und Führern, zusammen 34 an der Zahl, den Rigi hinauf. Ungefähr als wir die Hälfte zurückgelegt hatten, überfiel uns ein heftiger Platzregen, den wir in einer Hütte abwarteten. Als der Regen nachgelassen hatte stiegen wir auf schlüpfrigen Wegen erst nach einem Kloster, Maria zum Schnee genannt, dann nach Rigistoffen, endlich auf Rigikulm angekommen, verkrochen wir uns alle schnell im Wirthshaus, da die Luft auf dem Gipfel rauh und schneidend, und der ganze Kulm mit dicken Nebeln umgeben war. Nur zuweilen zeigte uns ein Blick durch die Wolken soviel von der Gegend, als hinreichend war, um uns ihre Schönheit zu zeigen, und allgemein bedauerten wir das schlechte Wetter. Mit Hoffnung auf des Alphorns Ton, das geblasen wird wenn das Wetter gut wird, legten wir uns schlafen. Den andern Morgen tönte kein Alphorn, aus allen Kammen sahn mißmuthige Gesichter, Liste ging herunter; – der Kulm war mit dicken Nebeln bedeckt, nichts sah man als schnellziehende Wolken, Vater war auf dem Punkt den Kulm zu verlassen, doch da wir nicht mehr nach Lucern kommen konnten, so wurde der nächste Morgen festgesetzt. Den Abend waren schöne Augenblicke, doch die Schneekette sahn wir nicht. Traurig geht jeder in seine Zelle. – Da hör’ ich in der Nacht vor Tagesanbruch ein Glöcklein, und als dies einige Minuten gedauert hatte, schmetterte plötzlich das Alphorn darein, alles wurde wach, mir war als träumte ich der heiterste Morgen hatte gedämmert, der Mond schien hell, und beleuchtete die Schneekette; deutliche standen Schreckhorn, Jungfrau und Finsteraarhorn da, kein Wölkchen war am Himmel, und Schaaren von Menschen strömten auf den Kulm. Die Sonne ging auf, da wurden die Schneeberge roth, und im Thale blieb es Nacht, nach und nach wurden auch Rigi und Pilatus hell, und endlich die Höhen im Thale und das Thal selbst, und ein alter Führer that den Ausspruch: So schön kann der Sonnenaufgang auf dem Rigi wohl sein, schöner aber kann er nicht sein. Wir wollen heute noch nach Lauterbrunnen, und Grindelwaldgletscher und Thal werden nicht ausgelassen. Ich schließe also, übermorgen kommen wir hier wieder zurück, und ich werde nicht unterlassen das Weitere Ihnen zu schreiben. Ihr ergebner Schüler F. Mendelssohn.
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Auch die Berge haben</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_6844c390-1f9d-4c10-a05a-ec374f696794">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). 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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1822-08-22" xml:id="date_c1d7292e-1cc2-470f-8d26-7fecd5e63d29">22. 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Saling<name key="PSN0114390" style="hidden">Saaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868)</name></persName>, die aber nicht gefährlich war, noch einen Tag in Zug aufhielt, so besahn wir in der Kirche die Bilder von <persName xml:id="persName_86362409-6927-4e48-b3dc-83197199aa01">Annibal<name key="PSN0110290" style="hidden">Carracci, Annibale (1560-1609)</name></persName> und <persName xml:id="persName_df669e96-1ba4-4ff7-b02f-cf59515677b0">Ludwig Caracci<name key="PSN0110291" style="hidden">Carracci, Ludovico (1555-1619)</name></persName>, und ich spielte daselbst die <placeName xml:id="placeName_2663f44b-5953-41a2-b0b7-69f98087fd59">Orgel<name key="SGH0100208" style="hidden" subtype="" type="sight">St. Oswald</name><settlement key="STM0100207" style="hidden" type="">Zug</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName>, der es an einig ges fehlte, denn das eine spukte unter Gestalt von gis, das andre als b etc. Bei einem gewissen <persName xml:id="persName_9adda98a-113d-434a-8b2b-a9cb6df31975">Professor Kaiser<name key="PSN0112295" style="hidden">Kaiser, Karl Anton (1780-1827)</name></persName> spielte ich auf einem ziemlich guten Fortepiano. Denselben Tag fuhren wir über den reizenden Zugersee, gingen von Immisen, wohin Geßler wollte, in die hohle Gasse, welche nicht so schrecklich ist, als <persName xml:id="persName_84a16018-8c41-4576-86f1-75a47c64ad91">Schiller<name key="PSN0114545" style="hidden">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name></persName> sie sich wohl gedacht haben mag. Es ist ein schöner ziemlich breiter, mit schlanken Buchen besetzter Hohlweg, und gar schön steht die Kapelle mitten in dem frischen Grün. Die andern gingen nach Küßnacht, ich blieb aber auf dem classischen Boden und <title xml:id="title_3b6fe30f-a923-489f-a965-1361b960b9ec">zeichnete diesen reizenden und zugleich schauerlichen Hohlweg<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ebkybtnp-n062-0fzb-37rb-5uuizoarkdw6"> <item n="1" sortKey="art" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="drawing_albums_and_collection_sources_with_drawings" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="drawing_albums" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100795" style="hidden">Tellen Capelle in der hohlen Gasse bei Küßnacht, 11. August 1822; fol. 7r<idno type="MWV">ZB 2/8</idno><idno type="op"></idno></name></title>. Wir kehrten nach Zug zurück, <persName xml:id="persName_911b16ad-d6b3-4e81-ae01-9693199ff3c5">Liste<name key="PSN0112893" style="hidden">Liste, Anton Heinrich (1772-1832)</name></persName> aber auf den Rigi herauf. </p><p>Tags darauf fuhren wir nach Art, und Goldau, und gingen von Goldau aus mit einer Caravane von Trägern, und Führern, zusammen 34 an der Zahl, den Rigi hinauf. Ungefähr als wir die Hälfte zurückgelegt hatten, überfiel uns ein heftiger Platzregen, den wir in einer Hütte abwarteten. Als der Regen nachgelassen hatte stiegen wir auf schlüpfrigen Wegen erst nach einem Kloster, Maria zum Schnee genannt, dann nach Rigistoffen, endlich auf Rigikulm angekommen, verkrochen wir uns alle schnell im Wirthshaus, da die Luft auf dem Gipfel rauh und schneidend, und der ganze Kulm mit dicken Nebeln umgeben war. Nur zuweilen zeigte uns ein Blick durch die Wolken soviel von der Gegend, als hinreichend war, um uns ihre Schönheit zu zeigen, und allgemein bedauerten wir das schlechte Wetter. Mit Hoffnung auf des Alphorns Ton, das geblasen wird wenn das Wetter gut wird, legten wir uns schlafen. Den andern Morgen tönte kein Alphorn, aus allen Kammen sahn mißmuthige Gesichter, <persName xml:id="persName_36b7d52e-8116-4c88-856d-96e1ef760825">Liste<name key="PSN0112893" style="hidden">Liste, Anton Heinrich (1772-1832)</name></persName> ging herunter; – der Kulm war mit dicken Nebeln bedeckt, nichts sah man als schnellziehende Wolken, <persName xml:id="persName_97aeada8-b569-4508-8bf9-594b379aad02">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> war auf dem Punkt den Kulm zu verlassen, doch da wir nicht mehr nach Lucern kommen konnten, so wurde der nächste Morgen festgesetzt. Den Abend waren schöne Augenblicke, doch die Schneekette sahn wir nicht. Traurig geht jeder in seine Zelle. – Da hör’ ich in der Nacht vor Tagesanbruch ein Glöcklein, und als dies einige Minuten gedauert hatte, schmetterte plötzlich das Alphorn darein, alles wurde wach, mir war als träumte ich der heiterste Morgen hatte gedämmert, der Mond schien hell, und beleuchtete die Schneekette; deutliche standen Schreckhorn, Jungfrau und Finsteraarhorn da, kein Wölkchen war am Himmel, und Schaaren von Menschen strömten auf den Kulm. Die Sonne ging auf, da wurden die Schneeberge roth, und im Thale blieb es Nacht, nach und nach wurden auch Rigi und Pilatus hell, und endlich die Höhen im Thale und das Thal selbst, und ein alter Führer that den Ausspruch: So schön kann der Sonnenaufgang auf dem Rigi wohl sein, schöner aber kann er nicht sein.</p><p>Wir wollen heute noch nach Lauterbrunnen, und Grindelwaldgletscher und Thal werden nicht ausgelassen. <seg type="closer" xml:id="seg_686058fc-a1e7-42f3-b4c2-cd3755cf244b">Ich schließe also, übermorgen kommen wir hier wieder zurück, und ich werde nicht unterlassen das Weitere Ihnen zu schreiben.</seg></p><signed rend="right">Ihr ergebner Schüler</signed><signed rend="right">F. Mendelssohn.</signed></div></body> </text></TEI>